Eien 永遠 von Tenshis (Der Samurai und der Fremde) ================================================================================ Kapitel 1: Unschuld ------------------- 1.Kapitel: Unschuld [Unberührter Schnee füllt mein leeres keusches Herz. Ahne unvertrauten Schmerz.] ---------------------------------------- „Wie alt ist dieser Kimono?“, murmelte Hyde fragend über die Schulter, während ihm das hellblaue Gewand umgelegt wurde. „... etwa 420 Jahre“, antwortete Tayama nach kurzer Überlegung. „Er stammt circa aus dem Jahre 1573.“ Hyde nickte, hob den linken Ärmel auf Augenhöhe und betrachtete den feinen Wollstoff und dessen graziles Muster. Die hellblaue Farbe verlief sich zum Saum in helles Braun. Rote Ahornblätter streuten sich von dort bis in den linken Ärmel. Auch der dunkelbraune schmale Obi, der ihm soeben angelegt und gebunden wurde, war mit einen detaillierten, eleganten Linienmuster versehen. „Man spürt regelrecht, wie alt und kostbar er ist“, flüsterte der Sänger erstaunt über die einzigartige Wirkung des Gewandes, die ihm nicht entgangen war. Tayama runzelte die Stirn, als er einen seltsamen Blick im Gesicht des Sängers bemerkt hatte. Er deutete ihn als Neugierde, ein Interesse, das vor knapp zehn Minuten nicht im Geringsten zu erahnen gewesen war. Als hätte er nur durch das Anlegen des Kimonos einen Hauch dieser durchaus traurigen Geschichte gespürt. Der füllige Mann nickte zustimmend, bevor er sich auf einen der Stühle vor dem Fenster niederließ und erstaunt feststellen musste, wie perfekt der charismatische Sänger das Bild der Erzählung ergänzte. Als hätte er ihn persönlich vor sich stehen, den Geliebten des in Vergessenheit geratenen Samurais, in Fleisch und Blut, gekleidet in den Kimono seiner Zeit. „Schon allein seine Geschichte ist unbezahlbar“, begann er, hoffend das er die Neugierde des Blonden weiter anregen konnte. „Geschichte?“ Interessiert drehte sich der Jüngere herum. Genauso wie Tayama es wollte. Es kam ihm regelrecht gelegen, dass der Sänger fragte, denn er tat es tatsächlich gern, stolz seine entdeckte Geschichte jedem weiterzuerzählen, der ihn danach fragte oder nur ein Fünkchen Interesse zeigte. Und was gab es schon Besseres, als eine Geschichte, die noch nie oder kaum erzählt wurde und doch so fesselnd wie ein gutes Buch war? Tayama grinste frech, was Hyde kaum bemerkte, denn dieser war nun bereits damit beschäftigt, sich prüfend im Spiegel zu betrachten. „Während meines letzten Urlaubes in Niigata habe ich einen alten Mann getroffen, der mir von der außergewöhnlichen Geschichte dieses Kimonos erzählt hat.“ Langsam erhob er sich wieder, trat auf Hyde zu und betrachtete ihn von den noch nackten Füßen bis zu seinen blonden Haaren, die bereits für den Werbespot zurechtgestylt waren. „Ein alter Mythos besagt, dass der Kimono einem Mann mit goldenen Haaren gehört hätte.“ Hyde ignorierte den zweideutigen Blick, der so anklagend wirkte, als hätte er irgendetwas mit dieser Geschichte zu tun. So etwas anzunehmen war ja schon die Absurdität in Person, es jedoch genauso auch rüberzubringen war schon fast unhöflich. „Goldene Haare? Sie meinen blondes Haar?“, fragte er ungerührt. „Sehr genau.“ „Aber das ist doch unmöglich.“ Hyde mochte es ganz und gar nicht, wenn man ihn für dumm verkaufen wollte. Was wollte dieser Mann ihm da für eine unmögliche Geschichte auftischen? Ein blonder Mann im 16. Jahrhundert? Und dieser sollte einen so kostbaren Kimono besessen haben? Das stank doch von vorne bis hinten nach erfundenem Schund; dabei hatte er den Älteren bisher immer für sehr intelligent gehalten. Tayama bemerkte die Zweifel, die in Hyde aufkamen. Genau so war es ihm selbst auch ergangen, als er davon gehört hatte, hätte es nicht diese eindeutigen Beweise gegeben, die jede Skepsis widerlegen konnten. „Das habe ich auch gesagt. Aber der Mann hatte mir sogar alte Schriften gezeigt. Briefe in denen es genau so beschrieben ist.“ Misstrauisch sah Hyde dem dicklichen Mann in die Augen. Dessen standhafter Blick verriet ihm, dass er es tatsächlich ernst meinte. Was der Sänger kaum glauben konnte. Seine Behauptung war einfach zu widersinnig. „Briefe? Von wem?