The Curse von AlastairBlackwell ================================================================================ Kapitel 2: Einkäufe ------------------- Die Zimmer im Tropfenden Kessel waren schnell organisiert, so dass die Mädchen sich noch vor dem Mittagessen in die Winkelgasse begeben konnten, um die ersten Einkäufe für das neue Schuljahr zu tätigen, denn obwohl es für sie alle das letzte Jahr war, brauchten sie ungewöhnlich viel Material. Zwar hatte es nicht ausdrücklich auf den Listen gestanden, doch aus den Titeln der Bücher, welche sie sich beschaffen mussten, ließ sich der Schluss ziehen, dass allein im Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste ganze drei neue Werke benötigt wurden. Das konnten die Zwillinge natürlich nicht unkommentiert lassen. „Ich fass es nicht! Drei neue Bücher! Drei!“, regte sich Felicity auf, als sie den ersten vernünftigen Blick auf die Bücherliste warf, und ihre Schwester konnte ihr nur zustimmen. „Wer auch immer der neue Lehrer ist, der muss wahnsinnig sein!“ „Ich wette, der musste in seinem Leben nie so eine schwere Tasche schleppen.“ „Genau! Felicity, ich sag es dir, wenn ich den sehe, kriegt er was zu Hören!“ Wie immer lauschte Shawna dem Gespräch der beiden stumm, jedoch nicht ohne ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht. Natürlich regten sie sich auf, irgendetwas fanden sie immer, um sich darüber aufzuregen, doch das war noch etwas, was das Beisammensein mit ihnen so interessant machte, und jetzt war es eben der neue Lehrer, der dieses Jahr an ihre Schule kommen würde. Professor Laurencine, ihr vorheriger Lehrer, hatte sich nach dem letzten Jahr in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen. Er war ein winziger Mann, der noch älter ausgesehen hatte als er wahrscheinlich wirklich war, hatte nur noch ein paar Strähnen weißgrauen Haares gehabt, musste, der Dicke seiner Brillengläser nach zu urteilen, schon halb blind gewesen sein und in seinen letzten Dienstjahren hatte er sich stets auf einem Stock abgestützt, doch anders als es sein gebrechliches Äußeres hatte vermuten lassen, war er ein wahrer Meister seines Faches gewesen, der noch jeden seiner Schüler mit Leichtigkeit hätte überwältigen können. Die Schüler selbst hatten ihn gemocht, und man hatte stets mit jedem Problem zu ihm kommen können, obwohl er nicht einmal der Leiter eines ihrer Häuser gewesen war, und vielleicht war das der Grund, dass Miranda und Felicity ein wenig gereizt darauf reagierten, dass er nun durch einen Neuen ersetzt werden sollte. „Meinst du nicht auch, wir sollten uns beschweren, Shawna?“, sprachen die Zwillinge sie schließlich im Chor an, doch außer einem leisen Lachen sollten sie auf diese ohnehin wohl eher rhetorische Frage keine Antwort erhalten. Abgesehen davon, dass Shawna nicht wirklich Lust hatte, den beiden klarzumachen, dass der neue Lehrer wahrscheinlich ein wenig einflussreicher war als sie, war ihre Konzentration schon auf etwas anderes umgeschlagen. Im Schaufenster der Apotheke war ein großes Schild mit der Aufschrift »AUSVERKAUF« angebracht worden, und es gehörte zu den Charaktereigenschaften der Schwarzhaarigen, an solchen Angeboten nicht vorbeigehen zu können. „Ich muss da mal kurz rein...