Dear Loser von RedSky ================================================================================ Kapitel 11: strange days ------------------------ Mit festem Blick und harten Schritten ging Yoshiki auf Taiji zu. Glut flimmerte in seinen Augen. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken packte er Taiji's Handgelenke und presste sie neben dessen Kopf fest an die Mauer, zu der der Lockenkopf mit dem Rücken stand. Gefährlich nah schob sich nun sein Gesicht vor das des Jüngeren. Taiji konnte anhand der Mimik erkennen, wie zufrieden Yoshiki mit diesen Anblick war und wie sehr er es genoss. Und gerade als er seinen Mund auf machen und was sagen wollte, pressten sich zwei weiche Lippen auf seine Eigenen und eine hungrige und gierige Zunge schob sich rücksichtslos in seine Mundhöhle. Taiji erstarrte, war nicht fähig sich zu rühren, war zu perplex um zu reagieren. Sein Erzfeind küsste ihn – und das sogar ziemlich gut, wie er sich, nach den ersten Schrecksekunden, selbst eingestehen musste. Prüfend wand er seine Handgelenke im Griff des Anderen. Yoshiki war stark, verdammt stark und seine Hände hielten ihn bedingungslos festgetackert. Er war gefangen. Doch es war eine reizvolle Gefangenschaft und so langsam kam auch wieder Leben in den stürmischen Rebellen sodass seine Zunge nun begann, den heftigen Kuss zu erwidern...sich mit der Zunge des Anderen zu paaren.............. Mit einem kurzen aber lauten Aufschrei saß Taiji schlagartig kerzengerade im Bett. Er keuchte. Sein Puls raste. Er war nassgeschwitzt. Seine Augen huschten sekundenlang quer durch das Zimmer, bevor er begriff wo er war. „Sei mal nicht so laut!“, drang die Stimme seines großen Bruders durch die dünne Wand, gefolgt von aufforderndem Klopfen. Taiji wand langsam und mit zerknirschtem Gesicht seinen Kopf zu der Wand an der sein Bett stand und von der das Klopfen kam. Der Typ da drüben hatte mal wieder Nerven.... „Halt's Maul!“, brüllte er nur gereizt zurück und schlug mit der Faust ebenfalls gegen die hellhörige Wand, um seine Aussage zu unterstreichen. Dann schloss er für mehrere Momente die Augen. Was um Gottes Willen war das....? Was hatte er da geträumt....? Yoshiki würde ihn küssen? Er würde Yoshiki küssen? Was für Absurditäten hatte sein Hirn da wieder fabriziert? Leise stöhnend fuhr er sich mit der Hand durch das feuchtgeschwitzte Gesicht, als er plötzlich stutzte. Warum spannte sich der Stoff seiner Boxershorts so seltsam? Hastig schlug er die Bettdecke zur Seite und starrte auf seine Morgenlatte. Auch das noch! Als ob dieser verrückte Traum nicht schon reichen würde – nein, jetzt reagierte auch noch sein Körper darauf! Und ausgerechnet SO! Erneut aufstöhnend erhob er sich nun aus dem Bett, stellte sich unter die Dusche dessen Wasser er extra kalt eingestellt hatte, zog sich an und nahm sich sein Frühstück, wie immer, mit auf's Zimmer. Eher mürrisch schaufelte er den Reis und den gebratenen Fisch in sich hinein, waren seine Gedanken doch noch die ganze Zeit bei seinem seltsamen Traum... Wie kam sein Verstand nur auf die Idee, ihm früh am Morgen – okay, mittlerweile war es zehn Uhr durch – solch einen Schock zu verpassen? Der gestrige Zusammenstoß lief doch ganz anders ab... „Hiro.....wo ist er?“ Nun war es Taiji, dem es fast die Sprache verschlug. Er blinzelte irritiert. Noch nie hatte er erlebt dass Yoshiki das Interesse daran verlor ihn fertig zu machen – und jetzt war ihm sein kleiner Bruder wichtiger als ihm Eins in die Fresse zu schlagen? Zeigte sich da etwa Besorgnis beim Leader von X? Bei dem Leader, der sonst immer für seine eiskalte Brutalität und Hinterhältigkeit bekannt war? Taiji blinzelte ihn unschuldig an. „Keine Ahnung“, entgegnete er achselzuckend und seine Verwunderung war ihm noch anzuhören. „Ich frag doch nicht jeden Penner, der in mich reinläuft, wo er gerade hin will.