“, wollte er wissen. Schließlich war es völlig egal ob Wahrheit oder erfunden. Er hatte nichts damit zu tun, außer dass er diesen Kimono für einen kurzen Werbespot tragen musste. In ein paar Wochen würde er diese Geschichte sowieso wieder vergessen haben, denn alte Sagen hatten ihn eigentlich nie wirklich interessiert. Sie waren so übertrieben und von unrealem Charakter. Romantisch und maßlos kitschig waren sie, aber das war es auch schon. Tayama blickte an die weiße Decke des großen Raumes. Dann fuhr er sich mit einem Finger über die rechte Augenbraue und tat so als müsste er kurz überlegen. „Briefe von einem einflussreichen Samurai. Er hieß Nishiyama, ein Vorfahre des alten Mannes. Sein Clan-Banner war eine blaue Lotusblüte. Er schrieb Briefe an einen Mann mit goldenem Haar. Dessen Name ist nicht bekannt, doch man sagt, dass die beiden hinter dem Rücken Kenshins, der Fürst Nishiyamas, der den Fremden als Spion ansah, eine heimliche Liebesbeziehung hatten. “ Nachdenklich hatte Hyde dem Erzählten zugehört. Er fand die Existenz eines blonden Mannes während des japanischen Mittelalters zwar immer noch absurd, jedoch konnte es gut möglich sein, dass die Geschichte drumherum der Wahrheit entsprach. Liebeleien zwischen Samurais war nichts Ungewöhnliches, sondern genossen zu jener Zeit hohes Ansehen und waren weit verbreitet. Dieser Mann mit den goldenen Haar, wie er von Tayama beschrieben wurde, konnte auch ein ganz normaler Krieger aus dem verfeindeten Lager gewesen sein. Eine normale unglückliche Liebe, wie es sie zuhauf gab, weiter nichts. „Was wurde aus den beiden?“, hakte Hyde nach, als Tayama keine Anstalten machte fortzufahren. „Das weiß niemand. Plötzlich verschwand der Fremde. Leute sagen, er hätte sich aus Verzweiflung im Seki Fluss ertränkt, andere meinen, er wäre einfach wieder zurück ins Ausland geflohen, dorthin, wo er wohl auch herkam.“ „Und der Samurai?“ fragte Hyde grübelnd. „Er ….“ Tayama wurde von seinem jüngeren Kollegen unterbrochen, der zur Tür hereinkam und seinen Chef und den Sänger über den baldigen Beginn des Drehs informieren wollte. Hyde nickte, obwohl seine Gedanken tief in dieser Geschichte vertieft waren. Seine Augen starrten auf den hellblauen Stoff, den er an seine, Körper trug. „Könnte ich kurz allein sein?“, murmelte er überraschend, nachdem er sich an die Stirn fasste. Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn auf einmal. Eine seltsame Verbundenheit, eine tiefe Empfindung, die er nicht beschreiben konnte. „Also gut“, meinte Tayama obwohl ihm Hydes sonderbares Verhalten Sorgen machte. Wie Tayama zusammen mit seinem Kollegen brummend den Raum verließ und die schwere Tür hinter sich schloss, nahm Hyde nicht mehr wahr, so tief war er bereits im Sumpf seiner Gedanken versunken. Was war wirklich mit dem Fremden passiert? Hatte er sich umgebracht, wie die meisten glaubten? War seine Verzweiflung tatsächlich so groß gewesen, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah? All diese Fragen schwirrten wie Fliegenschwaden in seinen Kopf herum. Und der Samurai, was war mit ihm geschehen? Tayama hatte nicht erwähnt, was aus ihm geworden war. Hyde wollte zur Tür laufen und ihn bitten zurückzukommen, doch etwas stoppte ihn. Er sah an sich hinunter, die kurzen Ärmel des Kimonos flatterten, als würde Sturm herrschen. Doch seltsam fand er es nicht, denn er selbst fühlte sich auch eigenartig. Versank er in einen Traum? Vorsichtig strich er mit seinen Fingern über den Stoff. Die traurige Geschichte, die dieser Kimono in sich trug, beschäftigte ihn doch mehr, als er sich selbst eingestehen wollte. Es war, als könnte man regelrecht spüren, welche Schmerzen der damalige Träger hatte erleiden müssen. Eine verbotene Liebe, verfolgt und geächtet. Eine von tausend tragischen Begebenheiten, die sich zu jener Zeit abgespielt hatten. Paare, die durch Zwangsverheiratungen getrennt wurden, Verbundeinheiten, die durch Intrigen nicht einmal zu Stande kommen konnten. Alles nur, um Macht und Einfluss zu gewinnen. Menschen waren Marionetten der Fürsten, denen die Gefühle anderer egal waren. Sie ließen es über sich ergehen, da sie ihren Herren treu ergeben waren. Und diese Treue hatte im mittelalterlichen Japan größeren Stellenwert als wahre und bedingungslose Liebe. Wie anscheinend auch im Falle dieses Kimonoträgers. Auch ohne die gesamte Geschichte zu kennen, konnte man erahnen, was wohl vorgefallen war. Hyde, dem es unerklärlich war, weshalb ihm diese Erzählung doch so nah ging, seufzte, bevor der Name des unbekannten Samurais über seine Lippen kam: „Kagegaku Nishiyama.“ Kaum hatte er ihn ausgesprochen, runzelte er fragend die Stirn. Woher kannte er den vollen Namen? Er war ihm einfach in den Sinn gekommen, ohne, dass er sich erklären konnte, wieso. Noch nie hatte er von diesen seltsamen Mythos gehört. In keinem Geschichtsbuch war der Name niedergeschrieben. Als wäre er für unwichtig erklärt worden. Als würde er nur für seine Nachfahren existieren, denen nicht viel daran lag, diese Geschichte publik zu machen, sondern sie viel eher wie ein romantisches Märchen weiterzuerzählen. Wie von magischer Hand gelenkt ertastete er die gestickten Ahornblätter. Er dachte an den Fremden mit den scheinbar blonden Haaren, an sein Verschwinden, an die Liebe, die er für den Samurai empfunden haben musste. Undefinierbare Bilder schossen ihm in den Kopf, bis ihm eine Jahreszahl vor Augen erschien. Er flüsterte sie leise. „1573.