Ocean Adventures von Votani ================================================================================ Prolog: diving... more or less. ------------------------------- Sinneseindrücke dringen nur langsam durch die Schwärze. Es ist leise, so furchtbar leise, als hätte ich mein Gehör verloren. Ist das möglich? Was ist passiert? Außerdem ist es kalt um mich herum, frisch irgendwie. Ist das Wind? Meine Gedanken sind wirr, aber mein Körper fühlt sich leicht an, fast so als würde ich schweben. Nur langsam öffnen sich meine Augen und ich blinzele sofort, weil alles um mich herum düster und leer aussieht, wie ausgestorben. Es ist als sei ich in eine andere Welt eingetaucht. Zudem hängt ein bläulicher Schimmer in der Luft, die eigentlich keine ist. Das wird mir in dem Moment bewusst, in dem ich meinen Kopf hebe und die Wasseroberfläche sehe, durch die das Sonnenlicht glitzert. Nur befinde ich mich auf der verkehrten Seite, denn der sogenannte Wind ist eigentlich Wasser. Ein Schrei entfährt meiner Kehle, der nicht hörbar sein sollte, jedoch in meinen eigenen Ohren klingt. Im selben Augenblick presse ich beide Hände auf den Mund, um nicht noch mehr von meiner kostbaren Luft zu vergeuden. Die werde ich noch brauchen, wenn ich leben möchte – und ich möchte wirklich gern leben! Leider war ich noch nie gut darin, lange die Luft anzuhalten. Gleichzeitig wird mir bewusst, dass ich nicht sinke. Viel eher, dass ich absolut still stehe, während der seichte Wellengang sachte an mir zieht und zerrt. Ich paddle mit den Armen, neige den Kopf aber nach unten, um meine Beine anzuschauen. Beine, die nicht da sind, weil sich an ihrer Stelle ein Fischschwanz befindet. Er ist weiß und besitzt einen schwarzen, vertikalen Streifen, der sich in zweiteilt, als er die Flossen erreicht. Er schwingt in einem ruhigen Takt vor und zurück. Das ist der Grund, warum ich nicht untergehe. Meine Flossen halten mich aufrecht. Bei diesem Gedanken scheint ihre... meine Konzentration zu brechen, denn die Bewegung bricht ab, bis der Abstand zur Wasseroberfläche sich vergrößert, als ich tatsächlich zu sinken beginne. Meine Arme rudern wild im Wasser, meine Flossen schlagen um sich, alles, um nicht komplett unterzugehen und nicht von der Dunkelheit verschlungen zu werden, die sich wie ein Abgrund unter mir auftut. Meine Lungen brennen vom Sauerstoffmangel und mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb. Irgendwie gelingt es mir mit Hängen und Würgen die Wasseroberfläche zu erreichen. Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen und meine Lungen schmerzen, als ich die Luft einziehe und mich halb an meiner eigenen Spucke verschlucke. Vielleicht ist es auch am Meerwasser, denn jeder Winkel meines Mundes schmeckt nach Salz. Mein Blick gleitet über das Wasser, obwohl das Sonnenlicht es schwer macht, viel zu erkennen. Geblendet treibe ich ein wenig vorwärts und visiere das Holzstück an, das nicht weit von mir treibt. Es sieht eher aus wie ein Stück einer Planke, anstatt einem Ast oder anderem natürlichem Holz. Meine Finger umklammern es, wobei mir mit Erleichterung auffällt, dass ich wenigstens keine Schwimmhäute oder Schuppen habe. Sie wirken auch kein Stück schrumpelig vom Wasser. Nur ein Perlenarmband baumelt an meinem Handgelenk, das aussieht, als sei es aus Algen geknüpft worden. Glücklicherweise trage ich auch mein T-Shirt noch, nur die Flossen sind neu. Auch mein Kopf sackt auf die Planke, die Wange gegen das splitterige Holz gedrückt. Erschöpfung, die von Panik stammt, gewinnt die Oberhand. Ich bin eine Meerjungfrau, dämmert