Carpe Diem von _Lia (~Wo die liebe hinraucht~) ================================================================================ Kapitel 1: Carpe Diem (part eins) - Kairi - ------------------------------------------- What would I give To live where you are? What would I pay To stay here beside you? What would I do to see you Smiling at me? Ich wache auf, das Telefon immer noch in der Hand, werfe einen Blick darauf. Kein Anruf in Abwesenheit. Schlagartig werde ich wütend. Dabei hasse ich es wütend zu sein, besonders morgens, was der Grund ist, dass ich noch wütender werde. So kann er doch nicht mit mir umgehen, oder? Ich wähle seine Nummer. Dieses Mal geige ich ihn die Meinug. Wirklich! Keine Ausreden mehr. Nächte habe ich damit zugebracht, Stunde um Stunde, mir all die Sätze zurecht zu legen, die ihn an den Kopf knallen will, um ihn endlich alles zu sagen, was mich so ankotzt und jedes Mal verlässt mich der Mut, kaum, dass ich seine Nummer gewählt habe. Doch damit ist jetzt Schluss. Es geht langsam gegen meine Würde. Im Kopf gehe ich alle Sätze nochmal durch, die ich ihm sagen werde. Ich muss sie irgendwie auf norwegisch und englisch zusammenstottern, weil er mich sonst nicht verstehnt, aber sie werden trotzdem nicht an Gehalt verlieren: Olaf, werde ich sagen, Olaf, es geht nicht, dass du mich so behandelst. Seit du zurück in Norwegen bist, hast du mich noch nicht einmal angerufen. Nicht mal zu meinem Geburtstag. Dafür bin ich mir zu schade, weißt du. Also rate ich dir zum Valentinstag mit etwas ganz Großem auf zu fahren, sonst mache ich Schluss und ich glaube nicht, dass du das willst. Das sind Worte! Das ist Macht! Er wird darum betteln mich öfter anrufen zu dürfen. Mein Herz schlägt hart gegen meine Brust... viel zu hoch... es scheint fast im Hals zu stecken. In meinen Ohren rauscht es. Mein Finger ruht auf den grünen Hörer. Nun mach schon, flüstere ich mir selbst zu. Du kannst das. Du hast es gedanklich schon tausendmal durch gespielt. In der Dusche sogar einmal laut und danach hast du dich so gut gefühlt, dass du es dir einfach sofort selber machen musstest, weil du zu platzen drohtest. Das hier wird nicht anders sein... nur echter... besser! Doch wie immer kann ich es nicht... Mein Handy vibriert in meiner Hose und ich fahre zusammen. Ich gehe ran ohne auf den Display zu gucken wer mich da anruft. Mir ist jeder Recht, der mich davon ablenkt warum ich wieder einmal zu feige bin dieses Telefonat mit Olaf zu führen. "Moshi, moshi. Kairi desu.", rufe ich ins Telefon. Viel zu laut. Viel zu schnell. Mein Anrufer weiß erst gar nicht, was er sagen soll, doch das brauch er auch nicht. Ich weiß instinktiv, dass es Aiko ist. Beste Freunde wissen sowas. Aiko und ich teilen die Theorie, dass, wenn ein von dir geliebter Mensch in den Raum kommt du dich instiniktiv nach ihm umdrehst, weil du einfach spührst das er da ist. Du riechst ihn, fühlst ihn... weißt es eben einfach. "Aiko desu." Sagt sie trotzdem, auch wenn ich gerade so schön gedanklich erleutert habe, dass sie das nicht braucht. Sie klingt nicht glücklich. "Was schlimmes?", frage ich schon bevor sie noch irgendwas sagen kann. Dabei stehe ich auf und lege das Festnetztelefon zurück auf seinem Platz. "Ne." ist die Antwort. Das heißt "Ja" in Aikos Sprache. Es ist ein Trugschluss von Hetenmännern zu glauben, es hieße immer "Ja" wenn frau "Nein" sagt. Das ist nämlich nicht immer so. Und auch bei jeder Frau unterschiedlich. Bei Aiko heißt ein leicht gestöhntes oder vielleicht auch eher geseufstes Ne, etwas leiser als sonst, wenn auch sehr klar und deutlich auf diese Frage um diese Tageszeit "Ja, Kai-Chan. Es ist was