Dear Loser von RedSky ================================================================================ Kapitel 20: bloody surprise --------------------------- Tusk ließ seine Gitarrentasche mitsamt dem Inhalt schwungvoll auf das Bett segeln und ging gleich weiter durch zur Küche um sich einen Kaffee zu machen. Das konnte ja gar nicht besser laufen! Der heutige Probetag bei dieser neuen Band lief allererste Sahne und die beiden Typen Seiichi und Ken wollten ihn aufnehmen! Er sollte in erster Linie den Gesangspart übernehmen, konnte aber auch nebenbei noch Gitarre spielen. Das war perfekt, was wollte er mehr? Der Zottelkopf konnte sein Glück immernoch nicht recht fassen als er sich aus dem Schrank einen Becher angelte und aus einem anderen Schrank das Kaffeepulver. Das Angebot von dieser Band war das Beste seit Langem! Und den beiden Jungs schien es auch genauso ernst mit der Band zu sein wie ihm selber. Kein „Wir probiern's mal“ und dann doch nichts, keine „Hobby-Band“ - nein, eine ernstzunehmende Rockband. Das sollte es werden und es herrschten gerade die besten Voraussetzungen um genau das auch durchzusetzen! Seine übereifrigen Hände löffelten gerade viel zu viel Kaffeepulver in den Becher. Mit den Gedanken war er auch gerade überhaupt nicht beim Kaffee sondern schon auf der Bühne. Seiichi und Ken gefielen ihm, sie spielten ihre Instrumente gut. Zudem waren sie ursympathisch und schienen gute Kumpels zu sein. Ein fester Drummer fehlte ihnen im Moment zwar noch, doch Tusk war sich sicher dass sie das auch noch in den Griff kriegen würden. Zur Not müsste für den Anfang ein Aushilfsdrummer herhalten oder vielleicht konnte er auch Nabi, der Typ mit dem er zuletzt zusammen gearbeitet hatte, zum Mitmachen überreden. Übermütig riss er den Wasserkocher vom Sockel und führte ihn, mit einem ausschweifendem Schwenker, zur Spüle um ihn mit Wasser zu füllen. Das Faszinierende war auch, wie wahnsinnig schnell er mit der Spielweise der zwei Typen harmonierte. Als hätten sie die ganze Zeit nur auf ihn gewartet! Er positionierte den nun gefüllten Wasserkocher wieder zurück auf den Sockel und schaltete ihn an. Sollte er sie endlich gefunden haben? Die Leute, zu denen er passte...? Nicht, dass er nicht zu den Sister's passte, aber er träumte nunmal in allererster Linie von einem Leben als Musiker und nicht von einer Kariere als ewiges Strassenbandenmitglied und daraus hatte er auch nie ein Geheimnis gemacht. Er mochte die Jungs da draussen alle wirklich sehr, er war gerne mit ihnen zusammen und stand stehts hinter ihnen. Aber immerwährende Kriege mit verfeindeten Banden zu führen, ständig vor der Polizei auf der Flucht zu sein und mit Diebstählen seine Langeweile zu vertreiben, das füllte ihn und seine Seele nicht aus. Er wollte das machen wonach er sich sehnte, sich regelrecht verzehrte und das war halt die Musik. Da interessierte es ihn auch nicht ob das irgendeiner der Anderen verstand oder nicht. – Wie lange brauchte das Wasser denn um mal endlich zu kochen? Ungeduldig hefteten sich Tusk's tiefdunkle Augen auf den Wasserkocher, gerade so als hätte er Superman's Röntgenblick und könnte nachschauen welchen Status das Wasser im Moment hatte. Wer weiß, je nachdem wie gut das mit der Band laufen würde, würde es vielleicht nicht nur bei Auftritten in kleinen Clubs und auf Festivals bleiben; möglicherweise wären sogar Plattenaufnahmen drin! Richtige, offizielle Veröffentlichungen, die im Plattenladen standen und für jedermann frei käuflich waren! Tusk's Herz schlug sofort schneller bei dem Gedanken und heimlich malte er sich schon alle möglichen Plattencover aus. - KLICK. Na endlich. Er hob den ausgeschalteten Kocher an und goss das dampfende Wasser in seinen wartenden Becher. Schlagartig färbte sich die einst klare Flüssigkeit ebenso dunkel wie Tusk's Iris, kaum dass sie das Kaffeepulver auf dem Becherboden berührt hatte. Er hoffte, dass Taiji für seine Entscheidung Verständnis zeigte. Er war nicht scharf drauf seine Freunde im Stich zu lassen, aber er war bereit, seine Zeit nun vermehrt seiner neuen Zukunft zu