“ Hydes Hände fühlten Wärme, als würde das Rot in den gestickten Blättern brennen. Skeptisch betrachtete er das Muster, dessen Farben nun stärker zu leuchten schienen. Trauer überfiel ihm. Unerklärliche Gefühle, die mit einem Mal in sein Herz strömten. Sie schnürten ihm die Luft ab, die Hitze in seinen Fingern verbreitete sich langsam in seinen ganzen Körper. Das Gewand fühlte sich schwerer an, als hätte man Tausende kleine Steinchen zwischen die Stofflagen genäht, während der schmale Obi sich so fest um seine Hüften schnürte, dass er zu Boden sank. Und plötzlich fühlte er sich seltsam schwindelig und unendlich müde. Er versuchte den Obi zu lösen, doch es schien, als wäre dieser mit dem Kimono vernäht worden. Er wollte um Hilfe rufen, doch über seine Lippen kam nur noch ein lautloses Seufzen. Seine Augen sahen auch nichts mehr als dunklen Rauch. Was passierte hier? Die erstickenden Gefühle, die ihm Tränen in die Augen trieben, schmerzten ins Unermessliche. Als würde sein Herz aus Trauer um eine verlorene Liebe zerspringen wollen. Er atmete stoßweise, sank immer mehr zu Boden, bis er das Bewusstsein verlor. Das Letzte was Hyde sah, waren tiefdunkle Augen, die ihn liebevoll ansahen. Sie waren ihm fremd und doch irgendwie auch sehr bekannt. Und schlagartig fühlte er sich geborgen und sicher, kein Schmerz mehr, sondern nur noch ein warmes Gefühl, das so wundervoll war, dass er am liebsten gar nicht mehr aufwachen wollte. Er fühlte sich leicht, in der Luft schwebend, umarmt von weißem Rauch, bis er außer Leere nichts mehr spürte. * Eiskalter Wind fegte durch sein Haar, unter seinen Fingern spürte er hartes Gestein. Seine Füße waren nass und froren, während es in seinem Kopf hämmerte, als würde man alle zwei Sekunden mit einem Hammer dagegenschlagen. Den stechenden Schmerz in seinen Armen und Beinen spürte er, obwohl er sich nicht bewegte. Gefühlte Qualen, als wäre er unzählige Kilometer gelaufen, Tag und Nacht, ohne zu rasten und ohne Rücksicht auf seinen Körper zu nehmen. Die müden Augen ließen sich nur schwer öffnen und doch zwang er sie dazu. Zaghaft blinzelte er. Er erblickte Steine, hörte rauschendes Wasser. Grelles Sonnenlicht, das sich im Wasser reflektierte, schien ihm in die brennenden Augen. Es herrschte eine seltsame Stille, die nur durch das ständige Pfeifen des Windes gestört wurde. Eine Ruhe wie man sie nie in Tokio erleben könnte. Und er fragte sich zum ersten Mal, was überhaupt passiert war. Er lag mit dem Bauch auf dem Boden, sein Gesicht ruhte auf einem größeren Stein, als hätte man seinen Körper mit Vorsicht genau dort platziert. Seine Hände, die er langsam zu seinem Kopf führte, um festzustellen ob er verletzt war, waren von Schmutz ganz schwarz. Dass es kein Traum war, war ihm in Anbetracht der erheblichen Schmerzen und der feuchten Kälte sofort bewusst. Doch wie war er hierher geraten? Mit Mühe versuchte er, sich nach oben zu ziehen. Obwohl er kaum die Kraft dazu hatte, schaffte er es in eine sitzende Position. Seine nackten Füße lagen im kalten Wasser eines Flusses, auch der Kimono war vom feuchten Boden völlig durchnässt. Die frostige Kälte legte sich über seinen ganzen Körper, während er sich über den plötzlichen Wintereinbruch nur wenig wunderte. Er legte die Arme um seine Brust, winkelte seine zitternden Beine an, wollte sich aufwärmen, doch der klamme Kimono klebte an ihm wie eine zweite kalte Haut. Als er sich umsah und sich abermals fragte, wo er war und wie er hierher gekommen war, überfiel ihn plötzlich ein starker Schmerz in der Brust. Das Hämmern in seinen Kopf wurde stärker, das Atmen schwerer und sein Körper fühlte sich wieder so unglaublich schwer an. Er krümmte sich, packte sich mit den Händen an die Brust, als drohe er auseinanderzureißen. Dann kamen wieder diese Bilder, die ihm fremd waren. Er sah Menschen, die er nicht kannte, Orte, die er noch nie zuvor gesehen hatte, wie hinter einem Schleier, verschwommen und grau. Er hörte laute Schritte. Ein Klirren, als würde Metall aufeinander geraten. Jemand kam auf ihn zu. Es waren wohl mehr als zwei. Sie hörten sich aufgeregt an. Sie schrien ihn an, stellten ihm fragen, doch sein Kopf dröhnte. Er verstand nur Wortfetzen. Er fasste sich an die Stirn, schloss die Augen, die ohnehin nichts sahen, und stöhnte leiderfüllt. Einer der Männer packte ihn plötzlich an der Schulter, zog ihn auf die schwachen Beine, doch er brach unter den starken Schmerzen einfach wieder zusammen. Dann wurde