Unschönes passiert, aber ich liebe dich und es ist Samstag und ich will dich damit nicht belasten." Also bin ich artig und frage nicht weiter nach. "Es ist nur was dazwischen gekommen und ich kann nicht mit ins neue Cafe." Oh richtig. Wir waren heute verabredet... Aber um pünktlich da zu sein hätte ich schon vor zwei Stunden aufstehen müssen. Ich gucke durch die Uhr und streiche mir durchs Haar, dass vom schlafen auf der Couch total zerstrubbt ist. "I-Ist doch nicht schlimm.", versichere ich schnell. "Du hast total vergessen, dass wir verabredet waren, oder?" An ihrem Tonfall höre ich, das sie grinst. Sie lacht über meine Schwächen und Macken, obwohl sie jedes Recht der Welt hätte sich total darüber auf zu regen. Das ist Freundschaft! "Ja hab ich.", gebe ich zu um meinen Heiligen Schein zu wahren. Leugnen ist eh zwecklos. "Ach Hase. Krieg ich dich noch irgendwann groß?", seufzt sie. Ich mag es, wenn sie mich Hase nennt. Es hat sowas sehr Mütterliches. Meine Mutter hatte nie Namen für mich. Sie war sowieso immer nur die Frau, die mich ab und zu in die Firma meines Vaters mitnahm und nur lächelte, wenn es irgendwo aus einer Kamera blitzte. Das ist alles was ich mit ihr in Verbindung bringe. Der fremde Geruch in einer leeren Umarmung. "Sorry.", sage ich und es klingt eher frech und flegelhaft als reumütig. "Schon gut, hab dich ja trotzdem lieb.", sagt sie etwas lahm und seufzt einmal tief. Sie wird das Telefonat in den nächsten Sätzen beenden. Das Seufzen hat es verraten; "Es tut mir trotzdem leid, dass wir uns heut nicht mehr sehen. Bis Montag dann in der Schule, ja?" "Ich werd da sein...", behaupte ich, bin mir aber noch nicht sicher. Montag ist eigentlich ein prima Tag zum schwänzen... Als hätte sie gehört, was ich denke, fügt sie schnell hinzu: "Frühstücken wir zusammen?" Ich lache. Damit kriegt sie mich immer. Ich liebe es in der Cafeteria der Schule zu frühstücken, wenn kaum einer da ist, bis auf ein paar Einzelne, die früh morgens schon irgendeine Gruppenaktivität oder ein Gebet mitmachen. Und danach bin ich meistens zu faul mich noch irgendwie vom Gelände zu schleichen: "Ja ist ok.", ergebe ich mich schließlich nach kurzem Überlegen. Dann verabschieden wir uns und ich bin wieder alleine... Allein zu sein ist das schlimmste für mich. Ich weiß selbst nicht warum, aber das war schon immer so. Totale Höchststrafe! Wenn Aiko schwärmt, dass sie an einem Abend mal das Haus für sich alleine hat, wie sie sich einen Tee machen und mit einem schönen Buch in den Wintergarten setzen wird, habe ich immer den Drang zu ihr zu rennen und sie von ihrer Einsamkeit zu erlösen. Doch dann würde sie mich vermutlich erschlagen. Ich sitze auf der Couch in meinem riesigen Loft, höre meinen eigenen Atem so laut, als wäre er der Lärm auf einer dicht befahrenen Schnellstraße, fühle das Handy in meinen kalten Fingern und bin alleine mit mir... meinem Atem... dem Handy in meiner Hand... meinem Leben. Ganz alleine. Die Stille erdrückt mich genauso, wie andere Leute überfüllte U-Bahnen erdrückend oder beengend finden. Wie sie der Straßenlärm unter ihrem Fenster irgendwann zum Wahnsinn treibt, so macht mich das Geräusch meines Atems agressiv. Und ich möchte schreien, damit es endlich aufhört... Ich springe so ruckhaft auf, dass ich mit dem Knie gegen die Kante des Couchtisches stoße und greife zur Fernbedienung meiner Stereoanlage. Pure Love von ParRADEiS... kommt mir recht. Laut, bunt, sinnlos. Gute Laune J-Rock. Tanzend wirbele ich mich durch mein Loft und drehe mich ein paar mal vor dem Spiegel. Fazit: Selbst Mashiro sieht in seinen Mädchenkleidern männlicher aus als ich... Ich bin seit ein