Wo dein Herz schlägt von ChogaRamirez (Star Trek: Classic) ================================================================================ Kapitel 6: Wiedervereinigung ---------------------------- McCoy taumelte erschöpft in das Sonnenlicht, das die Schatten hinter dem Altar durchdrang. Obwohl Sarek ihn stützte, bewegte er sich mit eigener Kraft. Die Priesterinnen, groß und erhaben in ihren bodenlangen Roben, folgten ihnen. Die Vulkanier blieben absolut passiv, zeigten weder Freude noch Trauer. 'Mein Gott', schrie Jim lautlos. 'Was ist geschehen? Was ist geschehen?' Am Ende der Prozession trat eine Gestalt, in eine weiße Robe gekleidet, hinter dem Altar hervor. Die Kapuze war so tief ins Gesicht gezogen, ihr Material von einem so strahlenden Weiß, dass das scharlachfarbene Frühlicht die Gesichtszüge des Wesens, das sich darunter verbarg, eher verdüsterte als erhellte. Saavik, die sich in seiner Nähe befand, atmete erschrocken auf. Ein Zeichen des Erkennens? Der Verzweiflung? Kirk konnte es nicht sagen. [...] Die weißgekleidete Gestalt am Ende der Prozession ging an ihren vorbei, ohne einen Blick, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. Jim konnte noch immer nicht unter die Kapuze sehen, doch kannte er den Schritt, die Haltung. Saavik wollte auf die Gestalt zustürzen, doch Kirk packte sie beim Arm und hielt sie zurück. Er hätte sie nicht festhalten können, wenn sie seinen Griff hätte brechen wollen, doch die Geste reichte dazu aus. [...] Die Gestalt blieb stehen und wandte sich langsam um. Das Licht der Sonne fiel von hinten durch das Material der weißen Kapuze, sodass das Gesicht des Mannes tief verschattet war. Er zögerte, trat dann langsam auf Jim Kirk und seine Freunde zu. Er blieb stehen, hob die Hand, schob die Kapuze zurück und ließ sie auf seine Schultern fallen. Der Schmerz war aus Spocks Gesicht gewichen, der Schmerz und die entsetzliche Leere. Sein Blick stellte Fragen an Jim, behutsam und lautlos. Eine helle Intelligenz, ungeduldig über die Ungewissheit, leuchtete in seinen Augen. Er blickte von Jim zu jedem seiner anderen Schiffskameraden: Sulu, Uhura, McCoy, Chekov, Scott; und schließlich Saavik. Es schien Jim, als ob er die Schwelle des Erkennens erreicht habe, sie jedoch nicht ganz überschreiten könne. [...] Spock starrte ihn an, immer noch ohne wirkliches Erkennen. Er wandte sich wieder ab und trat mit unsicheren Schritten auf seinen Vater zu, auf die anderen Vulkanier. Kirk streckte die Hand nach ihm aus, wusste jedoch, dass es richtig gewesen war, wenn er vorhin Saavik daran gehindert hatte, ihn aufzuhalten. Sie mochten in der Lage sein, Spock einen Schlüssel zu geben, doch niemand konnte ihn zwingen, sich zu erinnern. =A= Als sich Spock in Begleitung von Sarek entfernte, hatte Saavik das Bedürfnis, ihren angestauten Emotionen Luft zu machen. Zu aufreibend waren die Ereignisse der letzten Tage gewesen. Und der Fakt, dass Spock sie eben angesehen hatte, als ob er sie zum ersten Mal in seinem Leben gesehen hatte, brachte das Fass zum überlaufen. Saavik hatte dieses irdische Sprichwort bei Dr. McCoy aufgeschnappt und in der komplizierten Situation, in der sie sich gerade befand, verstand sie auch endlich, was es bedeutete. Sie wusste, dass es nach einer Rückübertragung des Katra einige Zeit dauern konnte, bis sich der Betroffene wieder an Alles erinnern konnte. Doch Spock hatte Admiral Kirk fast sofort wiedererkannt, sie aber nicht einmal registriert. Und das nach Allem, was sie gemeinsam erlebt hatten ... Man sagte Menschen nach, dass sie nicht in der Lage