Farfalla von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Wie, was soll das heißen, wir haben keine Sojasoße mehr? Ich hab doch gestern zu dir gesagt, du sollst eine kaufen, Idiot!“ Mit einer leicht genervten Stimme staucht ein Mädchen mit teils kinnlangen, braunen Haaren einen Jungen an. Dieser hat kurze schwarze Haare, noch kürzer als die von dem Mädchen. Kota ist sein Name, und wie immer trägt er ein einfaches, motivloses, blaues Shirt und eine lange, dunkelblaue Hose. Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Ertapptheit blickt er das Mädchen vor sich an. „Sorry, Yuka, aber ich habe einfach nicht mehr daran gedacht, Außerdem war ich mehr damit beschäftigt, auf Nyu zu achten, dass sie nicht irgendetwas macht.“ Yuka, die selbst ein langärmeliges, rosa Shirt und darüber ein noch längeres, violettes Kleid trägt, geht nun näher auf ihn zu. Sie verschränkt ihre Arme vor dem Körper, zieht eine Augenbraue hoch, und blickt mit einem ungläubigen Blick Kota direkt in die Augen.  „Jaja, von wegen, am Ende warst du viel mehr mit gucken, grapschen und knutschen beschäftigt.“ Man kann den leicht eifersüchtigen Unterton quasi heraushören. Nur Kota mal wieder nicht. Er gehört zu der Sorte Menschen, die so etwas nicht bemerken. Diese eifersüchtigen Untertöne. Dementsprechend reagiert er auch.  „Was, nein, das hab ich nicht, das würde ich nie tun!“ Mit seinen Händen wedelt er vor sich herum, um die Schuld von sich abzuweisen. Schuld, die er seiner Meinung berechtigterweise nicht hat. Tatsächlich musste er die meiste Zeit auf Nyu achten, die neugierig die ganzen Sachen im Supermarkt begutachtete, und dies nicht nur mit den Augen. Auch kam es mal vor, dass sie anderen Leuten Dinge aus den Einkaufswägen klaute, und diese dann wie einen Schatz vor Kotas Nase hielt. Da waren öfter mal ein paar Worte der Erklärung und der Entschuldigung nötig.  „So, so, meinst du?“ Mit einem noch leicht skeptischen Blick und Unterton mustert sie ihn, und seufzt kurz auf. „Na gut, wie auch immer. Jetzt sollten wir auf jeden Fall die Sojasoße kaufen, sonst können wir die Teriyaki-Spieße heute Abend vergessen.“ Ebenfalls leicht genervt seufzt nun auch Kota. „Na gut, dann geh ich eben schnell welche holen. Kann ich Nyu mitnehmen? Sie freut sich immer so, wenn ich sie zum Einkaufen mitnehme.“  Wie als wäre dies ein Signal gewesen, fällt Yuka ihm fast ins Wort. „Dann werde ich mitgehen! Nicht, dass du am Ende noch auf dumme Gedanken kommst und Nyu in irgendeine Ecke zerrst, um deine perversen Fantasien an ihr auszulassen. Und so wie ich dich kenne, vergisst du die Soße wieder.“ Eben angesprochener merkt schnell, dass er gegen seine dickköpfige Freundin keine Chance hat. Schließlich gibt er nach. „Na schön, dann komm halt mit.“ Schnell rennt er in das Wohnzimmer, um seinen Geldbeutel zu holen, den er in der hinteren Hosentasche unterbringt. Dann blickt er sich um, und als er nicht findet, was er sucht, fängt er laut an, zu rufen. „Nyu, wo bist du? Komm, wir wollen einkaufen gehen!“ „Nyu, Nyu!