er von zwei anderen erneut nach oben gezogen. Sie stützten ihn und zogen ihn mit sich. Wohin, konnte er nicht sagen. Alles was er ab und zu mit seinem verschleierten Blick sehen konnte, waren Bäume, alte sandige Wege und Männer, die in alten Rüstungen steckten. Nichts, was ihm bekannt vor kam, als wäre er in eine andere, surreale Welt getaucht. Als würde er einfach nur wahnwitzig träumen. Seine Füße, die wegen der Kälte anscheinend schon erfroren waren, spürten nicht mehr, wie sie über den Boden geschleift wurden und blutige Schrammen mitnahmen. Die lauten Stimmen der Männer, die immer wieder versuchten, ihm Fragen aufzuzwängen, und das Klirren der mit Metallspangen besetzte Beinschienen und Rüstungen, war eine neuartige Folter für den Sänger. Selbst wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, auf diese Fragen zu antworten, hätte er es nicht getan. Warum, das wusste er selbst nicht. Es war, als wäre er schon ein Teil dieses seltsamen Spiels geworden. Als wüsste er, wie er zu reagieren hatte. Mit jedem neuen Schub, der größere Schmerzen brachte, wurde ihm unerklärlicherweise alles klarer. Ein befremdliches Wissen, das ihm regelrecht eingehämmert wurde. Und zwischen diesen Erkenntnissen erschien immer wieder ein Name: Nishiyama. Er wurde auch ständig von den Männern verwendet, die anscheinend großen Respekt vor diesem Mann hatten. Er erinnerte sich an das kurze Gespräch, das er vor gefühlten zwanzig Minuten mit Tayama gehabt hatte. In einem dieser hohen Gebäude mitten in Tokio. Nishiyama war ein Samurai des 16. Jahrhunderts. Wie konnte es möglich sein, dass er auf den Weg zu dessen Residenz war, wie er schon des öfteren aus den Gesprächen der Männer herausgehört hatte? Eines war ihm auf jeden Fall klar: Er war in die Vergangenheit gereist. So merkwürdig es auch klingen mochte, doch die mehr als 400 Jahre waren unbestrittener Fakt. Er wusste es. Aber warum wusste er es? Niemand hatte es ihm gesagt. Doch warum und wie war, ihm trotzdem schleierhaft geblieben. Etwa eine halbe Stunde waren sie gelaufen, dann erreichten sie Gebäude. „Wer ist das?“, fragte ein Krieger, der durch ein großes Torhaus kam, vor dem sie kurz stehen geblieben waren. Er trug eine Schwertlanze 'Naginata' und bewachte die Straße, die zur Residenz seines Herrn führte. „Keine Ahnung. Bisher konnte wir ihm kein Wort entlocken.“ „Wir haben ihn am Fluss gefunden. Es könnte sich um einen Spion handeln“, räumte ein anderer ein, der hinter ihnen stand. „Bringt ihn rein. Die Truppe wird wohl morgen hier eintreffen.“ Die Männer nickten und befolgten den Befehl ihres Kameraden. Er wurde in einen Hof gezogen. Mehr Männer kamen auf sie zu und stellten noch mehr Fragen, die jedoch weniger an den Fremden gerichtet waren, sondern eher an die, die diesen gefunden hatten. Hyde versuchte sich derweil umzusehen. Er sah eine Veranda, von der aus man in Räume hinter Schiebetüren aus Shoji-Papier * gelangen konnte. Er jedoch wurde in einen hinteren Teil des Hofes gebracht. Wahrscheinlich für die vielen Vasallen und Bediensteten. Und in seinem Fall auch für Verdächtige und Gefangene. Der Raum, in den er dann regelrecht geschoben wurde und der sich ebenfalls von einer Schiebetür zum Korridor abtrennte, wurde von zwei Männern bewacht. Hinter den mit Papier bespannten Türen sah er die Schatten der Krieger mit ihren Katanas, wie er es bereits in zahlreichen alten Filmen gesehen hatte. Nur war dies kein Film, sondern spürbare Realität, die bei vielen anderen nur Angst und Panik hervorgerufen hätte. Doch Hyde war bemerkenswert ruhig geblieben. Von dem Moment an, als er wusste, dass dies nicht das Tokio des 21. Jahrhunderts, sondern eine historische Provinz des nördlichen Zentraljapan war. Auch die Schmerzen, die er am ganzen Körper gespürt hatte, waren von jenem Moment an wie ausgelöscht. Einzig und allein die zerkratzen Füße, die nach wie vor unter der gebliebenen Kälte froren, ließen ihn etwas leiden. Obwohl er nicht wusste, wie er sich in diese prekäre Situation gebracht hatte und wie es nun weitergehen würde, verspürte er nicht, wie ihn Verzweiflung überkam, was ihn selbst wunderte. Nein, es war viel eher so, als wüsste er, dass seine merkwürdige Reise so etwas wie Schicksal war, obwohl er noch nie an so etwas geglaubt hatte. Alles, was er von nun an tun musste, war herauszufinden, wie er zurück kehren konnte. Würde ihm das gelingen, war er auch in der Lage, den Grund für all das hier zu erfahren. Langsam trat er in die Mitte des in Dämmerlicht getauchten Raumes. Es gab keine Fenster, keine Möbel. Es war ein völlig leerer Raum. Doch zu seiner Verwunderung spürte er weiche Tatami-Matten, die sich in Anbetracht der erlittenen