waren, Stimmungen bei Vulkaniern zu erkennen - bei den Meisten hatte man damit sogar recht. Doktor Leonard H. McCoy war jedoch ein ganz eigener Fall - er sah es. Vielleicht lag es daran, dass er mit mehreren Vulkaniern zusammen gearbeitet hatte und einer von ihnen zu seinen besten Freunden zählte. Er bemerkte die Stimmung von Saavik und trat neben sie. "Sind Sie in Ordnung"?, fragte er vorsichtig. Die junge Vulkanierin sah Spock und Sarek nach, wie sie sich langsam vom Mount Seleya entfernten. Ihre Gedanken rasten. Würde Spock sie jemals wieder erkennen, wenn er nur genügend Zeit hatte? Sie wusste es nicht ... Sie bemerkte nicht einmal, dass McCoy neben sie getreten war, bis er sie ansprach. Sie versuchte, jegliche Regung aus ihrem Gesicht und Spock aus ihren Gedanken zu verbannen, als sie sich langsam zu McCoy umdrehte - beides gelang ihr nur mäßig. "Es ist alles in Ordnung", sagte Saavik leise. McCoy sah sie an und überlegte. Konnte es sein, dass die junge Frau ihn anlog? Natürlich war es generell möglich, das Vulkanier logen, auch wenn sie selbst gerne sagten, dass sie genau das nicht taten. "Sind Sie sicher, Lieutenant"?, hakte er deswegen noch einmal nach. Als Antwort nickte Saavik nur stumm. Dann atmete sie tief durch und widmete sich schließlich voll und ganz dem Arzt. "Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen, Doktor. Es gibt nichts, was Sie beunruhigen sollte." "Natürlich nicht", erwiderte McCoy, sah sie aber an, als glaubte er ihr kein Wort. Zwar wusste er nicht, womit er sich heraus nahm, ihr so offen zu misstrauen, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er es müsste. Vielleicht - so überlegte er - hatte es ja auch mit dem Zwischenfall auf Genesis zu tun. "Es ist wohl am besten, wenn wir uns in den Tempel zurück ziehen", änderte Saavik das Thema. "Der Tag bricht an und die Sonnen werden bald hoch am Himmel stehen. Sie sehen erschöpft aus, Sir." "Es geht mir gut, Lieutenant", erwiderte der Arzt, wenngleich man ihm die Erschöpfung wirklich ansah. Aber genau so wenig, wie sie sich eine Blöße geben wollte, hatte er es vor. "Lieutenant", sagte er dann und sah ihr in die Augen. "Ich habe wirklich das Gefühl, dass Sie etwas beunruhigt." "Ich frage mich nur, ob Captain Spock sein Gedächtnis wieder vollständig zurück bekommt ..." McCoy hätte am liebsten ein paar tröstende Worte zu ihr gesagt, ließ es aber bleiben. Vulkanier waren nicht unbedingt für so etwas empfänglich und am Ende würde es nur bereuen, wenn er etwas sagen würde. Also begnügte er sich damit, ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter zu legen, sich zu wundern, dass es ihr nichts ausmachte und sich mit ihr und seinen Kameraden in den Tempel zurückzuziehen. =A= Die Crew der Enterprise verbrachte den ganzen Tag im Tempel und erholte sich von den Strapazen, die die Rettungsmission auf Genesis mit sich gebracht hatten. Ein paar Mal versuchten sowohl McCoy als auch Kirk mit Saavik zu reden, aber neue Erkenntnisse konnten Beide nicht gewinnen. Schließlich blieb dem Arzt nichts anderes mehr übrig, als sie daran zu erinnern, dass er eine Nachuntersuchung machen muss, sobald er wieder fit war und sie alle wieder im Bird of Prey waren. =A= "Schön, dass Sie die Zeit erübrigen konnten, kurz bei mir vorbei zu schauen", sagte McCoy mit einem gewissen ironischen Unterton in der Stimme, als Saavik die Krankenstation des klingonischen Raubvogels betrat. Die Vulkanierin erwiderte nichts, denn die Antwort hätte dem Arzt vermutlich nicht gefallen. Er hatte sie mehr oder weniger gezwungen, die Krankenstation