deformis von Nayla (by Black Symphony) ================================================================================ Kapitel 2: ...eines neuen Lebens... ----------------------------------- Jeder Schritt hallte von den ebenfalls kahlen, weissen Wänden des Laborraumes wider. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken runter, als ich inmitten des Raumes von der Menschenfrau aufgefordert wurde, stehen zu bleiben. Widerwillig tat ich, was mir befohlen wurde. Ich versuchte in dem Raum etwas zu erkennen, aber die weissen Wände schienen mich zu blenden. Ich kniff meine Augen zu Schlitzen zusammen und versuchte so, mehr zu sehen. Aber vergebens. Der Raum schien leer zu sein. Das kann nicht sein, dachte ich misstrauisch. Wenige Meter von mir entfernt blieb auch meine Begleitung stehen. Sie wandte ihr makelloses Gesicht mir zu und sagte mit melodiöser, leiser Stimme: “”01”, bald ist es soweit.” Wofür? Was ist bald soweit? Verdammt nochmals! “Geh’ ganz nach hinten und ruh dich dort zuerst einmal aus. Morgen wird der grosse Tag kommen.” Die Frau fixierte mich und lief dann aus dem Laborraum und schloss die Türe zu. Als diese in das Schloss fiel, wurde mir bewusst, dass ich schon wieder eingesperrt war. Ich war nun schon mein ganzes Leben lang eingesperrt gewesen. Man könnte sagen, dass ich gar nichts anderes kannte. Denn wie schon erwähnt: Ich wurde in einem Wildpark geboren. Ich wurde hinter Gittern, eingesperrt und abgeschottet vom wahren Leben, geboren. Man könnte sagen, dass dies kein Leben wäre. Wenn ich ehrlich bin... Es ist kein ‘wahres’ Leben. Oder besser gesagt, es ist kein erfülltes Leben. Meine Eltern wuchsen in der Wildnis auf. Sie schwärmten immer von diesem freien Leben. Ich konnte mir dies nie richtig vorstellen, wie sich das Gefühl ‘frei sein’ anfühlen konnte. Denn im Moment fühlte ich eine tiefe Leere in mir drin. Ich fühlte mich einsam und ich war zugleich wütend. In meiner Wut lief ich ziellos in diesem kalten Raum umher. Und als ich meine Wut nicht mehr zurückhalten konnte, als ich meine Beherrschung verlor, warf ich mich gegen die verschlossene Türe. Immer und immer wieder. Ich brüllte und tobte, verbiss mich im Türknauf, schlug meine Krallen in die stählerne Türe bis mir vor Schmerz Tränen in die Augen schossen. Ich wollte nicht aufgeben. Ich wollte raus. Raus um endlich zu leben, verdammt! Ich versuchte es nochmals wenige Male die Türe aufzubringen. Dann gab ich auf. Der Schmerz war einfach zu gross und meine Wunden rissen noch mehr auf. Ich spürte, wie sich mein Blut den Weg bis zum Boden bahnte. Ich schmeckte mein eigenes Blut im Maul, was einen scheusslichen Nachgeschmack hinterliess. Ich stand noch einige Minuten keuchend und regungslos da. Dann tat ich, was die Menschenfrau mir gesagt hatte. Ich ging in eine Ecke des Laborraumes und sackte dann erschöpft zusammen. Ich wollte jetzt einfach nur noch schlafen und alles vergessen und ich hoffte, wenn ich wieder aufwachen würde, dass ich nicht mehr hier wäre. Die Ecke beruhigte mich irgendwie. Ich hatte keine Ahnung wieso, aber sie gab mir ein Gefühl von Geborgenheit. Dies hört sich jetzt bestimmt völlig irrsinnig an, ja, mag sein, aber ich kann auch nicht mehr sagen, als es meine Gefühle tun. An diesem Abend konnte ich jedoch noch lange nicht einschlafen, denn meine Wunden pochten unaufhörlich und ich dachte, dass ich diesen Schmerz nicht mehr aushalten würde. Ich verzweifelte fast ab dieser Situation, denn ich fühlte mich so hilflos, wahrscheinlich wie noch nie zuvor. Aus diesem Grund schossen mir immer wieder Tränen in die Augen, die ununterbrochen meine Wangen hinunter kullerten. Ich konnte sie nicht zurückhalten. Aber in diesem Moment wollte ich es auch gar nicht. Es konnte mich doch sowieso niemand sehen oder hören. Warum sollte ich mich also verstellen? Wieso sollte ich mir also etwas vormachen? Es war in diesem Moment eh alles egal. Für mich konnte an diesem Abend auch die Welt untergehen. Es würde mir egal sein. Ich war mir egal. Ich war mir egal, weil mich mein Rudel im Stich gelassen hatte. Ich wurde im Stich gelassen von denjenigen, denen ich sogar mein Leben anvertraut hatte! In diesem Augenblick keimte in mir ein grausiges Gefühl auf, das ich zuvor noch nie gekannt hatte. Vergeltung. Ich wollte Rache. Ich wollte mich an meinem Rudel... Nein, ich wollte mich an allen Wölfen rächen! Ich wollte, dass alle genau das fühlen mussten, was ich jetzt fühlte. Schmerz. Unendlichen Schmerz soll