Eien 永遠 von Tenshis (Der Samurai und der Fremde) ================================================================================ Kapitel 8: Zweifel ------------------ 8. Kapitel: Zweifel [Wie ein tröstliches Feuer deine Zärtlichkeit Ich kann sie nicht verkraften.] ---------------------------------------- „Du hast doch gehört, was Kagemura mir in Kasugayama gedroht hat.“ Unruhig nahm das Klanoberhaupt den Brief, den Hidetori ihm am Vormittag überreicht hatte, aus Fukushimas Händen, überrflog noch einmal die wenigen Worte Kenshins und schüttelte den Kopf. „Diese Anordnung ist eine offensichtliche Falle, in die ich tappen soll“, brachte Kagegaku seine Befürchtung auf den Punkt, während er in seiner Aggressivität das Papier zwischen seinen Fingern zerknitterte. „Eine Falle, die mir mein eigener Bruder stellt.“ „Aber ablehnen könnt Ihr auch nicht, weil sie offiziell von Kenshin persönlich kommt“, meinte Fukushima, dem sofort einleuchtete, weshalb sein Herr so argwöhnisch reagierte. „Ich weiß, verdammt“, antwortete Kagegaku, verbittert über seine eigene Machtlosigkeit. Seine Schritte verlangsamten sich, als er plötzlich erkannte, dass ihm die Hände gebunden waren. Egal wie er es drehte und wendete. „Was soll ich tun, Fukushima?“ Ratlos blickte der Stratege in die Augen seines Beraters, der neben seinem Herren zum stehen gekommen war. Das Licht der Kerze, die Fukushima trug, flackerte und warf seltsame Schatten auf die papierbespannten Türen entlang der Veranda. Stundenlang hatte das Oberhaupt bereits über eine Lösung gegrübelt. Hunderte Male war er über die Sätze gegangen und versucht gewesen, die Anordnung zu ignorieren. Für ihn schien klar, dass Kagemura Kenshin in diesem Anliegen beeinflusst hatte. Er spannte ein unsichtbares Netz aus Intrigen, das selbst den Daimyo einwickelte. Verkrampft drückte Kagegaku seine Lippen aufeinander, während er heftig den Kopf schüttelte. „Ich kann Hidetori nicht nach Kasugayama schicken. Ich habe ihm verboten, das Anwesen aufgrund der Gefahr, die von Kagemura ausgeht, zu verlassen, und jetzt soll ich Hidetori einfach so direkt vor seine Füße werfen?“ „Ich schwöre Euch, dass ich ihn beschützen werde. Ich werde ihn keine Sekunde aus den Augen lassen“, behaarte Fukushima auf sein Angebot, welches er seinem Herrn während der letzten Stunden des Öfteren vorgeschlagen hatte. „Er weiß, dass ich Prinzessin Ume in drei Tagen nach Etchu begleite. Er ahnt sicher auch, dass ich dich stattdessen als Begleitschutz für Hidetori mitschicken werde.“ „Das ist wahrscheinlich“, stimmte Fukushima zögerlich zu. Fest schlug Kagegaku mit der flachen Hand an den Pfosten der Veranda und runzelte verzweifelt die Stirn. Er hatte der Prinzessin vor Kenshins und Kagemuras Augen versprochen, sie zum Grab ihrer verstorbenen Mutter in Etchu zu begleiten. Sein Wort konnte er nicht brechen, selbst wenn ihm ein guter Grund dafür einfallen würde. Seinen Bediensteten zur Hauptburg zu begleiten zählte definitiv nicht dazu, obwohl es ihm weitaus wichtiger war als die lange Reise in die Nachbarprovinz. Ihm wurde flau im Magen, als er daran dachte, den Blonden direkt in die Arme seines Bruders zu treiben und offensichtlich nichts oder nur wenig dagegen tun zu können. „Ich kann das nicht. Nicht wenn ich ihn nicht selbst begleiten kann“, protestierte Kagegaku kopfschüttelnd, nachdem er abermals darüber nachgedacht hatte. „Ihr dürft auf keinen Fall ablehnen. Ihr könnt dafür keinen Grund vorlegen. Hidetori ist als Spion gebrandmarkt. Er gerät erneut unter Verdacht, wenn Ihr ihn vor Kenshin versteckt haltet. Nicht zu vergessen, dass Ihr Euch selbst damit am meisten schaden würdet“, erklärte der Berater. Doch selbst die Gelassenheit in seiner Stimme konnte den Strategen nicht bedeutend beruhigen. Angespannt fuhr dieser sich über die Stirn und seufzte. „Es schadet mir mehr, wenn ich Hidetori verliere“, gestand Kagegaku daraufhin ehrlich seine Angst, während er verzweifelt den dunklen Boden zu seinen Füßen anstarrte. Fukushima trat näher an seinen Herrn heran, beugte sich etwas tiefer, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Das werdet Ihr nicht“, betonte er mit fester Stimme. Es waren keine leeren Worte, die er benutzte um Kagegaku zu beruhigen. Er war davon überzeugt, den Blonden vor Kagemura beschützen zu können, egal was dessen Plan war. Grübelnd drehte sich das Oberhaupt zur Seite und Schritt gemeinsam mit seinem Berater weiter den Flur entlang. „Selbst du kannst mir das nicht garantieren“, entgegnete der Stratege, als er schließlich vor den Türen zu seinen Räumlichkeiten stehenblieb. Fukushima hob die Kerze empor, um seinem Herrn direkt in die Augen blicken zu können. Er sollte sehen, wie groß sein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten war, dass es nichts zu zweifeln gab und keine Angst vor dem Versagen