Anime Evolution: Krieg von Ace_Kaiser (Fünfte Staffel) ================================================================================ Kapitel 2: Vae Victor --------------------- Prolog: Der Hawk wirbelte um die Längsachse, setzte die Düsen ein und brach dadurch zur linken Seite weg. Eine kluge Entscheidung, denn da wo er sich eine Sekunde später befunden hätte, kreuzten sich die Leuchtspurgarben der Zwillingsgeschütze zweier Mahlstrom-Panzer. „Vorsicht, Junge!“, rief First Lieutenant McHaile über die KommLeitung und begleitete seine Worte mit einem amüsierten Lachen. „Ich BIN vorsichtig!“, erwiderte der Pilot gereizt, warf seine Maschine erneut herum und versuchte die Mahlstrom-Panzer ins Visier zu nehmen. Aber trotz Automapping seiner Künstlichen Intelligenz musste er erst einmal suchen, wo sie sich befanden. Die Biester wechselten in dem unübersichtlichen Waldstück nach jedem Schuss die Stellung. Von seiner Antwort bis zur ersten Zielerfassung brauchte der amerikanische Sergeant genau drei Sekunden. Zeit genug für die Panzerbesatzungen, wieder auf ihn zu feuern. Aber er war nicht umsonst Hekatoncheire des Gyes-Regiment, das man hinter vorgehaltener Hand immer noch als Akiras Eigenes betitelte. Und er war nicht umsonst einer von Daisuke Hondas Red Team-Piloten gewesen. Zwar hatte er sich nie dafür interessiert, mehr als eine Hekatoncheiren-Hand zu kommandieren, was defacto eine Halbkompanie war, aber dennoch gehörte er zu den Besseren. Beweis dafür war sicherlich auch die Artemis-Lanze, die er als einziger in der Kompanie führen konnte. Er wich aus, setzte neu an, musste sich wieder orientieren und hatte endlich eine Zielerfassung. Mist, hätte er seine Lanze nehmen können, wäre er einfach unter die Panzer gefahren und hätte sie aufgeschlitzt. So aber... Er feuerte, verpasste dem Mahlstrom einen Volltreffer und nahm ihn damit aus dem Geschehen. Im Gegenzug wurde er aus weiter Entfernung am rechten Bein seines Hawks gestreift. „Clint, du solltest doch...“, begann er wütend, aber McHaile fuhr ihm dazwischen. „Tut mir Leid, Rod, aber du bist der Letzte. Sie haben Clint runter geholt.“ „Heißt das, ich stehe alleine gegen zehn Panzer?“ Na Klasse. Wegen Orson McHailes dämlicher Wette steckte er jetzt in der Tinte. „Die Dinge sind nun mal wie sie sind“, erwiderte der First Lieutenant. „Also steh die Sache durch wie ein Mann.“ Nach und nach vereinigten die überlebenden Mahlstrom-Panzer ihre Feuerkraft, um den einsam am Himmel kurvenden Hawk zu treffen. Dabei gingen sie gut strukturiert vor und trieben ihn nach und nach in Richtung Wand. Eine gefährliche Position, in der sie ihn problemlos davon wischen konnten, wie es ihm beliebte. Noch tanzte er die Schüsse aus und kam sogar dazu, zurück zu feuern, aber wie es aussah, wurde die Panzertruppe, eine Elite-Einheit zu sein, vollkommen gerecht, denn im Moment stand es vier Hawks zu zwei Panzern. Ein blamables Ergebnis für seine Hand. Aber noch blamabler war natürlich die Tatsache, dass es überhaupt so weit gekommen war. „Aktivitäten einstellen!“, gellte ein scharfer Ruf über seine Leitung. Roderik Benton erkannte die Stimme sofort und bremste scharf ab. Als Ergebnis trafen ihn die abgefeuerten Salven von acht Mahlstrompanzern. Aber auch die Panzerbesatzungen stellten nun das Feuer ein und fuhren aus ihren Deckungen heraus. Die Stimme gehörte zu Yoshi Futabe, dem Kommandeur des Gyes-Regiments, und das konnte nichts Gutes bedeuten. Auch nicht für die Panzerkompanie, obwohl Futabe eigentlich keine Befehlsgewalt über sie hatte. Aber er hatte eine ganz eigene Autorität, wie Rod sie schon bei vielen Veteranen des Marsfeldzugs erlebt hatte. Kleiner Akira nannten ihn manche Spötter. Rod wusste, dass es sich nur um neidische Idioten handelte. Yoshi Futabe war wie viele andere aus Akiras Clique ungewöhnlich fähig. Und im Moment war er sauer. Sauer auf ihn. Langsam driftete er zu Boden, ließ den Hawk federnd aufsetzen. Er schaltete auf Zoom und suchte die Umgebung ab. Da waren die anderen vier Hawks seiner Hand, die abgeschossen worden waren. Dort kamen die Panzer aus dem Dickicht hervor. Und der Elektrowagen, der sich beständig näherte, musste Yoshi Futabe als Transportmittel dienen. Mist, Rod konnte den Ärger riechen. *** Streng musterte der hoch gewachsene Blondschopf die angetretenen Soldaten. Dann wandte er sich um und marschierte vor ihnen auf und ab. „Also, wenn ich Sie alle richtig verstanden habe, dann geht es hier um eine Wette?“ Yoshi blieb stehen und fixierte den Kommandeur des Arms, First Lieutenant McHaile. „Eine Meinungsverschiedenheit, Sir“, korrigierte der Offizier. Captain Sascha Andropowa meldete sich zu Wort. „Sir, wenn ich sprechen darf...