Es sind nicht die Drogen, es ist Liebe! von Idris (Chris/Andy) ================================================================================ Kapitel 2: Andy hat keine Probleme ---------------------------------- Anmerkung: Ich habe keine Kontrolle über diese Figuren. Sie machen sowieso was sie wollen. Das Hauptproblem von Andy war, dass er keine Probleme hatte. Das klang theoretisch gut, war aber praktisch zum kotzen, wenn man in der Pubertät und wild entschlossen war gegen irgendetwas zu rebellieren. Es gab einfach nichts wogegen er sein konnte. Seine Familie gehörte irgendwo in die obere Mittelschicht, was hieß, dass meistens genug Geld da war, aber selten Zeit um es auszugeben. Und seine Eltern waren nett. Als wäre er nicht gestraft genug. Sie waren unglaublich besorgt um ihn und wahnsinnig verständnisvoll für alle seine Probleme (die er nicht hatte) und nahmen sich „Zeit für ihn“. Leider machte das vorhandene Geld es schwierig wie ein wahrer Punk gegen die kapitalistische Gesellschaft zu rebellieren. Vor allem, wenn man vorhatte mit achtzehn den Porsche seines Vaters zu erben. Und das hatte er. Kapitalismus war Kapitalismus, aber ein Porsche war immerhin ein Porsche. Schule fiel ihm leicht, was es schwierig (und irgendwie unsinnig) machte, gegen das Terrorregime des Bildungssystems zu rebellieren. Es erschien ihm relativ sinnlos darauf einen Hass zu schieben, wenn er doch relativ ohne große Anstrengung gute Noten bekam. Die Mädchen machten es ihm überwiegend leicht, die Jungen etwas schwieriger, aber so oder so lief in diesem Bereich auch alles zu glatt. Das einzige Problem was er hatte, waren die ganzen Joints, die er rauchte und die ihm regelmäßige Besuche beim Schulpsychologen und bei der Suchtberatung einbrachten. Und die seine Eltern noch besorgter und bemühter machte als ohnehin schon. High zu sein war der Höhepunkt seines Alltags. Aber sogar das hörte langsam auf wahnsinnig viel Spaß zu machen. Er fühlte sich die meiste Zeit über ziellos und unruhig, egal ob zugekifft oder nüchtern, hin und hergetrieben ohne zu wissen, wohin. Es gab keinen Grund gegen etwas zu rebellieren oder für etwas zu kämpfen und es gab niemals einen Grund sich für irgendetwas anzustrengen. Und dann kam Chris. ~*~ „Hör zu, ich …“ Andy hatte sich vor Chris‘ Pult aufgebaut. Er schob seine Hände in die Hosentaschen und atmete tief durch. Tessas aufgebrachte Stimme rang ihm noch in den Ohren. „Ich habe mich wie ein Idiot benommen. Gestern meine ich. Ich habe mich furchtbar verhalten und ich gestehe, dass ich mich nur noch undeutlich daran erinnere, was … was das ganze in keinster Weise besser macht. Ich sollte nicht so viel von dem Zeug rauchen. Ich schwöre, ich wollte damit aufhören, aber es ist Schuljahresanfang und ich dachte, das ist jetzt keine gute Idee ohne Stoff da reinzugehen und …“ Chris hob den Blick langsam von dem Buch in das er grade vertieft war und warf Andy einen überraschten Blick zu. Seine Augen waren sehr grün hinter den Brillengläsern. Langsam wandte er den Kopf nach links und dann nach rechts. Dann wieder zu Andy. „Redest du mit mir?“ vergewisserte er sich. „Autsch. Ich glaube, das habe ich verdient. Sehr gut. Straf mich mit Verachtung und eisiger Ablehnung.“ Andy wippte auf seinen Turnschuhen hin und her und gab sich Mühe zerknirscht auszusehen. Das war nicht leicht. Oh man, er hatte das nachträglich auf die Drogen geschoben, aber Chris war wirklich unglaublich. Dieses Gesicht machte ihn schwach. Er wollte schon wieder Gedichte dazu verfassen, aber das kam jetzt sicher nicht gut, wenn er grade dabei war, sich zu entschuldigen. „Ich kann dir nicht verdenken, wenn du mich für einen Idioten hältst. Tessa hat mir versichert, ich habe mich wie einer verhalten. Aber ich … also, ich fürchte, ich habe mich gestern in alle deine Kurse eingetragen und das tut mir wirklich leid. Ich bin normalerweise kein Stalker. Ich schiebe es auf geistige Umnachtung und mangelnde Zurechnungsfähigkeit. Aber, weißt du, ich dachte … da ich aber nun schon mal hier bin, können wir eigentlich auch das Beste daraus machen, nicht wahr? Ist der Platz neben dir eigentlich noch frei?