nötig war. „Ich kann es Euch versprechen“, versicherte Fukushima voller Selbstvertrauen, was das Oberhaupt beeindruckte. Der Berater schaffte es immer wieder, ihn mit seinen Worten zu überzeugen. Egal in welcher ausweglosen Situation er sich befand, Fukushima Yusuke wusste immer einen Rat oder Wege, ihm Mut zuzusprechen. In Kagegakus Augen gab es nur wenig Menschen, die so waren wie sein vertrauter Freund. Wenige waren so treu ergeben und scheuten sich trotzdem nicht, ehrlich ihre Gedanken auszusprechen. Wo stände er nur ohne seinem Berater? „Fukushima“, murmelte Kagegaku dankbar und deutete eine leichte Verbeugung an. Obwohl er immer noch Bedenken hatte, Hidetori zur Hauptburg zu schicken, wollte er seinem Freund vertrauen. Er wusste, dass er überaus intelligent, geschickt und stark war. Wenn es jemand vermochte den Blonden vor Gefahren zu beschützen, dann nur er. Nichts würde geschehen, solange Fukushima in seiner Nähe war. Das wusste Kagegaku und es erleichterte ihm ein wenig die Entscheidung. „Dann … wünsche ich Euch eine gute Nacht“, flüsterte der Freund, während er verstohlen zur Tür von Kagegakus Räumlichkeiten blickte. Licht flackerte im Inneren und man hörte, wie jemand auf Knien über den Boden rutschte. Beide wussten, dass es Hidetori war, der die Futons für die kommende Nacht herrichtete. „Keine Sorge“, meinte Fukushima, als er bemerkte wie der Stratege nervös den Schatten hinter der Shojitür verfolgte. „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ihr auf Ablehnung stoßen werdet“, waren seine letzten weissagenden Worte, bevor er sich mit einem Grinsen im Gesicht verabschiedend verbeugte und mit der Kerze in seiner Hand ging. Kagegaku blickte dem Berater unsicher hinterher und hoffte natürlich, dass sein Freund mit dieser Annahme Recht behalten würde. Er selbst war leider nicht so optimistisch. Er war sich ja noch nicht einmal sicher, ob es überhaupt richtig war, was er hier tat. Vielleicht sollte er einfach wieder gehen und noch einmal darüber nachdenken. Schließlich hatten sich heute andere Probleme aufgetan, um die er sich kümmern musste. Kagegaku schüttelte seufzend den Kopf. Machte er jetzt einen Rückzieher, verlor er seine Autorität. Er durfte nicht davor weglaufen. Und Angst brauchte er auch vor nichts zu haben. Was aber ließ ihn so stark zögern? Tief atmete der Stratege durch, bevor er schließlich die Finger zögerlich an die Tür legte und sie langsam aufschob. Sofort trafen seine Augen auf den Blonden, der vor einem Futon kniete und die Decke glattstrich. Obwohl dieser bemerkt hatte, dass jemand den Raum betreten hatte, sah er nicht empor, sondern widmete sich, den Samurai ignorierend, ausschließlich seiner Aufgabe. „Hidetori“, murmelte der Stratege unsicher, während er in den Raum trat. Der Blonde aber reagierte nicht. Er rutschte auf den Knien um den Futon herum und suchte übertrieben genau nach kleinen Falten, die das empfindliche Auge einer Prinzessin stören könnten. Dann stand er schnell auf und verbeugte sich flüchtig. „Ich bin fertig“, informierte er hastig das Oberhaupt, das sich nicht von der Stelle bewegt hatte. Kagegaku nickte automatisch, während Hyde schnell zur Tür eilen wollte. „Eine wundervolle Nacht“, wünschte der Blonde noch im sarkastischen Tonfall, bevor die Shojitür direkt vor seiner Nase zugezogen wurde. Überrascht blickte Hyde den Schwarzhaarigen an, der vor ihm stand und den Weg nach draußen versperrte. „Ich wollte ungestört mit dir reden.“ erklärte das Oberhaupt. Hyde wollte den Kopf schütteln, als Kagegaku ihn plötzlich packte und mit sich in den Raum zerrte. Vor dem Futon blieb er stehen, drückte den perplexen Blonden an den Schultern nach unten, nachdem er streng „Setz dich!“ befohlen hatte. Er selbst nahm direkt vor Hidetori platz. „Aber ...“, murmelte Hyde nervös, kaum dass er auf dem Boden saß. „Prinzessin Ume … wird gleich hier … sein.“ Die stotternden Worte des Blonden verdutzten Kagegaku. Verwirrt starrte er den Mann mit den hellen Haaren an, bevor er unsicher nachfragte: „Prinzessin Ume?“ Hyde blickte fragend empor, dieses Mal direkt in die dunklen Augen des Strategen. Doch auch in ihnen fand er nur pure Ratlosigkeit, dessen Grund ihm verborgen blieb. Doch statt weiter auf die gegenseitige Verwirrung einzugehen, fasste sich Kagegaku an die Brust und zog schnell etwas unter seinem Kimono hervor. Er zögerte, ehe er dem Blonden ein knittriges Blatt Papier direkt unter die Nase hielt und sich danach erkundigte. „Was ist das?“ Schockiert starrte Hyde auf das Blatt, auf dem in klecksiger Schrift englische Worte zu lesen waren. Es war seine Schrift, seine Worte, sein Gedanke, den er am Tag von Kagegakus Wiederkehr niedergeschrieben hatte. „Du hast das geschrieben, richtig?