es mir. Eine verdammte Meerjungfrau. Ist das ein Traum? Nein, das ist unwahrscheinlich, denn ich weiß immer in jedem Traum, dass ich eigentlich noch schlafe und dieses Gefühl fehlt mir hier komplett. Meine Augen schließen sich, als ich mich zu erinnern versuche. Das Letzte, was mir klar in den Kopf geschossen kommt, ist dass ich Feierabend hatte. Ich habe den gesamten Tag sinnlose Diskussionen mit meinem Kontrollfreak von Chef geführt und war daher froh, dass ich keine weitere Sekunde mehr mit ihm im selben Büro verbringen zu müssen. Es war warm, die Klimaanlage des Autos kaputt und die Ampel ewig rot – und dann... war es passiert. Der Boden hat sich aufgetan und mich verschluckt. Der Gedanke ist so verrückt, dass mir ein müdes Lachen entfährt. Das klingt wie etwas, was in billigen Filmen passiert, in schlechten Fanfiktions vielleicht auch. Allerdings ist es nicht absurder, als in der Form einer Meerjungfrau aufzuwachen. Sollte ich nicht eigentlich auch in der Lage sein, unter Wasser zu atmen? Eine Explosion lässt meinen Kopf in die Höhe rucken. Stärkere Wellen bringen die Planke und mich zum Schaukeln, während ferne Schreie an meine Ohren dringen. Es sind die einzigen Geräusche neben dem allgemeinen Wellenrauschen. Ich halte mir eine Hand an die Stirn, um meine Augen von der Sonne abzuschirmen und mich besser umsehen zu können. Es dauert eine Weile, doch am Ende mache ich zwei Schiffe am Horizont aus. Menschen. Menschen, die mir erklären können, wo ich mich befinde und wie ich überhaupt hierher gekommen bin. Andererseits... will ich mich ihnen als Meerjungfrau überhaupt zeigen? Man sieht man ja oft genug, dass so etwas meistens nicht gut endet und Menschen nicht mit etwas Ungewohntem umgehen können. Eine wirkliche Wahl habe ich aber auch nicht, denn... hier draußen befindet sich nichts anderes. Es befindet sich kein Land in der Nähe, genauso wenig wie andere Meerjungfrauen auffindbar sind, worüber ich jedoch glatt ein wenig froh bin. Das wäre einfach zu viel des Guten. Bevor ich es mir anders überlegen kann und mich weiter in unnötigen Gedanken verheddere, treibe ich mich auf der Planke und mit meinen Flossen voran. Beide Schiffe sind inzwischen ein gutes Stück näher gekommen und eine zweite Explosion wühlt das Wasser auf. Ich werde langsamer. Nicht nur, dass ich auf zwei Schiffe treffe, sie scheinen auch noch in eine Art Schlacht verwickelt zu sein, denn das waren eindeutig Kanonenkugeln. Mein Herz schlägt mir schon wieder bis zum Hals und obwohl das Wasser kühl ist, fühle ich mich furchtbar verschwitzt an. Meine Hände verkrampfen sich um die Planke, als ich Angst habe das Bewusstsein zu verlieren und erneut unterzutauchen. Doch da bleiben meine Augen an den Segeln eines der Schiffe hängen. Sie sind vom Wind aufgebläht und das Frontsegel ist schwarz und trägt ein Bild auf sich, das mir furchtbar bekannt ist. Obwohl ich einen Moment noch den Eindruck habe, bald an einem Herzinfarkt zu sterben, kommt es mir nun fast unvermeintlich vor. Auf dem Segel befindet sich ein Totenkopfzeichen mit einem roten Hut mit zwei blauen Smileys und Flammen. Das Segel darüber hat das Wort Spade aufgestickt. „Spade-Piraten...