paar Tagen 16 Jahre alt, gerade so 1,55 groß und vom Krörperbau eher Model Magerjoughurt. Mein Gesicht ist immer noch das gleiche, das ich mit vier Jahren hatte und weil ich meine Augen immer so stark schminke wirken sie noch größer und noch unschuldiger... Eigentlich nicht der Effekt, den ich erreichen wollte... Meine schulterlangen Haare mit Pony-Frisur, die links schwarz und rechts pink gefärbt sind, tragen unnötigerweise noch mehr zum Eindruck MÄDCHEN bei. Ein paar Piercings hier und da und unglaublich bunte Klamotten und fertig ist das erste Bild, das man auf der Straße von mir bekommt. Sexuell nicht gerade der ansprechendste Typ, aber ich bin willig, süß und habe einen verdammt geilen Arsch. Das hat mich bisher noch in jedes Bett gebracht in das ich wollte... oder auch nicht wollte. Also was verdammt noch mal hat Olaf für einen Grund mich NICHT anzurufen? Ich beschließe trotzdem zu dem neuen Cafe zu gehen in dem ich mit Aiko-Chan verabredet war. Ich werde mich dahin setzten, ganz alleine, selbstbewusst, auf jegliche Gesellschaft verzichtend und werde... werde ein Buch lesen. Mein Mathebuch um etwas intellektuell auszusehen und um vielleicht ein paar Hausaufgaben zu machen. Es wird nicht schaden das ab und zu mal zu tun. Also ziehe ich mir irgendeine Hose an und meinen pink-schwarzen Hoodie mit Hasenohren und setze mir eine Mütze auf, weil meine Haare fettig sind und ich keine Lust hab sie zu waschen... Toll. Ich seh bestimmt fantastisch aus... Aber heute ist mir das mal egal! Ich bin Kairi Setsuko, 16 Jahre alt, männlich, schwul und beschreite hiermit den einsamsten und totlangweiligsten Samstag meines Lebens... Kapitel 2: Carpe Diem (part zwei) - Dakota - -------------------------------------------- Where would we walk? Where would we run? If we could stay all day in the sun? Just you and me And I could be Part of your world Carpe Diem. Ich überlege ob dieser Satz überhaupt noch irgendeine Bedeutung für mich hat, außer der schmerzlichen Erinnerung an jene Tage, an denen ich mich noch für unsterblich hielt, wie jeder normale Mensch in meinem Alter. In meinem Leben lief bisher immer alles glatt. Mit 11 Jahren habe ich mich in den Nachbarsjungen verknallt und es ist auch ohne irgendwelche große Verwirrungen und Coming-out Dramen bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen geblieben von denen ich auf einige vielleicht hätte verzichten können, andererseits trotzdem nicht wirklich bereuhe. Ich bereuhe eigentlich nichts... außer, dass ich es an jenem Tag wieder so rumgetrödelt und alles vergessen habe, weswegen er so eilig fahren musste, damit ich noch pünktlich zur Arbeit komme. Und das bereuhe ich seither jede einzelne Sekunde des Tages... Das ist mein Carpe Diem. Kein Ausdruck von Lebensfreude und Energie. Sondern einfach nur die ewige Erinnerung daran, dass jeder verdammte Tag dein letzter sein könnte. Ein bisschen zu viel aufs Gas gedrückt, ein unachtsamer Lasterfahrer und alles ist vorbei. Das ist dieses verdammte Carpe Diem! "Und was ist jetzt bitte an dem wieder nicht in Ordnung?" Yumi ist echt sauer auf mich. Ich lächle unschuldig. Das kann ich gut. Ich habe dieses sogenannte Engelsgesicht. Für Oliver Twist wäre ich wohl die perfekte Besetzung... "Sorry.", sage ich und reiche ihr eine Zigarette. Eigentlich raucht Yumi ja nicht, aber heute scheine ich sie so anzustrengen, dass sie doch eine nimmt. Wir zünden sie an der Kerze an, die vor uns auf dem Tisch steht; "Ich hab einfach keinen Trieb auf ihn." Yumi säufzt und massiert sich die Schläfen. Ein bisschen tut sie mir leid. Ich mache es ihr aber auch wirklich nicht einfach. Andererseits ist