“, stocherte der Samurai weiter, als Hyde immer noch keine Antwort gab. Der Schock stand diesem ins Gesicht geschrieben. Seine geweiteten Augen konnten nicht vom Papier lassen. Wohl, weil er Angst davor hatte, das Oberhaupt direkt anzusehen. Aber was sollte er sagen? Er hatte ja völlig verdrängt, dass es dieses Blatt Papier überhaupt gab. Zu tief hatte es ihn verletzt, als er durch Zufall von Kagegakus Geliebter erfahren hatte. Alles hatte er ausgeblendet, alles vergessen und dann war er einfach gedankenlos geflohen, ohne seine Spuren zu verwischen. Wie tölpelhaft und dumm er doch war. Ratlos wie er dies erklären sollte, schüttelte er den Kopf. Als Kagegaku jedoch ein weiteres Stück Papier hervorholte, beschlich den Blonden plötzlich leichte Panik. Er spürte regelrecht, wie ihm starke Hitze in die Wangen stieg, als er das japanische Wort las, welches er in Verzweiflung mit dem Pinsel geschrieben hatte. „Liebeskummer?“, las Kagegaku dann auch noch stutzig vor und blickte in Hydes Augen. Antworten musste er darauf nicht, denn das Oberhaupt überhäufte ihn schnell mit weiteren Fragen, die nicht weniger brisant waren. „Was ist das für eine Sprache?“, wollte der Schwarzhaarige wissen, während er auf den Zettel mit dem englischen Satz deutete. „Von wem hast du sie gelernt?“ Hyde konnte nur den Kopf schütteln. Dass ihm einmal solche Fragen gestellt würden, hatte er nicht erwartet. Keine Ausrede wollte ihm in den Sinn kommen. Ihm blieb nur die Flucht, indem er einfach gar nichts dazu sagte. „Ich habe es noch niemandem gezeigt, nicht einmal Fukushima. Ich wollte erst allein mit dir reden und von dir hören, was das zu bedeuten hat, bevor es irgendjemand anderes erfährt.“ Wieder war es nur Schweigen, was von Hidetori kam. Wieder waren sie genau an dem Punkt angelangt, an dem sie vor Monaten schon einmal gestanden hatten. Scheu und Angst, glaubte Kagegaku in den Augen des Blonden zu lesen, wie an dem Abend, als sie von diesem Ninja angegriffen worden waren. Der Stratege fühlte sich, als wären sie in der Zeit zurückgereist, als hätte es die vertrauten Abende, die sie redend miteinander verbracht hatten, nie gegeben. Sie waren wieder wie Fremde, die sich misstrauten. „Was verheimlichst du?“, fragte Kagegaku, nachdem er ein wenig seiner Geduld verlor. Er ließ die Blätter fallen, packte Hyde an den Schultern und blickte ihn ernst an. „Du verheimlichst etwas. Das spüre ich doch. Was ist es?“, drängte er, doch Hyde schüttelte nur stur den Kopf. „Wenn du es mir nicht sagen willst, dann ...“ „Was … würdet Ihr tun, wenn … wenn ich zugäbe, ein Spion Nobunagas ... zu sein?“, murmelte Hyde plötzlich, während sein Herz aus Angst vor der Antwort raste. Wie er auf diese Idee gekommen war, wusste er nicht und doch schien sie die einzige Möglichkeit zu sein, sich endlich von Kagegaku loszureißen. Was brachte dieses ewige Ausweichen denn noch? Es war anstrengend, dem Samurai Tag für Tag aus dem Weg zu gehen. Es war mühselig doppelt, darüber nachzudenken, was er sagte oder besser verschwieg. Er konnte nicht die Wahrheit sprechen, aber ohne eine Antwort würde der Samurai ihn wohl nie aus diesem Zimmer lassen. Es gab keinen Sinn mehr, Freund mit dem Oberhaupt zu sein, also konnte er sich auch genauso gut zum Feind machen. Vielleicht war es sogar der bessere Weg. Dass Kagegaku den Zettel mit den englischen Worten gefunden hatte, schien sich nun also als einmalige Gelegenheit zu entpuppen. Doch statt einer Antwort blieb es lange merkwürdig still. Der Stratege ließ ihn los und schaute den Blonden verwirrt an. Lange Sekunden vergingen ohne, dass eine Reaktion kam. Hyde hielt dem Blick Kagegakus mehr oder weniger stand, während sich ein ungläubiges Lächeln auf die Lippen des Samurai stahl. „Was redest du da, Hidetori?“ Beklommen registrierte das Oberhaupt den strengen Blick des Blonden und wie das ängstliche Zittern von dessen Lippen plötzlich verschwand. „Würde ich dann hingerichtet werden?“ „Was soll das, Hidetori?“, fing Kagegaku plötzlich zornig zu brüllen an, als er merkte, wie sein Herz nach dieser Frage einen heftigen und schmerzhaften Sprung machte. Es tat ihm weh, solche Worte aus dem Mund des Blonden zu hören. Hidetori und der Tod, dass sollte niemals zusammengehören müssen. Das durfte es nie. Hyde zuckte nur kurz erschrocken zusammen, während er selbst nicht fassen konnte, mit welchen Worten er sich seiner Verzweiflung hingab. Es war, als hätte er überhaupt keine Kontrolle mehr über sich. Die Aussichtslosigkeit seiner Situation wurde immer deutlicher und er selbst trieb sich immer tiefer in sie hinein. Es gab kein Halten mehr, kein Zurück. Nur diese einzige verlassene Straße ohne Abzweigung. „Es ist mir egal. Ihr könnt mich ruhig töten. Ich habe dieses beschissene Leben hier schon lange satt.