“ „Nur zu, Lady, lüften Sie meine Verwirrung.“ „Es ist so. Der First Lieutenant hat die Offensivfähigkeiten der Panzereinheiten angezweifelt. Das konnten wir Tank-Fahrer natürlich nicht auf uns sitzen lassen. Wir wollten ein für allemal zu klären, wie kampffähig ein Tank wirklich ist.“ „Und? Sind sie kampffähig?“ Die Russin lächelte leicht. „Sir, ich habe zwei Panzer verloren, aber alle fünf Maschinen runter geholt.“ „Sie bekommen einen Tadel wegen bewusster Lüge gegenüber einem Vorgesetzten“, versetzte Yoshi. „Sergeant Benton wurde erst getroffen nachdem ich den Abbruch befohlen habe. Sie haben also nur vier runter geholt.“ Betreten sah die Frau zu Boden. „Natürlich, Sir. Sie haben Recht.“ Yoshi sah weiter zu McHaile. „Und was Sie angeht, was halten Sie vom Ergebnis?“ „Nun, es ist beeindruckend. Ich hätte nicht gedacht, dass die Panzer doch so effektiv sind. Natürlich wäre das Ergebnis anders ausgefallen, wenn ich mit meiner Hand gekämpft hätte.“ „Sie erhalten ebenfalls einen Tadel. Anstatt selbst zu kämpfen haben Sie Ihren Zugführer vor geschickt, um genau für solch einen Fall große Reden schwingen zu können. Es gibt nichts was ich mehr hasse als Menschen, die sich ihre Realitäten zurecht biegen, wie sie sie brauchen.“ McHaile erbleichte. Erwischt, getroffen und versenkt, nannte man das wohl. „Ich bedaure das, Sir.“ „Das will ich auch hoffen. Wenn nämlich Amanda hiervon erfährt, haben Sie nichts zu lachen. Ganz davon abgesehen, dass Akira Otomo hiervon erfahren wird!“ Unter dem wütenden Blick des Obersten wurden alle nach und nach klein. „Gyes, Third Head, Second Arm, Second Hand“, sprach Yoshi die offizielle Bezeichnung für den zweiten Zug der zweiten Kompanie des dritten Gyes-Bataillons aus, „Ihr werdet bestraft. Zwei Wochen Strafdienst sowie Ausgangssperre für die nächsten drei Wochenenden. Die Strafe setzt sich zusammen aus zwei Tagen Strafdienst für dieses nicht angemeldete Manöver, zwei weiteren Tagen für die angerichteten Manöverschäden, die während des Strafdienst beseitigt werden sowie einer Woche dafür, dass Sie verloren haben, Ladies und Gentlemen. Sie können wegtreten. Benton bleibt noch.“ Die vier Piloten salutierten und traten ab. „Was Sie angeht, Captain Andropowa, wird ein offizieller Bericht meinerseits auf dem Schreibtisch Ihres Regimentskommandeurs landen. Und ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht unter einer Woche Strafdienst davon kommen, falls der alte Fred meint, Ihre Kompanie hätte keine Strafe nötig, weil sie ja gewonnen hat.“ Ein verräterisches Grinsen umspielte seine Lippen, und für eine Sekunde musste der weibliche Captain auch mit einem Lächeln kämpfen. „Verstehe, Sir. Wir haben es verdient, Sir.“ „Oh ja, das haben sie. Sie können wegtreten.“ Die Russin salutierte, gab einen scharfen Befehl, und nach einem allgemeinen Salut in Richtung Yoshi traten die Panzerbesatzungen ab. „Bleiben nur noch Sie, Orson. Eine Wette annehmen, Kameraden diskreditieren und dann nicht mal selbst kämpfen. Das könnte man durchaus als mutwillige Beschädigung von Militäreigentum auslegen. Und darauf stehen drakonische Strafen.“ Der First Lieutenant straffte sich. „Sir!“ „Ich nehme Ihnen das Manöver nicht besonders übel. Auch nicht die Niederlage, denn ich weiß, dass Saschas Truppe die Beste an Bord ist. Aber ich werde ab sofort ein genaues Auge auf Sie haben. Wenn ich meine mich geirrt zu haben, als ich Ihnen eine Kompanie Hawks gegeben habe, werde ich das wieder korrigieren. Sie stehen das nächste halbe Jahr unter meiner direkten Beobachtung. Treten Sie weg, McHaile.“ Der sichtlich erbleichte Offizier salutierte und trat ab. Über seinem Haupt schwebte nun das beständige Damokles-Schwert der Degradierung, ja sogar der Versetzung. Die Hekatoncheiren waren die absolute Elite, und von ihnen ohne Reue fortzugehen war beinahe unmöglich. Eine Entlassung bedeutete automatisch die Feststellung der Unfähigkeit und damit das Ende der Karriere. Man verließ die Truppe entweder verwundet, tot oder mit einer Versetzung samt Beförderung. Alle anderen Varianten waren für die absolute Elite unstatthaft. „Sir, wenn ich sprechen darf, Orson ist ein guter Mann. Er...“ „Er hätte selbst kämpfen sollen. So aber kann ich nicht anders, als ihn unter Aufsicht zu stellen. Denken Sie, ein Akira Otomo hätte sich vor dem ersten Marsangriff gedrückt? Oder vor dem zweiten? Vor dem Kampf gegen das Ehre oder Tod-Regiment? Vor irgendeiner Herausforderung?