sie aber auch selbst Schuld. Eigentlich hatte ich geplant meinen Samstag über dem Schreibtisch mit Hausaufgaben zu verbringen... sowie eigentlich fast jedes Wochenende. Oh ja. Ich hätte bis Mittag geschlafen, ein bisschen Schule gemacht und mir meine Resident Evil Reihe auf dem Laptop reingezogen. Stattdessen hat mich Yumi morgens schon aus dem Bett und unter die Dusche gezerrt. Mir die Haare gestylt, mich in ein sexy Outfit geprügelt und sogar gezwungen meine Brille gegen Kontaktlinsen zu tauschen. Auch wenn ich darauf hätte verzichten können, muss ich zu geben, dass es sich schon gut anfühlt mal wieder ein bisschen ordentlich ausszusehen. "Keinen Trieb, aha. Und warum nicht? Ist er nicht dein Typ?" Ich gucke noch mal zu dem Kellner den mir Yumi heute unbedingt aufdrängeln will. Seit zwei Monaten versucht sie laufend mich zu verkuppeln. Das stresst mich echt. Und weil wir in einer WG zusammen wohnen, kann ich ihr noch nicht einmal aus dem Weg gehen. Von den anderen beiden Mitbewohnern brauche ich mir sowieso keine Hilfe zu erhoffen. Aber mit dem neuen Typen hat sie echt einen Volltreffer gelandet. Um ehrlich zu sein ist er total mein Typ. Groß, dunkle Locken, gesunder Taint, Schmollmund, breite Schultern, abgefahrener Visual Kei Styl und Bambi-Augen. "Doch...", sage ich ehrlich. Es bringt ja eh nichts die beste Freundin belügen zu wollen; "Auf einer Skala von eins bis zehn ist er mindestens eine Acht." Yumis Augen weiten sich: "Eine Acht?", ruft sie durch das ganze Cafe, dass sich die Leute zu uns umdrehen. Ich ziehe den Kopf leicht ein und werde rot. "Yuyu, bitte.", flüstere ich und sie senkt die Stimme. "Engelchen!", sagt sie leise über den Tisch: "Eine Acht! Das ist doch super! Und der steht total auf dich, was willst du denn noch?" "Acht reicht mir nicht.", ich puste den Qualm an die mit buntem Glas verziehrte Decke des Cafes; "Ich will eine Zehn." Yumi zieht eine Augenbraue hoch und schaut mich an: "Eine Zehn?" Ich erwiedere ihren Blick nicht. Stattdessen puhle ich das abgetropfte Wachs von dem Kerzenständer. Warum hat der Idiot, der uns den Kaffee gebracht hat überhaupt die Kerze angemacht? Sehen Yumi und ich etwa aus wie ein Paar? Yumi ist lesbisch und ich bin schwul... So viel geballte homosexuelle Energie muss doch zu spühren sein... "Hatten wir uns nicht gegen eine Zehn entschieden?", Yumi verzieht das Gesicht. Die Kippe schmeckt ihr zu bitter. Sie drückt sie aus, obwohl sie nicht mal halb aufgeraucht ist; "Zehnen sind viel zu selten und dann verliebt man sich auf den ersten Blick in sie und kommt nicht mehr von ihnen los auch wenn sie vielleicht totale Arschlöcher sind... oder am anderen Ende der Welt wohnen... oder drogensüchtig sind... oder hetero..." Gelangweilt ziehe ich die Schultern hoch und drücke die Kerze zwischen uns aus: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern... Ich will eine Zehn. Mit irgendwas darunter gebe ich mich nicht ab. So ist das." Der Unfall ist nichtmal ein Jahr her. Ich weiß nicht, ob ich darüber hinweg bin. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt über soetwas hinweg zu kommen. Die Narbe an meinem Oberarm ist nur noch eine Linie dünner, weißer Haut und ich habe keine Tränen mehr zum Weinen und keine Worte mehr um darüber zu sprechen. Ich habe nicht einmal mehr die Kraft mich daran zu erinnern. Müde. Ich bin einfach nur noch müde. So müde... dass ich genau zu dem Menschen gewurden bin, der ich nie sein wollte. Ein langweiliger Systemficker. Zu träge um irgendwas aus seinem Leben zu machen, das ihm nicht von selbst in dem Schoss fällt. "Ich muss zur Arbeit.", nuschelt Yumi und trinkt ihren Kaffee