“, murmelte sie in sich hinein, während sie bereits die schwere Tür des Ladens aufschob. Die Apotheke wirkte kleiner, als sie wirklich war, denn nicht nur dass die Fensterscheiben schlecht geputzt waren, nein, auch sämtliche Wände waren mit Regalen zugestellt, auf welchen dicht an dicht Gläser und Fläschchen in unterschiedlichen Größen, Farben und Formen standen - und das wild durcheinander. Ein besonders gut sortierter Laden war dies nicht, doch möglicherweise ließ sich ja hier ein gutes Geschäft machen. Es dauerte eine halbe Stunde - die blonden Zwillinge waren inzwischen weiter gezogen - bis Shawna das staubige Lädchen wieder verließ, voll bepackt mit allerhand Utensilien, die ihr im kommenden Schuljahr hoffentlich nützen würden. Es war das Jahr, in denen für sie die UTZ-Prüfungen anstanden, und das Mädchen musste, um einmal ihren Traumberuf ergreifen zu können, in den meisten Hauptfächern sehr gute Noten erreichen. Warum sie sich ausgerechnet für ihr bestes Fach, in welchem sie - aus der Sicht der meisten anderen - die absolute Bestnote ohnehin schon in der Tasche hatte, am meisten anstrengte, konnte sich zwar niemand erklären, abgesehen von ihr selbst, doch es beschwerte sich auch niemand darüber, und so ließ sie sich nicht stören und lernte fleißig weiter. Erst bei Madame Theresa’s, einem Laden, der neben den gewöhnlichen Zaubererumhängen auch so manches hübsche Abendkleid verkaufte, holte Shawna ihre Freundinnen wieder ein. „Nett von euch, dass ihr gewartet habt!“, meinte sie mit einem Grinsen auf dem Gesicht, „Ich hab für uns alle schonmal die Zutatenkästen wieder aufgefüllt, ihr wärt da doch sowieso nicht drauf gekommen.“ Da mussten die beiden ihr schweigend Recht geben. Zum Glück dachte wenigstens eine daran, dass es für das neue Schuljahr noch mehr zu besorgen gab als nur die Bücher... Doch auch von diesen wollten Miranda und Felicity noch nichts wissen, sondern deuteten noch einmal auf das Schaufenster, vor welchem sie nach wie vor standen. „Wir haben doch dieses Jahr unseren Abschlussball, lasst uns hier mal schauen, ob wir nicht ein paar schöne Kleider finden!“, schlug Felicity vor, wartete jedoch nicht lange auf eine Antwort, sondern verschwand sofort im Inneren des Geschäfts, dicht gefolgt von den beiden anderen. Dem ersten Eindruck nach war es hier schon um einiges angenehmer als in der Apotheke, zumindest was die Sauberkeit des Ladens anging. Es war längst nicht so stickig und man konnte durch alle Scheiben sehen, und auch die kleine, pummlige Hexe, die sofort auf sie zugestürmt kam, machte einen weit sympathischeren Eindruck als der schrullige Mann hinter dem Tresen der Apotheke, welcher, wie Shawna glaubte gesehen zu haben, nur noch ein Auge gehabt hatte. „Kann ich Ihnen behilflich sein, die Damen?“, sprach die Frau - wahrscheinlich Madame Theresa persönlich - die drei sofort an, und wie immer ließen sich die blonden Zwillinge nicht lange bitten. „Wir kommen jetzt ins siebte Hogwarts-Jahr“, fing Miranda an und ihre Schwester beendete den Satz, „und für den Abschlussball bräuchten wir noch Kleider.“ „Ah, wie wunderschön!“, entgegnete die kleine Hexe träumerisch, „Ich kann mich an meinen Abschlussball erinnern, als wäre er gestern gewesen... Und drei so entzückende, junge Damen wie Sie werden mit Sicherheit atemberaubend aussehen...“ Die drei Freundinnen grinsten einander für einen Augenblick an, scheinbar hatten sie alle denselben Gedanken. „Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?“, riss Madame Theresa sich schließlich selbst wieder aus den Schwärmereien heraus, „Oder wollen Sie sich selbst ein wenig umschauen?