Dear Loser von RedSky ================================================================================ Kapitel 15: Alone in the dark ----------------------------- Seit Mogwai seinen Vater an dem einem Tag am Cheonggyecheon-Fluss mit dieser anderen Frau gesehen hatte, war er sichtlich nachdenklicher und ruhiger. Er fragte sich wie es seiner Mutter ging, ob sie von der möglichen Prostituierten wusste. Oder etwas ahnte. Mogwai konnte sich selbst nicht erklären warum er auf einmal Mitgefühl mit seiner Mutter hatte; immerhin hatte die es in den letzten Jahren nie für nötig befunden ihn vor den Prügelattacken seines Vaters zu beschützen. Eigentlich hatte sie es schon lange nicht mehr für nötig befunden sich überhaupt mal um ihren Sohn zu kümmern. Sie saß meißt nur da, mit leerem Blick und rauchte ihre Zigarette. Seine Mutter hatte schon vor langer Zeit resigniert und seit dem schien ihre Zeit stehen geblieben zu sein. Sie hatte keine Arbeit, doch um den Haushalt kümmerte sie sich auch nur spärlich. Genauso wie um ihre Familie. Im Nachhinein wunderte es Mogwai eigentlich überhaupt nicht, dass sein Vater sein Glück bei anderen Frauen suchte – und wenn er sie dafür bezahlte -, und dennoch versuchte er sich vorzustellen wie seine Mutter sich dabei fühlen mochte. Obwohl er so froh war seinem Elternhaus entkommen zu sein. Oder...? „Vermisst du deine Mutter?“, fragte er Sceanna, bei dem er nun wohnte. Der Rothaarige wand seinen Kopf mit leicht verwunderter Mine in Mogwai's Richtung. Er überlegte kurz. „Nein. Naja, manchmal vielleicht.“ Er war sich darüber selber gerade nicht so sicher. „Ich hab mich dran gewöhnt dass ich mit meinem Dad alleine wohne“, kam nach kurzem Zögern schließlich die vervollständigte Antwort. „Ich hab mich auch dran gewöhnt dass ich meiner Mutter scheißegal bin und dass mein Vater mich verprügelt, aber trotzdem bin ich damit nicht glücklich.“ Mogwai's ehrliche Augen trafen Sceanna's. Dieser starrte den Freund einige Momente nur stumm an. Er verstand was er damit sagen wollte. Es ging nicht darum, ob man eine Situation ertrug, sondern darum ob man mit ihr glücklich war. Schließlich wand Sceanna langsam sein Gesicht ab. „Ich erinnere mich noch wie sie früher war, als ich noch ein Kind war. Sie hat oft mit mir gespielt.“ Mogwai hörte den Erzählungen seines Freundes aufmerksam zu. „Sie war ein fröhlicher Mensch. Glaub ich. Jedenfalls hat sie viel gelacht.“ Dann zögerte er wieder einige Sekunden. „Von der Zeit als sie krank war weiß ich kaum noch was. Ich kann mich eigentlich nicht mehr richtig daran erinnern.“ Sceanna zog seine Augenbrauen ein Stück zusammen, ganz so als versuche er sich doch irgendwie an diese zwei Jahre der Krankheit zu erinnern, als versuche er diese Zeit in seinem Kopf wieder lebendig werden zu lassen. So saß er eine ganze Weile da. Mogwai beobachtete ihn. Keiner sprach ein Wort, über mehrere Minuten lang. Bis Sceanna aus seiner Starre wieder zu erwachen schien und sein Blick wieder den Jüngeren einfing. „Warum fragst du mich das?“ Mogwai blinzelte. „Als ich meinen Vater da gesehen hab...mit dieser Frau......“ Er sprach nicht weiter, senkte nur den Kopf. Sceanna rückte näher zu ihm heran, legte einen Arm um ihn. „Hey, er wird dich nicht mehr in die Finger kriegen! Wir sind für dich da und wir passen auf dich auf, okay?“ Mogwai umarmte ihn wortlos. Er wusste, dass seine Jungs für ihn da waren und das niemand von ihnen zulassen würde dass ihm etwas passierte. Er wusste, dass die Sister's seine Familie waren. Und doch...wünschte er sich noch eine andere Art von Familie. Eine Mutter und einen Vater die ihn liebten, die sich um ihn sorgten und kümmerten. Denen er wichtig war, denen er etwas wert war. Er wünschte sich Eltern die ihn umarmten anstatt ihn zu schlagen. Als hide nach Tusk's Auftritt das 'Bulletproof' verließ, kam er nicht weit. Kaum hatte er beide Füße durch den Eingang bewegt, wurde er hart am Kragen gepackt und zur Seite gezogen. Auf diesen Überfall nicht vorbereitet, keuchte hide erschrocken auf bis er im nächsten Moment in Pata's Augen starrte. Sein Herz hämmerte noch mehrere Momente wie wild gegen seinen Brustkorb und sein Hirn benötigte auch so einige Sekunden bevor es begriff, wer da nur wenige Millimeter vor ihm stand und ihn finster anfunkelte. „Pata...!