Carpe Diem von _Lia (~Wo die liebe hinraucht~) ================================================================================ Kapitel 1: Carpe Diem (part eins) - Kairi - ------------------------------------------- What would I give To live where you are? What would I pay To stay here beside you? What would I do to see you Smiling at me? Ich wache auf, das Telefon immer noch in der Hand, werfe einen Blick darauf. Kein Anruf in Abwesenheit. Schlagartig werde ich wütend. Dabei hasse ich es wütend zu sein, besonders morgens, was der Grund ist, dass ich noch wütender werde. So kann er doch nicht mit mir umgehen, oder? Ich wähle seine Nummer. Dieses Mal geige ich ihn die Meinug. Wirklich! Keine Ausreden mehr. Nächte habe ich damit zugebracht, Stunde um Stunde, mir all die Sätze zurecht zu legen, die ihn an den Kopf knallen will, um ihn endlich alles zu sagen, was mich so ankotzt und jedes Mal verlässt mich der Mut, kaum, dass ich seine Nummer gewählt habe. Doch damit ist jetzt Schluss. Es geht langsam gegen meine Würde. Im Kopf gehe ich alle Sätze nochmal durch, die ich ihm sagen werde. Ich muss sie irgendwie auf norwegisch und englisch zusammenstottern, weil er mich sonst nicht verstehnt, aber sie werden trotzdem nicht an Gehalt verlieren: Olaf, werde ich sagen, Olaf, es geht nicht, dass du mich so behandelst. Seit du zurück in Norwegen bist, hast du mich noch nicht einmal angerufen. Nicht mal zu meinem Geburtstag. Dafür bin ich mir zu schade, weißt du. Also rate ich dir zum Valentinstag mit etwas ganz Großem auf zu fahren, sonst mache ich Schluss und ich glaube nicht, dass du das willst. Das sind Worte! Das ist Macht! Er wird darum betteln mich öfter anrufen zu dürfen. Mein Herz schlägt hart gegen meine Brust... viel zu hoch... es scheint fast im Hals zu stecken. In meinen Ohren rauscht es. Mein Finger ruht auf den grünen Hörer. Nun mach schon, flüstere ich mir selbst zu. Du kannst das. Du hast es gedanklich schon tausendmal durch gespielt. In der Dusche sogar einmal laut und danach hast du dich so gut gefühlt, dass du es dir einfach sofort selber machen musstest, weil du zu platzen drohtest. Das hier wird nicht anders sein... nur echter... besser! Doch wie immer kann ich es nicht... Mein Handy vibriert in meiner Hose und ich fahre zusammen. Ich gehe ran ohne auf den Display zu gucken wer mich da anruft. Mir ist jeder Recht, der mich davon ablenkt warum ich wieder einmal zu feige bin dieses Telefonat mit Olaf zu führen. "Moshi, moshi. Kairi desu.", rufe ich ins Telefon. Viel zu laut. Viel zu schnell. Mein Anrufer weiß erst gar nicht, was er sagen soll, doch das brauch er auch nicht. Ich weiß instinktiv, dass es Aiko ist. Beste Freunde wissen sowas. Aiko und ich teilen die Theorie, dass, wenn ein von dir geliebter Mensch in den Raum kommt du dich instiniktiv nach ihm umdrehst, weil du einfach spührst das er da ist. Du riechst ihn, fühlst ihn... weißt es eben einfach. "Aiko desu." Sagt sie trotzdem, auch wenn ich gerade so schön gedanklich erleutert habe, dass sie das nicht braucht. Sie klingt nicht glücklich. "Was schlimmes?", frage ich schon bevor sie noch irgendwas sagen kann. Dabei stehe ich auf und lege das Festnetztelefon zurück auf seinem Platz. "Ne." ist die Antwort. Das heißt "Ja" in Aikos Sprache. Es ist ein Trugschluss von Hetenmännern zu glauben, es hieße immer "Ja" wenn frau "Nein" sagt. Das ist nämlich nicht immer so. Und auch bei jeder Frau unterschiedlich. Bei Aiko heißt ein leicht gestöhntes oder vielleicht auch eher geseufstes Ne, etwas leiser als sonst, wenn auch sehr klar und deutlich auf diese Frage um diese Tageszeit "Ja, Kai-Chan. Es ist was Unschönes passiert, aber ich liebe dich und es ist Samstag und ich will dich damit nicht belasten." Also bin ich artig und frage nicht weiter nach. "Es ist nur was dazwischen gekommen und ich kann nicht mit ins neue Cafe." Oh richtig. Wir waren heute verabredet... Aber um pünktlich da zu sein hätte ich schon vor zwei Stunden aufstehen müssen. Ich gucke durch die Uhr und streiche mir durchs Haar, dass vom schlafen auf der Couch total zerstrubbt ist. "I-Ist doch nicht schlimm.", versichere ich schnell. "Du hast total vergessen, dass wir verabredet waren, oder?" An ihrem Tonfall höre ich, das sie grinst. Sie lacht über meine Schwächen und Macken, obwohl sie jedes Recht der Welt hätte sich total darüber auf zu regen. Das ist Freundschaft! "Ja hab ich.", gebe ich zu um meinen Heiligen Schein zu wahren. Leugnen ist eh zwecklos. "Ach Hase. Krieg