Together we're never alone von Crimson_Butterfly (Dein Herz weiß es schon lange ...) ================================================================================ Kapitel 6: What i am affraid of ------------------------------- Die Rolltreppe trug mich tiefer und somit näher zu Ryan, der an der Wand lehnte, die Hände lässig in den Hosentaschen. Ich schluckte schwer und überlegte, ob ich meinen gesamten Mut zusammennehmen und ihn ansprechen sollte. Seit dem Tag, an dem uns Mr. Cornwell mit seinem lächerlichen Vorschlag konfrontiert hatte, war kein Wort mehr zwischen uns gefallen. Entschuldige, du Satansbraten, probte ich in Gedanken, aber ich war gerade dabei, dich anzugaffen, weil ich mich frage … Gerade als die abwärts gleitenden Stufen den Boden erreichten und ich auf den Bahnsteig treten wollte, rauschte ein blank polierter, blauer Zug in die Station, begleitet von einem kalten Windstoß und ohrenbetäubendem Lärm. Das plötzliche Einfahren dieses Kolosses riss mich unvorbereitet aus meinen Überlegungen und brach den Bann, der mich Gefangen gehalten hatte. Als ich schließlich nach ihm sehen wollte, den ich kurzzeitig aus den Augen verloren hatte, musste ich enttäuscht feststellen, dass er spurlos verschwunden war. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob mich das störte, oder ob ich mich darüber freute mich nun scheinbar doch nicht mit ihm auseinandersetzen zu müssen. Die U-Bahn-Türen öffneten sich zischend und die ungeduldigen Pendler drängten sich zu dem wartenden Zug. Ich versuchte erneut, Ryan in der Menschenmasse zu finden, doch als ich ihn nicht entdeckte, wandte auch ich mich erleichtert der Linie M3 zu. Eine mechanische Stimme, die knisternd aus verborgenden Boxen drang, wies die Leute am Bahnsteig darauf hin, dass sie zur Seite treten und die eingetroffenen Fahrgäste aussteigen lassen sollten. Die Luft aus den Lungen stoßend wich ich hinter die gelbe Linie, die über den Boden verlief, zurück und wartete darauf, dass ich einsteigen und mir einen Sitzplatz suchen konnte. Mein Blick flog hin und wieder suchend über die Station, ohne dass ich mir dessen wirklich bewusst war, doch das jüngste Mitglied der Familie Cornwell blieb weiterhin unauffindbar. Verärgert fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Wahrscheinlich werde ich sowieso zu spät sein. Bis ich endlich dort sein würde, hatte die Apotheke sicherlich längst geschlossen. Auf den Füßen wippend, sah ich mich noch einmal um, wurde auch diesmal nicht fündig und betrat tief aufseufzend die inzwischen leere Straßenbahn. Ich wählte einen Platz direkt am Fenster, lehnte mich zurück und schlug die Beine übereinander. Geistesabwesend las ich mir erneut die Wegbeschreibung durch, die mir Mr.Cornwell, auf einem Zettel, mitgegeben hatte und hoffte, dass ich mich nicht verlaufen würde. Bei meinem Orientierungsinn lag das durchaus im Bereich des Möglichen. Ein Wunder, dass ich es überhaupt zur Metrostation geschafft hatte, ohne mich zu verirren und schließlich heulend in irgendeiner Ecke zu stehen; voller Panik nicht mehr nach Hause zu finden. Diese Verzweiflung, die sich höchstwahrscheinlich in mir aufbauen würde, war natürlich unbegründet. Ich hatte für den Fall eines Falles ein Handy mit und ich hätte jederzeit anrufen und darum bitten können, dass mich jemand abholte, aber trotzdem … Vielleicht spiegelte sich darin auch nur eine tief sitzende Angst wieder. Die Furcht vor dem Alleinsein, die mich seit meiner Kindheit quälte. Auch jetzt fühlte ich mich zwischen so vielen, fremden Menschen unwohl. Unbehaglich rutschte ich auf dem Sitz vor und zurück und liste unter dem Pony meiner Haare hervor, um herauszufinden, ob mich jemand anstarrte, was natürlich purer Schwachsinn war. Warum sollte sich jemand für mich Interessiere? Die Lider niederschlagend, zog ich die Unterlippe zwischen meine Zähne und senkte den Kopf. An der vierten Station musste ich aussteigen, laut Plan. Ich murmelte diese Anweisung vor mich hin, als wäre sie ein Zauberspruch, die mir die Panik nehmen würde, die mir