“ Der Freund verzog keine Mine, starrte ihm nur mit unerbittlichem Blick in die ehrlichen und naiven Augen. „Was fällt dir eigentlich ein?!“, begann er dann schließlich doch noch. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dich von dieser Hackfresse fern halten?“ Er schüttelte hide kurz aber hart am Kragen, den er immernoch fest im Griff hatte. „Hab ich's dir nicht gesagt??“ Die Wut über den Ungehorsam des Freundes wurde nun nicht nur in Pata's Augen sichtbar, sondern auch in seiner Stimme. „Verdammt Pata, lass mich los!“, kam es nun aber auch etwas lauter von hide, der seine ersten Schrecksekunden überwunden hatte und sich nun aus dem Griff des Anderen freizuwinden versuchte. „Du bist doch auch hier! Und wenn du mich da drinnen gesehen hast, warst du ja auch freiwillig in der Nähe der sogenannten 'Hackfresse'!“ Es gelang ihm nur schwer, sich aus Pata's Klaue zu befreien; der Irokese hatte einen verdammt harten Griff. „Ich bin hier weil ich dich gesehen habe wie du hier reingelaufen bist!“, entgegnete er im messerscharfem Ton. „Das hier ist nicht unser Revier sondern das der Sister's! Hast du eigentlich 'ne Ahnung was die mit dir gemacht hätten, wenn sie dich erwischt hätten? Wenn noch mehr von denen hier rumlungern und nicht nur dein Freund mit der Zottelmähne?“ Er schien sich zu bemühen, so abfällig wie nur irgendmöglich über Tusk zu reden. hide antwortete nicht sofort; er suchte nach Argumenten. „Es ist mein Ding wo ich mich aufhalte“, entgegnete er schließlich leise und mit einem leicht trotzigem Unterton. „Ist es nicht!“ Es kam nicht oft vor, dass Pata laut wurde oder gar schrie – doch jetzt gerade war einer dieser seltenen Momente gekommen wo er es tat. Der Blonde sah den Freund mit erschrockenen Augen an – er hatte sichtlich nicht mit so einer Lautstärke gerechnet. Ob Pata sich gerade bewusst war dass er die Aufmerksamkeit einiger Passanten dadurch auf sich zog? Plötzlich jedoch registrierte hide, wie sich Pata's zorniger Blick in regelrechte Verzweiflung wandelte. „Verdammt...! Ich will einfach nicht dass du die Seiten wechselst! Nur weil diese Witzfigur 'n bißchen Gitarre spielen kann und dir damit scheinbar den Kopf verdreht...“ Solche Emotionen ließen sich bei Pata eigentlich kaum beobachten und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Er hatte sonst immer die berühmte harte Schale um seinen weichen Kern, aber diese Schale schien nun erhebliche Risse bekommen zu haben. hide jedoch glotzte den Anderen nun völlig verständnislos an. „Warum sollte ich die Seite wechseln...?“, kam es von ihm verblüfft und naiv. Er war eigentlich ein ganz helles Köpfchen, nur auf die offensichtlichsten Sachen musste man ihn manchmal mit der Nase stoßen. Sein Blick wurde weicher und er trat wieder näher an seinen Freund heran. „Glaubst du, ich würde X verlassen wollen? Das will ich doch gar nicht...!“ Was Pata glaubte bekam Dieser gar nicht ausgesprochen. Er blickte nur in die nussbraunen Augen seines langjährigen Freundes. hide ließ seinen Kopf frontal gegen Pata's Brust sinken. „Und mir verdreht auch keiner den Kopf...“, fügte er nuschelnd hinzu. Er schwieg eine Weile, bevor er den Kopf wieder hob und ihm nun abermals ins Gesicht sah. „Ich find' doch einfach nur gut wie er spielt... Wieso darf ich ihn mir nicht ankucken? Wieso darf ich nicht gut finden was er macht?