“ „Man kann kaum einen Piloten ausgerechnet mit Akira Otomo vergleichen“, protestierte Rod. „Aber man muss jeden an ihm messen“, erwiderte Yoshi ärgerlich. „Meine Entscheidung steht fest. Und was Sie angeht, Rod Benton, wenn ich Sie noch einmal dabei erwische, dass Sie in einem illegalen Manöver partizipieren, dann reiße ich Ihnen persönlich die Streifen runter und das Gyes-Abzeichen ab! Dies ist keine Bagatelle, sondern ein ernstes Anliegen! Wäre jemand bei dieser Aktion gestorben, ja nur verletzt worden, dann hätte ich nicht mehr in meinen Spiegel sehen können! Wegen so einer... Einer Idiotie das eigene Leben zu riskieren ist krank! Haben wir uns verstanden, Rod?“ Der Hawk-Pilot straffte sich. „Vollkommen, Sir. Es wird nicht wieder vorkommen, Sir.“ „Gut, dann treten Sie weg.“ Der Sergeant salutierte und trat ab. „Sergeant!“ Benton stoppte. „Sir?“ „Sie sind ab sofort First Sergeant.“ Irritiert sah er Yoshi Futabe an. „Sir?“ „Gut geflogen, da oben. Verdammt gut geflogen. Ihre Leute haben dank Ihnen länger durchgehalten als ich gedacht habe“, erwiderte Yoshi grinsend und gab damit zu, das ganze Manöver mitverfolgt zu haben. „Weitermachen, Soldat.“ Futabe stieg wieder in seinen Wagen und fuhr davon. Zurück blieb ein irritierter, frisch beförderter First Sergeant, der sich nun auf seinen Strafdienst und eine dickere Lohntüte freuen konnte. 1. Im Innenraum der AURORA gab es viele schöne Ecken. Das kleine Wäldchen zu Beispiel, das sich an der Südwand erhob. Das Serenity-Meer mit seinen wundervollen Stränden an der Westwand. Oder das legendäre Feld an der Ostwand, auf dem so oft schon Geschichte geschrieben worden war, mit Joan Reilleys Konzerten und der genialen Evakuierung von eins Komma drei Millionen Anelph. Eine stark unterschätzte schöne Ecke war die Nordwand, an die sich die Stadt Fushida schmiegte. Zwar konnten hier über einhunderttausend Menschen miteinander leben, aber es gab nur einige wenige Wolkenkratzer, die sich in den künstlichen Himmel erhoben. Die meisten von ihnen existierten an der Nordwand. Das höchste Gebäude aber war teilweise in die Wand verbaut worden. Es überragte alle anderen künstlichen Bauten im Innenraum, sogar die Poseidon-Flottenzentrale inmitten des Serenity-Meers. Nahezu fünfhundert Meter Höhe machten die Aussichtsplattform und das Restaurant auf der Spitze zu einem absoluten Ausblick für den gesamten Innenraum. Hier wurde die junge Geschichte des Fernraumschiffs lebendig. Man konnte jeden einzelnen Fleck sehen, an dem sich moderne Historie abgespielt hatte. Bei Nacht war dies eine wundervolle Ecke, und hochmoderne Prallschirme verhinderten, das der manchmal bitterkalte Nachtwind das Vergnügen, hier oben stehen zu dürfen, trübte. Ich seufzte beim Anblick des künstlichen Sternenhimmels über mir. Es hatte den halben Tag warme, dicke Tropfen geregnet, und eine Zeitlang hatte ich gedacht, dieser Abend würde ins Wasser fallen oder unter einen großen Pavillon verschwinden müssen. Aber letztendlich war doch alles gut gegangen. Die Sterne über mir waren animiert. Während die AURORA auf ihr nächstes Ziel zuflog, war der Sternenhimmel so manipuliert worden, das es aussah, als würden die fernen und nahen Fixsterne über sie hinweg wandern. Der Nachthimmel war ein so genanntes Event. Normalerweise zeigte der Sternenhimmel genau jenes Bild, das man sehen konnte, wenn man auf der oberen Hülle der AURORA stand. Man hatte hier schon prächtige Bilder gesehen von Gasriesen, ultradichten Sternhaufen und faszinierenden Nebeln. Im Sprung gab es natürlich keinen Himmel, in solchen Zeiten wurde der Sternenhimmel projiziert, wie man ihn von der Nordhalbkugel der Erde aus sah. Oder von der Südhalbkugel, das kam auf den Wochentag an. Diesmal aber war ein Event vorgeschlagen worden, nämlich diese driftenden Sterne. Events wurden nur dann durchgeführt wenn mindestens achtzig Prozent der Bewohner dafür stimmten. Erweckte das Event nicht genügend Interesse, wurde automatisch die normale Einstellung beibehalten. Dieser Mechanismus sollte verhindern, dass einige wenige die breite Mehrheit mit eigenen Vorlieben malträtierten. Oder das eine schwache Mehrheit eine starke Minderheit kompromittierte. Ich fand den Effekt gelungen. Vor allem weil einige der Sterne beinahe Daumennagelgroß abgebildet wurden, ohne die entsprechende Leuchtkraft zu imitieren. Eine gelungene, romantische Nacht, genauso wie ich es mir erhofft hatte. Ein Glas wurde mir vor die Nase gehalten, und dankbar ergriff ich den Champagnerkelch. Megumi Uno gesellte sich zu mir, ebenfalls ein Champagnerglas in der Hand und nippte vorsichtig an dem teuren Schaumwein. „Das war ein tolles Essen bisher“, sagte sie lächelnd. „Du hast alles aufgefahren was ich gerne mag, sogar die Speisen, die ich erst auf Nag Prime schätzen gelernt habe.“ Ich erwiderte das Lächeln. „Sostre hat gepetzt. Er hat mir all die leckeren Sachen verraten, die du in dich rein gestopft hast, als du im Daness-Tower warst.“ „Sostre? Ich werde mich bei ihm bedanken müssen.