im Genick saß und dafür sorgte, dass mir das Herz nicht mehr schmerzhaft gegen die Rippen schlug. Meine Finger verkrampften sich im Stoff meines Minirockes und ein Schauer jagte mir kalt über die Wirbelsäule. "Beruhig dich", hörte ich jemanden gelangweilt sagen und ich sah überrascht auf. "Und so etwas nennt sich erwachsen. Du jammerst wie ein Windelscheißer." Mir gefror das Blut in den Adern und der Kiefer fiel mir bis zum Boden. Sprachlos glotzte ich Ryan an. Er ließ sich neben mir nieder und kramte etwas aus seiner Tasche hervor, das mir verdächtig nach einem MP3-Player aussah. Er wollte doch nicht ernsthaft seine grauenhafte Katzenmusik hören, während ich mich mit der Frage herumquälte, wieso er mich verfolgte? Was ihn anging glaubte ich schon lange nicht mehr an Zufälle. "Sehe ich aus wie Freddy Krüger für Arme?", murrte er mich an und ich klimperte verdutzt mit den Augenlidern. "Du hast sie doch nicht mehr alle auf‘n Sender." Ich schüttelte den Kopf, nicht verstehend, wie er dazu kam, sich mit dieser Möchtegernhorrorfigur zu vergleichen, die mich eher dazu brachte, das ich mich auf dem Boden vor Lachen kugelte, anstatt Nachts unter meiner Bettdecke zu jammern und darauf zu hoffen, nicht einzuschlafen, damit ich im Traum nicht zerhack stückelt wurde. Selbst Freddy vs. Jason war einfach nur lächerlich. Von diesem Mörderverschnitt gab es scheinbar keinen einzigen guten Film, der auch nur ansatzweise sehenswert war. Ich riss mich von dem Gedanken los und schallte mich innerlich für meine Dummheit. Worüber dachte ich hier eigentlich nach? Neben mir hockte diese Giftzwiebel, ohne dass ich wusste, wieso er hier war, ob er etwas von mir wollte oder warum er diese Bemerkung gemacht hatte. Ich hätte schreien und lauthals fluchen können. "Was tust du hier eigentlich?", wollte ich schließlich wissen. "Hast du in der Stadt etwas zu erledigen oder warum …?" "Dad hat gesagt, ich soll auf dich aufpassen", unterbrach er mich schulterzuckend und tauschte die Batterien in dem kleinen Musikgerät aus. "Aha …", kam die geistreiche Antwort meinerseits. Ich brauchte mehrere Augenblicke, bevor ich registrierte, das Ryan plötzlich zwischen meinen Beinen saß und an den Bändern zupfte, die mein geschnürtes Höschen zusammen hielten. "Was tust du da?", schrie ich hysterisch und bemerkte zu spät, dass ich durch die Laustärke meiner Stimme unweigerlich die Aufmerksamkeit der restlichen Passagiere auf mich zog, doch sie starrten nicht mich an, wie ich einen Moment später feststellte. Sie gafften den Bengel an, der noch immer auf dem Boden hockte und damit beschäftigt war, mich von meiner Unterwäsche zu befreien. Ich drückte mich noch dichter in den kratzigen Baumwollbezug der Sitze und schlug nach seinen Armen, was mir nur ein genervtes Brummen von Ryan einbrachte. "Mach nicht so ein Theater", meinte er unbeeindruckt. "Ich will dich doch nur lecken." Leises Raunen ging in sekundenschnelle durch die Reihen der anwesenden Personen. Doch sie sprachen zu leises, als dass ich sie hätte verstehen können. Ich guckte Ryan an, als hätte er komplett den Verstand verloren und sog die Luft scharf in meine Lungen. Ich war mir nicht zu hundert Prozent sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Hatte mir gerade jemand, der homosexuell war, ernsthaft gesagt, dass er sich mir nähern wollte, als wäre es das normalste der Welt, dass ein Kerl, der ausschließlich auf Männer stand, eine Frau mit den Lippen und der Zunge zu befriedigen beabsichtigte? Beinahe wütend sprang er auf und bevor ich reagieren konnte, hatte er sich bereits meine Hand gegriffen und sie auf seinen Schritt gelegt. Von ungläubigem Entsetzen erfüllt, blieb mir die Luft weg. Deutlich konnte ich fühlen, wie sein Geschlecht anzuschwellen begann und sich unter dem Stoff seiner Hose, die dem Druck nicht gewachsen zu sein schien, eine deutliche Erhebung abzeichnete, die Zeuge seiner Erregung war. Zögernd hob ich das Gesicht und begegnete seinen Augen, die kalt und vernichtend in meine sahen. Mir trocknete der Mund aus. "Wie blöd bist