Fußschmerzen wie flaumige Decken anfühlten, unter seinen Füßen. Er kniete sich nieder, fuhr mit seinen Händen über die Matte aus Reisstroh. Endlich herrschte angenehme Stille. Keine lauten Stimmen mehr, keine lästigen Fragen. Die Ruhe machte ihn müde, doch seine Gedanken ließen ihn nicht rasten. Sie würden ihm wieder Fragen stellen. Immer und immer wieder, bis er eine Antwort gab. Doch was sollte er sagen? Er war ein Sänger aus Tokio, einer Stadt die im 16. Jahrhundert noch nicht einmal diesen Namen trug. ** Er war in die Vergangenheit gereist. Irgendwie und warum gerade hierher, konnte er auch nicht sagen. Niemand würde den Sinn seiner Worte verstehen können. Sie würden ihn für einen Dämon halten und aus Angst töten. Er besaß ja nichts außer dem klammen Kimono, den er an seinem Körper trug. Was sollte er sich also für eine Geschichte ausdenken? Würde man ihm überhaupt glauben? Er wusste nicht einmal, wie er sich verhalten sollte ohne auffällig zu wirken. Ganz davon abgesehen, dass allein schon seine Haarfarbe Misstrauen verursacht hatte. Jedem, dem sie auf dem Weg hierher begegnet waren, konnte man die Verwunderung förmlich in den gestotterten Worten heraushören. Einige waren trotzdem mutig genug gewesen, das seltsame Haar zu berühren, nur um daraufhin erschrocken zurückzuweichen, da es sich doch nicht wie Gold anfühlte, wie andere spöttisch behauptet hatten. Hyde seufzte. Hätte er doch nur nicht diese Haarfarbe gewählt, dann wäre einiges viel einfacher zu lösen. Er fuhr sich durch die zerzausten Haare, blickte seine schmutzigen Hände an, bevor er seine Augen vor Müdigkeit schloss. Er lauschte dem pfeifenden Wind, der ihm unsägliche Ruhe schenkte, und ließ erst einmal ein paar gedankenlose Minuten verstreichen. * Am frühen Abend des nächsten Tages herrschte reges Treiben. Wie ein Lauffeuer hatte sich die freudige Neuigkeit des zurückkehrenden Klanführers und seiner tapferen Truppe verbreitet, was den Frauen ein erleichtertes Lächeln ins Gesicht zauberte und die Vasallen zufrieden wie auch stolz machte. Ihr Herr war wieder einmal siegreich gewesen. Sein Geschick hatte sie erneut vor Belagerungen und Plünderung bewahrt. Sobald er angekommen war, würde er zum großen Fürsten Kenshin geladen werden, damit er für seine Bemühungen eine rechtmäßige Belohnung erhielt. Seien es Geschenke oder auch neues Land, die Großzügigkeit des Daiymos kannte keine Grenzen. Alles war in Aufruhr. Die Menschen hatten sich an die Straße, gedrängt um ihre Männer zu begrüßen. Die Rufe der freudigen Menschen konnte Hyde sogar bis in seinen dunklen Raum hören. Mit angewinkelten Beinen saß er, seinen Kopf an die Wand gegenüber der Schiebetür anlehnend, im leeren Raum und beobachtete die vorbeihuschenden Schatten hinter der Shoji-Tür. Was diese Aufregung zu bedeuten hatte, war ihm sehr wohl bewusst. Die Person, die hier das Sagen hatte, würde in wenigen Stunden eintreffen. Die Auffindung eines mögliches Spions würde die Runde machen und dann würde die Audienz, die alles zu entscheiden hatte, folgen. Es wurde allmählich Zeit, dass ihm etwas einfiel. Die ganze Nacht hatte er sich darüber den Kopf zerbrochen, was er tun sollte. Die Wahrheit oder ein Schauspiel? Welcher Weg wäre in seiner Lage der sicherere? Und welcher würde ihn gleichzeitig zur Lösung seines Problems führen? Und dann war da noch die Geschichte von Tayama über den blonden Mann und dessen Kimono. Eine Story, die er für völlig unmöglich gehalten hatte, doch jetzt, nachdem er Stunde für Stunde die Zeit zum Nachzudenken gehabt hatte, erschien ihm alles in einen komplett anderen Licht. Dieser Fremde mit den blonden Haar war zweifelsohne er selbst. Es war möglich, da er vom 21. Jahrhundert in die Vergangenheit gereist war. Doch was war mit dem Gerücht, dass er mit dem Klanführer eine Liebesbeziehung hatte? Frei erfunden von hoffnungslosen Romantikern, die im Erscheinen seines außergewöhnlichen Äußeren ein Zeichen sahen und sich darin berufen fühlten, etwas Malerisches hinzu zu dichten? Angesichts der Tatsache, dass er noch nie tiefere Gefühle für einen Mann hatte empfinden können, lag es doch klar auf der Hand, dass in diesem Mythos kein Wahrheitsgehalt zu finden war. Eine Lüge, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurde. Säße er nicht gerade in einem von Kriegern bewachten Raum einer Samurairesidenz des 16. Jahrhunderts, würde er darüber einfach nur haltlos lachen und weiter zur Arbeit schreiten. Doch sich weiter über diesen Blödsinn Gedanken zu machen war reine Zeitverschwendung. Er musste von hier verschwinden, zurück in seine Zeit. Je eher, desto besser. Zugegeben, seine momentane Lage war nicht wirklich die schlechteste. Untergebene Kenshins