ich dich noch irgendwann groß?", seufzt sie. Ich mag es, wenn sie mich Hase nennt. Es hat sowas sehr Mütterliches. Meine Mutter hatte nie Namen für mich. Sie war sowieso immer nur die Frau, die mich ab und zu in die Firma meines Vaters mitnahm und nur lächelte, wenn es irgendwo aus einer Kamera blitzte. Das ist alles was ich mit ihr in Verbindung bringe. Der fremde Geruch in einer leeren Umarmung. "Sorry.", sage ich und es klingt eher frech und flegelhaft als reumütig. "Schon gut, hab dich ja trotzdem lieb.", sagt sie etwas lahm und seufzt einmal tief. Sie wird das Telefonat in den nächsten Sätzen beenden. Das Seufzen hat es verraten; "Es tut mir trotzdem leid, dass wir uns heut nicht mehr sehen. Bis Montag dann in der Schule, ja?" "Ich werd da sein...", behaupte ich, bin mir aber noch nicht sicher. Montag ist eigentlich ein prima Tag zum schwänzen... Als hätte sie gehört, was ich denke, fügt sie schnell hinzu: "Frühstücken wir zusammen?" Ich lache. Damit kriegt sie mich immer. Ich liebe es in der Cafeteria der Schule zu frühstücken, wenn kaum einer da ist, bis auf ein paar Einzelne, die früh morgens schon irgendeine Gruppenaktivität oder ein Gebet mitmachen. Und danach bin ich meistens zu faul mich noch irgendwie vom Gelände zu schleichen: "Ja ist ok.", ergebe ich mich schließlich nach kurzem Überlegen. Dann verabschieden wir uns und ich bin wieder alleine... Allein zu sein ist das schlimmste für mich. Ich weiß selbst nicht warum, aber das war schon immer so. Totale Höchststrafe! Wenn Aiko schwärmt, dass sie an einem Abend mal das Haus für sich alleine hat, wie sie sich einen Tee machen und mit einem schönen Buch in den Wintergarten setzen wird, habe ich immer den Drang zu ihr zu rennen und sie von ihrer Einsamkeit zu erlösen. Doch dann würde sie mich vermutlich erschlagen. Ich sitze auf der Couch in meinem riesigen Loft, höre meinen eigenen Atem so laut, als wäre er der Lärm auf einer dicht befahrenen Schnellstraße, fühle das Handy in meinen kalten Fingern und bin alleine mit mir... meinem Atem... dem Handy in meiner Hand... meinem Leben. Ganz alleine. Die Stille erdrückt mich genauso, wie andere Leute überfüllte U-Bahnen erdrückend oder beengend finden. Wie sie der Straßenlärm unter ihrem Fenster irgendwann zum Wahnsinn treibt, so macht mich das Geräusch meines Atems agressiv. Und ich möchte schreien, damit es endlich aufhört... Ich springe so ruckhaft auf, dass ich mit dem Knie gegen die Kante des Couchtisches stoße und greife zur Fernbedienung meiner Stereoanlage. Pure Love von ParRADEiS... kommt mir recht. Laut, bunt, sinnlos. Gute Laune J-Rock. Tanzend wirbele ich mich durch mein Loft und drehe mich ein paar mal vor dem Spiegel. Fazit: Selbst Mashiro sieht in seinen Mädchenkleidern männlicher aus als ich... Ich bin seit ein paar Tagen 16 Jahre alt, gerade so 1,55 groß und vom Krörperbau eher Model Magerjoughurt. Mein Gesicht ist immer noch das gleiche, das ich mit vier Jahren hatte und weil ich meine Augen immer so stark schminke wirken sie noch größer und noch unschuldiger... Eigentlich nicht der Effekt, den ich erreichen wollte... Meine schulterlangen Haare mit Pony-Frisur, die links schwarz und rechts pink gefärbt sind, tragen unnötigerweise noch mehr zum Eindruck MÄDCHEN bei. Ein paar Piercings hier und da und unglaublich bunte Klamotten und fertig ist das erste Bild, das man auf der Straße von mir bekommt. Sexuell nicht gerade der ansprechendste Typ, aber ich bin willig, süß und habe einen verdammt geilen Arsch. Das hat mich bisher noch in jedes Bett gebracht in das ich wollte... oder auch nicht wollte. Also was verdammt noch mal hat Olaf für einen Grund mich NICHT anzurufen? Ich beschließe trotzdem zu dem neuen Cafe zu gehen in dem ich mit Aiko-Chan verabredet war. Ich werde mich dahin setzten, ganz alleine, selbstbewusst, auf jegliche Gesellschaft verzichtend und werde... werde ein Buch lesen. Mein Mathebuch um etwas intellektuell auszusehen und um vielleicht ein paar Hausaufgaben zu machen. Es wird nicht schaden das ab und zu mal zu tun. Also ziehe ich mir irgendeine Hose an und meinen pink-schwarzen Hoodie mit Hasenohren und setze mir eine Mütze auf, weil meine Haare fettig sind und ich keine Lust hab sie zu waschen... Toll. Ich seh bestimmt fantastisch aus... Aber heute ist mir das mal egal! Ich bin Kairi Setsuko, 16 Jahre alt, männlich, schwul und beschreite hiermit den einsamsten und totlangweiligsten Samstag meines Lebens... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)