aufzusuchen und sich einer weiteren Untersuchung zu unterziehen. Die Verletzungen, die sie Genesis zu verdanken hatte, waren in der Mehrheit bereits verschwunden, weswegen Saavik nicht wirklich den Sinn von McCoys Forderung verstand. Sie wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen und sah den Arzt fordernd an. "Wäre es möglich, dass Sie effizienter arbeiteten?", fragte sie und man konnte deutlich hören, dass sie mehr als nur genervt war. Was sie selbst nicht so ganz verstand, immerhin war sie Vulkanierin und die hatten sich schließlich unter Kontrolle. "Es wäre durchaus möglich, dass ich mich beeile, aber dann könnten mir Fehler unterlaufen, die die Untersuchung nur unnötig verlängern. Und das wollen wir doch nicht, nicht wahr?" McCoy hatte sein Schuljungen-Grinsen aufgelegt. Er war guter Dinge, dass er heute mehr Informationen von der jungen Frau bekam. Er wusste zwar noch nicht so richtig, wie er das anstellen sollte, aber irgendwas fiel ihm sicher ein. Er war schließlich ein Meister der Improvisation. "Wenn Sie sich setzen wollen ...?", fragte er und deutete wie beiläufig auf eine Diagnoseliege. Saavik seufzte und fügte sich. Es war ihr nicht recht, dass sie sich einer weiteren Untersuchung unterziehen musste, die nach ihren Maßstäben absolut unnötig war. Aber McCoy war ranghöher als sie. Und da sie ein Offizier der Sternenflotte war, musste sie tun, was er wollte. Auch wenn das hieß, eine Untersuchung machen zu lassen, die nicht erforderlich war. McCoy grinste verhalten, als sich die Vulkanierin setzte und griff nach einem medizinischen Tricorder. "Es ist schön, wieder zu hause zu sein, nicht war?", begann er mit dem Smalltalk. "Vulkan ist nicht mein Zuhause", erwiderte Saavik und starrte die gegenüberliegende Wand an, während McCoy sie untersuchte. "Aber Sie sind froh, wieder auf Vulkan zu sein, oder?" Saavik seufzte lautlos. Sie mochte es nicht, wenn jemand versuchte, sie auszuquetschen. "Ja", antwortete sie deswegen emotionslos. "Sie sollten Botschafter Sarek und seine Frau besuchen", schlug McCoy vor. "Sie haben ja immerhin eine Weile dort gelebt." "Warum stellen Sie mir diese Fragen?", stellte Saavik eine Gegenfrage, die bewirkte, dass McCoy sie anstatt des Tricorders ansah. "Smalltalk", war die simple Antwort des Arztes. "Ich unterhalte mich mit Ihnen." "Ist das wirklich notwendig?" "Aus medizinischer Sicht? Nein", erwiderte McCoy und legte erneut sein Schuljungen-Grinsen auf. "Aus zwischenmenschlicher Sicht? Ja." "Ich bin kein Mensch", protestierte die Vulkanierin sofort. "Das weiß ich, aber eine bessere Beschreibung fiel mir gerade nicht ein", sagte der Arzt grinsend. "Aber ich muss sagen, dass Ihr Gesundheitszustand schon viel besser ist, als das letzte Mal. Haben Sie irgendwelche Beschwerden?" "Nein", antwortete Saavik und erwiderte den Blick des Arztes. "Darf ich jetzt zurück auf meinen Posten?" Dieses Mal war es McCoy, der seufzte. Es war zum Haare raufen mit dieser Frau. Er wollte ihr doch nur helfen, aber sie torpedierte alle seine Versuche. "Nein, dürfen Sie noch nicht", sagte der Arzt und sah Saavik eingehend an. "Wissen Sie ...", begann McCoy und machte dann eine bedeutungsschwangere Pause. Bevor er weiter sprach, legte er den medizinischen Tricorder beiseite und setzte sich Saavik gegenüber. "Sie erinnern sich sicherlich noch daran, dass ich Ihnen vor kurzem gesagt habe, dass ich unter ärztlicher Schweigepflicht stehe und nichts, was Sie mir anvertrauen, wird ohne Ihr Einverständnis diesen Raum verlassen." Saavik nickte stumm und ahnte, was McCoy