“ Sie nahm einen weiteren Schluck Champagner. „Das beste Essen von drei Welten. Vier, wenn man das Brot hinzurechnet. Das Getreide stammt von einer Core-Welt, nicht?“ Ich nickte zustimmend. „Es war mir wichtig, dass dieser Abend etwas besonderes wird.“ „Dummerchen“, tadelte sie mich. „Jeder Abend mit dir ist etwas besonderes. Aber ich weiß deine Mühen zu schätzen, Aki-chan.“ Ich lächelte für sie und widmete mich dann wieder dem Sternenhimmel. „Wie hast du nur Tag und Nacht dazu gekriegt, die Kellner zu spielen? Ein denkwürdiges Ereignis, Akari in dieser strengen schwarzen Uniform zu sehen. Hätte Sakura das mit gekriegt, wäre die nächste Cosplay-Party fällig gewesen. Mako-chan hätte dann nichts zu lachen gehabt.“ Sie legte kurz den Kopf schräg und lachte. „Na ja, diesmal wären es ja Männersachen gewesen. Und Michi sah auch gut aus in seinem weißen Smoking. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass seine weißen Handschuhe noch immer makellos sind? Als würde er mit seinem KI verhindern, das auch nur ein Staubkorn auf sie fällt.“ „Tja, nach der Sache mit dem KI-Attentäter hatte ich noch einen gut bei den beiden. Ehrlich gesagt waren sie nur zu gerne bereit hier zu kellnern, als sie hörten das es für uns beide sein soll.“ Ich sah kurz zurück zu dem einsamen Ausgang zu unserem Séparée des prominenten Arabischen Gartens, dem Restaurant mit der schönsten Aussicht der Stadt. Die Reservierung zu erhalten war absolut kein Problem gewesen. Durchzusetzen wer uns bediente hingegen war ein härterer Kampf gewesen, weil sich der Eigentümer bei der Ehre gepackt gesehen hatte. Aber mit dem Anlass hatte ich ihn – oder vielmehr sie – wieder beschwichtigt und die pure Seelennot der Kellner und Ober trösten können. „Wer hätte gedacht, das dieser schreckliche Tag auch sein gutes haben würde“, murmelte Megumi nachdenklich. Dann sah sie mich ernst an. „Eines hat mir heute aber überhaupt nicht gefallen. Und das bist du, Akira. Du bist irgendwie so unruhig. Ich würde sogar fast sagen, übernervös. Liegt es am KI-Attentäter? Ich weiß, dass du ihn getötet hast, und das musstest du schon eine lange Zeit nicht mehr. Ich kann mir vorstellen, dass dich das mitgenommen hat.“ Mitfühlend sah sie mich an. Ich lächelte dünn und spielte mit dem Stiel meines Glases. „Das ist es nur zum Teil. Es gibt eine andere Sache, die mir viel mehr Sorgen bereitet.“ „Du weißt, dass du jederzeit und überall mit allem was dich belastet zu mir kommen kannst. Immerhin bin ich nicht nur die Kommandeurin deiner Division, ich bin auch deine Verlobte. Egal was mit dir da draußen noch passiert, Reyan Oren oder Maxus, selbst wenn dich jemand zum Kaiser des Universums ausruft, ich bin an deiner Seite.“ Dieser Gedanke zauberte ein Lächeln auf meine Züge. „Du wärst dann Kaiserin, das ist dir doch klar, oder?“ „Jetzt wo du es sagst...“, erwiderte sie gedehnt und gespielt unschuldig. Ihre Linke strich über meine Wange. „Akira. Du weißt wie sehr ich dich liebe, und...“ „Und ich habe dir so oft und so schrecklich weh getan. Du hast es mir vergeben, wieder und wieder und wieder und...“ Sie verschloss meine Lippen mit einem langen Kuss. „Wir sind zusammen. Das ist alles was zählt.“ „Nein, das ist es eben nicht. Es tut mir leid, aber ich muss mich bei dir entschuldigen.“ Ich atmete tief durch, sah noch einmal zu den Sternen und dann wieder auf meine Freundin. Sie hatte ihr Haar in letzter Zeit wachsen lassen, dunkelblonde Strähnen rahmten es bis auf die Schultern ein. Für den heutigen Tag hatte sie sich eine Dauerwelle machen lassen, und ich fand sie wirklich hübsch, egal wie sie ihre Haare trug. Ich hätte sie auch mit Glatze geliebt. Aber ich wusste ihre Anstrengungen zu schätzen, wenngleich Outfit und Frisur sicherlich auf Sakura zurückgingen. In dem Punkt war ich mir sicher. Ich liebte sie sehr und hatte ihr oft weh getan. Wenn ich nicht an diesem Tag all das aus der Welt schaffte, dann vielleicht nie. „Es tut mir leid, das ich die ganze Zeit so blind war und nicht gesehen habe, das du die Frau für mein Leben bist“, sagte ich ein wenig stockend und spielte damit auf die Zeit vor dem zweiten Marsangriff an. „Es... Es ist in Ordnung. Immerhin hatte ich eine Menge Konkurrenz. Da waren schon ein paar mächtige Gegner dabei. Eine Zeit lang war ich mir recht sicher, dass Hina oder Joan mich überholen würden. Ich hatte sogar Akari auf meiner Liste.“ Megumi lächelte ein wenig unsicher. „Sakura nicht?“, fragte ich verwundert. „Wieso deine Cousine?“ „Wir sind nicht Blutsverwandt. Sowohl nach terranischem Recht als auch nach Naguad-Recht hätten wir heiraten und gemeinsam Kinder zeugen können.“ Entsetzt wich Megumi einen halben Schritt zurück. „Und das erzählst du mir erst jetzt? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich damals Joan und Hina von vorne herein abgeraten, denn wer hätte sich denn mit dieser wunderschönen, gut proportionierten, intelligenten und lebensfreudigen Blondine messen können? Sie ist so superhübsch, das...“ „Du konntest dich mit ihr messen“, merkte ich an. „Aber dann wiederum sieht Makoto im Kleid um einiges besser aus als du.“ „Lenke nicht ab“, murrte sie. „Wir sind immer noch bei Sakura, der schönsten Frau des Planeten. Der schönsten Frau von drei, vier, ach von allen Welten, auf denen ich bisher war!“ „Protest. Der zweitschönsten.“ Ich beugte mich zu ihr herüber. „Die Schönste steht gerade neben mir.“ „Ach“, meinte sie und machte eine abfällige Handbewegung. „Das ist deine Meinung.“ „Und die zählt, oder?“ „Zugegeben“, erwiderte sie mürrisch, ließ es aber zu, dass ich sie küsste. „Es tut mir leid, dass ich dich nach dem Säureanschlag auf mich in Stich gelassen habe. Ich war eine so lange Zeit nur auf mich fixiert, es war grauenvoll. Und bevor ich mich versah war ich schon zu lange fort, um einfach wieder zu dir zurück zu kehren. Ich musste erst...“ „Du musstest erst der großartigste Hawk-Pilot aller Zeiten werden. Ich habe heute noch Anfragen nach John Takei auf meinem Schreibtisch, nach dem Piloten, der sogar Akira Otomo überflügelt.“ Ihre Miene bekam einen ironischen Zug. „Außerdem war mir klar, dass du dich nur mit einem Knall zurück melden würdest.“ Kurz reflektierte ich meine Erlebnisse in Argentinien und den ganzen Ärger, den ich damals hatte, weil die Marodeure – die heutzutage in der UEMF-Flotte dienten – unbedingt hinter das Geheimnis der Booster hatten kommen wollen. Die Geschichte war so vertrackt gewesen, dass ich letztendlich in einem Daishi Beta gegen meine Megumi in einem Gamma hatte antreten müssen. Wir hatten dort Gina getroffen und Mamoru wäre fast getötet worden. Eine unruhige Zeit, an deren Ende meine Heimkehr gestanden hatte. „Und mit was für einem. Du hast auf dem Boot dieses wundervolle weiße Kleid getragen. Das war das erste Mal, das ich dich in einem so weiblichen Kleidungsstück gesehen habe, abgesehen von der Schuluniform.“ „Ich hatte einfach keine Ahnung, wie gut es mir steht.“ Kurz sah sie an sich herab, auf das hauteng sitzende schwarze Abendkleid, welches sie heute trug. Es stand ihr hervorragend, einfach hervorragend. Wenngleich ich nicht gewusst hatte, dass ihr Busen solch ein Dekolleté ergeben konnte. „Atemberaubend gut.“ „Du siehst im Anzug auch nicht schlecht aus“, erwiderte sie. „Sind das Schulterpolster, oder hast du so ein breites Kreuz?“ „Was denn? Du hast es letzte Nacht in deinen Händen gehalten und kannst das nicht abschätzen?“ „Verdammt, Kleider machen wirklich Leute. Du siehst sexy und männlich aus, Akira.“ „Ach.“ Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du bist verliebt in mich. Natürlich sehe ich dann für dich gut aus.“ „Ja und nein, Akira Otomo.“ Sanft legte sie ihre Hände um meinen Nacken. „Ja und nein.“ Langsam löste ich ihre Arme wieder. „Ich bin noch nicht fertig. Ich kann mich nicht dafür entschuldigen, das ich von Nag Prime entführt wurde. Oder das ich versucht habe Joans Leben zu retten, indem ich mit Torum Acati mitgegangen bin. Oder für meinen Alleingang gegen eine ganze Division Banges, und... Okay, dafür sollte ich mich vielleicht doch entschuldigen.“ „Nicht bei mir. Aber bei deiner Hausdivision schon.“ „Ich glaube, in dem Punkt könntest du Recht haben. Aria dient bei ihnen. Ich weiß nicht ob das reicht, um die allgemeine Stimmung zu heben.“ „Ich vermisse Aria. Ob dies alles irgendwann mal vorbei ist und die ganze Familie zusammen kommen kann?“ In ihre Augen trat ein feuchter Schimmer. Die Familie, das war ein weiter Begriff. Und bisher war sie immer nur gewachsen, niemals geschrumpft. Der neueste Spross, Laysan, würde jetzt wahrscheinlich gerade wieder mit Spike baden, Yoshis KI-Biest. Wie eigentlich jeden Abend. Und wie jeden Abend würde sein Fell fürchterlich stinken, aber das Tier hatte relativ schnell begriffen, das es mir in diesem Zustand nicht unter die Augen zu treten brauchte. Wie groß würde unsere Familie denn noch werden? Ich wusste es nicht, freute mich aber auf die Antworten. „Eines Tages“, murmelte ich und strich ihr sanft über die Wangen. „Eines Tages.“ Etwas ernster sah ich sie an. „Es gibt aber etwas, für das ich mich in jedem Fall entschuldigen muss. Als wir im Daness-Turm eingesperrt waren und ich nach einer Möglichkeit gesucht habe uns alle zu retten, da... Da habe ich dir eine Verlobung aufgezwungen, ohne dich zu fragen.