widmen. Anders würde er seine Träume nicht realisiert bekommen. Nur vom träumen alleine würden sie nicht lebendig werden. Nein, er musste daran arbeiten, musste etwas tun um die Zukunft erleben zu können die er sich vorstellte. - Der erste Schluck Kaffee landete mit einem angewidertem Spuckgeräusch ziemlich rasant auf dem Küchenfußboden. Verdammt, war das Zeugs stark! Nachdem Pata die Wohnung nach mehreren Tagen des Verkriechens endlich mal wieder verließ, führte ihn sein erster Weg direkt in den Keller. Er musste endlich mal wieder auf andere Gedanken kommen und dafür war Gras, seiner Meinung nach, das beste Mittel. Da er wusste, dass sein Onkel Joints rauchen nicht für gut heißen würde, verzog er sich für solche Aktionen immer in den Keller. Sein Onkel betrat Diesen so gut wie nie und auch die anderen Bewohner des Hauses verirrten sich nicht sehr oft in die unterirdischen Gänge ihrer Behausung. So lief Pata am wenigsten Gefahr, erwischt zu werden. Als er nun also den vertrauten, ruhigen und abgeschiedenen Raum betrat, fiel ihm sofort ein großer Karton auf der inmitten des Kellerraumes stand. Als hätte ihn dort jemand zur Abholung hingestellt, denn er sah doch sehr repräsentativ aus und etwas zu verstecken ergab ein anderes Bild als Dieses. Pata blieb am Eingang stehen, starrte auf die Kiste und lauschte ob sich hier noch jemand anderer befand. Auch seine Augen huschten bald umher um den Verdacht möglicherweise bestätigt zu sehen. Doch es war mucksmäuschenstill – wie immer. Und ausser dem üblichen Krempel befand sich hier auch nichts oder niemand anderes im Raum – wie immer. Sah man von diesem Karton da auf dem Boden mal ab. Langsamen Schrittes näherte sich der Irokese dem leblosen Eindringling, ging dicht vor es in die Hocke. Hatte einer von den anderen Jungs das hier vielleicht vergessen als sie das letzte Mal hier waren? Aber warum stand das Ding dann mitten im Raum, so demonstrativ, anstatt einfach irgendwo am Rand? Irgendwie hatte er noch etwas Hemmungen den Deckel anzuheben, aber nach kurzem Zögern griff er schließlich doch nach ihm. Langsam öffnete er den Karton und hoffte innerlich noch, dass sich darin 'ne Gummischlange befand und sich alles als alberner Scherz von hide entpuppen würde. Doch was er im nächsten Augenblick sah übertraf jeden von hide's Scherzen: In dem Pappbehältnis befand sich eine Hand. Eine menschliche Hand die ein paar Zentimeter nach dem Handgelenk sauber vom Rest des Körpers abgetrennt wurde. Pata blinzelte mehrmals hintereinander, wand den Blick ab, nur um im nächsten Moment wieder in den Karton zu kucken. Eine Hand. Der Rothaarige schluckte. Hatte einen trockenen Mund. Und ein seltsames Gefühl im Hals was er schleunigst zu ignorieren versuchte. Nochmal sah er sich sein Fundstück an, diesmal etwas genauer. Der Boden des Pappkartons war schon vom Blut stellenweise aufgeweicht; der rote Saft hatte sich reichlich in die Holzfasern gesaugt. Der Schnitt des Armknochens war noch gut zu erkennen. Das musste tatsächlich eine echte, menschliche Hand sein, keine Attrappe. Er schüttelte den Kopf. Nicht so genau hinsehen! Und doch...irgendwas zwang ihn, diesen Gedanken zu ignorieren und das Körperteil weiter zu studieren – wenn auch nicht unbedingt an der Schnittstelle. Er kannte diese Hand, da wurde er sich von Sekunde zu Sekunde sicherer. Er hatte sie schonmal gesehen....öfters. Schließlich erkannte er eine winzige Narbe, mitten auf dem Handrücken, und mit etwas Fantasie konnte man die Narbe als ein kleines 'X' identifizieren. - Und plötzlich lief es Pata eiskalt den Rücken hinunter. Kazzy hatte so eine Narbe auf dem Handrücken. Ihm wurde wieder schlecht. Das hier war Kazzy's Hand. Sofort sprang der sonst so ruhige und gelassene Junge auf und wich mehrere Schritte von dem Karton samt Inhalt zurück, bis er die Tür des Kellerraums erreicht hatte. Er musste den anderen Bescheid sagen, er musste Yoshiki Bescheid sagen! Seine Füße wollten schon Richtung Treppenhaus, als er sich doch noch besann und nochmal den Kellerraum betrat. Er legte hastig den Deckel auf den Karton, schob Selbigen