“ „Weil das zu gefährlich ist“, entgegnete Pata nur mit rauer Stimme und legte seine Arme um den schmalen Körper des Blonden, ganz so als wolle er ihn damit vor den besagten Gefahren, die er nicht weiter ausführte, beschützen. So standen die Beiden eine ganze Weile da, schweigend. hide hatte seine Nase in Pata's Shirt verbuddelt und genoss den vertrauten Geruch des Anderen. Wie jemand der Zuflucht suchte, sah hide in diesem Moment aus. Er fühlte sich hin und her gerissen. Er verstand durchaus, dass Pata nicht so begeistert davon war dass er einen Auftritt von Tusk besuchte. Aber er verstand nicht warum Pata deshalb so dermaßen ausrastete. Er selbst hatte doch nie verkündet dass er sich Tusk anschließen wollen würde und mit ihm gemeinsam auf Tour gehen wollte. Obwohl er diesen Gedanken heimlich gar nicht mal so abstoßend fand. Aber das behielt er wirklich lieber für sich, ansonsten könnte er sich die Freundschaft zu Pata in die blondgebleichten Haare schmieren, das wusste er. Aber trotzdem fand er Pata's Reaktion übertrieben und er konnte sie nicht hundertpro nachvollziehen. In hide keimte mittlerweile der Verdacht, dass es in Pata's Leben irgendein Ereignis gab von Welchem er nie berichtet hatte, seine Meinungen und Ansichten zu diesem Thema aber großspurig lenkten. Was genau das sein mochte, davon hatte hide keine Ahnung und er konnte sich auch nichts Konkretes ausmalen. Aber dass da was war...das Gefühl hatte er schon. Morrie verließ gerade das Haus und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte einen Kumpel besucht und war nun auf dem Heimweg. Es war wieder etwas kühler geworden was auch am letzten Regenschauer gelegen haben könnte, dachte sich Morrie als sein Blick auf die nassen Strassen fiel. Er zog seine dünne Jacke etwas fester um sich und ging mit großen Schritten die abgelegene, menschenleere Seitenstrasse entlang. Er mochte diese Gegend nicht. In erster Linie weil sie sich mitten im Revier von X befand. Und zweitens weil sie auf ihn stets eine zwiespältige Ausstrahlung hatte. Er hatte seinen Kumpel schon mehrfach versucht dazu zu bewegen, sich woanders 'ne Bude zu suchen. Doch ging es seinem Freund nicht anders als ihm selbst: Er hatte nicht viel Geld und wohnte nur hier weil die Miete billig war. Und genau aus dem selben Grund war diese Straße hier überhaupt bewohnt. Wenn auch oftmals von sehr fragwürdigen Gestalten. Morrie vermutete sogar, dass irgendeiner von X hier wohnte, doch hatte er keine handfesten Beweise dafür. Morrie's schwarze Stiefel hallten über den nassen Gehweg. Es war fast gespenstisch, wie abgeschieden man sich hier in diesen Gassen fühlte..... In vielen Fenstern brannte noch nicht einmal Licht, obwohl es schon auf halb zwölf Uhr Nachts zuging. Er hatte nichts gesehen und nichts gehört, doch plötzlich spürte er wie ihm etwas schmales, hartes in den Rücken gedrückt wurde. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und drückte ihn mit dem Gesicht gegen eine raue Hauswand. „So ganz alleine unterwegs?“, raunte ihm eine Stimme ins Ohr. Er erkannte sie sofort: Es war Toshi. Und das Gefühl im Rücken, das er in der ersten Sekunde nicht einordnen konnte, erkannte er nun auch: Es war der Lauf einer Pistole. Diese Kombination war hochgefährlich. Und das Einzige was ihm gerade durch den Kopf ging war: Scheiße. „Was willst du?“, knurrte er mißmutig, ohne seinen Kopf nach hinten zu wenden. Er hätte es gerne getan um dem Typen in die Augen blicken zu können, doch Toshi war unberechenbar und zu schnell zu reizen. Eine falsche Bewegung oder auch nur ein falscher Wimpernschlag und der Junge konnte explodieren und einem erhebliche Schäden zufügen. „Was ich will? Ach, da gibt es so Einiges...'nen schnellen Ferrari, heiße Bräute, Geld.... Aber ich glaube kaum dass du mir auch nur irgendetwas von meiner Wunschliste besorgen kannst!“ Er presste den Lauf der Waffe härter in Morrie's Rücken. „Und was soll das dann hier?“, wollte der Ältere wissen. Ein Grinsen voller Genugtuung formte Toshi's Lippen. „Du weißt, wo du dich grad aufhälst...?“ „In eurem Revier, verdammt“, erwiderte Morrie zähneknirschend. Jetzt wusste er wieder warum er es hasste alleine unterwegs zu sein, zumindest in solchen Gegenden. Man war den herumlungernden Spinnern oftmals hilflos ausgeliefert. „Richtig. Und eigentlich sollte ich dir allein dafür schon den Schädel wegpusten!