du eigentlich?", keifte er mich an und ich zuckte ungewollt zusammen. "Selbst du müsstest langsam kapieren, dass ich nicht schwul bin." Heiß schoss mir das Blut in die Wangen. "Hör … Hör doch auf!", blaffte ich ihn an. "Du … du stehst gar nicht auf Frauen. Das … das ist nur ein schlechter Scherz. Du machst dich über mich lustig." Kampflustig reckte ich das Kinn und stand auf. "Du warst schon immer ein zynisches Arschloch." Ryan wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch die verzerrte Stimme einer Frau, die durch den Waggon schallte und die nächste Haltstelle ankündigte, brachte ihn zum verstummen. Ich musste hier aussteigen. Scheinbar hatte ich Mal wieder mehr Glück als Verstand. Die Bahn kam mit einen Ruck zum stehen und hätte mich fast von den Beinen gerissen, wenn ich mich nicht an eine Haltestange geklammert hätte. Kaum glitten die elektronisch gesteuerten Türen auseinander und gaben mir meine ersehnte Freiheit wieder, sah ich zu, dass ich schleunigst das Weite suchte. Ich wollte nicht, dass dieser Trottel noch einmal an mir herumfummelte und das bestimmt nicht in aller Öffentlichkeit. Bei dem war doch eine Schraube locker! Verdammt noch Mal. Warum hatte mir Mr. Cornwell seinen jüngsten Sohn auf den Hals geschickt, um auf mich aufzupassen? *** Der Vollmond warf sein Licht auf den Friedhof der Geschichte. Im Statuenpark – oder Szoborpark, wie er bei den Einheimischen hieß – lagerten all die riesigen kommunistischen Denkmäler, die in den langen Jahren der sowjetischen Unterdrückung das Bild der ungarischen Hauptstadt geprägt hatten. Nachdem die Kommunisten endlich abgesetzt worden waren, hatte man überall in der Stadt deren selbstherrliche Statuen von den Sockeln gerissen und auf diesen trostlosen Platz am Stadtrand von Budapest verbannt. Starr, aus Stein gemeißelt oder in Bronze gegossen, standen die hochragenden Figuren von Marx, Lenin, Engels und anderen Helden der Revolution eingesperrt hinter roten Bachsteinmauern und extrastarken Stromleitungen, aufgestellt in ineinander greifende Kreise, von denen sie einander wortlos anstarrten, verdammt zur Nutzlosigkeit des ewig Gestrigen. Am Tag lockte der Statuenpark als beliebtes Touristenziel Horden Neugieriger an, die die obsoleten Denkmäler begafften. Aber nachts, wenige Minuten, nachdem es zwölf geschlagen hatte, lag der Park in Finsternis getaucht völlig verlassen da. Zumindest schien es so. Ich versteckte mich hinter einem riesigen Bronzebildnis eines patriotischen Revolutionärs, zog die Knie eng an meine Brust und vergrub das Gesicht an meinen Beinen, während ich weinend das Zittern zu unterdrücken versuchte, das meinen Körper befallen hatte. Ich hatte es doch geschafft, mich zu verlaufen, obwohl mir Mr. Cornwell diese genaue Wegbeschreibung sicherheitshalber mitgegeben hatte. Dieser verfluchte Ryan! Ich war so sauer auf ihn gewesen, dass ich nicht mehr darauf geachtet hatte, wohin ich ging und nachdem mir endlich bewusst wurde, dass ich mich vom Stadtzentrum zu entfernen begann, war es bereits zu spät gewesen. Stundenlang war ich durch die Straßen geirrt und hatte einen Weg zurück gesucht, zu irgendeinem Ort, der mir bekannt vorkam, aber dann war ich hier gelandet und verkroch mich nun in den Schatten dieser Riesen. Der Regen hatte zugenommen, wenn das überhaupt noch möglich war und der eisige Wind fegte gnadenlos über mich hinweg. Ich raffte den Trenchcoat fester vor meiner Brust zusammen, um die wenige Körperwärme, die mir noch geblieben war, bei mir zu behalten. Meine Zähne schlugen klappernd aufeinander und der Kiefer tat mir inzwischen weh. "Du wirst dir noch den Tod holen, wenn du dich weiterhin schutzlos dem Sturm aussetzt." Ich blinzelte überrascht und hob den Kopf, nicht glaubend, wer mich in dieser Einöde gefunden hatte. Sein starres, gefühlloses Antlitz strahlte eine Ruhe aus, die sein Verhalten normalerweise missen ließ. Einen kurzen Augenblicklang betrachte ich Ryan nachdenklich, dann wandte ich mich von ihm ab und versuchte, trotz meiner steifen Knochen, aufzustehen. Ich