in die hinterste Ecke, sah sich kurz und hektisch um und erblickte schließlich eine alte Bananenkiste. Das musste gehen. Er stellte Diese verkehrt herum über den Karton wie eine Art provisorischen Tisch, griff nach einem lila Tuch, das hide irgendwann mal hier vergessen haben musste, und legte es hastig über die Kiste. Dann hechtete er aus dem Keller, die Treppen hoch bis er wenig später keuchend seine Wohnung erreichte. Er riss die Tür auf, schnappte sich das Telefon, wählte Yoshiki's Nummer aus dem Kopf und betete, dass er zu Hause war. Nun standen sie zu viert um die Hand in der Kiste, Pata, Yoshiki, Toshi und hide. Und in den ersten Momenten brachte keiner von ihnen ein Wort raus. Pata war schließlich der Erste der seinen Blick erhob und Yoshiki mit einer Mischung aus Sorge, Verwirrung und Ekel fragend ansah. „Glaubst du, er ist noch am leben?“, brachte er endlich die Frage mit heiserer Stimme hervor. Yoshiki blinzelte kurz zu Pata, bevor seine Augen im nächsten Moment wieder auf die Hand gerichtet waren. Und er ließ sich mit der Antwort Zeit. Denn er brauchte selbst erst mal etwas um das zu verdauen was sich hier zu seinen Füßen im Halbdunkel der Kellerräumlichkeiten präsentierte. Er hatte Kazzy doch erst gestern noch gesehen und da war er quietschfidel gewesen – wie immer eigentlich. Er hatte ihm noch mit dem Rausschmiss aus der Gruppe gedroht, wenn er sich nicht mehr zusammen nahm. Und nun lag hier seine abgetrennte Hand. Und er glaubte im tiefsten Inneren nicht daran, dass Kazzy noch lebte. Doch bevor er es schaffte seine Vermutung als Antwort auf Pata's Frage zu äussern, bückte hide sich und angelte ein sauber zusammen gefaltetes Papier aus dem Karton. Das Papier hatte ziemlich dicht am Rand gelegen und das abgetrennte Körperteil zog seine Aufmerksamkeit einfach zu drastisch auf sich, als dass man sich zuerst den Brief gekrallt und durchgelesen hätte. „Hey...hier ist was.“ Der Blonde faltete das Stück Papier auseinander. Daraufhin präsentierte sich ihm eine ausserordentlich saubere, mit schwarzer Tinte geschriebene, Schrift. „Ich glaube, das ist 'ne Nachricht oder so...“, murmelte er, während seine Augen über den Text flogen. „Was steht da?“, wollte Toshi wissen und riss nun als Letzter seinen Blick von dem schauerlichem Anblick. hide's Mine verfinsterte sich ein ganzes Stück, während er las. Doch auf Toshi's Frage hin las er laut vor. „Dieses ist die rechte Hand eures Freundes. Und er hat bei Weitem noch mehr verloren als nur seine Hand.“ Yoshiki schloß die Augen und stöhnte innerlich auf. Er hatte es geahnt. Kazzy war tot. In Pata's Kehle machte sich wieder dieses unangenehme Gefühl von vorhin breit und er versuchte krampfhaft, nicht mehr auf oder in den Karton zu kucken. Toshi's Blick ruhte als Einziger unentwegt auf hide. „Macht nicht den gleichen Fehler wie dieser Junge und lehnt euch nicht zu weit aus dem Fenster, sonst dauert es nicht mehr lange bis der Nächste von euch an der Reihe ist. Wer meinem Neffen oder auch nur irgendjemanden aus meiner Familie Schaden zufügt, wird dafür bezahlen. Merkt euch das gut. Behaltet die Hand als Warnung.“ Unterschrieben war mit einem japanischem Namen. hide sah vom Brief auf und warf seinen Blick in die kleine Runde. Am längsten blieb sein Blick an Yoshiki hängen denn Dieser machte einen Gesichtsausdruck als wüsste er mehr als sie. Yoshiki seufzte, öffnete jetzt erst wieder seine Augen. „Das war die Yakuza.“ Die Stimme des Leaders klang so, als hätte er mit dem Ergebnis schon gerechnet bevor hide den Brief zu Ende vorgelesen hatte. „Sie haben Kazzy getötet. Er hat ziemliche Scheiße gebaut.“ Toshi blinzelte irritiert. „Wie meinst du das? Was hat er getan?“ Gab es etwa ein Vorkommnis von dem er nicht Bescheid wusste? Ein dezent genervtes Stöhnen, bevor Yoshiki sich auf die Bananenkiste niederließ. Sein Gesicht vergrub er erst mal eine Runde in seinen Händen, bevor er es wieder frei gab. „Der Überfall. Im Supermarkt.