“ Schnell kam ein Mädchen, dass einen Kopf kleiner als er selbst ist, angelaufen. Ihre langen, rosafarbenen Haare reichen ihr bis zur Taille runter. Ihre großen, roten Kulleraugen blicken ihn erfreut und neugierig an. Mal wieder trägt sie einige von Yukas Klamotten, ein rotes Top mit rüschenartigen Trägern, und einen gelben Rock, mit weißen Querstreifen verziert. Dazu lilafarbene Stiefel und eine lange, grüne Bommelmütze. Mit genau zwei Bommeln.  Sie hielt in ihrer Hand ein paar Wachsmalstifte und in der anderen ein Blatt Papier, was wohl bedeutet, dass sie wohl gerade beim Malen war. Obwohl sie weder richtig sprechen kann, bis auf wenige Ausnahmen, und auch meist nicht versteht, was man ihr sagt, tut sie es in diesem Moment doch. Freudig darüber, dass sie mitdarf, lächelt sie Kota an. Im gleichen Atemzug hält sie ihr Kunstwerk hoch. Wenn man nicht wüsste, dass Nyu es gemalt hat, hätte man vermutet, es ist das Bild eines Kleinkindes. Darauf ist ein Haus abgebildet, und eine Sonne, dazu ein Mädchen, dass offenbar sie darstellen soll und … „Bin das etwa ich?“ Eine kurze Weile sieht er die zweite Person auf dem Papier an, und in Nyus Augen ist ein Blick, der seine Vermutung bestätigt. Zugegeben, es ist kein wahres Meisterwerk, aber immerhin erkennbarer als am Anfang.Da malte sie eher noch wie ein Baby, wirre Kreise und Striche. „Das hast du gut gemacht, Nyu. Du wirst immer besser.“ Lobend streichelt er ihren Kopf und lächelt sie an. Diese lächelt mit einer großen Freude in den Augen zurück. Was Kota gefällt. Yuka dagegen passt es weniger. „Ihr zwei Turteltauben da drüben, wenn ihr fertig seid, würde ich gerne mal zum Einkaufen gehen.“ Sie nimmt eine Stofftasche und dreht sich zur Tür an. „Aber so wie es aussieht, seid ihr noch beschäftigt. Wenn es euch nichts ausmacht, wird ich schon mal zum Markt vorausgehen.“ Mit schnellen, energischen Schritten stampft sie fast schon zur Tür, und schließt diese beim Verlassen mit einem lauten Knall zu.  „Warte doch, Yuka, lauf doch nicht weg! Komm, Nyu, wir sollten sie lieber einholenn, bevor sie noch endgültig wütend wird.“ Er packt sie an der Hand und will schon anfangen, seinen Worten Taten folgen zu lassen, als ihm etwas einfällt. „Achja, leg die Stifte und das Blatt besser auf den Tisch. Sonst gehen die noch verloren.“ Kaum hat sie die Sachen abgelegt, packt Kota sie erneut am Handgelenk und sie beide rennen aus der Pension raus. Nach kurzer Zeit lässt er sie allerdings wieder los.  „Mann, Yuka ist aber verdammt schnell!“ Obwohl die beiden wie die Verrückten ihr nachjagen, ist das braunhaarige Mädchen nicht in Sichtweite. „Dann müssen wir eben noch etwas schneller laufen!“, sagt Kota, und legt deutlich an Tempo zu. Und wird schneller. Irgendwann zu schnell, jedenfalls für Nyu. Sie spurten um Ecke um Ecke, und sie kommt auch gut hinterher, nur der Abstand wird immer größer. Irgendwann ist er zu groß, und schließlich ist er um irgendeine Ecke verschwunden. Leider ist für Nyu nicht erkennbar, um welche genau er gelaufen sein könnte.  „Kota?“ Fragend blickt sich das Mädchen um. Nach ein paar Minuten entscheidet sie sich für einen der drei Wege, die die Straße Weg in dem sie sich gerade befindet, kreuzen. Erst läuft sie die Gasse entlang, entscheidet sich aber dann dafür, das Ganze doch lieber langsam zu machen. „Kota? Kota?