“ Mit jedem Wort, welches er über seine Lippen brachte, machte er Kagegaku wütender. Das wusste Hyde und doch war es ja einfach nur die Wahrheit, die er sprach. So fühlte er, wenn er die scharfen Blicke oder die ständig widerlichen Worte der neidischen Frauen kommentarlos über sich ergehen lassen musste. Er war es einfach Leid, so zu leben. Er war es Leid, von Kagegaku wie ein Spielzeug behandelt zu werden, welches keine Rechte auf seine eigenen Freiheiten hatte. Er hatte kein Ziel vor Augen, keinen Grund zu leben. Alles war dunkel und sinnlos. „Ich hasse das alles ...“ „Verdammt nochmal, wie redest du denn?“, fiel ihm Kagegaku laut ins Wort, während er wieder die Schultern des Blonden packte und ihn festhielt. Er wollte das alles nicht hören. Nicht von Hidetori, nicht von dem Menschen, den er glücklich sehen wollte. Niemals mehr wollte er hören, wie der Blonde darum bat, zu sterben. Es tat ihm weh, es schmerzte, als würde man ihm einen stumpfen Dolch mitten in die Brust bohren. Kagegaku fuhr mit seinen Händen Hidetoris Arme hinunter, als wolle er sichergehen, dass der Blonde noch da war. Dieser rührte sich nicht. Er saß nur da und blickte abwesend am Strategen vorbei. Seine Augen waren finster und völlig leer. „Die anderen Bediensteten meiden mich und tuscheln hinter meinem Rücken. Niemand redet mit mir“, murmelte Hyde emotionslos. „Wisst Ihr, wie es ist, wenn man tagelang mit niemanden ein Wort gewechselt hat? Es ist, als würde man nicht existieren, als wäre man bereits tot. Ob ich lebe oder sterbe ist also völlig egal.“ „Das reicht jetzt! Hör sofort auf damit!“ In Kagegakus Händen kribbelte es. Am liebsten hätte er den Blonden dafür geohrfeigt. Es war ihm völlig unverständlich, dass Hidetori so über sein eigenes wichtiges Leben dachte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er fühlte sich hilflos, also drückte er den Blonden im Affekt in seine Arme, anstatt ihn zu schlagen. Dieser erwiderte weder die Umarmung noch verwarf er seine erfundene Geschichte. „Ihr wolltet doch wissen, was ich verheimliche. Das ist die Antwort darauf. Ich gehöre zu Nobunagas Spionen. Entweder Ihr lasst mich gehen oder Ihr tötet mich“, sprach Hyde leise über die Schulter des Strategen, der darüber nur vehement den Kopf schütteln konnte. „Was du da sagst, ist albern, Hidetori.“ Er glaubte es nicht. Nein, es konnte unmöglich wahr sein. Hidetori gehörte nicht zu seinen Feinden. Es war erfunden. Er log. Es war eine dumme Lüge. Der Blonde verbarg ein Geheimnis, jedoch keines dieser Art, dass spürte der Stratege einfach. „Selbst, wenn du zu Nobunaga gehören solltest ...“ Und selbst, wenn er doch die Wahrheit sprach, war es ohne jede Bedeutung. Hidetori war Hidetori, egal woher er kam oder wer er wirklich war. „... würde ich dich niemals töten. Eher würde ich in die Hölle gehen. Eher würde ich mich selbst töten.“ Der warme Atem, der zusammen mit den geflüsterten Worten Hydes Ohr streifte, bescherte dem Blonden eine mächtige Gänsehaut. Er konnte es kaum fassen, was der Schwarzhaarige für eine Wirkung auf ihn hatte. Und das trotz seines Wunsches, durch seine Hand sterben zu wollen. Während dieser anregenden Gefühle, die durch seinen Körper strömten, empfand er aber auch Scham. Er schämte sich für seine selbstsüchtigen Worte, die Kagegaku auf irgendeine Art mehr, als er je hätte erhoffen können, beschäftigten. Er spürte endlich die Wärme, die vom Körper des Strategen kam und ihn in eine Umarmung einschloss. Und plötzlich wusste er nicht mehr, ob das, was er gesagt hatte, wirklich richtig oder falsch war. Natürlich war es nicht sein innigster Wunsch zu sterben. Er war verzweifelt und hilflos, aber nicht wirklich müde seines Lebens. Wenn es einen realen Weg gab, in seine Zeit zurückzukehren, dann würde er wohl eher diesen gehen, als sich freiwillig in den Tod zu stürzen. Doch hier hielt ihn einfach nichts mehr. Hier war nichts außer Kagegaku, der ihn wie in einen goldenen Käfig gefangen hielt und dafür einfach keinen Grund nennen wollte. Dummerweise war es aber auch Kagegaku, den er liebte, an den er irgendwie gebunden war. Der Mensch, der das Leben hier zu einem gewissen Grad erträglicher gemacht hatte, war es aber auch gewesen, der letztendlich seiner Existenz hier den Sinn geraubt hatte. Es war eine verflixte Situation, ein Kreis, in dem er sich drehte. Ihm wurde schwindlig, als ihn der Stratege aus seinen Armen zog und ihm in die Augen sah. Er verlor sich in ihnen, denn sie waren so dunkel und so warm. Er konnte nichts anderes tun, als sie hilflos anzusehen und stumm um Verzeihung bitten. Warum und wofür er sich entschuldigten wollte, wusste er nicht. Doch Kagegaku fragte auch nicht, dafür aber verloren seine Augen die Strenge, die den Blonden unsicher gemacht hatte, und als hätte ihn Hidetoris ratloser Blick verhext, stammelte der Stratege noch ein leises „Niemals ...