aus. Dann schaut sie mich an. Sie lässt mich nicht mehr gerne alleine. Drei Wochen nach dem Unfall habe ich mich auf die Schienen gelegt und auf den Zug gewartet. Ren und Kouhei, die mit uns in der WG wohnen, mussten mich zu zweit wegziehen und haben es nur gerade so geschafft, bevor der Zug mich überfahren hätte. Ich habe die beiden dafür gehasst. Jetzt bin ich ihnen dankbar. Zermatscht auf den Schienen hätte ich nicht enden wollen... Ich stelle mir vor wie die Wickinger auf einen Boot raus auf das endlose Meer zu treiben und zu verbrennen. Das stelle ich mir würdevoll vor. Draußen auf dem Meer, zwischen Himmel und Wasser, liegt mein brennender Körper. So will ich bestattet werden. "Gut. Ich bleibe noch etwas.", sage ich, obwohl ich gar nicht weiß, warum ich noch bleiben soll. Aber nun bin ich schon mal wieder unter Leute... da will ich jetzt auch nicht unbedingt wieder in mein kleines, unbelüftetes Zimmer zurück. "Hai.", sagt sie und küsst mich über den Tisch; "Dann will ich mal Engelchen. Sei schön brav und mach kein Dummzeug solang Mama nicht da ist." "Ich doch nicht." ist meine Antwort und damit geht sie. Ich bin also wieder alleine... Was soll's... Das ist mir im Moment auch ganz recht. Ich habe kein Lust mehr auf Yumis ständig besorgtes Gesicht. Ich drücke die Zigarette aus und starre auf meine Hände. Vielleicht sollte ich mich damit abfinden, dass mein Leben vorbei ist. Darf ich mich vorstellen: Dakota Azuma. Stolze Achzehn Jahre alt. Bester Schüler meines Jahrgangs. Nebenjob Tattoowierer und Nachhilfelehrer. Schwul, 173 Zentimeter groß, 55 Kilo Kampfgewicht, Haarfarbe blond. Augen langweilig graublau... innerlich tot. Das ist was ich bin und den Rest meines Lebens sein werde. Vielleicht werde ich dann irgendwann einen Beruf haben und ein kleines Haus auf dem Land. So Gott will werde ich vielleicht sogar hetero... Es ist mir egal. Ich treibe dahin in meinem Bot auf dem endlosen Meer und warte jeden Tag nur darauf endlich angezündet zu werden... Carpe Diem. Kapitel 3: Carpe Diem (part drei) - DakotaXKairi - -------------------------------------------------- I don't know when I don't know how But I know something's starting right now Watch and you'll see Some day I'll be Part of your world Mir ist so dermaßen langweilig, dass ich schon lachen muss. Es ist auch wirklich zu lächerlich. Da rede ich mir zuhause ein, was für ein geiler Fang ich doch sei und nun sitze ich hier, Samstag morgen 10 Uhr, spiele mit einer Packung Streichhölzer und habe ein Soduko vor der Nase. Dabei finde ich, dass Sudokus verlorene Zeit sind. Kauf einen Lottoschein, füll ihn aus und schick ihn nie ab - das ist das Gleiche. Außerdem macht mein Gehirn total dicht, wenn ich mit Zahlen zu tun hab. Ich kann mir gerade so den Pin für mein Konto merken. Plötzlich tippt mich Jemand von hinten an. "Hä?" Ich drehe mich um und ein Junge steht neben mir, unwesentlich älter als ich. Engelsgesicht. Coole Frisur in Blond. Graublaue Augen. Ein Piercing unter der Lippe und einen kleinen Tunnel im linken Ohr. Er lächelt. Oh, und wie der lächelt. Tiefe Grübchen zeichnen sich auf beiden Seiten ab. Es steckt mich total an und ich grinse züruck. "Ja, bitte?", sage ich leicht lachend, weil der Kerl immer noch nichts gemacht hat außer mich mit seinem unglaublichen Lächeln umzuhauen. Soll das ein neuer Flirtwitz sein? Grinse das Objekt der Begierde solange an bis es dir willig ins Bett folgt... "Sorry." Er kann reden! Ein bisschen nasal, aber nicht so, dass es klingt, als hätte er schnupfen oder wollte unbedingt auf schwul tun. Eher als würde er durch die dünne, zierliche Nase nicht wirklich gut Luft bekommen. Ansonsten