“ „Ja.“ Chris hob eine fein gezeichnete helle Augenbraue und fragte: „Kennen wir uns?“ Andy warf seine Tasche unter das Pult und ließ sich neben ihn auf den Sitz fallen. „Ich bin der Typ, der … uhm … Du erinnerst dich? Gestern? Ich? Du? Im Flur?“ Er machte eine vage Handbewegung. Eigentlich gehörte er zu den Leuten, die relativ schwer wieder zu vergessen waren. Das lag unter anderem daran, dass seine Haare derzeit wieder dreifarbig waren und an der Tatsache, dass er überdurchschnittlich gut aussah und wahnsinnig nett und charmant war. Fanden zumindest alle anderen. Außer Chris offensichtlich. Das nagte jetzt irgendwie an seinem Ego. Chris schien nachzudenken. „Du hast versucht mit mir zu flirten“, stellte er schließlich fest. „Genau! Ganz genau, das war ich.“ Andy nickte eifrig. „Das war unmöglich, unverzeihlich, ich schiebe das total auf den Hasch. Deswegen soll man auch keine Drogen nehmen – damit man sich nicht total zum Löffel macht am ersten Schultag.“ Chris zuckte mit den Schultern und wandte sich erneut seinem Buch zu. „Möglicherweise auch wegen den Folgeschäden wie Schizophrenie, Abhängigkeit, Leberschäden und Impotenz“, erwiderte er. „Huh. Das ist ein Argument.“ Chris, das stellte er relativ schnell fest, ignorierte ihn nicht mit Absicht. Es war mehr so, dass es eine Weile brauchte, bis er bereit war, seiner Umwelt und den dazugehörigen Menschen Aufmerksamkeit zu schenken. Was ihm Andy überwiegend nicht einmal verdenken konnte. Ab dem dritten Tag, an dem er in alle seinen Kursen aufgetaucht war und sich neben ihn gesetzt hatte, bildete Andy sich ein, wenigstens einen Funken Wiedererkennens in seinen (ausnehmend schönen, nach Gedichten verlangenden) Augen zu entdecken. Möglicherweise. Am vierten Tag saßen sie zusammen in Deutsch. Der Klassenraum war noch überwiegend leer und der Gong war noch nicht ertönt. Andy hatte den Kopf auf die Arme gelegt und starrte Chris durch seinen buntgefärbten Pony an. Chris saß neben ihm und war völlig versunken in sein Buch. Seine Lippen bewegten sich beim Lesen. „Es gibt wenige Leute, mit denen man einfach schweigen kann“, stellte Andy fest. „Das ist echt toll an dir. Ich meine, man muss ja auch nicht immer reden.“ Chris blätterte um, der Blick konzentriert auf die Seiten vor sich gerichtet. Sonnenstrahlen flimmerten durch die schmutzigen Fenster des Klassenraums und hinterließen Lichtpunkte auf seinen hellen Haaren. Es sah aus wie ein Heiligenschein. „Aber wo wir grade dabei sind - warst du letztes Jahr auch an dieser Schule?“ fragte Andy, als er es nicht mehr aushielt, ihn wortlos anzuhimmeln. „Du bist mir nicht aufgefallen und ich hätte mich doch an dich erinnert.“ Es dauerte einen Augenblick bis Chris das Buch sinken ließ. „Ist das wieder der Versuch zu flirten oder reines Interesse?“ „Spielt das eine Rolle?“ „Eigentlich nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. Seine langen, schmalen Finger spielen abwesend mit den Buchseiten. Chris wirkte immer ein wenig geistesabwesend, das war Andy schon aufgefallen. So als ob er immer ein bisschen woanders und nie ganz da war. Als ob die Welt um ihn herum nie so spannend war, wie das was in seinem Kopf vor sich ging. „Ich war letztes Jahr auch hier.“ „Verdammt.“ Andy schlug sich mit der Handfläche an die Stirn. „Unfassbar! Ich habe dich ein ganzes Jahr lang ignoriert. Das kann nicht sein. Mea culpa, mea imbecillitas und so weiter. Ich mach es wieder gut. Ich lade dich zum Essen ein, okay? Du musst doch irgendwann was essen, richtig?“ Chris nickte. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit ja.