ansprechen wollte. "Gut ...", sprach der Arzt weiter und ließ die Vulkanierin nicht aus den Augen. "Sie sind nicht nur meine Patientin, sondern auch das Protegé einer meiner Freunde. Ich möchte hier nicht als vorgesetzter Offizier auftreten, aber notfalls werde ich Ihnen befehlen, mir zu erzählen, was auf Genesis passiert ist." Saavik erwiderte nichts. Sie sah McCoy stumm an und dachte fieberhaft darüber nach, wie sie aus dieser verzwickten Situation heraus kam. "Ich habe die Untersuchungsergebnisse von Genesis mehrfach überprüft und Ihre Verletzungen stammen keineswegs nur vom Sturz bei einem Erdbeben. Sie haben Verletzungen, die von einer massiven Gewalteinwirkung stammen. Aufgrund der Charakteristika der Verletzungen kann ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass Ihnen von Jemanden, der Ihnen körperlich überlegen ist, Gewalt angetan wurde." McCoy machte eine Pause, um Saavik die Gelegenheit zu geben, etwas zu seinen Aufführungen zu sagen. Doch die junge Frau schwieg weiterhin und sah lieber an ihm vorbei. "Saavik, sehen Sie mich bitte an", sagte der Arzt und wartete einen Moment, bis die Vulkanierin seiner Bitte nachkam. "Bitte sagen Sie mir die Wahrheit. Würden Sie auf Genesis von einem Klingonen vergewaltigt?" "Nein ...", antwortete Saavik nach einem Moment des Schweigens leise. McCoy seufzte lautlos. "Passen Sie auf ... Die medizinischen Fakten sprechen eindeutig gegen Ihr leugnen. Ich möchte doch einfach nur die Wahrheit wissen ..." Saavik schwieg weiterhin. "Saavik, bitte ..." "Die Klingonen haben nichts mit meinen Verletzungen zu tun ...", gab Saavik schließlich leise zur Auskunft. "Und wer war es dann?", fragte McCoy behutsam nach. "Ich kann Ihnen das nicht sagen", erwiderte Saavik und sah den Arzt beinahe flehend an. "Saavik, Sie können mir vertrauen. Egal, was auch passiert ist, ich kann Ihnen dabei helfen und nichts, was Sie mir sagen, wird diesen Raum verlassen." "Spock ...", sagte Saavik nach einem weiteren Moment des Schweigens. "Spock?", echote McCoy verwirrt. Die Vulkanierin sah beschämt zu Boden. "Spock litt auf Genesis am Pon Farr und ich habe ihm geholfen." McCoy lehnte sich erstaunt zurück. "Und im Pon Farr wird ein Vulkanier aggressiv ...", murmelte der Arzt. Dann sah er Saavik an. "Also ist Spock daran schuld an Ihren Verletzungen." "Ich habe das freiwillig getan, um ihm zu helfen", erwiderte Saavik. "Er kann nichts dafür." "Das erklärt natürlich einiges ...", murmelte McCoy. "Bekommt Spock deswegen Probleme?", fragte die junge Vulkanierin vorsichtig nach, und McCoy erkannte allein am Tonfall, dass sie sich mehr Sorgen um Spock, als um sich selber machte. Der Arzt schüttelte langsam den Kopf. "Nein, natürlich wird Spock deswegen keine Probleme bekommen. Es war eine Notsituation und ich werde darüber kein Wort verlieren. Das habe ich Ihnen schließlich versprochen." "Danke ...", sagte Saavik leise und sah McCoy dankbar an. "Spock ist Ihnen sehr wichtig, nicht wahr?" Als Antwort nickte Saavik nur schweigend. "Darf ich jetzt gehen?", fragte sie dann vorsichtig. "Natürlich", erwiderte der Arzt. "Und Sie können auch jederzeit mit mir reden, wenn Sie das Bedürfnis danach haben", fügte er noch hinzu, als Saavik sich von der Diagnoseliege erhoben hatte. Die Vulkanierin sah McCoy einen Moment an, nickte dann langsam und für den Bruchteil einer Sekunde erschien ein dankbares Lächeln auf ihren Lippen. Der Arzt sah ihr hinterher, als sie die Krankenstation verließ. © Choga Ramirez, Calvin Cat & Vonda N. McIntyre Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)