Alles wird sich ändern von BinaLuna (denn die Zeit bleibt nicht stehen) ================================================================================ Kapitel 60: Die Weiße Stadt --------------------------- Author: Bina-chan86 Part 60/? Der Weg nach Cardun verlief gemessen an ihren bisherigen Reiseerlebnissen geradezu langweilig und ereignislos. Keine Angriffe erfolgten, aber gerade das stimmte die Gruppe nervös. Allen kam es so vor, als wäre dies die Ruhe vor dem großen Sturm. Allerdings war ein Verschnaufpause nicht unbedingt das Schlechteste, was ihnen passieren konnte. Estela erholte sich von Tag zu Tag. An Energie hatte es ihr darüber hinaus nie gemangelt. Auch dem Dämon in ihrem Inneren ging es besser. Wenn Estela sich konzentrierte, konnte sie spüren, dass seine Verletzungen heilten. Dennoch – sie heilten langsamer, als sie gehofft hatte und das stimmte sie nachdenklich. Nanden war ein verdammt starker Gegner, so viel stand fest. Und genau das macht die ganze Sache spannend, dachte Estela. Beinah schon vergnügt summte sie vor sich hin. Zack warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu. „Jetzt dreht sie vollkommen durch“, raunte er Dana zu. Dana zog einen Mundwinkel nach oben, gab aber keinen Kommentar dazu ab. Stattdessen beugte sie sich leicht vor und hielt die Nase in den Wind. Die Landschaft zog an ihnen vorbei und bot nun wieder einen abwechslungsreicheren Anblick als zuvor in den Ebenen, die man – selbst wenn man höflich sein wollte – als öde bezeichnen musste. In weiter Ferne konnte man bereits die Berge erkennen, die hoch emporragten, als wollten sie den Freunden den Weg weisen. Der Schnee begann zu schmelzen, was sie zügig voranbrachte. Doch umso näher sie Cardun kamen, desto nervöser schien Alvar zu werden. „Fühlst du dich nicht wohl?“, erkundigte sich Lydia, der sein Verhalten nicht entgangen war. Alvar versuchte es mit einem Lächeln, was ihm beinah misslang. Dann atmete er einmal tief durch. Ihm war bewusst, dass es nichts brachte Lydia etwas vormachen zu wollen. Mal ganz abgesehen davon wollte er sie tatsächlich nicht belügen. Sie gab ihm Rückhalt und dafür war er ihr aus tiefstem Herzen dankbar. „Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich darauf brenne unser derzeitiges Ziel zu erreichen“, antwortete er zögerlich. „Cardun?“ Lydia hielt inne und überdachte diesen Gedanken. Nein, Cardun konnte es nicht sein. Es fiel ihr kein plausibler Grund ein, warum er bei dieser Stadt ein schlechtes Gefühl haben sollte. Immerhin hatte er eine Zeit lang recht friedlich dort gelebt. „Du redest von Sarna.“ Das klang mehr nach einer Feststellung, als nach einer Frage. Alvar nickte. „Warum?“, hakte Lydia nach. „Den Grund dafür möchte ich dir lieber unter vier Augen erklären“, erwiderte der dunkelhaarige Elb. Lydia war zwar neugierig, respektierte aber seinen Wunsch. „Einverstanden.“ Sarna bot in der Tat einen interessanten Anblick. Die Stadt war nicht viel größer als Cardun, leuchtete aber bereits aus der Ferne und hob sich sogar leicht von dem Schnee ab, der langsam begann zu schmelzen. „Man nennt Sarna auch die Weiße Stadt, wenn ich mich recht entsinne“, murmelte Lydia. Dana und Zack, die in ihrem Leben bisher nicht viele Orte zu sehen bekommen hatten, staunten nicht schlecht. Im Gegensatz zu anderen Ortschaften schien Sarna ganz ohne Zäune und Mauern auszukommen, was vornehmlich daran lag, dass sich die Bürger neutral verhielten und für niemanden eine Bedrohung darstellten. Bekannt wurde die Gegend durch außergewöhnlich gute Heiler, die sich dort niedergelassen hatten. Hier in den Bergen, in aller Abgeschiedenheit gingen sie ihren Forschungen nach. „Nett haben die Leute es hier“, gähnte Estela desinteressiert. Eravelle hingegen blickte sich eingehend um. „Sieht alles mehr nach einem Kurort aus“, bemerkte sie. „So war es auch ursprünglich gedacht gewesen“, wusste Alvar zu berichten. „Früher wurde dieser Ort vornehmlich von Adeligen frequentiert, die sich erholen wollten. Im Laufe der Jahre geriet Sarna aber fast in Vergessenheit. Nun scheint es jedoch so, als würde die Stadt etwas von ihrem alten Glanz zurückgewinnen.