ihnen zugefügt werden! Und dies von mir. Ich wollte derjenige sein, der ihnen diesen Schmerz zufügen wird. Ich weiss, dies hört sich ziemlich makaber an, aber ich konnte einfach nicht mehr anders denken. Ich war sosehr verletzt worden. Nicht nur mein Körper blutete und war verletzt worden, nein, auch meine Seele. Und ich glaube, diese Wunde in meiner Seele wird nie mehr heilen... Und dann übermannte mich doch noch den Schlaf. Es war aber kein erholsamer und ruhiger Schlaf. Denn mein Schmerz riss mich immer wieder aus meinen surrealen Träumen. Kaum schlief ich zum zigtausenden Mal ein, wurde ich sogleich wieder durch das Klacken der Türe aufgeschreckt. Sogleich stand mein Körper unter Spannung und ich spielte mit meinen Muskeln. “Guten Morgen “01””, sprach eine süssliche Stimme. Ich wusste, dass es die Wissenschafterin sein musste, die mich gestern hierhinein begleitet hatte. “Du warst gestern sehr aufgebracht. Das tut dir nicht gut. Weisst du?” Dann trat sie in den Raum. “Ich hoffe, du hast dich beruhigt...” Die Frau schien zu lächeln. Es war jedoch kein freundliches Lächeln. Es war eher solch ein kaltes, unnahbares Lächeln. “”01”, du wirst in einer Woche eine neue Art der Gattung Canis lupus repräsentieren.” “Wie meinen Sie das?”, fragte ich ungläubig. “Nun, du wirst eine neue Unterart des Wolfes sein: Canis lupus deformis. Du solltest dich also geehrt fühlen. Du wirst einst der Vater von der stärksten Unterart des Wolfes sein. Ausserdem sollst du mit uns Menschen zusammenleben und...” “Zusammenleben?!”, knurrte ich, “Sie meinen eher, dass ich euch Menschen ‘dienen’ soll, nicht?” Die Frau schüttelte belustigend ihren Kopf. “Sieh es so, wie du willst. Du kannst an deinem Schicksal sowieso nichts mehr ändern. Ausserdem solltest du heute doppelt so stark sein wie ein gewöhnlicher Wolf und deine Instinkte haben den Höhepunkt erreicht. Damit wir dies auch testen können, werde ich dich jetzt nochmals an einem Generator anschliessen.” Und schon schossen mir Schläuche entgegen und kniffen mir in die Haut und saugten sich fest. Mit gekünstelter, ruhiger Stimme sagte Frau Wissenschafterin: “Schon gut. Du brauchst keine Panik zu haben. Du wirst keine Schmerzen spüren. Die Schläuche werden nur deine Bewegungen und deine Hirnströme vermessen.” “Für was denn?”, sagte ich wütend. Ich war schon wieder auf 180. “Das habe ich dir doch soeben erklärt. Wir wollen nur testen, ob du schon unseren ersten Idealen entsprichst. Und für das, werde ich gleich einen anderen Wolf zu dir hereinlassen. Du hast in diesem Moment nichts anderes zu tun, als dich von deinem Instinkt leiten zu lassen.” Mit diesen Worten verschwand die Frau und kurze Zeit später kam durch die Türe einen, etwa eineinhalbjährigen Wolf zum Vorschein. Seine braunen, wachen Augen guckten mich entsetzt an. Als ich meine Zähne bleckte, sträubte sich sein hübsches, mittelbraun und schwarz-weisses Fell. “Wie heisst du Fremder und was soll das Ganze hier?” “I... ich”, stotterte der junge Rüde und zog seine Rute ein, “Ich weiss es nicht. Ich wurde im Wald von den Menschen gefangen genommen und hierher verschleppt. Ich weiss es wirklich nicht!” Er winselte vor sich hin. Erbärmlich, dachte ich zu mir. “Wie ist dein Name?”, fragte ich weiter nach. Der Jungwolf schien fast vor Angst einen Herzstillstand zu erliegen. Dann brachte er jedoch mit zitternder Stimme “A...w...on” heraus. Ich bekam schon fast Mitleid mit dem Geschöpf, jedoch überfiel mich plötzlich und scheinbar ohne Grund die Vergeltung. Ich spürte, wie dieses Gefühl langsam meinen Körper und schlussendlich auch meinen Kopf, meinen Verstand in Besitz nahm. Ich tickte völlig aus und wollte den Wolf zerbeissen. Ich wollte mich in ihm verbeissen und ich wollte sehen, wie sein Blut den kahlen Boden tränkte. Ich wusste genau was ich tat und ich wollte nur eines. Seinen Schmerz spüren. Jedoch bekam ich zuerst nur ein paar Haare vom jungen Rüden zwischen die Zähne. Und als ich mich dann plötzlich in seine Rute verbeissen konnte, verlor ich die Kontrolle über meine Kraft. Ich hatte mich plötzlich nicht mehr unter Kontrolle und hätte mich wahrscheinlich noch selber getötet, wenn nicht plötzlich drei Wissenschaftler auf mich mit mehreren Betäubungspfeilen zielten. Ich merkte, wie mein Kiefer langsam die Rute losliess und wie meine Augen zufielen. Müdigkeit überwältigte mich schlagartig. Die Dunkelheit umhüllte und verschlang mich schlussendlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)