“, bevor er sich dabei ertappte, wie er den Blonden immer näher an sich heran zog. Hidetori stemmte sich nur verhalten gegen die starken Arme, die ihn an die Brust des Samurai zogen. Er war viel eher mit dem Versuch beschäftigt, in Kagegakus Augen lesen zu können, was dieser nun dachte. Die schwarze Tiefe umrahmt von dichten Wimpern hatte noch immer ihren Reiz nicht verloren, wie Hyde feststellen musste. Sie waren nach wie vor in der Lage, ihn verrückt, willenlos und ohnmächtig zu machen. Die wenigen Zentimeter, die seine Lippen von Kagegakus noch trennten, nahm er gar nicht mehr wahr. Nur den leichten drückenden Schmerz, dort, wo der Samurai ihn an den Schultern gepackt hatte, spürte er. Aber auch der war schnell vergessen, denn neue Empfindungen sprudelten durch seinen Körper, als Kagegaku die Augen schloss und ihn völlig unerwartet küsste. Sanft und doch sehr leidenschaftlich drückten sich die Lippen des Strategen auf seine, während Hyde keine Gelegenheit mehr blieb, einen klaren und vernünftigen Gedanken zu fassen. Trotz aller Zweifel erwiderte er sofort den Kuss. Er schlang seine Arme um Kagegakus Hals und drängte sich an die breite Brust des Samurai. In seinem Kopf herrschte ein buntes Feuerwerk, als sich endlich ihre heißen Zungen trafen, während der Stratege den Blonden langsam auf den Futon hinter ihm drückte. Obwohl alles so schnell geschah und Hyde mit seinen Empfindungen nicht mehr hinterherkam, ließ er es protestlos geschehen. Auch als Kagegakus Finger sanft über seine Wangen strichen, über seine Schläfen bis in sein Haar hinein glitten, dorthin, wo es leicht ziepte, wehrte er sich nicht. Stattdessen wollte er viel mehr als diese Zärtlichkeiten. In ihn begann es, zu brennen. So sehr und so schnell, dass er aufstöhnte, als die Zunge des Strategen drängender wurde. Er wusste gar nicht, wie er ihr gerecht werden konnte, so stürmisch schien sie seinen Mund zu erkunden. Der Samurai war überraschend besser geworden, seit ihrem ersten Kuss vor fünf Monaten. Keine Zurückhaltung, keine Schüchternheit, nur noch ungezügelte Leidenschaft, die Hyde unerwartet herausforderte. Doch für Skepsis schien der Hellhaarige momentan kein Interesse zu haben. Er genoss den süßen Geschmack des Kusses, ohne sich Gedanken um irgendwelche Hintergründe machen zu wollen. Denn das war es, was er die ganze Zeit gewollt hatte. Dem Strategen nah sein, ihn spüren und diesen Gefühlen nachgeben und alles so hinnehmen, wie es geschah. Vielleicht würde er nicht mehr sehr oft diese Gelegenheit haben. Vielleicht war dies das letzte Mal, dass er von diesen süßen Lippen kosten durfte. Hyde wollte nicht darüber nachdenken, obwohl es ihm immer wieder kurz in den Sinn kam. Alles, was er gerade wollte, war, sich eine Weile dieser Leidenschaft hinzugeben und nicht an die nächsten Minuten zu denken. Es würde so oder so viel zu früh zu Ende sein, dachte der Blonde, während er in den Kuss seufzte. Plötzlich zog Kagegaku sich nach oben, trennte ihre Lippen voneinander und sah wortlos auf den Blonden herab. Er atmete heftig und seine Brust hob und senkte sich. Da der Kimono sehr locker saß, eröffnete sich Hyde ein guter Blick auf den muskulösen Oberkörper des Samurai. Noch bevor er auf die Idee kommen konnte, ihn dort zu berühren, sank Kagegaku wieder auf ihn hinab und nahm Hydes Lippen nach dieser kurzen Pause wieder in seinen Besitz. Er tauchte stöhnend in seinen Mund, während Hyde benommen wahrnahm, wie Kagegaku am Obi des anderen zog und ihn mit seinen geschickten Händen lockerte. Warme Finger schoben sich sofort unter den brauen Kimono des Blonden, streichelten langsam über seinen Bauch und verharrten schließlich auf seiner Hüfte, bevor Kagegaku zwischen Hydes Oberschenkel fuhr und sie mit seiner Hand auseinanderdrücken wollte. Willig tat er, was Kagegaku wollte. Er spreizte seine Beine und seufzte wohlig, als sich der Stratege zwischen ihnen fest an seinen Unterleib drückte, während sie sich leidenschaftlicher, fast sehnsüchtig küssten. Die Hitze, die sich in seinem Körper sammelte, vernebelten Hyde den Verstand. Er war wie von Sinnen, als Kagegaku schließlich von seinen Lippen ließ und dafür seinen Hals hinunter zur Brust küsste. Er wusste nicht, wie und wann der Stratege es geschafft hatte, ihn endgültig seines Obis zu entledigen. Er lag als unordentlicher Haufen Stoff neben ihm, während auch der Kimono nur noch an seinen Armen hing. Praktisch trug er nur noch das lange Streifentuch, welches als eine Art Unterhose fungierte. Doch selbst das störte den Blonden nicht. Im Gegenteil. Er war eher überrascht, wie schnell der Stratege handelte und das, ohne auch nur eine Sekunde, zu zögern. War dies derselbe Mann, der noch vor fünf Monaten errötet war, als seine Brust berührt worden war? Im Gegensatz zu damals wusste er nun, wie und wo er das bekam, was er wollte. Die feuchten Lippen auf seiner Brust küssten ihn so begabt, dass man annehmen konnte, der Samurai hätte monatelang nichts anderes