“ Die Leute, die an ihr vorbeigehen, blicken sie an, doch gehen trotzdem weiter ihrer Wege. Und so irrt der Diclonius weiter herum, ohne zu wissen, dass er den falschen Weg genommen hat.  Und so geht es eine Weile lang. Immer mal wieder biegt sie ab, geht um Kurven, und überquert mit viel Glück die Straßen. Da ihr Verkehrsregeln ein Fremdwort sind, und sie auch vom Ampelsystem keine Ahnung hat, müssen ihr immer wieder irgendwelche Leute über die Straße helfen, wenn sie nicht selbst blitzschnell darüber rennt. Oder aber sie müssen sie eben davon abhalten. Besonders bei stark befahrenen Hauptstraßen.  Längst ist der Nachmittag angebrochen, und die warme Sonne, die den ganzen Tag über schon so angenehm warm war, sendet immer noch ihre Strahlen herunter. Die Temperatur ist immer noch angemessen für die Jahreszeit, nicht zu kalt, aber auch nicht zu heiß. Überall sind Menschen unterwegs, die das schöne Wetter ausnutzen wollen, um auf dem Markt einkaufen zu gehen. Oder um einfach nur einen Spaziergang zu machen.  Nyus Weg, welcher eigentlich keiner ist, führt sie irgendwann in den Park. Kleine Kinder spielen mit ihrem Fußball herum, Verliebte suchen den Schutz im Schatten der Bäume, um zu picknicken oder um sich einfach zu küssen. Längst vergessen, dass sie Kota sucht, blickt sie sich neugierig um. Hier war sie noch nie, und sie hat noch nie in ihrem Leben einen solchen Ort gesehen. „Es scheint dir hier wohl auch zu gefallen, oder?“ Nyu dreht sich um, und sieht in das Gesicht eines älteren Mannes, der seine Jugend schon lange hinter sich gelassen hat, ins Gesicht. Er sitzt auf einer Parkbank; seine Haare, die er noch im vollen Schopfe hat, schneeweiß. Seine Augen freundlich und voller Lebenserfahrung.Seine Hände, auf dem Gehstock vor ihm abgestützt. Er trägt ein einfaches blaues Herrenshirt, und dazu eine mittelbraune, lange Hose. Auf der Bank links neben ihm liegt eine durchsichtige Plastiktüte, in der sich Brotkrümel befinden, mit denen er die Parktauben vermutlich füttert.  „Nyu?“ Nyu sieht den alten Mann neugierig an. Wo sie doch davor noch nie einen so alten Mann gesehen hat. Vorsichtig, aber von ihrer Neugierde getrieben geht sie auf den Mann zu, und betrachtet mit großen Augen die weißen Haare. „Nyu? Nyu! “ Nach bereits wenigen Sekunden gefallen sie ihr, was man an dem zufriedenen Ton hören kann. Der alte Mann lächelt vergnügt.  „Hier, willst du das hier mal probieren? Keine Angst, ich bin keiner dieser bösen Männer, die Mädchen schlimme Dinge antun.“ Er kramt in seiner Tasche und holt eine Packung Kekse heraus. Es sind einfache Kekse, ohne jeglichen Schnickschnack. Nyu begutachtet die Packung zunächst, doch dann nimmt sie sie, setzt sich neben den Mann und fängt an, ein paar zu essen. Danach denkt sie ganz angestrengt nach, bis ihr einfällt, was sie sagen will. „Danke!“  Eines der wenigen Worte, die sie bisher hinbekommt.  „Wie ich sehe, schmecken sie dir. Iss sie ruhig auf, das ist schon in Ordnung.“ Der alte Mann lächelt sie vergnügt an. „Ach, wie unhöflich, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, verzeih mir bitte. Mein Name ist Bela Lepke, aber sag einfach Bela zu mir. Und, wie heißt du?