“ „Du weißt, das meine Antwort ja gelautet hätte“, tadelte sie mich. „Außerdem hast du mir später die Wahl gelassen. Was war ich böse mit dir, als du mir ins Gesicht gesagt hast, das ich von der Verlobung zurücktreten kann, wenn ich will. Ich habe da lange drüber nachgedacht und bin zu einem Entschluss gelangt.“ Ihre Augen funkelten. „Du kannst mir nicht mehr entkommen. Egal was du tust oder sagst, Akira. Wie würde Joan sagen? Du bist meine Beute, und was Megumi Uno einmal zwischen ihren Zähnen hat, gibt sie nicht mehr her. Nur für den Fall, dass du heute Abend irgendeine merkwürdige Sache vor hast, Akira.“ Ihr Blick wurde lauernd und feurig. Sie kannte mich gut, das war nicht abzustreiten. Aber noch war sie etwas zu naiv, um mit mir mithalten zu können. „Nun, wenn du meinst, ich würde etwas merkwürdiges machen...“ Ich sank vor ihr auf ein Knie. „Ich habe nie wirklich formell um deine Hand angehalten. Und wenn sogar Yoshi und Kenji das schaffen, kann ich doch nicht nachstehen.“ Ich griff in die Innentasche meiner Jacke und zog eine schmale Schachtel hervor. Ich öffnete sie und hielt sie Megumi entgegen. „Und ich habe deinen Verlobungseid noch nicht gehört. Darum frage ich dich jetzt und hier, Megumi Solia Kalis Uno, willst du mit dem größten Unglücksmagneten des Universums fortan dein Leben teilen? Willst du mich heiraten?“ Sie sah mich aus großen Augen an. Und ich meine wirklich große Augen. Ich sah, wie es in ihrem Blick arbeitete. Beinahe konnte ich ihre Argumente hören, von „nicht nötig so was“ bis „warum nicht früher“. Dann aber verwandelte sich ihr Blick in pures Strahlen. „Ja, Akira. Ja.“ Erleichtert erhob ich mich wieder und nahm den Ring aus dem Etui. Das Schmuckstück aus Platin und Weißgold trug drei Steine. Einen kleinen Brillanten, einen kleinen Rubin, der die Daness darstellte und einen blauen Topas für die Arogads. Ansonsten bestach der Ring durch seine schlichte Schönheit, genau wie mein Mädchen. Vorsichtig steckte ich ihr den Ring an. „Akira, die andere Hand“, tadelte sie mich. „Sonst musst du mich sofort heiraten.“ „Oh, entschuldige.“ Eine Hochzeit auf der AURORA hätte sicherlich mindestens zwei Planeten gegen uns aufgebracht. Das konnte ich nicht auch noch gebrauchen. Nachdem der Ring endlich an der rechten Hand prangte, schloss ich sie in die Arme und küsste sie sanft. Über dem Serenity-Meer stieg ein Feuerwerk auf, welches von der glatten See gespiegelt wurde. Auch in den Straßen der Stadt stiegen hier und da Feuerwerksraketen in den Himmel und explodierten als feuriger Blumen. Eine Kompanie Hawks zog auf flammenden Düsen an unserem Aussichtspunkt vorbei und salutierte für uns. Einer der Sauerstoffdistributoren, die nebenbei auf riesigen Schautafeln Werbung präsentierten, stieg aus einer Straßenschlucht auf und präsentierte eine Botschaft für uns: „Die Familie und die Freunde gratulieren Megumi Uno und Akira Otomo zur richtigen Verlobung“. „Die Hawks und das Feuerwerk über dem Meer habe ich bestellt, aber das war ich nicht“, gestand ich leise. Ich entließ Megumi aus meinen Armen, während der Zeppelin näher schwebte. Der Schriftzug wechselte: „Tipp: Schaut hinter euch.“ Wir fuhren herum, und tatsächlich, durch den Ausgang strömte eine wahre Menschenmasse zu uns auf den Balkon, bestehend aus eben der Familie und den Freunden, die uns gerade erst mit dem Schriftzug auf dem Distributor gratuliert hatten. Wenigstens wusste ich, wer diese wüste Party im offiziellen Teil des Restaurants gefeiert hatte, die man sogar im Séparée hatte hören können. Natürlich hatten Akari und Michi sie rein gelassen, diese kleinen Verräter. „Und ich dachte, ich hätte alles so geheim wie möglich gehalten.“ „Hast du auch. Die da stehen auf meiner Liste“, sagte Megumi lächelnd. „Oder glaubst du wirklich ich kenne dich nicht gut genug, um zu wissen, was du vorhattest?“ Unglaublich. Wieder einmal wurde ich daran erinnert, warum ich sie so sehr liebte. Dann waren auch schon die ersten Gratulanten heran, vorneweg Yohko und Yoshi. Das würde eine lange Nacht werden. Aber ich freute mich darauf. 2. Es war schon etwas merkwürdig, in diesen Tagen dieses Haus zu betreten. Entweder brodelte es vor Leben, oder es war menschenleer. Und Joan Reilley, ehemals selbst ernannte Akira-Jägerin Nummer eins, war sehr oft hier. Ein wenig nostalgisch dachte sie an die Zeiten zurück, als sie ihre Großwildjagd auf den Otomo-Spross durchgeführt hatte – und an seine Dickköpfigkeit geraten war. Der schnelle Weg hatte nicht funktioniert, nur seinen Trotz geweckt. Wo doch wirklich jeder ledige junge Mann bei einem Traummädchen wie ihr, intelligent, wunderschön und mit perfekten Maßen, dankbar dafür sein musste, ja musste, wenn sie sich für ihn interessierte. Danach hatte sie es auf die langsame Art probiert, die „steter Tropfen höhlt den Stein“-Methode. Leider