waren als nicht sehr grausam bekannt. Sie waren Krieger, die ehrenhaft handelten, selbst ihren Feinden gegenüber. Solange ihm also eine gute Ausrede einfiel und er das Vertrauen dieses Nishiyamas gewann, konnte ihm nur wenig passieren, es sei denn, all jene Geschichten und niedergeschrieben Fakten in unzähligen Geschichtsbüchern waren genauso erstunken und erlogen wie seine heiße Liaison mit einen Samurai. War dem tatsächlich so, dann war dies die letzte Nacht, die er erlebt hatte. Nervös fuhr Hyde sich mit den Fingern durch sein Haar. Seit er hier war, wurde er bis zur jetzigen Stunde mit zuvorkommendem Respekt behandelt. Man hatte ihm neue Kleidung gegeben, einen schmucklosen und weniger kostbaren, hellbraunen Kimono. Auch um seine Fußverletzungen hatte man sich gekümmert, genauso wie man ihm zu essen und trinken gegeben hatte und die Möglichkeit sich zu waschen. Stünden die beiden mit tödlich scharfen Katanas bewaffneten Wachen nicht vor seiner Tür, hätte man glauben können, er wäre ein willkommener Gast statt ein merkwürdiger Gefangener. Doch auch das musste nichts heißen. Solange er nicht mit Nishiyama gesprochen hatte, war über sein Schicksal nicht entschieden. „Unser Herr will Euch sprechen.“ Hyde schreckte aus seinen Gedanken heraus. Einer der Männer, die ihm am Vortag hergetragen hatten, stand an der offenen Schiebetür. Starr blickte dieser auf den blonden Fremden, der in seinen Augen gerade mit der Angst kämpfte. Doch eigentlich war es keine Furcht die Hyde verspürte, sondern eher Unbehagen und Ratlosigkeit. Die Stunden waren verflogen, als wären es nur Minuten gewesen, ohne dass sich ihm ein Fluchtweg aufgetan hatte. Und nun war keine Zeit mehr. Selbst für ein Stoßgebet an die Götter war es zu spät. Seufzend erhob sich der Sänger und ließ sich von seinen Bewachern einen langen Korridor entlangführen. Sie kamen an einem Garten vorbei, umzäunt von einer Veranda, wie er sie am Vortag bereits gesehen hatte. Ein großer Baum schmückte das Herz des kleinen, natürlichen Idylls mitten in einem von kriegerischen Männern bewohnten Haus. Obwohl Winter herrschte und Pflanzen sowie Bäume in ihrem Schlaf versunken waren, konnte Hyde sich bestens vorstellen, wie wunderbar friedlich und verträumt es hier im Frühling und Sommer sein musste. Er hörte förmlich die zwitschernden Vögel und den warmen Wind, der durch die Blätter strich. Gerade als er seinen Blick von dieser Schönheit abwenden wollte, legte sich eine winzige Schneeflocke auf seine Schulter, als würde sie beweisen wollen, wie makellos auch ihr weißes Kleid war. Hyde schaute in den Himmel, als immer mehr von diesen herrlichen Eiskristallen in den Garten niederrieselten. Er hatte schon einige Male den ersten Schnee des Jahres miterlebt, doch dieses Mal spürte er etwas Magisches, immer wenn sich kalte Flocken auf seine ebenso kalte Haut legten. Wie ein Hoffnungsschimmer oder Wegweiser. „Weiter“, kam es vom Mann hinter ihm. Dass er auf Grund dieser weißen Pracht stehen geblieben war, hatte er nicht bemerkt. Natürlich tat er sofort, was ihm befohlen wurde. Er trat in den großen Raum gegenüber des Gartens und kniete nieder. Man sagte ihm, dass er seinen Kopf verneigen sollte, bis man ihm etwas anderes verordnete. Auch das tat er. Er neigte sich mit dem Oberkörper nach unten, die Hände flach auf dem Boden, wie er es im Fernsehen schon so oft gesehen hatte. Kurz danach hörte er Schritte und das Rascheln von feinem Stoff. „Ich bin Nishiyama Kagegaku.“ Die klare Männerstimme ertönte keine zehn Sekunden später und Hyde spürte sofort, wie ihm plötzlich das Herz fest gegen die Brust schlug. War es doch Angst oder Ehrfurcht einem echten Samurai gegenüberzustehen Schließlich war dies kein Ereignis, das man jeden Tag hatte. „Wer seid Ihr?“, fragte der Krieger schließlich und dem Blonden wurde im Hinblick auf eine nicht vorhandene Antwort ganz schlecht. Seinen wahren Namen wollte er nicht nennen. Denn der Gedanke, dass sein Künstler oder Familienname im Zusammenhang eines seltsamen Fremden während der Sengokuzeit mündlich weitergetragen wurde, gefiel ihm ganz und gar nicht. Es blieb also nur ein ausgedachter Name. „Hidetori“, murmelte er, ohne dass er lange darüber nachdenken musste. „Und weiter?“ Nervös musterte Hyde das Geflecht aus Reisstroh, auf dem er kniete. Obwohl er den Samurai nicht ansah, konnte er spüren, wie dieser ungeduldig auf eine Antwort wartete. Ihm schwirrten Namen vor Augen, von Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen und Leuten aus dem Fernsehen, doch über seine Lippen huschte unerklärlicherweise nur der dümmste Gedanke: „Toshiba“. Unglaublich, nun besaß er den Namen eines internationalen Technologiekonzerns und niemand runzelte darüber die Stirn. Sie nahmen ihn einfach so hin, wie er vom Fremden angegeben wurde. Aber warum sollten sie sich auch darüber wundern? Keiner der hier anwesenden, außer er selbst, würde jemals erfahren woher sein Name wirklich stammte. „Warum wart Ihr am Fluß? Niemand aus dem Dorf kennt Euch. Wo kommt Ihr her?