“ Während sich Miranda und Felicity sofort danach erkundigten, ob all die Kleider hier Einzelstücke wären oder ob sie auch beide die gleichen bekommen könnten - am besten in einem hübschen Blau - machte sich Shawna allein auf den Weg, um sich im Geschäft umzusehen. Sie hatte sich bisher gar keine Gedanken über diesen Abschlussball gemacht, doch jetzt fiel ihr noch dazu ein, dass sie ja auch noch mit irgendeinem Jungen dorthin gehen musste. Na wunderbar... In ihrer gesamten Schulzeit hatte sie sich noch nicht für Jungen interessiert, und spontan fiel ihr auch keiner ein, den sie hätte fragen können. Mit ein wenig Glück würde ihr jemand diese Entscheidung abnehmen und sie einladen, doch irgendwie rechnete sie nicht damit. Sicher, Shawna war ein hübsches Mädchen, das hatte sie inzwischen eingesehen, doch hatte sie es nie darauf angelegt, sich besonders beliebt zu machen. Diejenigen, die sie mochten, mochten sie eben, und die anderen nicht. Ein leises Seufzen entfuhr der Schwarzhaarigen, als sie in einen der vielen Spiegel blickte, die überall im Laden angebracht waren. Schon wieder sah sie so müde aus, dabei fühlte sie sich doch eigentlich schon besser als heute Morgen. „Was soll’s...“, murmelte sie in sich hinein und wandte den Blick wieder von sich ab, ihren beiden Freundinnen zu, welche geradezu aus dem Häuschen waren, als Madame Theresa tatsächlich mit zwei identischen, himmelblauen Kleidern auf sie zugewuselt kam. Shawna schmunzelte. Nicht einmal auf dem Ball wollten sie es sich also verkneifen, die anderen mit der Verwirrung darüber allein zu lassen, welche von ihnen jetzt welche war, das sah ihnen wieder mehr als ähnlich. Einen Moment schaute das Mädchen zu, wie die beiden schließlich aus den Umkleidekabinen kamen und sich begeistert vor einem besonders großen Spiegel drehten, während sie sich unterhielten. „Die sehen toll aus! Genau die Farbe, die ich mir vorgestellt hatte!“ „Ja, sollen wir die gleich nehmen? Ich finde, wir müssen uns keine anderen mehr anschauen, oder was denkst du?“ Auch Madame Theresa schien den beiden zuzustimmen, da sie die ganze Zeit nickte, während sie um die beiden herumwackelte und versuchte, nachzusehen, ob die Kleider auch optimal saßen. „Sie sehen entzückend aus, einfach entzückend!“, hörte man sie immer wieder ausrufen. „Aber ich komme mir noch ein bisschen nackt vor, oder?“, begann Miranda schließlich erneut, „Wir sollten noch nach ein paar Accessoires sehen!“ An diesem Punkt verlor Shawna das Interesse an der weiteren Unterhaltung, die zwei würden schon klarkommen, lieber schaute sie sich selbst noch ein wenig um, denn ebenso wie über ihre Begleitung, hatte sie sich auch über ihre Garderobe noch keine Gedanken gemacht. Sie musste schon zugeben, dass es hier tatsächlich viele hübsche Sachen gab, doch vollkommen zufrieden schien sie nicht zu sein, so dass sie am Ende die einzige war, deren Tasche noch leer war, als die drei das Geschäft wieder verließen. Sie war froh, dass die Buchhandlung Flourish & Blotts fast direkt gegenüber lag, so dass Miranda und Felicity keine weitere Gelegenheit fanden, sich über diesen Ball auszulassen. Darüber wollte sie sich am besten gar nicht mehr den Kopf zerbrechen, bis es wirklich soweit wäre. Stattdessen fanden die beiden schnell ein neues Thema, als ihnen auffiel, wer der Autor eines der Bücher war, die sie für Verteidigung gegen die dunklen Künste einkaufen sollten. „Arthur Laurencine?! Ich wusste gar nicht, dass der ein Buch geschrieben hat!“, riefen die Zwillinge wie aus einem Munde aus. „Ich wusste gar nicht, dass unser alter Professor Arthur hieß!“, war Shawnas Antwort darauf, woraufhin die beiden sofort losprusteten, so dass der gestresst wirkende Verkäufer, der sich gerade mit den Eltern einer neuen Erstklässlerin herumschlug, zu ihnen herübergestürmt kam und sie mit mäßiger Höflichkeit darum bat, sich doch bitte in angemessener Lautstärke zu unterhalten. „Verzeihen Sie bitte, Sir“, gluckste Felicity und zeigte ihm ihre halb zerknüllte Bücherliste, „Wir brauchen je drei Exemplare von denen hier. Hogwarts, siebtes Schuljahr.