“ Spätestens jetzt hätte Taiji mit dem ersten Faustschlag gerechnet – aber es kam nichts. Yoshiki stand nur da, ließ seine Blicke durch die Strasse gleiten, schien jeden, den seine Augen erfassten, in sekundenbruchteilen 'abzuscannen' um zu überprüfen ob es sich nicht doch um seinen kleinen Bruder handeln konnte. Mehrere Momente stand er so da und wurde vom Anführer der Sister's nur völlig verdaddert angestarrt. „Verdammt...“, murmelte er irgendwann, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und einfach in die nächste Strasse rein rannte – ohne Taiji auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Dieser stand nun vollkommen perplex da, konnte nicht glauben was da gerade geschehen war – bzw. dass NICHTS geschehen war. Was um Himmels Willen war hier los? Es brauchte schon eine Menge um etwas für Yoshiki interessanter zu machen als eine Schlägerei. Und irgendwie musste der kleine Bruder da wohl mit drin hängen. Fassungslos den Kopf schüttelnd trabte Taiji langsam weiter, immer noch nicht so ganz realisierend, dass das seine erste Begegnung mit Yoshiki war bei der nicht mal ein blaues Auge verteilt wurde... Mittlerweile hatte Taiji sein Frühstück verdrückt, auch wenn ihn die Gedanken an Yoshiki immer noch nicht so ganz loslassen wollten. Er schnappte sich seine Schuhe und Jacke und verließ, ohne sich von seiner Mutter oder seinen Geschwistern zu verabschieden, das Haus. Die nächsten Stunden würde er mit kleineren Diebstählen in Schmuckgeschäften und Kaufhäusern verbringen, um die Beute in den darauffolgenden Stunden zu verkaufen. Am späten Nachmittag holte er Tommy von seiner Arbeit ab. Sie streunerten quer durch die Strassen, bis sie am frühen Abend schließlich im 'Enter the Dragon' landeten, einer stets gut besuchten Cocktailbar und Kneipe die immer gute Musik und hübsche Mädchen zu bieten hatte. Als die beiden Freunde den Laden betraten ahnte keiner von ihnen, dass genau in dieser Gasse, in der das 'Enter the Dragon' lag, Hiroki am Vortag mit Drogen gedealt hatte und von Pata dabei beochatet wurde. Jetzt saßen Taiji und Tommy gemeinsam an der Bar und schlürften ihren himmelblauen 'Twisted Sister'-Cocktail. Untermalt wurde die Szene mit experimenteller Musik, bestehend aus einem Gemisch von Rock- und Elektromusik in der im Hintergrund immer mal wieder seichte, verspielte Glockentöne erklangen. Es war typisch für diesen Laden dass er oft etwas seltsame Musik von noch völlig unbekannten Künstlern spielte – solange sie zu der allgemeinen Atmosphäre passte. Die Räumlichkeiten waren überwiegend in rotes Licht getaucht, sodass man sich leicht ans Nuttenmilleu erinnert fühlte; nur hinter der Bar herrschte noch etwas hellere Beleuchtung. Taiji nuckelte an seinem Strohhalm und bearbeitete ihn immer mal wieder mit den Schneidezähnen. Er hatte Tommy jetzt erst von seiner gestrigen Begegnung mit Yoshiki erzählt. „Was hälst du davon?“, nuschelte er und starrte unentwegt in die blaue Brühe vor sich in seinem Glas. „Von Yoshiki's Verhalten?“ Tommy machte eine kleine Pause, scheinbar um sich selbst erst mal im Klaren zu werden was er davon halten würde. „Ich würd' ma' sagen, du bist nicht der Einzige der seine Hauptaufmerksamkeit auf sich zieht.“ Taiji blinzelte ihn fragend an. Er verstand nicht recht was Tommy damit meinte. „Er hat einfach noch andere Sachen im Kopf als dir pausenlos seine Macht zu demonstrieren“, versuchte Tommy ihm seine Gedanken zu erklären. „Aber genau das versteh ich nicht! Er hat sonst nie eine Gelegenheit ausgelassen, mir Eine reinzuhauen! Und plötzlich macht er Einen auf besorgten großen Bruder und rennt Hiroki hinterher...? Da is' doch was faul.“ Tommy schmunzelte ihn an. „So wie du klingst könnte man meinen, du vermisst Yoshiki.“ „Schwachsinn!“, fuhr er seinen besten Freund sofort an. „Den Penner würd' ich nie vermissen! Selbst wenn sie den abknall'n wär's mir egal. Ich will nur wissen was er vor hat....