“ Dass der schwarzhaarige Elb immer nervöser geworden war, desto näher sie Sarna kamen, war mittlerweile nicht nur Lydia aufgefallen. Prüfend zog Dana eine Augenbraue nach oben. „Stimmt was nicht? Du bist so unruhig wie ein Sack Flöhe.“ Alvar machte eine abwehrende Handbewegung, während Lydia diskret zur Seite schaute – immerhin kannte sie jetzt den Grund für Alvars Verhalten. Dana verweilte einen Moment lang reglos auf dem Weg, den Alvar ihnen wies, und ließ sich die Sonnenstrahlen aufs Gesicht fallen. Noch besaß die Sonne nicht viel Kraft, aber Dana genoss es trotzdem. Es kam ihr vor wie hundert Jahre seit sie zuletzt so etwas gefühlt hatte. „Trödel da nicht herum, Dana!“, rief Zack ihr von weiter vorn aus ungeduldig zu. „Ja doch“, brummte Dana und zog dabei einen Schmollmund, wie ein kleines Kind. Lanion hatte seine Hand in die von Lydia geschoben. Die Schultern hatte er hochgezogen, als wollte er sich verstecken. Als sie vor einem hohem Gebäude schließlich stehen bleiben, atmete Alvar einmal ganz tief durch. „Da wären wir“, verkündete er. Das Gebäude war dreistöckig, zum Garten hin war der Anbau nur zweistöckig und weiß gestrichen, so wie die meisten anderen Häuser auch. Die architektonische Besonderheit war allerdings die verwinkelte Bauweise – an allen Ecken und Enden stachen Erker und Balkone hervor. „Sieht ein bisschen, wie ein Kloster aus“, fand Zack. Dana nickte zustimmend. „War es mal eins?“, erkundigte sie sich bei Alvar. Dieser zuckte mit den Schultern. „Da bin ich leider überfragt“, gab er zu. Estela, der von Natur aus nur wenig Zurückhaltung gegeben war, ging als erste näher heran. Sie ließ ihren Blick schweifen, doch weit und breit war niemand zu sehen. Ungeduldig schnaubte sie. „Wohnt hier wirklich jemand?“, fragte sie. Alvar setzte gerade zu einer Antwort an, als plötzlich das Eingangstor aufschwang. Unwillkürlich zuckte der Elb zusammen. Hinaus trat eine Frau von vielleicht 60 Jahren mit langem schwarzen Haar, das erstaunlicherweise noch nicht ergraut war. Sie ging aufrecht und lächelte den Ankömmlingen unverwandt zu. Alvar sackte merklich in sich zusammen. Jedoch räusperte er sich, ehe ihn ganz der Mut verließ. „Guten Tag, Mutter.“ Den anderen entgleisten fast augenblicklich die Gesichtszüge. „Deine Mutter?“, brachte Dana erstaunt hervor. „Aber sie ist ein...“ „Mensch“, führte Mellryn ihren Satz zuende. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. Dana schüttelte den Kopf und schaute zu Lydia hinüber. „Hast du das gewusst?“, wollte sie wissen. Lydia lächelte ein wenig verlegen. „Ja, habe ich.“ Mit Blick auf Alvar fügte sie hinzu. „Allerdings noch nicht allzu lange.“ Alvars Mutter wartete ab bis sich die Aufregung gelegt hatte und stellte sich erst anschließend vor. „Mein Name ist Adeline. Willkommen im Sanatorium von Sarna.“ Dana hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, wirkte dabei aber unsicher. „Vielen... Dank. Wir sind zu Euch gekommen, weil...“ Adeline hob eine Hand und Dana verstummte sogleich. „Ich kann mir schon denken, weswegen Ihr gekommen seid“, wandte die Ältere ein. Zielsicher schwenkte ihr Blick von Eravelle über Estela bis hin zu Lanion. „Allerdings...“ Sie ließ ihre Hand vorschnellen und packte Alvar am spitzen Elbenohr. „Du wirst mir erklären, was hier vor sich geht“, bestimmte sie. Ihr Lächeln blieb dabei unverändert zuckersüß. Alvar verzog das Gesicht. „Jawohl, Mutter.“ Lydia hatte bisher geglaubt, Alvar hätte bei seine Ausführungen über seine Mutter übertrieben, aber jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher. „Kommt doch herein“, bat Adeline die Gefährten, wobei sie allerdings nicht von Alvars Ohr abließ. Das Fenster von Adelines Arbeitszimmer lag zur Südseite hinaus und dementsprechend hell war es auch. Der Raum war relativ groß und bot für die Gruppe genügend Platz. Dennoch setzte sich Adeline nicht, sondern ging langsam auf und ab, bis sie schließlich vor Estela stehen blieb. Die Dämonenpriesterin zog leicht den Kopf zurück und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. „Was auch immer Ihr getan habt“, meinte Adeline nachdenklich, „äußerlich sind die Wunden nahezu verheilt, aber innerlich noch nicht.