“ „Nyu!“ Der alte Mann sah sie immer noch lächelnd an. Jeder andere hätte jetzt vermutlich gemeint, die Kleine will ihn nur ärgern, da sie immer nur ein Wort sagt. Doch Bela bleibt ganz ruhig. „Ist Nyu dein Name?“ „Nyu, Nyu", erwidert sie und nickt dabei. Wieder lächelt Bela. „Du erinnerst mich an meine Frau, sie war auch so eine niedliche Frohnatur.“ Wieder kramt er in seiner Tasche, holt aber dieses Mal eine Brosche heraus. Sie hat das Aussehen eines Schmetterlings. „Hier, weißt du was das ist? Das ist eine Brosche, von einem Schwalbenschwanz. Sie war die Lieblingsbrosche meiner Frau, sie hat sie immer getragen. Sie war so etwas wie ein Glückssymbol für sie, das ihr immer Glück bringen soll.“ Die Brosche, etwa halb so groß wie sein Handteller, sieht tatsächlich wie ein Schwalbenschwanz aus. Das typische Gelb; und dazu die schwarzen Verzierungen, und die blauen und roten Punkte. Obwohl er sicherlich schon einige Jahre auf dem Rücken hat, sieht er immer noch wie neu aus.  Und so bleiben sie lange sitzen, auf der Bank. Nyu, kekseknappernd, hört Bela zu, wie er Geschichten erzählt. Über seine Kindheit in Ungarn, aus dem Land, aus dem er kommt. Über sein Studium, dass ihn nach Japan brachte, und wo er auch seine große und einzige Liebe kennenlernte. Wie er mit ihr glücklich war. Und wie er sich am Ende von ihr wieder verabschieden musste.  So wurde es schließlich Abend, die Sonne versinkt langsam, und die beiden sitzen immer noch auf der Bank. Nach einer Weile bricht Bela das Schweigen, das zwischenzeitlich eingetreten ist. „Tut mir leid, dass ich dich mit meiner ganzen Geschichte beladen habe. Aber ich habe schon lange nicht mehr mit jemanden geredet, der mir auch zuhört. Du bist ein gutes Mädchen.“ Tätschelt ihr kurz den Kopf. „Du bist wirklich ein süßes Mädchen.“ Er seufzt. „Solche Leute gibt es heute leider viel zu selten. Aber bald bin ich wieder bei meiner Frau, und dann kann ich wieder mit ihr reden. Aber ich will dich nicht mit solchen traurigen Dingen belasten.“ „Nyu, da bist du ja!“ Aus der Ferne kommt Kota angelaufen. „Hab ich dich gefunden, wir haben dich überall gesucht. Aber gut, dass dir nichts passiert ist.“ Er blickt den älteren Mann an, und bedankt sich. „Sie haben sich vermutlich um sie gekümmert, das ist sehr nett von ihnen, vielen Dank!“ Doch der alte Mann winkt nur ab. „Das macht doch nichts, habe ich doch gerne gemacht. Sie ist ein wirklich freundliches Mädchen, und hört gut zu.“ Dann wendet sich Kota wieder Nyu zu. „Yuka macht gerade das Abendessen, und wir sollten uns beeilen, bevor es kalt wird. Und danke nochmal, dass die auf Nyu aufgepasst haben.“ Erneut ein Winken. „Also dann, auf Wiedersehen, Mr …?“ „Herr Lepke, aber nenn mich Bela!“ „Auf Wiedersehen, Bela!“ Und dann nimmt er Nyus Hand. „Komm, Nyu, wir gehen.“ Nyu geht ein paar Schritte, und dreht sich kurz um. „Bela!“ Dabei lächelt sie. Nach einem kurzen Moment dreht sie sich wieder um und geht mit Kota nach Hause. Bela sieht den beiden hinterher, und ihm läuft eine Träne über das Gesicht. „Danke, Nyu, danke, dass du meine letzten Stunden so schön gemacht hast.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)