funktionierte die in beide Richtungen, und bevor sie es sich versah, hatte sie sich in einen jungen Mann verliebt, der drei Zentimeter kleiner als sie war – und im Minirock auch noch besser aussah. Nun, sie war trotzdem zu ihrer Erfahrung mit Akira gekommen, als Torum Acati sie und Akira nach Nag Prime entführt hatte. Akira und sie hatten nur einander gehabt, und sie hatte ihn furchtbar gebraucht. Je mehr von ihrem Ich zurück gekehrt war, umso dringender. Akira hatte sich auf sie eingelassen, und Joan war dankbar dafür gewesen. Das war ein Zeitpunkt gewesen, an dem sie nicht erwartet hatte, noch länger als ein paar Wochen zu leben. Damals hatten weder sie noch Akira gewusst, dass der junge Mann Direkterbe einer der wichtigsten Aufgaben im ganzen Imperium war. Auch wenn dieses Erbe noch zwei Generationen von ihm entfernt war, oder um es in Naguad-Zahlen auszudrücken, lockere tausend Jahre. Sie hatten leben dürfen, und das Leben war zu ihnen zurück gekehrt. Sprich, ein Rettungsteam mit Megumi Uno und Eridia Arogad war eingetroffen, und Joan hatte erkannt, wie tief die Liebe Akiras für Megumi war. Im Gegenzug aber hatte sie erlebt, dass ihre Liebe für Makoto mittlerweile ebenso tief geworden war. Aber wenn sie ehrlich war, wenn sie ganz, ganz ehrlich war, dann stand Akira bei ihr auf der Notfallliste – für den unwahrscheinlichen Fall, dass ihr Makoto genommen wurde, auf welche Art auch immer. Im Gegenzug, da war sie sich sicher, hatte sie den gleichen Platz auf Akiras Liste. Und das stimmte sie sehr zufrieden. Nachdenklich rieb sie sich das Kinn. Ihre Arbeit mit der Band und ihr Job als Stellvertretende Chefin der Infanterie der AURORA hatten sie immer beschäftigt gehalten. So beschäftigt, dass sie eine eigene Wohnung mit Proberaum hatte, nicht weit entfernt, aber eben eine eigene Wohnung. Dennoch war sie die meiste Zeit hier gewesen, und langsam fragte sie sich, ob es wirklich nur praktisch für sie war, oder ob sie gedacht hatte, auf diese Weise würde sie Megumi und Akira nicht zu sehr im Wege herum stehen. Dass dieses Gefühl mehr und mehr geschwunden war nahm sie nun als Hinweis, um ernsthaft daran zu denken hier einzuziehen. Wenn sogar Michi eines der freien Zimmer im Obergeschoss beziehen durfte – und man wusste ja, dass junge Leute in seinem Alter Instinktgesteuerte kleine Tiere waren, genau wie sie in dem Alter – dann musste sie sich wirklich überlegen, ebenfalls einzuziehen, solange noch ein Raum frei war. Wenn nämlich erst einmal Aria wieder einzog oder Kei Ami Shirai dazu bewegen konnte zu ihm zu ziehen, dann war es bald Sense mit den Räumen. Außerdem wuchs die Familie wesentlich öfter an, als das sie schrumpfte. Laysan war das beste Beispiel dafür. Der Naguad-Junge hatte Akiras KI befördert und fast ein Jahr war er für den Geist des besten Kriegers der UEMF ein Container gewesen. Nun gehörte er zur Familie und wurde behandelt wie ein kleiner Bruder, beinahe schon wie ein Sohn. Der Gedanke trieb ihr ein paar Sorgenfalten auf die Stirn. Denn das erinnerte sie daran, das sie eigentlich selbst einmal Kinder haben wollte. Ursprünglich hatten sie von Akira sein sollen, aber Makotos Kinder würden hoffentlich nicht ganz so groß sein und eine komplikationslosere Schwangerschaft bedeuten. Aber konnte sie überhaupt Kinder kriegen? Und mit den ganzen Biotechnischen Verbesserungen in ihrem Körper, was würde sie den Kindern antun? Von den Naguad hatten sie eine Technik übernommen, aber noch nicht angewendet, mit deren Hilfe Kinder in einer künstlichen Gebärmutter heran gezogen werden konnten, was den Stress und die Belastung der Schwangerschaft ad absurdum führte. Aber irgendwie erschien ihr das wie ein ferner Traum und zu sehr geplant. Blieb immer noch die Frage, ob sie überhaupt fruchtbar war. Die Bastarde, welche ihren Körper aufgepeppt hatten, konnten immerhin auf die Idee gekommen sein, ihre Eierstöcke zu manipulieren, damit sie sich eben nicht auf natürlichem Weg fortpflanzen konnte. Wobei aufgepeppt schon eine sehr freundliche Formulierung für all den Schmerz und all die Qualen war, die sie im Zuge der Experimente hatte durchleben müssen. Und es stimmte sie mehr als zufrieden, dass sie die meisten dieser Bastarde, Männer wie Frauen, bei ihren vielen Aktionen gegen Geheimdienstzentren der Kronosier auf der Erde angetroffen hatte. Mit solchen menschlichen Bestien hatte sie keine Gnade gekannt. Freilich hatten weder sie noch die anderen in der Band je über Details gesprochen, aber sie war sich sicher, die UEMF wusste zumindest grob darüber Bescheid, was, wann und wo sie angegriffen hatten. Immerhin hatte man nur einen Plan ihrer aktuellen Tournee über eine Karte legen müssen, auf der vernichtete Kronosiernester