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch diese Frau einen gewissen Grad an Magie beherrscht, dachte Estela. Anschließend wandte Adeline ihren Blick Eravelle zu. „Ihr habt weitaus weniger abbekommen und die Verletzungen sind gut verheilt. Das einzige, was mir zu tun bleibt, wäre dann wohl zu verhindern, dass Narben bleiben.“ Eravelle blinzelte überrascht, sagte aber nichts weiter dazu. Adeline schien von ihrem Wesen her äußerst irritierend zu sein. Außerdem beobachtete sie mit stoischer Gelassenheit. Zur guter Letzt blieb die Heilerin vor Lanion stehen. Dieser versteckte sich sogleich hinter Dana und schlug ängstlich die Augenlider nieder. Zu ihm sagte sie gar nichts, sondern richtete ihre Worte erneut an ihren Sohn. „So und nun möchte ich von dir hören, was geschehen ist“, entschied sie. „In allen Einzelheiten.“ „Ganz wie du möchtest, Mutter.“ Alvar seufzte resigniert. Gegen sie hatte er keine Chance. Und Alvar berichtete tatsächlich sehr ausführlich, als würde er es nicht wagen etwas Wichtiges auszulassen. Das Gesicht seiner Mutter blieb während der ganzen Zeit über ausdruckslos und sie faltete die Hände. „Verstehe“, war ihr einziger Kommentar, als Alvar geendet hatte. Unter den neugierigen Blicken der Gefährten ging die Ärztin zum Fenster hinüber. „Wartet bitte einen Moment“, sagte sie und streckte dann den Kopf nach draußen. „Hättet ihr die Güte da raus zu kommen?“ Im Baum, der vorm Fenster wuchs, raschelten die Blätter. Kurz darauf landete auf dem Boden daneben leichtfüßig ein Junge, der vermutlich in Lanions Alter war. Trotzig zog er die Augenbrauen zusammen. Das besondere an seiner Erscheinung war die Tatsache, dass er nur einen Arm hatte. Der Linke fehlte ihm, aber dafür war er sehr geschickt geklettert. Adeline zog eine Augenbraue nach oben. „Du auch, Mili.“ Es dauerte keine zwei Sekunden, bis ein elbisches Mädchen neben dem Jungen stand. Lächelnd wandte sie sich ihren Gästen zu. „Darf ich vorstellen? Jala und Miliende, meine neugierigen Dauergäste.“ „Wir wollten nur wissen, wer die Fremden sind“, rechtfertigte sich Jala. „Dann macht euch doch nützlich und führt unsere Gäste in den Speisesaal“, schlug Adeline vor. „Sie haben sicherlich Hunger nach ihrer langen Reise.“ „Ich glaube, das muss ich erst mal alles verarbeiten“, murmelte Dana, als Mili und Jala sie in den Saal führten. Interessiert betrachtete die Elbenprinzessin Alvar aus den Augenwinkeln. „Wie alt bist du nun wirklich?“, fragte sie. „Etwas älter, als ich aussehe.“ Alvar wirkte verlegen. „35.“ „Als Halbelb alterst du langsamer, aber nicht so, wie wir“, bemerkte Mellryn. Selbst ihm waren bisher nicht allzu viele Halbelben untergekommen. „Das ist richtig“, bestätigte Alvar nickend. Schwungvoll drehte sich Miliende zu ihnen um. Sie war ein wenig größer als Jala und ungewöhnlich schlank, was von einem entbehrungsreichem Leben herrührte. Über ihre Wangen zog sich waagerecht eine Narbe. Auch sie musste in der Vergangenheit viel durchgemacht haben. „Bist du wirklich eine Prinzessin?“, fragte sie an Dana gewandt. Dana biss sich leicht auf die Unterlippe. „Ähm... ja.“ Mili grinste. „Und wir dachten, das wären nur Märchen, nicht wahr, Jala?“ Kurz schaute sich Junge um. „Stimmt genau.“ Misstrauen klang in seiner Stimme mit. „Und was macht ihr hier?“, wechselte Dana das Thema. „Lebt ihr im Sanatorium?“ „Jupp“, machte Mili und verschränkte die Hände dabei hinterm Kopf. „Wir sind beide Waisen. Meisterin Adeline hat uns aufgenommen.“ „Das tut mir leid“, entgegnete Dana unbehaglich. Doch Mili winkte ab. „Schon gut.“ Eravelle, Estela und Lanion waren bei Adeline zurückgeblieben, die sich um ihre Versorgung kümmerte. Mit dem jungen Elben hatte sie es am schwierigsten, da dieser kaum jemanden an sich heranließ. Estela murrte ständig vor sich hin. Lediglich Eravelle verhielt sich pflegeleicht. „Mit Dämonen sollte man sich eben nicht anlegen“, seufzte Adeline kopfschüttelnd und blickte dabei zwischen Estela und Lanion hin und her. End of Part 60 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)