“ „Ich bin sofort bei Ihnen!“, rief der Mann aus, als er den Laden schon wieder halb durchquert hatte, um die Mutter zu beruhigen, die inzwischen lauthals zu zetern angefangen hatte, wie schlecht der Service hier doch sei und dass sie dafür sorgen würde, dass der Verkäufer in dieser Stadt nie wieder einen Job bekommen würde. „Mein Gott, sind die aufgeblasen“, murmelte Shawna in sich hinein, „die Frau erinnert mich irgendwie an Mrs Farrington!“ „Oh Gott, ja...“, nuschelten die blonden Mädchen kopfschüttelnd. Mrs Farrington war die Mutter von zwei Schulkameraden von ihnen, Anthony und Victor. Sie hatten sie nur einmal getroffen, als sie ihre Söhne zum Zug begleitet hatten, und wenn diese zwei schon eingebildet waren, dann gab es kein Wort mehr, das ihre Mutter beschreiben könnte. Noch nie hatten sie einen Menschen erlebt, der sich so sehr wegen irgendwelcher Kleinigkeiten aufgeregt hatte. Shawna hatte schon einige Male darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht an ihr lag, dass die Jungen so waren, wie sie eben waren. Anthony war im selben Jahrgang wie sie und die Zwillinge, er war ebenfalls in Slytherin und sah noch dazu unheimlich gut aus, und obwohl sie eigentlich gar keine Lust gehabt hatte, einen Gedanken daran zu verschwenden, hätte sie sich in diesem Moment gut vorstellen können, mit ihm zum Abschlussfest zu gehen, doch mit seiner Art wollte sie einfach nicht klarkommen, und bei seinem jüngeren Bruder war es ganz genauso. „Dad sagt immer, schade dass es kein Gesetz gegen so hochnäsige Leute gibt, er als Auror würde gern mal ein paar von ihnen jagen...!“, flüsterte Felicity Shawna schließlich zu, was diese aus den Überlegungen riss und ihr wieder einmal ein Schmunzeln ins Gesicht trieb. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihr nun ohnehin nicht mehr, da der gestresste Verkäufer sich der Dame soeben entledigt hatte und nun erneut auf die drei Mädchen zukam. „Verzeihen Sie, aber das erlebe ich heute schon den ganzen Tag...“, ächzte er und tupfte sich mit einem Einstecktuch die Stirn ab, ehe er jedoch fortfuhr, als wäre nichts gewesen. „Sie brauchen die Bücher für den siebten Jahrgang, war das richtig? Gut, warten Sie bitte hier, ich bin auf der Stelle zurück.“ Noch bevor eine der drei ihn fragen konnte, wieso er die Bücher nicht einfach mit einem Schwebe- oder Aufrufezauber herbeförderte, war dieser schon wieder davongehuscht, doch die Mädchen beschlossen, ihm zu folgen, da er nicht mehr kräftig genug wirkte, die achtzehn Bücher selbst zu tragen, die sie alle drei zusammen benötigten. Amüsiert grinsend traten die drei eine Weile später wieder auf die Straße, nachdem sie dem Verkäufer ein Glas Wasser besorgt hatte, da dieser einen halben Nervenzusammenbruch erlitten hatte, als sie ihre Bücher einfach hatten schweben lassen. „Warum ist mir das nicht schon längst eingefallen...?!“, hatte er noch gestöhnt, ehe die drei nach draußen gegangen waren. „Irgendwie tut er mir Leid.“, merkte Shawna an, obwohl man ihr anhören konnte, dass sie hart gegen einen Kicheranfall kämpfte, „Aber jetzt lasst uns langsam zurück zum Tropfenden Kessel gehen, es wird schon fast dunkel sein, bis wir uns durch die Menschenmenge gequetscht haben, und außerdem kriege ich langsam Hunger!“ Gesagt, getan, und tatsächlich war es bereits höchste Zeit zum Abendessen, als die Mädchen schließlich wieder im Pub angekommen waren, wo der Wirt bereits ihr Gepäck auf ihre Zimmer hatte bringen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)