klingt die Stimme ganz warm und lieb... wie ein Sahnebonbon; "Hast du mal Feuer? Find mein Zippo nicht..." Scheint ihm etwas unangenehm zu sein. Er steht total verloren da und fingert mit seiner Zigarette herum. Das finde ich irgendwie total süß. "Ja, klar.", ich schiele zu dem leeren Platz hinter ihm, wo eine einsame Jacke hängt. Seine? Ist er vielleicht auch alleine hier?, "Magst du dich zu mir setzen? Dann qualm ich gleich eine mit." Nicht die cleverste Idee die Kerze aus zudrücken. Nach einer halben Stunde bin ich es so leid über mein Leben nach zu denken, dass ich unbedingt eine Kippe brauche, doch natürlich habe ich mal wieder mein Zippo vergessen. War so klar... Genervt von dem Tag und am aller meisten von mir selbst blicke ich mich in dem Cafe um. Der Typ, den mir Yumi aufdrehen wollte, raucht garaniert, aber ich habe nicht wirklich große Lust nochmal mit ihm reden zu müssen. Am Tisch hinter mir sitzt jemand, der die ganze Zeit mit einer Schachtel Streichhölzer spielt und mich mit dem Geräusch langsam aber sicher in den totalen Wahnsinn triebt. Da könnte ich wenigstens meinen Nutzen drauß schlagen. Müde erhebe ich mich von meinem Platz und drehe mich zu ihm. Er oder sie hat eine Hasenmütze auf und spielt Sudoku... Aha... Wer sitzt denn an einem Samstag um Zehn alleine im Cafe uns spielt Zahlenrätzel. Ich tippe ihn auf die Schulter. Das ist mir sehr zuwider. Eigentlich vermeide ich es fremde Leute einfach so an zuquatschen. Die Gefahr, das man unfreiwillig in ein endlos langweiliges Gespräch hineingezogen wird ist mir doch zu groß. Aber meine Nikotinsucht ist mir im Moment wichtiger als meine Menschenscheu. Mein Herz setzt aus, als sich mein potentielles Feuerzeug zu mir umdreht. Ich weiß sofort, dass ich hier einer echten Zehn gegenüber stehe. Lass sie ganz anders aussehen als meine Acht und meine Neun! Scheißegal! Das ist eine Zehn, die sieht PERFEKT aus. So perfekt, dass sie ihren Vorgängern nicht mal ähneln muss. Meine Zehn ist kleiner als ich, schulterlange Haare in Pink und Schwarz, das süßerste Gesicht der Welt und die wunderschönsten Augen, die mich jemals angeschaut haben. In Büchern steht immer "die dunkelbraunsten Augen der Welt" oder "Augen so blau wie der Himmel"... alles Quatsch! Auf die Farbe kommt es gar nicht an. Die Augen, die mich hier anschauen sind giftgrün, höchstwahrscheinlich farbige Kontaktlinsen. Aber es ist doch die Art, wie dich diese Augen anschauen. Sie blicken dir direkt ins Herz, sehen deine Seele und alles was du bist... und lächeln trotzdem. Ich muss ihn einfach angrinsen. Es geht gar nicht anders. Wahrscheinlich sehe ich gerade aus wie der letzte Depp. Mir bleibt die Luft weg, als er zurücklacht. "Ja, bitte?" Wie er mich ansieht... Ich will ihn einfach nur auf den Arm nehmen, nach Hause tragen, auf unsere Couch schmeißen und die ganze Nacht einfach nur ansehen. "Sorry. Hast du mal Feuer? Find mein Zippo nicht..." Manchmal kann ich selbst nicht fassen, wie mein Gehirn in solchen Momenten einfach auf Autopilot stellt. Die Worte purzeln einfach über meine Zunge nach draußen, obwohl ich eigentlich am liebsten schreien würde. Vergiss das Feuer, süßer Engel. Küss mich. Komm mit mir. Bleib für immer bei mir. "Ja klar.", sagt die Zehn vor mir, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt; "Magst du dich zu mir setzen? Dann qualm ich gleich eine mit." Er lispelt ein bisschen. Das macht ihn mindestens zu einer Elf. Wie beteubt setze ich mich und lasse mir die Zigarette anzünden. Plötzlich weiß ich wieder, was ich früher damit meinte, wenn ich sagte: "Carpe Diem" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)