“ Damit war genau der Punkt getroffen, der für Hyde selbst ungeklärt war. Warum? Ja warum war er dort? Einfach nur mit den Schultern zucken war wohl unangebracht, also versuchte er es mit einer Lüge. „Ich bin ein einfacher Bauer aus dem Nachbargebiet, der sein Hab und Gut verloren hat und nach einem neuen Zuhause sucht.“ Eine dumme Antwort, wie er sich Sekunden danach selbst eingestehen musste. „Wenn Ihr vorhabt, mich weiterhin anzulügen, dann wird dies meine letzte Frage an Euch gewesen sein.“ Diese eindeutige Warnung seitens Nishiyama war kaum misszuverstehen. Hyde zuckte, als ihm klar wurde, dass seine sofort aufgedeckte Lüge Misstrauen beim Klansführer verursacht hatte. Das denkbar Schlechteste, was ihm passieren konnte. „Ein armer Bauer wäre niemals im Besitz eines so wertvollen Kimonos.“ Das stimmte und er hätte sich selbst gern für diese unüberlegte Lüge geohrfeigt. Er hatte diesen Kimono fast vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn, so sagte man und es traf wirklich zu. „Nun sagt mir, wer Ihr seid“, kam es nachdrücklich, doch Hyde blieb still. Er hörte wie um ihn herum getuschelt wurde. Worte wie 'Spion', 'Feind' und 'enthaupten' fielen, doch auf keinen dieser mehr oder weniger ernsten Vorschläge seiner Ratgeber wurde eingegangen. Dann war da wieder das näherkommende Geräusch von raschelnder Stoff. „Hebt Euer Gesicht“, befahl Nishiyama und Hyde befolgte, wenn auch zögerlich. Sein Blick fiel auf den dunkelblauen Stoff eines edlen Hakamas***, der sich um nackte Füße spielte. Er kniete direkt vor ihm, den rechten Arm auf sein angewinkeltes Bein gelegt. Hyde erkannte die außergewöhnliche Präsenz dieses Mannes noch bevor er ihm ins Gesicht gesehen hatte. Er spürte ein seltsames Kribbeln, seit ihr Abstand nur noch wenige Zentimeter betrug. Und immer wenn er seine tiefe und doch klare stimme hörte, war es, als wurde ihm mit Fäusten gegen die Brust geschlagen. Sein Herz schlug wie verrückt, ihm wurde heiß und ein Zittern legte sich in seine Finger. Während einer kurzen Sekunde des Mutes, blickte er empor und sah direkt in das Gesicht des Samurais. Seine Verwunderung über das unerwartete Erscheinungsbild dieses kriegerischen Mannes konnte er kaum verbergen. Er runzelte die Stirn und ließ seinen Blick wandern. Lange schwarze Haare, die im Nacken zu einen Zopf gebunden waren, lagen über breite Schultern. Er trug einen weißen Kimono, darüber der blaue, an der Taille festgebundene Hakama. Das Gesicht war nicht das eines barbarischen Kriegers, im Gegenteil, es war so feinzügig, dass man ihn auch mit einer Frau hätte verwechseln können. Seine weiße Haut erzielte mit den pechschwarzen Haaren einen fast schon berauschenden Kontrast. Die vollen Lippen waren sinnlich und in Zusammenhang mit seiner Stimme als erotische Waffe einsetzbar, die vor allem bei Frauen große Wirkung erzielen musste. Einzelne lange Strähnen verdeckten nur geringfügig die wunderschönen, dunklen Augen, die Hyde regelrecht fesselten. Im starren Blick des Kriegers schwang Verwunderung und überraschter Zorn, vielleicht aber auch Verwirrung. Gefühle, die der Sänger nicht zu hundert Prozent deuten konnte, denn seine eigenen Empfindungen machten ihm gerade einen Strich durch die Rechnung. Er spürte eine Anziehung, die zwischen ihnen herrschte, eine Vertrautheit, die er sich nicht erklären konnte. Und es war, als konnte es auch der Samurai spüren. Seine Lippen zuckten, als wollte er etwas sagen, doch er stand auf und verließ den Raum; zur Verwunderung seiner Berater, ohne einen Befehl über den Fremden zu erteilen. Es war eine wortwörtliche Flucht, die den Blonden erstaunt hätte, wäre da nicht dieser kurze Augenblick der Verbundenheit gewesen, die anscheinend nicht nur für ihn, sondern auch den Langhaarigen etwas völlig Neues war. * Seine Füße trugen ihn schnell über das glatte Holz des Verandabodens. Mehrere Vasallen waren ihn gefolgt, wie sie es immer taten. Egal wo er war, sie waren seine Schatten, die ihn vor hinterhältigen Angriffen beschützen sollen. Lautlos schlichen sie ihm hinterher und knieten sich nieder als er Halt machte. „Lasst mich allein“, kam es ruppig über seine Lippen. Ohne zu widersprechen verbeugten sie sich und ließen das Oberhaupt allein, jedoch nicht außer Sicht- und Hörweite. Sie mussten in der Lage sein, schnell zu handeln, wenn ihr Herr Opfer eines Übergriffes