Alles wird sich ändern von BinaLuna (denn die Zeit bleibt nicht stehen) ================================================================================ Kapitel 92: "Kannst du damit leben?" ------------------------------------ Autor: Bina-chan86 Part 92/? Eravelle seufzte leise. Trotz des Lagerfeuers, das Schatten auf ihr blasses Gesicht warf, fror sie. Erst als Mellryn sich neben sie setzte und seinen Arm um sie legte, entspannte sie sich ein wenig. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und starrte in die Flammen. „Es ist noch nicht alles vorüber“, sagte sie nach einer Zeit des Schweigens, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam. „Nein, vermutlich nicht“, gab Mellryn zu. „Aber es fehlt nicht mehr viel um dieses Kapitel endlich abzuschließen.“ Er versuchte zuversichtlich zu klingen, aber er wirkte nur erschöpft, obwohl er gewiss erleichtert war. Eravelle glaubte nicht daran, dass jemals einer von ihnen vollständig vergessen konnte, was geschehen war. Die Wunden würden aufhören zu schmerzen, die Narben würden verblassen – doch man konnte nicht vergessen. „Diese Nacht und den morgigen Tag müssen wir überstehen. Die Azi Dahaka dürfen sich nicht ein weiteres mal erheben“, fuhr Mellryn fort. „Und wie sollen wir das bewerkstelligen?“, fragte Eravelle. „Ich bin mir sicher, dass Haryons Berater versuchen werden, seine Niederlage nicht publik zu machen. Sollten wir es jedoch schaffen Haryon vor seinen Krieger in die Knie zu zwingen, so wird deren Kampfgeist brechen und wir haben gewonnen.“ Eravelle nickte langsam. In den nächsten Stunden würde sich entscheiden, ob sich all die harte Arbeit gelohnt hatte und ob das Blut ihrer Freunde nicht sinnlos vergossen wurde. Estela weilte unterdessen an Barilowyns Seite in einem eher notdürftig errichteten Zelt. In ihrem Inneren stritten die widersprüchlichsten Empfindungen miteinander und nur eiserne Selbstbeherrschung hielt sie davon ab nervös hin und her zu laufen. Nachdenklich fiel ihr Blick auf Wyns Gesicht. Der Elb schlief durch die Wirkung der Schmerzmittel, welche man ihm verabreicht hatte. Jedenfalls war es das, was Estela glaubte. Deswegen zuckte sie auch zusammen als dieser plötzlich das Wort an sie richtete. „Bereust du es?“ Estela zog eine Augenbraue nach oben. „Ob ich was bereue?“ „Dass du gesagt hast, du würdest bei mir bleiben.“ „Ach ja? Wann soll ich das denn gesagt haben?“ Die Dämonenpriesterin musste den Kopf abwenden, damit Wyn ihr Grinsen nicht bemerkte. Dieser gab ein Schnauben von sich. Er klang noch immer geschwächt, aber erste Anzeichen seiner früheren Aufmüpfigkeit waren schon wieder deutlich zu bemerken. „Hat man dir nie beigebracht, dass man sich mit Verletzten keine Scherze erlaubt?“ Estela schenkte ihm daraufhin ein unverbindliches Lächeln. „Wenn du glaubst, ich würde dich zukünftig wie ein rohes Ei behandeln, dann hast du dich getäuscht, mein Lieber. Wie du sicherlich noch in Erinnerung hast, gehört Feinfühligkeit nicht unbedingt zu meinen Stärken.“ Wyn musste lachen, was er jedoch gleich wieder unterließ, da sich seine Verletzungen meldeten. „Ja, das weiß ich noch.“ Er sah ihr in die Augen. „Trotzdem... du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“ „Deine Frage kann ich leicht mit Nein beantworten, allerdings ist es von Nöten einige Einschränkungen zu machen.“ „Einschränkungen?“ Barilowyn wirkte verdutzt, weil er nicht wusste, was er davon zu halten hatte. Machte sie sich über ihn lustig oder wollte sie tatsächlich einen Rückzieher machen? „Zur Ruhe setzten bedeutet bei mir nicht sesshaft werden“, entgegnete Estela. „Ich halte es nie lange an ein und demselben Ort aus. Aus mir wird bestimmt keine Hausfrau – ich kann ja nicht einmal kochen. Das liegt mir nicht im Blut. Außerdem werde ich dich bestimmt mehr als einmal am Tag halb oder ganz in den Wahnsinn treiben. Ganz zu schweigen von dem Dämon, den es quasi gratis dazu gibt.“ Sie zählte diese Punkte mit erstaunlich sachlicher Miene auf und warf Wyn abschließend einen fragenden Blick zu. „Denkst du, du kannst damit leben?“ „Wenn das der Preis ist.“ Wyn schmunzelte trotz der ernsten Lage. Er schaute auf die Stelle, an der sich einst sein rechter Arm befunden hatte. „Aber kannst du damit leben?“ Estela rutschte ein Stück näher und strafte ihn mit einem bösen Blick. „Wieso? Willst du etwa behaupten ich sei oberflächlich?