“ Was fragte Toshi eigentlich so blöde? Er war doch selbst live dabei gewesen. Pata, der noch immer von allen am wenigsten im Bilde war, blickte immer wieder abwechselnd zwischen Toshi und Yoshiki hin und her. „Klärt ihr mich auf? Was für'n Überfall? Was für'n Supermarkt?“ Als ein weiteres, melodramatisches Seufzen von Seiten Yoshiki's ertönte, übernahm Toshi die Erklärung. „Wir haben da so'n Supermarkt überfallen und Kazzy hat auf den Kassierer geschossen obwohl alles glatt lief.“ Na das klang ja super. Typisch Kazzy. Der Kleine bekam den Hals wohl mal wieder nicht voll. Bekam..... „Wann war das?“ „Vorgestern“, antwortete Toshi und blickte wieder zu ihrem Anführer, der sich mittlerweile mit einer Hand den Kopf hielt. „Und der Kassierer war der Neffe von einem von der Yakuza? Von dem, der den Brief geschrieben hat?“, hakte hide mit naivem Ton nochmal nach. „Na muss ja wohl! Sonst hättest du da jetzt nicht die Sauerei vor den Füßen liegen!“, murrte Toshi und hockte sich dicht neben Yoshiki. Was fragte der Kerl noch so dämlich nach? Manchmal kam ihm hide wirklich noch vor wie ein zurück gebliebenes Kind. Auch wenn er ein guter Kämpfer war, aber den Mund könnte er ruhig etwas häufiger geschlossen lassen. Um seinen Freund und Mentor zu beruhigen strich er Yoshiki nun sanft über den Oberarm. „Und...du bist sicher, dass das die Yakuza war?“ hide warf nochmal einen prüfenden Blick auf den Brief in seiner Hand. Toshi rollte mit den Augen. Yoshiki nickte nur knapp. „War sie“, krächzte er. Verdammt, warum musste ihm jetzt seine Stimme versagen?! „Ich weiß wie die arbeiten.“ Er machte eine kurze Pause. Er brauchte einige Momente um seine Stimme wieder unter Kontrolle zu kriegen. „Die sind 1 A organisiert, die haben überall ihre Quellen! Wenn irgendwo was passiert und irgendwer, der was mit denen zu tun hat, und wenn's Verwandte sind, ist darin verwickelt – die Yakuza wissen das als Erste. Noch vor den Bullen.“ Diese Informationen waren ernüchternd und sie nahmen den drei anderen Jungs jegliche Hoffnung, dass Kazzy vielleicht doch noch am leben war. hide musterte seinen Boss, legte den Kopf schief. „Woher weißt du das eigentlich alles so genau?“, fragte er schließlich nach kurzem Zögern. Yoshiki's Blick erstarrte, auch wenn das nicht sonderlich auffiel da er gerade eh vor sich auf den Boden gekuckt hatte. Verflucht...! Er hatte zu viel geredet. hide's Frage war völlig berechtigt – aber Yoshiki dachte nicht im Traum daran seinen Jungs zu verraten, dass er der Yakuza in der Vergangenheit mal was schuldig gewesen war. Nie durften sie davon erfahren! Nicht einmal Toshi, bei dem wäre er dann sofort unten durch. Er würde das Ansehen, was er bei Toshi hatte, trotz aller Freundschaft auf einen Schlag verlieren wenn er wissen würde, was damals zwischen ihm und der Yakuza lief. Er brauchte einen Fluchtweg um von diesem unangenehmen Thema abzulenken! - Aber woher einen Fluchtweg nehmen, wenn direkt vor ihnen der Arm eines toten, ehemaligen Mitglieds lag...? „Ich kannte mal wen, der bei der Yakuza noch 'ne Rechnung offen hatte“, log er, wobei diese Lüge auch nur halb erfunden war. Er hatte nie sojemanden gekannt...er war es selbst gewesen, der diese Rechnung offen gehabt hatte. Nun schien aber selbst Toshi stutzig zu werden und er blickte ihn an. „Davon hast du mir nie was erzählt“, meinte er verdutzt. Yoshiki's Augen spiegelten Zorn und Ungeduld wieder als er den Blick seines engsten Vertrauten erwiderte. „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, Toshi.“ Er stand auf um seine dominante Position in der Runde durch eine erhobene Körperhaltung zu verdeutlichen. „Soll ich dir noch jedes Mal Bescheid sagen wenn ich auf Klo gehe, oder was?“, fauchte er abweisend. Darauf erwiderte nun keiner mehr was. Heute war es um ein Haar passiert, heute hätte er sich fast verraten. Yoshiki atmete tief durch, während er Kazzy's Hand den Rücken zuwand. Er musste besser aufpassen, verdammt! Er wollte dem Thema 'Yakuza' nicht noch einmal so nahe kommen. Obwohl sie, durch Kazzy's vermeintlichen Tod, mit diesem Thema schon viel zu eng in Kontakt standen. Das bedeutete für ihn von nun an also doppelte Vorsicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)