“ „Eben! Wenn du das mit mir tust, kannst du mich kennenlernen und verlierst keine überflüssige Zeit. Minimaler Arbeitsaufwand, maximaler Effekt. Was sagst du? Freitagabend? Acht Uhr? Ich kenne da einen tollen Italiener in der Innenstadt und …“ „Du hast Mea Culpa gesagt“, unterbrach Chris ihn, mit zum ersten Mal sowas wie Interesse im Blick. Andys Kopf eifrig auf und ab. „Ja, das ist lateinisch und heißt …“ „Ich weiß was das heißt. Es hat mich nur überrascht etwas Intelligentes von jemandem zu hören, der so dumme Anmachsprüche verwendet.“ „Schmerz. Lass. Nach.“ Andy winkte betont gleichgültig ab. „Aber das ist in Ordnung. Reiß mir das Herz heraus, trampel darauf herum, mach mich fertig - habe es verdient!“ Er gab sich Mühe so viel aufrichtiges Bedauern und Zerknirschtheit wie möglich in den Blick zu legen. Chris blinzelte sekundenlang überrascht, bevor er sich zurücklehnte und nachdenklich durch seine Haare fuhr. „Das klang beleidigend, oder?“ Andy nickte und winkte großzügig ab. „Kein Thema.“ „Mein Bruder sagt, ich muss aufhören Menschen zu beleidigen.“ „Oh nein, nein, nein! Du kannst mich gerne beleidigen, jederzeit! Ich meine, los, tu dir keinen Zwang an, lass es raus, gib mir Tiernamen!“ „Was?“ Chris wandte den Kopf. An seinen Mundwinkeln zuckte ein amüsiertes Lächeln und in seinen Augen funkelte es. Zum ersten Mal in diesem Gespräch sah er so aus, als sei er wirklich ganz und gar hier und als sei die Wirklichkeit zum ersten Mal interessanter als alles, was in seinem Kopf vor sich ging. Andy war fasziniert. „Danke für das Angebot“, sagte Chris trocken. „Ich komme darauf zurück.“ Andy grinste breit. „Oha. Kinky.“ Der Klassenraum um sie herum begann sich zu füllen. Rechts und links nahmen Schüler ihre Plätze ein und versuchten wie jedes Jahr möglichst weit weg von der Tafel einen Tisch zu ergattern. Bücherrascheln und Geschnatter hing in der Luft. Andy bemerkte sie kaum. Dieser Knabe war unglaublich. „Wie sieht es aus mit Freitagabend?“ fragte er. „Ich kann dich auch den ganzen Abend auf Latein umwerben, wenn das dein Ding ist.“ Und weil es nie schadete für sich selbst Werbung zu machen, fügte er hinzu: „Ich spreche natürlich auch noch andere Sprachen, weil ich so überdurchschnittlich talentiert und begabt bin. Deswegen solltest du auch unbedingt mit mir ausgehen und nicht mit einem der anderen Versager aus dieser Schule!“ Das war gelogen. Na gut, nicht gelogen, nur ein bisschen … übertrieben. Aber Andy war tatsächlich schnell im Lernen und Verstehen und hielt es nicht für unmöglich, sich bis morgen Abend schnell noch Anmachsprüche in sechs verschiedenen Sprachen einzuhämmern. Konnten die alten Römer überhaupt flirten? Bestimmt. Auch auf lateinisch musste es möglich sein zu sagen ‚Als ich vor Kurzem im Lexikon unter „Wow“ nachgesehen habe, war da ein Bild von dir‘. „Ich kann Freitagabend nicht weggehen“, erwiderte Chris zögernd. Andys Strahlen fiel in sich zusammen. Das war eindeutig ein Korb. Verdammt. Das durfte nicht wahr sein. Sie waren doch bestimmt füreinander – hatte Chris das noch nicht bemerkt? Aber wie sollte er das auch merken, wenn Andy sich in seiner Gegenwart zu 90% wie ein völliger Idiot aufführte, der mehr Dope als Sauerstoff im Gehirn hatte. Er musste aufhören, sich zum Löffel zu machen. Irgendwo ganz tief in ihm drin war bestimmt der abgeklärte, ruhige, intelligente, erwachsene Andy, mit dem Chris den Rest seines Lebens verbringen wollte. Er wusste es. Er musste diesen Andy nur finden und raus lassen. Irgendwie. Er räuspert sich und winkte lässig ab. „Das ist okay. Kein Problem. Wirklich, das ist cool.“ Jetzt brauchte er eigentlich nur noch eine Brücke um sich davon zu stürzen. „Nein, ich meine, ich kann nur nicht weggehen“, korrigierte Chris, während er das Buch in seinem Rucksack verstaute und anfing seine Deutschsachen hervorzukramen. „Aber du kannst zu uns kommen und Pizza mitbringen. Meine Eltern sind nicht da.“ Andy blinzelte. Weg mit der Brücke. Hallo Liebe. Fortsetung folgt ... ganz sicher. ^^ Und dass dieser Freitagabend nicht so läuft wie Andy sich das vielleicht vorstellt, dürfte jetzt schon klar sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)