“ „Nicht?“ Estela kniff ihm in die Wange. „Pass bloß auf, was du sagst, Freundchen!“ „Schon gut, schon gut“, winkte Wyn schnell ab, wobei er leise murmelnd hinzufügte: „Ich dachte ja nur.“ „Auch nicht gerade deine Stärke.“ Estela fuhr fort, ehe er protestieren konnte: „Manchmal solltest du einfach den Mund halten und auf das vertrauen, was ich sage.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Gesichtszüge, ehe sie seinen Mund mit einem Kuss verschloss. „Schon so früh auf den Beinen?“ Lydia drehte sich einmal um die eigene Achse und erblickte dabei Meisterin Adeline, woraufhin sie ein bisschen verschämt lächelte. „Ich konnte einfach nicht mehr schlafen.“ Adeline trat neben die junge Frau und blickte aus dem Fenster. Derweil betrachtete Lydia schmunzelnd ihr Spiegelbild in der Scheibe. „Bis die anderen zurück sind, werde ich vermutlich aussehen, wie eine plumpe Seekuh“, meinte sie. „So hat es die Natur nun einmal eingerichtet“, bemerkte Adeline amüsiert. Lydia schüttelte leicht den Kopf. „Ich will mich auch gar nicht beschweren.“ Gedankenverloren richtete sie ihren Blick in die Ferne. Trotz der Regenwand, welche die Umgebung in einen trist grauen Schleier hüllte, spürte Lydia Zuversicht. Allerdings auch so etwas wie Nervosität. Seit dem Brief von Prinz Lysander hatten sie keine neuen Nachrichten aus Arithea mehr erhalten. Bestenfalls erreichten sie hier Gerüchte. Meisterin Adeline legte der Jüngeren eine Hand auf die Schulter. „Sie werden schon bald zurückkehren.“ Lydia nickte, obwohl sie selbst nicht wusste, ob sie wirklich fest daran glauben konnte oder das nur wollte. „Morgen“, meldete sich eine verschlafene Stimme hinter ihnen zu Wort. „Guten Morgen, Jules.“ Jules war niemals ein Morgenmensch gewesen, dementsprechend zerzaust wirkte er noch immer. Gemeinsam mit ihm erwachte auch das Sanatorium langsam aber sicher zum Leben. Hier und dort waren Schritte und Stimmen zu hören. Im Frühstückssaal wurden sie bereits von Jala und Lanion erwartet. Von Mili fehlte allerdings jede Spur. Lydia schaute sich um, aber auch ihr Bruder Jerome war noch nirgends zu sehen. Dann ließ sie ihren Blick weiter schweifen. Trotz des Krieges ging hier alles seinen gewohnten Gang. Einige Heiler waren fort um Arithea zu unterstützen, aber das war auch schon alles. Eigentlich fühlte sich Lydia diesem Ort verbunden, doch in solch friedlichen Momenten kam es ihr manchmal so vor, als würde sie einem Spiel vom Seitenrand aus zusehen. Denn in Gedanken war sie bei ihren Freunden – allen voran natürlich bei Alvar. Sie bekam gar nicht richtig mit, worüber die anderen sprachen. Erst als Jules sie am Arm berührte, hob sie den Kopf. Jules wies mit dem Kinn in Richtung Tür. „Schau mal, wer da kommt.“ Mili lief gerade auf ihren Tisch zu. Den entspannt lächelnden Jerome hatte das Mädchen im Schlepptau. Stolz präsentierte Miliende einen auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Zettel. „Einer der ausgesandten Heiler hat uns eine Nachricht per Brieftaube zukommen lassen“, berichtete sie. Adeline nahm ihr die kurze Notiz ab. Nachdenklich faltete sie das Papier auseinander und schien sich nicht ganz sicher, ob sie nun erleichtert oder beunruhigt sein sollte. Sie konnte nur hoffen, dass sich darin, die so sehnsüchtig erwarteten Zeilen der Entwarnung befanden und keine neuen Schreckensnachrichten. Jerome nahm den Platz neben seiner Schwester ein und drückte beruhigend deren Hand. „Schau nicht so erschrocken. Alles wird gut“, meinte er sanft. Dana war auf den Beinen noch ehe die Sonne aufging. Wenn sie dieses Zelt verließ, würde man eine Entscheidung von ihr erwarten. Sie war sich nur nicht so sicher, ob sie auch ein Urteil fällen konnte, dass all ihren Verbündeten gefiel. Um genau zu sein, bezweifelte sie dies sogar stark. Das war das Problem bei hoher Staatspolitik – man konnte es nie jedem recht machen. Grübelnd starrte Dana auf die Wand, als würde dort die Lösung stehen. Sie wusste am Ende nicht mehr, wie lange sie dort gesessen hatte, als Eravelle kam um sie abzuholen. „Dana.“ Eravelle schob die Zeltplane beiseite und warf einen Blick ins Innere. „Bist du soweit?“, erkundigte sie sich. „Ja.“ Dana erhob sich. „Lass uns gehen.“ End of Part 92 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)