“, murmele ich, nicht ganz sicher, ob ich mir selbst vertrauen kann. Wenn das wirklich die Spade-Piraten sind, dann müsste Ace ihr Captain sein, was wiederum bedeutet, dass ich mich in One Piece befinde. Das würde die Flossen erklären, wenn auch nicht das durch den Boden fallen oder dass eine reale Person in einer fiktiven Welt gelandet ist. Nein, das ist wirklich etwas schwer zu glauben, zu schwer. Zeitgleich kann ich nicht einfach weiter herumtreiben und es ignorieren, dass sich auf dem Schiff dort vorn ausgerechnet Ace befinden könnte. Ace! Nicht, dass ich das tun könnte, wo die beiden Schiffe doch direkt in meine Richtung unterwegs sind... Inzwischen kann ich auch ganz genau sehen, dass sich eine Möwe auf der weißen Flagge des anderen Schiffs befindet. Warum überrascht es mich nicht, dass der potenzielle Ace sich mit der Marine anlegt? Meine Augenbrauen verengen sich, als ein Feuerball von dem Piratenschiff zum Marineschiff herüberfliegt und eines der Segel in Flammen steckt. Ich gleite näher und näher, während das Knallen der Waffen und die Schreie anschwellen, bis ich mir wie in einem Kriegsfilm vorkomme. Die Schiffe sind riesig im Vergleich zu mir und werfen ihre Schatten auf das Meer. Sie würden doch nicht auf mich schießen, oder? Ich bin doch gerade erst dem Ertrinken entkommen! Vielleicht sollte ich mich zurückziehen und warten, bis der Kampf vorbei ist. Doch ich kann die Haken sehen, die mit Seilen an ihnen geworfen werden und an der Reling von Aces Schiff hängen bleiben. Scheinbar wollen sie den Nahkampf versuchen, da jemand mit Feuerkraft aus der Ferne den Vorteil hat. Irgendeine Seite muss schließlich verlieren, aber ich bin ganz sicher, dass es nicht Aces sein wird – oder etwa doch? Abermals gehen die Kanonen los. Auf der einen Seite wehrt Feuer sie ab, während auf der anderen ein kräftiger Wind, die Kugel von ihrem Kurs abbringt. Sie platscht ins Wasser und wirbelt es auf. Die Marine hat also auch jemanden, der eine Teufelsfrucht gegessen hat. Die Schiffe schaukeln, Befehle schallen über beide Decks, ein Schrei gellt durch die Luft, mischt sich mit den anderen Geräuschen. Meine Augen suchen hastig nach der Quelle, bis sie an jemanden im Wasser hängen bleiben. Er schwimmt direkt neben dem Heck von dem Piratenschiff. Vermutlich ist er bei dem Wellengang über die Reling gefallen, doch es sind die Marinesoldaten, die ihn ebenfalls entdecken und ihre Gewehre nachladen, die mich beunruhigen. Es ist falsch einfach dem Spektakel zuzuschauen, aber gefährlich sich einzumischen. Ich bin schließlich kein Kämpfer. Ich bin ja nicht einmal eine richtige Meerjungfrau. Trotzdem weiß ich ganz genau, dass Meerjungfrauen die schnellsten Schwimmer sind, die es gibt. Trifft das auch auf mich zu? Ich weiß nicht einmal, ob ich unter Wasser atmen kann, geschweige denn, ob ich mich auf meine Flossen verlassen kann. Was, wenn sie auf halben Weg den Geist aufgeben? Wiederum sollte ich theoretisch dieselbe Kontrolle über sie haben, wie über meine Beine, oder nicht? Meine Fingernägel krallen sich in das Holz, meine Hände wollen die Planke nur ungern loslassen. Mit einem Ruck stoße ich mich ab, denn langsames Handeln liegt mir nicht, überlegte Entscheidungen genauso wenig. Ich gehe unter, halte die Luft an, bevor mein Kopf wieder die Oberfläche durchbricht und ich rasant auf die beiden Schiffe zuschwimme. Schnell, immer schneller und schneller. Ich mime die gleichen Bewegungen mit den Flossen, die ich beim Erwachen an mir selbst gesehen habe, vor und zurück, vor und zurück. Nur im Hintergrund nehme ich wahr, dass die Marinesoldaten mich gesehen haben. Aufgeregte Stimmen gesellen sich zu dem Rauschen in meinen Ohren, die etwas von Meerjungfrauen rufen. Allein ihr Zögern erlaubt es mir, den Piraten rechtzeitig zu erreichen. Ich packe ihn am Kragen seines karierten Hemds und ziehe ihn ruckartig unter Wasser, als die Pistolenkugeln links und rechts von uns einschlagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)