getan. Seine Hände streichelten sanfter und sein Körper war feuriger. Er war anders und doch nicht weniger wundervoll. Hyde stöhnte, als Kagegaku sich fester an ihn drückte und er selbst durch den dicken Stoff des teuren Kimonos zitternd sein Begehren spürte konnte. Spätestens in jenem Moment wäre ihm sein rasendes Herz gern aus der Brust gesprungen, denn die gespannte Aufregung raubte ihm mehr und mehr den Atem, während er mit seinen kurzen Fingernägeln leicht über Kagegakus Nacken kratzte und alles genoss, was der Samurai mit ihm tat. Jeden sinnlichen Kuss, den er auf seinem Körper spürte, jede Berührung seiner Finger, die überall zu sein schienen und jede kleinste Bewegung, die Kagegaku auf seinen Unterleib ausübte. Es war verrückt, was hier passierte. Es war verrückt, was er mit sich machen ließ, obwohl er genau wusste, das sie das Ziel nicht erreichen würden. Denn je weiter sie kamen, desto deutlicher wurde dem Blonden auch vor Augen geführt, dass das alles nichts zu bedeuten haben musste. Selbst eine Nacht wie diese, musste nichts mit Liebe zu tun haben. Kagegaku war ein wohlhabender Samurai des Mittelalters. Das jene Adelsmänner Ehefrau und mehrere Geliebte haben konnten, war selbst Hyde klar. Es war nicht ungewöhnlich, also dachte sich der Stratege wahrscheinlich auch nichts dabei, wenn er sich neben Prinzessin Ume auch noch an seinem blonden Vasallen bediente. Doch das konnte Hyde nicht. Er wollte Kagegakus Geliebter sein, so wie es die Gerüchte über ihn sagten. Er wollte vom Strategen geliebt werden. Jeden Tag und jede Nacht. Doch es war ein unbestrittener Fakt, dass Prinzessin Ume bereits diesen Part an Kagegakus Seite eingenommen hatte. Er konnte es sich nicht vorstellen, den Samurai mit ihr zu teilen. Er wollte nicht nur Kagegakus nächtliches Vergnügen sein, wenn diesem mal nicht nach seiner Prinzessin, sondern nach Abwechslung war. Er wollte nicht auf derselben Stufe stehen, wie sie. Was wäre das für ein schändliches Leben? Er wollte der Einzige sein, der Einzige im Herzen des Strategen. Der Einzige in seinen Gedanken. Doch so war es nicht. So würde es nie sein, denn die Menschen hier dachten nicht auf dieselbe Weise wie er. Für Kagegaku war es normal. Er konnte sie alle auf dieselbe Art lieben. Hyde aber würde sich damit nie zufrieden geben können, denn nach wie vor gehörte er einfach nicht in diese Zeit. Sie waren zu verschieden. Ihre Ansichten und Werte waren nicht dieselben. Zwischen ihnen klafften 400 Jahre, die sich immer wieder bemerkbar machen würden. Selbst seine Gefühle, würden dieses Zeitloch nie überwinden können. Es wäre alles so viel einfacher, wäre doch die Prinzessin nie aufgetaucht. Er würde sich wohler in Kagegakus Armen fühlen. Er könnte sich fallen lassen und es bis zum Ende genießen. Doch was er im Moment am meisten spürte, war einfach nur das ekelhafte Gefühl, billig zu sein. Und das zerrte an seiner Würde, seinen Stolz. Voller Wehmut schloss der Blonde seine Augen, als der Samurai seine Wange küsste und leise in sein Ohr seufzte, bevor er mit der Hand über seinen Bauch tiefer wanderte. Hyde hätte es am liebsten zugelassen, doch was hätte es ihm letztendlich gebracht? Nur Kummer und Schmerz, der hundertmal schlimmer sein würde, als die Qual, der er soeben ausgesetzt war. Er musste es beenden, bevor es endgültig zu spät war, auch wenn es genau das Gegenteil war, was er sich wünschte. „Hört auf ...“, stotterte Hyde nicht sehr überzeugend, während er nach Kagegakus Hand griff und sie langsam wegzog. Seine Lippen begannen, zu zittern, als er sofort die Ratlosigkeit in den dunklen Augen des Strategen erblickte. Er starrte ihn verwirrt an. Eine Ewigkeit, wie es der Blonde glaubte, bevor der Samurai ihn wieder sanft auf die Lippen küsste. Seine Hände gruben sich durch das Stoffgewirr, auf dem Hidetori lag. Er streichelte über seinen Rücken, bevor er ihn innig umarmte und fester an sich drückte. Und Hyde ließ es wieder geschehen. Willenlos erwiderte er den zarten Kuss, während sich seine Finger in Kagegakus Kimono gruben. Nur noch ein paar Sekunden, dachte er und stöhnte genüsslich in den Mund des Strategen, dessen Kuss nicht enden wollte. Schon längst hatte er sich in dieser Lust verloren. Früher, als er es selbst bemerkt hatte. Immer wieder drückte Kagegaku seine Lippen auf die des Blonden, als wolle er unbedingt vermeiden, dass Hidetori wieder zu Wort kam. Und es funktionierte. Solange der Stratege ihn in seinen Armen liegen hatte und seine warmen Lippen spürte, war alles perfekt. Er wollte ihn nicht loslassen. Er wollte ihn nicht nach Kasugayama, in die Nähe seines Bruders, schicken. Er wollte und konnte auch nicht glauben, was Hidetori ihm gesagt hatte. Er war kein Spion. Er war anders, aber er war kein Feind. Es konnte nicht sein, dass sein Gespür derartig daneben gelegen hatte. Und