“ Weil ihm keine andere Erklärung logisch erschien als die, dass Yoshiki ihn mit seinem fraglichem Verhalten von irgendwas ablenken wollte, biss Taiji sich auf diese Idee fest. Der Junge mit den zweifarbigen Haaren und dem langen, schwarzen Lackmantel stützte seinen Kopf schräg auf die Hand und musterte den, im Moment sichtlich etwas verpeilten, Leader der Sister's no Future. Taiji war bei weitem nicht so ein brutaler Schläger wie Yoshiki (ausser es gab einen Grund zur Schlägerei) und nicht mal ansatzweise solch ein Eisklotz der seine Gefühle perfekt verbergen konnte. Ganz im Gegenteil: Taiji sah man seinen Gemütszustand recht schnell an. Eine Eigenschaft, die gerade für einen Bandenboss gefährlich werden konnte. Aber Taiji war zu seinen Leuten fair, er behandelte alle gleich, war fürsorglich und würde, ohne zu zögern, für jeden von ihnen sein Leben geben. Deshalb hatte die Gruppe auch nie in Erwägung gezogen Taiji von seinem Posten zu entfernen und einen anderen als Leader einzusetzen. Nur sein großes Herz und seine Naivität könnten ihm eines Tages zum Verhängnis werden... „Sag mal, checkst du's nicht?“, fragte Tommy im ruhigen und sanften Ton. „Der hat Angst um seinen kleinen Bruder. Wahrscheinlich hat der irgendwas ausgefressen oder steckt in 'ner ganz üblen Sache mit drin und Yoshiki versucht lediglich, ihn da wieder raus zu boxen.“ Taiji wand nun seinen Kopf zur Seite, schaute Tommy an. Er sprach davon als sei es das Selbstverständlichste der Welt, auf seinen kleinen Bruder aufzupassen. Wenn er dabei an seinen eigenen großen Bruder dachte, der, soweit er sich zurück erinnern konnte, sich nie so fürsorglich um ihn gekümmert hatte, kam ihm Tommy's Erklärung beinahe schon absurd vor. Absurd weil es so fremd klang. Er kannte es nicht. Sein großer Bruder war immer einfach nur sein großer Bruder gewesen, aber nie sein Beschützer. Eigentlich verspürte er generell keine besondere Bindung zu seinem Bruder. Er war einfach nur da, schon immer dagewesen – aber was hatte er schon großartig gemacht? Ausser da zu sein? Taiji ging sein Leben im Schnelldurchlauf durch und nirgends gab es eine Szene in der sein Bruder besonders hervorstach. Er war mittlerweile sogar schon davon überzeugt, dass wenn der Typ eines Tages einfach verschwinden würde, es ihm gar nicht auffallen würde. Plötzlich spürte er eine Hand die sich sanft auf seine Schulter legte. „Ich weiß, dass du soetwas nicht kennst“, erklang Tommy's Stimme, für die Musik fast schon etwas zu leise. „Aber es gibt diese Verbundenheit in manchen Familien.“ Taiji's Blick, der während seiner Erinnerungsabrufe von Tommy weggedriftet und ins Leere gerichtet war, heftete sich nun wieder an ihn. 'Ihr seid meine Familie', hätte Taiji fast gesagt, zügelte seine Zunge aber noch rechtzeitig und blieb stumm. Doch Tommy kannte seinen Freund gut genug und er erkannte diesen Satz auch ohne Worte in Taiji's glasigen Augen. Plötzlich wurde die Tür zum 'Enter the Dragon' aufgerissen und jemand brüllte keuchend: „Scheiße, die Bullen kommen!“ Seit vor einigen Wochen ein paar Jugendliche hier in der Bar mit etwas Gras erwischt wurden, fanden in unregelmäßigen Abständen Drogenrazzien statt. Die Polizei schien sich zu erhoffen, diesen Laden bald dicht machen zu können, so eifrig wie sie den Schuppen jedes Mal unter die Lupe nahmen. „Fuck...!