“, fauchte Toshi und presste den Lauf mittlerweile regelrecht fanatisch in den Rücken des Feindes, sodass er schon den Widerstand der Knochen spüren konnte. „Was hindert dich daran? Angst?“ Nun war es also doch geschehen: Er konnte seine Klappe nicht halten. „Ich hab keine Angst!!“, brüllte Toshi daraufhin sofort agressiv los und riss Morrie an den langen Haaren, sodass Dieser zwangsläufig seinen Kopf schmerzhaft im Nacken wiederfand. „Aber DU wirst Welche haben!“, fauchte er ihm heißblütig ins Ohr. „Du wirst vor Angst sterben, du dreckiger Bastard...!“ Toshi's Stimme klang immer fanatischer und abermals riss er Morrie an den Haaren. Von Diesem erklang nur ein schmerzhaftes Keuchen, ansonsten erwiderte er vorerst nichts. Viel mehr wollte er wissen was als Nächstes geschah. Ob er gleich die abgefeuerte Kugel im Rücken spüren würde und auf dem scheißnassem Fußweg krepieren würde – oder ob Toshi doch zu feige war. Vielleicht war das hier aber auch erst das Vorspiel und die übrigen Typen von X hatten sich hier ganz in der Nähe versteckt und würden jeden Moment über ihn herfallen und ihn auseinander nehmen. Jede der Szenen stellte Morrie sich im Schnelldurchlauf vor und als er alle Möglichkeiten erschöpft hatte, stand er immernoch da, den Kopf viel zu tief im Nacken, den Lauf im Rücken, die Wand vor sich. Worauf wartete dieses kleine, blonde Arschloch noch?? „Du warst schon immer zu feige irgendwas alleine durchzuziehen. Ohne die Anderen bist du ein lächerlicher Niemand. Und ohne Yoshiki wärst du wahrscheinlich zu dumm zum atmen!“ Morrie hatte sein eigenes Mundwerk nicht mehr unter Kontrolle. Und er hatte keinerlei Respekt vor so einem erbärmlichen Rotzlöffel wie Toshi der sich immer aufspielte und in Wirklichkeit einfach nur ein Verlierer war. Selbst die Knarre änderte nichts daran. Womöglich war das Ding noch nicht einmal geladen. Der Beweis, dass zumindest Morrie's letzte Vermutung falsch war, erklang keine Sekunde später. Denn da peitschte ohne Vorwarnung ein lauter Schuss durch die Nacht. Morrie schloss die Augen. Würde er also doch in dieser Drecksgegend krepieren. Er wartete darauf dass ihm seine Beine versagten. ….doch auch noch Sekunden später stand er in exakt der selben Position wie zuvor. Er spürte nicht einmal irgendwelche Schmerzen – ausgenommen Denen an seinem Kopf, weil Toshi ihm die Haare immernoch nach hinten riss. Aber sein Rücken war frei von irgendwelchen negativen Empfindungen. Jetzt erst realisierte er, dass er selbst den Lauf nicht mehr spürte! Morrie riss die Augen auf. Er wurde gar nicht erschossen? Toshi, der die Pistole senkrecht über sich gehalten und in die Luft geschossen hatte, nahm den Arm wieder runter und drückte den Lauf jetzt an Morrie's ungeschützten Hals. „Die nächste Kugel bläst dir dein scheiß Hirn aus deinem dreckigen Schädel...!“ Toshi's Stimme war fast tonlos, bestand beinahe nur aus hasserfülltem Fauchen. Morrie spürte wie das energische Ziehen an seinen Haaren nach ließ und sich schließlich auch der Lauf von seinem Hals verabschiedete. Trotzdem starrte er noch einige Sekunden auf die Wand vor sich, ehe er seinen Kopf wieder zur Seite nahm und Toshi mindestens mit den Augen verfolgen wollte. Doch die paar Sekunden, in denen Morrie nicht sofort reagiert hatte, genügten dem Anderen um zu verschwinden. Leicht verwirrt trat Morrie von der Hauswand weg, drehte sich um, ließ seine Blicke die schmale Strasse entlang gleiten, in beide Richtungen. Doch sein Angreifer war verschwunden. Als hätte Toshi sich mit den umliegenden Schatten verschmolzen. So urplötzlich wie er aufgetaucht war, hatte er sich auch wieder aufgelöst. Lautlos. Morrie stand völlig verlassen mitten auf dem Gehweg, genauso verlassen wie er vor Toshi's Anwesenheit war. Das spärliche Licht, dass aus manchen Fenstern hinaus schien, beleuchtete die nasse Strasse nur sehr unregelmäßig. Morrie war allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)