wenn, dann war es ihm auch egal. Denn dann war er so oder so verloren. All das, was den kriegerischen Männern um ihn herum wichtig war, bedeutete dem Strategen nichts. Wenn er könnte, dann würde er einfach nur nach Hidetoris Hand greifen und mit ihm weglaufen. Wie ein Kind. Einfach vor allem fliehen und vergessen, wer er war und wie seine Pflichten aussahen. Er hatte Angst vor dem, was vor ihm lag. Seine Ahnung war nicht positiv. Sie war dunkel und kalt. Er wusste, dass er dieser Hölle nicht entkommen konnte, deswegen war ihm diese brennende Stille, die sein Herz gerade erfüllte das wohltuendste, was er je von einem Menschen erhalten hatte. Er war vernarrt in Hidetoris Lippen, gierig nach seinem Körper und unendlich süchtig nach diesem bestimmten Gefühl, welches man ihm nur mit dem simplen Wort 'Liebe' beschrieb. Doch eigentlich war es viel mehr als nur das Gefühl von Zuneigung für einen Menschen. Es war die ungezügelte Besessenheit nach dem brennenden Fieber, welches die Sinne taumeln ließ und ihn im ewigen Rausch der Leidenschaft versenkte. Es war die pure Abhängigkeit, eine unheilbare Sehnsucht und die heißblütigste Stimme in seinem Herzen. All das erlebte er gerade. Erst jetzt verstand Kagegaku, welch großes Ausmaß dieses Gefühl wirklich einnahm. Nie hätte er es sich so vorgestellt. Nicht so intensiv und auch nicht so warm. In Hidetoris Armen schien sich die Welt zu verändern. Wichtiges wurde unbedeutend, Belangloses wurde bedeutungsvoll. Endlich sah er es mit klaren Augen. Alles hatte er auf eine Karte gesetzt, um herauszufinden, ob es nur ein Gelüst war, was ihn so an den Blonden gezogen hatte, oder ob doch sehr viel mehr dahinter steckte, wie er es die ganze Zeit über geahnt hatte. Es hatte sich bestätigt. Er liebte Hidetori mehr als alles andere auf dieser Welt. Er liebte sein Wesen, sein geheimes Temperament, alles, was ihn so anders als die anderen machte. In seiner Nähe fühlte er sich wie ein neugeborener Mensch. Ein Mensch, der nicht mehr in die Normen passte und der dem, was er zurückließ, nicht hinterher trauerte. Für Hidetori würde er alles aufgeben. Sein ganzes Leben, alles, wofür er bisher gekämpft hatte. Für den Blonden, würde er die Zeit zum Stehen bringen lassen, damit dieser Moment nie enden würde. Er wollte ihm näher sein, als ein Mensch einem anderen je sein konnte. Die Liebe zu Hidetori würde seine allerletzte Sünde sein. Seine Zunge schmeckten den süßen Mund und es war genau so wie an jenem Winterabend, als alles sein Anfang genommen hatte. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, die Aufregung übertraf alles, was er bisher gefühlt hatte. In seinem Bauch kribbelte es, als würden abertausende Ameisen hin und her laufen. Es war so wundervoll. Nie hätte er gedacht, dass es so berauschend sein konnte, die Haut eines anderen Menschen zu spüren. Oder dass ihn das Seufzen eines Mannes so erregen könnte. Sein Körper übernahm die Kontrolle, während er auch nie damit gerechnet hätte, plötzlich auf Widerstand seitens des Blonden zu treffen. Als er sich von Hidetoris feuchten Lippen trennte, um seine heißen Wangen zu küssen, erreichten ihn völlig unvermittelt Worte, die so lächerlich waren, dass er glaubte, sie zu träumen. „Lasst mich los“, presste der Blonde atemlos hervor, schob seine Hände zwischen ihre Körper und versuchte, Kagegaku von sich zu drücken. Dieser erwiderte nur ein gehauchtes Nein, während er wie ferngesteuert nach den Händen fasste, die sich gegen ihn stemmten, und sie energisch zur Seite schob. Unbeeindruckt von Hydes unerklärlichem Widerstand, ließ er seine Lippen weiterwandern. Er küsste sein Ohr, bevor er zart am Läppchen knabberte. Dabei entging ihm das eindeutige Flattern in Hydes Wimpern, welches von empfundenem Genuss zeugte. Hyde zweifelte. Wie konnte er Kagegaku abweisen, wenn er noch nicht einmal wusste, wie er sich selbst unter Kontrolle bringen sollte? Wollte er sich denn wirklich einfach so zum billigen Liebhaber eines Lehnsherrn des 16. Jahrhunderts machen lassen? Wollte er so tief sinken, nur damit er ab und zu jene Zärtlichkeiten erhielt, nach denen er sich sehnte? Konnte er sich denn einem Mann hingeben, der ihn wahrscheinlich nicht liebte? Er stand knapp davor, all diese Fragen zu bejahen, würde ihm nicht schleunigst etwas einfallen. Er hasste sich für seine Schwäche. Er hasste es, willensschwach zu sein und anderen die Schuld dafür zu geben. Selbst wenn der Futon doch von Anfang an für ihn bestimmt gewesen war, was hatte das schon zu bedeuten? Nichts, außer, dass Kagegaku mit ihm schlafen wollte. Vielleicht wollte er nur ausprobieren, wie weit er kam, sehen, wie anders es mit einem Mann war. Es gab so viele Erklärungen für das Verhalten des Oberhauptes, dass Hyde innerlich nur noch den Kopf schütteln konnte. Noch einmal stemmte er mit aller Kraft seine Hände gegen