“, zischte Taiji, nahm noch kurz einen Schluck seines Cocktails und schnappte sich Tommy, um mit ihm zu den Klos zu flüchten. Der ganze Laden war in Aufruhr und jeder der was zu verbergen hatte versuchte dies, so gut er nur konnte. Aber auf die Idee, den beiden schrägen Vögeln zu den Toiletten zu folgen wo Diese sich durch die winzigen Fenster nach draussen zwängten, kam kaum einer. Gerade packte Taiji Tommy's Hand und half ihm durch die schmale Öffnung ins Freie. Kaum war auch Tommy draussen, rappelten sich beide auf und rannten quer über den Hinterhof, um dann über den meterhohen Zaun zu klettern. Als sie auch diesen hinter sich hatten liefen sie trotzdem, der Vorsicht halber, zwei-drei Strassen weiter um auch wirklich die Bullen in sicherer Entfernung zu wissen. Auch wenn sie keine Drogen dabei hatten, sie waren beide keine unbeschriebenen Blätter und mieden die Polizei wo sie nur konnten. „Wenn sie den Laden doch mal dicht machen, hab ich 'n Problem. Du kriegst hier in der Gegend nirgendwo 'n 'Twisted Sister' der so hochprozentig ist wie dort“, meinte Taiji irgendwann, als sei das seine größte Sorge. Doch noch bevor er weiter über Hochprozentiges philosophieren konnte, erweckte eine am Boden kauernde Gestalt seine Aufmerksamkeit, die er zuerst nur aus dem Augenwinkel wahr nahm als sie an einer Gasse vorbeigingen. Taiji wand seinen Kopf zur Seite und erkannte die kauernde Person sofort. Es war Hiroki der da mit dem Rücken an die Wand gelehnt saß, halb zwischen Mülltonnen und alten Kartons verborgen. Als Taiji das sah, blieb er sofort stehen und hielt Tommy am Arm fest, um ihn ebenfalls zum anhalten zu bewegen. Das Viertel, in dem sie sich gerade aufhielten, war trotz der noch recht frühen Abendzeit nur mäßig belebt. Wenn man sich genauer umsah wusste man auch sofort warum, denn hier dominierten alte, zerfallene und teils unbewohnte Wohnhäuser und vereinzelte, zumeist sehr zwielichtige Kneipen das Bild. Taiji blieb mehrere Momente still stehen und beobachtete Hiroki aus einiger Entfernung. Er schien unentschlossen zu sein ob er dem blonden Jungen mehr Beachtung schenken oder ihn doch links liegen lassen sollte. Schließlich entschied er sich aber für Ersteres und so trat er langsam über die schmale Strasse, auf das Häufchen Elend zu, jedoch trotz allem wachsam für den Fall, dass das hier widererwartend doch eine Falle oder Ablenkungsmanöver war. Schließlich war er bei dem Jüngeren angekommen, doch dieser saß nur da und schluchzte leise vor sich hin, seinen Blick irgendwo ins nirgendwo vor sich gerichtet. Er schien seine zwei neuen Besucher noch überhaupt nicht wahr genommen zu haben. Dafür flossen ihm Tränen über die blassen Wangen. In Taiji weckte dieses Bild schlagartig seinen Beschützerinstinkt und Dieser schien wohl auch vorübergehend die Information in seinem Hirn ausgeschaltet zu haben, dass es, trotz aller Umstände, immernoch der kleine Bruder seines verhassten Erzfeindes war. „Hey....was hast du?“ Tommy realisierte sofort die Weiche in Taiji's Stimme. Er musste beinahe ein wenig lächeln. Vielleicht hatte Taiji nie einen großen Bruder gehabt der sich um ihn sorgte und auf ihn aufpasste, dafür war er aber für viele andere wie ein großer Bruder. Hiroki zuckte zusammen, wirbelte seinen Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam und erkannte jetzt erst, dass er nicht mehr alleine war. Er starrte mit panischen Augen in Taiji's Gesicht, Welches seltsamerweise gar nicht so aggressiv aussah wie er es in der ersten Schrecksekunde erwartet hatte. Rasch musterte er die beiden Typen und stellte fest, dass sie gar keine Messer gezückt hatten. Sie standen einfach nur da, neben ihm, und blickten ihn an. Fragten sogar was mit ihm los sei. Hiroki war nur noch verwirrt. Er verstand dieses Verhalten der Zwei nicht. Wieso gingen sie nicht auf ihn los und traten und bespuckten ihn? „Hast du etwa die Sprache verloren als du gestern in mich reingerannt bist?“, fragte Taiji und nun ging er sogar in die Hocke, um mit Hiroki auf einer Höhe zu sein. Ein gefährliches Fehlverhalten welches Taiji normalerweise nicht beging, denn in einer Situation, die nicht deutlich einzuschätzen war, die sichere aufrechte Position zu verlassen, war etwas was einem unter Umständen den Kopf kosten konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)