wollte von hier verschwinden, um seiner unerträglichen Nähe zu entkommen, die mich stets an diesen Abend im Stadtpark erinnerte, als er mir deutlich zeigte, dass er mich nicht um sich haben wollte und mich nur ertrug, weil er musste. Bevor ich gehen konnte, hatten sich seine Finger bereits um mein Handgelenk gelegt und hinderten mich daran, vor ihm zu fliehen. Grob zerrte er mich hinter sich her, obwohl ich meine Füße gegen den Boden stemmte und ihn dazu bringen wollte, stehen zu bleiben. "Lass mich sofort los!", protestierte ich heftig und wehrte mich gegen seinen Griff. "Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen. Bist du taub?" Das jüngste Mitglied der Familie Cornwell reagierte nicht auf meinen ärgerlichen Befehl. Wieder einmal ignorierte er mich gekonnt und zwang mir wortlos seinen Willen auf, den ich mich nicht unterordnen wollte. Ein Blitz zerriss den Himmel. Genau in dem Augenblick, bevor der Donner die Erde erschütterte. "Lass mich endlich los!", verlangte ich erneut und entriss ihm meinen Arm. "Verdammt noch Mal, sei nicht so verflucht stur." Er packte erneut meinen Ellenbogen. "Willst du schon wieder weglaufen? Du hast doch gesehen, was dir deine Schusseligkeit einbringt." Der Hieb saß. Ich zuckte zusammen, als hätte er mich geschlagen. Seine Worte hallten in meinen Gedanken wieder. Deutlich konnte ich fühlen, wie mir vor Ärger das Blut in die Wangen stieg und ich in unterdrückter Wut die Fäuste ballte. "Was spielst du dich so auf?", rief ich schroff und starrte ihn vernichtend an. "Was interessiert es dich, was aus mir wird? Das kann dir doch vollkommen egal sein." "Ich fühle mich für dich verantwortlich", herrschte er mich wütend an und erwiderte meinen ablehnenden Blick scheinbar unbeeindruckt. "Bei deiner Hohlbirne kannst du froh darüber sein, dass ich dich gefunden habe, bevor du erfroren bist." "Niemand hat dich um darum gebeten, den Ritter in der glänzenden Rüstung zu spielen", fauchte ich wie eine gereizte Katze. Seine Miene verfinsterte sich und er zog die Augenbrauen zusammen. "Dann brauchst du also niemanden, der auf dich aufpasst. Verstehe ich das richtig?" "Ich kann gut auf mich selbst aufpassen", erklärte ich arrogant und hob stolz das Kinn. "Ich brauche dazu weder dich, noch sonst jemand." In der Sekunde, als ich die Worte ausgesprochen hatte, hätte ich sie am liebsten wieder zurückgenommen. Ryans Reaktion bestand darin, dass er den Griff um meinem Arm verstärkte. In seinen klaren Augen spiegelte sich namenloser Zorn wieder. Erneut fuhr ich zusammen. Ich glaubte meine Knochen bersten zu hören und biss mir auf die Lippe, um ein Schmerzenslaut zu unterdrücken. Wie konnte diese kleine Mistkröte so stark sein? "Es gibt nur eine Sache, die mich interessiert." Er schlug seine freie Hand gegen die Bronzestatue, neben der wir standen. "Warum willst du überhaupt bei mir bleiben?" Zunächst verstand ich kein Wort und schüttelte ratlos den Kopf. Wieso sprach er plötzlich von etwas, worüber ich kein Wort verloren hatte? Ryan schnaufte abfällig und trat einen weiteren Schritt auf mich zu, überwand mühelos den geringen Abstand, der unsere Körper voneinander trennte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und kam meinem Gesicht so nahe, dass ich seinen Atem auf meinem Mund spürte. Schmerzhaft begann mir das Herz gegen die Rippen zu schlagen. "Warum zum Beispiel macht dich diese Nähe nervös?", flüsterte er mit verführerischer Stimme lockend in mein Ohr. Ich wich erschrocken und verwirrt vor ihm zurück, soweit mir das möglich war, und betrachtete ihn vorwurfsvoll. "Weil ich nun Mal bei dir bleiben will", erwiderte ich nachdrücklich. "Eine andere Erklärung gibt es nicht." "Frauen!", brummte er abfällig. Ich versuchte ihm völlig gelassen gegenüber zu stehen, doch ich schaffte es nur mit Mühe mein Temperament zu zügeln. Wie eine angriffslustige Katze starrte ich ihn an und zwang den Wunsch gewaltsam nieder, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Fortsetzung folgt ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)