werden sollte. Nishiyama fasste sich wütend über sein merkwürdiges Verhalten an die Stirn. Selten hatten ihn seine Gefühle, die er sonst hervorragend unterdrücken konnte, zu einer so unüberlegten Impulshandlung getrieben. Ihm schwebten bereits diverse Fragen seiner treuen Berater vor Augen. Und er wusste selbst noch nicht einmal, was in ihn gefahren war. Er hatte seine Glaubwürdigkeit in dem Moment verloren, als er so schamlos geflüchtet war. Und nun befand er sich in einer beinahe aussichtslosen Situation. Er wusste nicht, was er mit dem sonderbaren Mann mit der noch eigenartigeren Haarfarbe anstellen sollte. Als sich ihre Blicke getroffen hatten, war es ganz so gewesen, als wäre ein Blitz durch seinen Körper gefahren. Diese dunkelbraunen Augen, die ihn voller Furcht durchbohrt hatten, hatten eine Wärme ausgestrahlt, die er bisher in noch keinen anderen Augenpaar hatte entdecken können. Als wären sie nur da, um ihn anzusehen und mit seinen Gefühlen, die er in diesem Moment verspürt hatte, in die Irre zu führen Sie hatten ihn für einen kurzen Moment lang eingenommen und ihn glauben lassen, die Welt hätte aufgehört zu existieren. So war es auch. Für einen Augenblick hatte Leere geherrscht, alles um ihn herum war zu Nebel geworden. Seine Gedanken waren eine gefühlte Ewigkeit abgeschweift. Und seine Augen waren zu Gefangenen dieses Fremden geworden. Was hatte dieser Verrückte mit ihm angestellt? Dumme Menschen hätten es als Magie, das Werk des Bösen, verschrien. Zugegeben, er dachte dasselbe, doch sein Inneres spürte nichts Negatives. Es war eher etwas Reines, Unschuldiges, ein süßer Schmerz, den er noch nie erfahren hatte. Deshalb war er geflüchtet. Die Nähe dieses Hidetori Toshibas hatte ihn wahnsinnig gemacht. Und er durfte nicht zulassen, dass ihn so etwas ablenkte. Es konnte nur Schaden und Unglück bringen, sich auf unerklärliche Gefühle einzulassen. Sie zu ergründen, zu hinterfragen und dann zu akzeptieren, würde einem Verrat an sich selbst gleichkommen. Dieser Mann war ein Fremder, dessen Herkunft nicht bekannt war. Als seine Vasallen den Verdächtigen gefunden hatten, war er plötzlich von Schmerzen überfallen worden. Bis er in den Raum im Westflügel gebracht worden war, war er nicht ansprechbar gewesen. Er hatte versucht zu lügen und war im Besitz eines wertvollen Kimonos, der auf eine wichtige Person schließen konnte. Vielleicht war er ein Verwandter des Feindesclans. Es war die Aufgabe eines ergebenen Samurais, auf all jene Fragen, die sich auftaten, eine ehrliche Antwort zu erhalten. Versagte er, nur weil ihm bei Toshibas Gegenwart das Herz flatterte, dann war er nicht der Diener, der er sein sollte. Dann war er schwach und hilflos. Kein Samurai, sondern ein gewöhnlicher willensschwacher Mensch, der nicht das Recht hatte, seinem Fürsten einen Dienst zu erweisen. „Makushita, Maegashira“, rief Nishiyama, wohl wissend, dass sie ihn hörten. Sie eilten sofort heran, knieten nieder, senkten das Haupt und warteten auf den Befehl. „Bringt Hidetori Toshiba zurück in seinen Raum und bewacht ihn.“ ------------------- Hihi... ja ich hab mich an einem Haiku versucht. Die ersten drei Zeilen am Anfang... Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, (bestehen meist aus drei Wortgruppen von 5 – 7 – 5 Lauteinheiten) Sowas wird es vor jedem Kapitel geben. Soll auch immer zum jeweiligen Kapitel passen. Ach ich bin ja echt froh, das ich nur 2 Wochen für das Kapitel gebraucht hab. ^^ Das nächste gibt es aber aber leider erst frühestens ende Oktober. Da ich in einer Woche zur großen Sis fahre und von dort dann nach Paris. VAMPS!!!! ^^V Und die Woche die ich noch Zeit hab, wollte ich dafür nutzen mal die FF zu ordnen und noch einige Dinge zu recherchieren, die ich noch wissen muss. Z.B noch ein paar Taigadramafolgen gucken und so. ^^ Ach ja und das neue Cover ist auch fertig. Gefällt mir sogar mehr als das erste.^^ Ansonsten bedanke ich mich für die Kommentare. Freut mich das ihr Interesse habt und weiter lesen möchtet. ^_^ Mir liegt sehr viel an dieser FF. Ich leg da wieder mein ganzes Herz rein. Es ist schön, das sich die Mühe (und es ist echt anstrengend, wenn man dauernd unterbrechen muss, weil man was nachgoogeln muss) lohnt. *#*#* Erläuterungen: * Shoji-Papier zähes, weißes, lichtdurchlässiges Papier, aus Holzfasern ** Tokio Edo war der frühere Name der japanischen Hauptstadt Tokio und Sitz des Tokugawa Shogunats von 1603 bis 1868. 1868 wurde Edo in Tokio umbenannt *** Hakama ist eine Art Hosenrock mit weitgeschnittenen Beinen, der den Körper etwa von der Taille an abwärts bedeckt. Er ist Teil der traditionellen japanischen Bekleidung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)