Kagegakus Brust. Als dieser dann endlich von ihm abließ und perplex in seine Augen sah, glaubte Hyde, diesem klaren Blick nicht standhalten zu können. Seine dunklen Augen strahlten so vor Leidenschaft, dass dem Blonden ganz anders wurde. Trotzdem schluckte er gezwungen seine eigenen verlangenden Gedanken hinunter und begann zu stammeln. „Für Euch bin ich doch auch nur das aufregende Vergnügen, wenn Euch die Prinzessin mal zu langweilig geworden ist oder nicht zur Verfügung steht“, warf er dem Schwarzhaarigen gnadenlos an den Kopf. Die Sprachlosigkeit war Kagegaku regelrecht auf die Stirn gehämmert worden. Verwirrt und sichtlich geschockt setzte er sich auf und starrte auf Hyde hinab, der sich den Kimono über die Brust zog und es nicht wagte, den Blick, den er auf sich spürte, zu erwidern. „Hide...“, stotterte der Samurai. Er konnte kaum glauben, was er gerade gehört hatte. Nicht im Entferntesten wäre er je auf die Idee gekommen, den Blonden nur für sein Vergnügen zu benutzen. Schon allein der Gedanke widerte ihn an. Er liebte ihn doch. Gerade eben hatte er es begriffen. Er hatte es doch gespürt. Es gab keine Zweifel. Er wollte es ihm sagen, doch bevor er dazu kam, stand Hidetori auf und stolperte zur Tür. „Vergesst nicht was ich wirklich bin“, warnte Hyde, zog hastig die papierbespannte Tür auf und ging hinaus. Auch Kagegaku erhob sich schnell, folgte dem Blonden aber nur langsam nach draußen, denn er wusste, dass seine Vasallen Hidetori aufgehalten hatten. Ein weiteres Mal würde ihm der Blonde nicht davonlaufen, hatte er gedacht, als er seinen Männern heute Morgen diese Wachsamkeit befohlen hatte. „Du bist kein Spion, Hidetori. Hör doch endlich auf mir, so einen Unsinn zu erzählen“, protestierte der Stratege atemlos, als er hinter dem von seinen Männern umzingelten Blonden stehen geblieben war. Mehr brachte er einfach nicht über seine Lippen, obwohl es so vieles gab, was er sagen wollte. Schweigend fuhr er Hidetoris Arm hinunter, bis er dessen Hand in seiner hatte. Er liebte es, seine Haut zu spüren, auch wenn es nur ganz kurz war. Was er soeben gemeinsam mit dem Blonden erlebt hatte, kam ihm jetzt, nur wenige Minuten später, so unwirklich vor. Sie waren sich so nah, dass er auch jetzt noch seinen Duft roch. Sie waren eine Seele und nun so weit entfernt, wie es nicht einmal zuvor der Fall gewesen war. Wirklich abfinden wollte sich der Stratege damit nicht. Er fuhr mit seiner Hand wieder Hidetoris Arm hinauf und wollte ihn an sich ziehen, in der Hoffnung der Blonde würde wieder darauf eingehen. Das er dies wollte, stand für Kagegaku außer Frage. Sie wären doch niemals so weit gekommen, würde Hidetori Abneigung empfinden. Da dies unmöglich sein konnte und er auch nicht an seine Lügen glaubte, gab es doch praktisch nichts, was zwischen ihnen stand. Dass es aber nicht so einfach war, lernte der Stratege schnell. Der Blonde schüttelte schweigend Kagegakus Hand ab und stemmte sich gegen die Männer, die ihm den Weg versperrten. Doch statt den Weg freizumachen, packten sie ihn an den Armen und hielten ihn fest. Hyde sah die fragenden Blicke in den Gesichtern der Männer, die stumm auf einen Befehl von ihrem Oberhaupt warteten. Sie wollten wissen, was sie mit ihrem widerspenstigen Gefangenen tun sollten. Zurück in Kagegakus Schlafzimmer oder gleich in ein dunkles Verließ, aus dem er nie wieder weglaufen konnte? Erst nach endlos langen Minuten hatte das Oberhaupt schließlich Erbarmen mit ihm. „Lasst ihn“, murmelte er kraftlos und die Krieger gehorchten sofort. Sie ließen ihn los und gaben den Weg frei. Hyde zögerte einen Moment, sah den Strategen aber nicht an. Er schwankte, er zweifelte wieder, trotzdem konnte er nicht über seinen Schatten springen. „Hidetori, ich ...“, hörte er Kagegaku hinter sich flüstern. Als er jedoch seine Stimme hörte, wollte er nur noch dringender weg von ihm. Und dann rannte er einfach, ohne den Samurai aussprechen zu lassen. Ihm folgten seine beiden Aufpasser, die kein Wort verloren. „... ich liebe dich doch, verdammt“, flüsterte Kagegaku zu Ende und senkte seinen Blick, als Hidetori aus seinen Augen verschwunden war. ---------------------------------------- Ja, ich weiß. Hyde ist ein richtiger Idiot, ein Schwachkopf u.s.w. Warum er so begriffsstutzig ist, ist mir auch schleierhaft ^_- Aber schauen wir einfach mal, was er als nächstes verzapft. Wir haben jetzt übrigens schon die Hälfte erreicht. Wenn also nichts dazwischen kommt, werd ich die FF noch vor dem Jahreswechsel beendet haben. Das hört sich toll an, wenn man noch nicht mal Sommer hat. ^^;; So, ich weiß nicht, was ich noch sagen könnte, außer: Habt Geduld mit Hyde... Er ist nun mal einfach nicht so schnell im denken. Oder ist er zu schnell? Ach keine Ahnung... ^^ Danke fürs lesen und bis bald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)