verzeichnet waren und die Daten abgleichen müssen. Die Ergebnisse waren stets unübersehbar gewesen. Den Rest der Truppe hatte man den Prozess gemacht und zu langen Haftstrafen verurteilt. Dabei war es Joan als Kronzeugin nicht um Rache gegangen, sondern darum, dass diese so genannten Wissenschaftler diese schrecklichen Experimente niemals wiederholen konnten. Zu viele waren gestorben oder fürs Leben gezeichnet, weil diese Männer und Frauen keine Grenzen und kein Gewissen gekannt hatten. Rache war es nicht gewesen. Das war es früher einmal, bevor dieser Super-Moralapostel Akira viel zu nahe an ihrer Haut gewesen war. Zumindest redete sie sich das gerne ein. Denn sie wusste, es war die Grundvoraussetzung dafür, dass sie Teil der Familie blieb, wenn sie sich nicht von Rache leiten ließ. Akira hatte nie Rache genommen, obwohl er oft genug dafür Gelegenheit gehabt hatte, und obwohl er tausend Gründe dafür gehabt hatte. Vielleicht war das auch ein Grund dafür, das sie sich irgendwann in Makoto verliebt hatte. Er war kein verdammter Supermann, sondern nur ein etwas feminin wirkender Wunderknabe. Obwohl diese Supermann-Masche Akira wirklich attraktiv machte, irgendwie. Damals, nach der Flucht aus den kronosianischen Labors, hatte sich ihre Persönlichkeit erst wieder finden müssen, und sie war geprägt von dem Wunsch bei Akira zu sein. Als sie mehr und mehr gereift war, hätte sie diesen Wunsch mit Leichtigkeit verbannen können. Aber sie hatte es nicht getan. Sie hatte es nicht gekonnt. Sie hatte bereits zu viel über ihn gewusst. Super in der Schule, gut aussehend, außerdem der geheimnisvolle elitäre Blue Lightning, dann noch seine trockene, manchmal etwas zu kühle Art, der Mann ging ihr einfach unter die Haut. So war es eigentlich immer noch, aber es war nicht mehr so stark, seit sie sich aneinander satt gemacht hatten. Und Makoto war nicht ihre zweite Wahl, sondern derjenige für den sie Akira hatte stehen lassen. Joan musste lächeln. Ihr süßer Makoto. Sie hatte wirklich Lust, ihn mal wieder in das eine oder andere Outfit zu stecken, die sie für ihre Videos getragen hatte. Vielleicht diese neckische Schuluniform für das Joint Venture mit Garkan Front? Oder doch lieber der fast durchsichtige Badeanzug aus dem „Angels all Hail“-Video? Hinter ihr erklang ein lauter Summton. Erschrocken fuhr sie zusammen, bis sie realisierte, dass es die Gegensprechanlage war. Sie drückte den Sprechknopf. „Reilley.“ „Miss Reilley, hier ist Posten drei. Wir waren nur etwas besorgt, weil sich die Tür seit zehn Minuten nicht geschlossen hat und Sie reglos in der Tür stehen. Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte eine leicht zittrige Frauenstimme. Joan lächelte dünn. Das Haus wurde natürlich von außen überwacht. So war es immer, auch schon auf der Erde. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass die UEMF hier drin keine Kameras hatte. Wenn doch, dann ruhten in irgend einem Archiv mittlerweile ein paar Datenträger, die so heiß waren, dass man sie sich nicht einmal ansehen musste, um sich dran zu verbrennen. „Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur ein wenig in Erinnerungen geschwelgt“, erwiderte sie. „In Ordnung. Werden Sie noch länger schwelgen, Miss Reilley?“ Joan lachte auf. „Nein. Tagträumen kann ich auch drin. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“ „Das ist unser Job. Einen schönen Tag noch, Miss Reilley.“ „Einen schönen Dienst noch“, erwiderte sie und ließ die Sprechtaste wieder los. Dann schloss sie die Tür hinter sich und zog ihre Schuhe aus. Das Haus war modern mit japanischen Elementen eingerichtet. Das bedeutete, das Straßenschuhe im Eingang bleiben mussten. Joan lächelte, als sie aus den bereit stehenden Hausschuhen ihr persönliches Paar hervor zog. Sprach wirklich noch etwas dagegen, wenn sie hier ein Zimmer bezog? Ihre Wohnung konnte sie ja dennoch behalten. Sonst fehlte ihr eine Menge Stauraum und... Hm, Laysans Schuhe standen hier unten und seine Latschen fehlten. Das bedeutet dann wohl, dass... Dass der Junge allein zu Hause war? Er war doch erst sieben! Konnten die anderen so leichtsinnig sein? Hastig eilte sie auf den Flur und von dort zum Wohnzimmer. Sie riss die Tür auf – und starrte in das entsetzte Gesicht des jungen Naguads. Und in das Gesicht von Spike, dem KI-Hund, den Yoshi erschaffen hatte. Und in die geschlitzten Augen eines Adlers. Und in ein paar kluge Kojotenaugen. Und in die einer Katze. Und die eines riesigen Bären. „Was ist denn hier los?“ *** Mitfühlend nahm Laysan Joan den nassen Lappen von der Stirn und tauschte ihn gegen den frischen Lappen aus, den der Bär ihm vorsichtig reichte. „Geht es wieder?“ „Danke, ich fühle mich schon etwas besser“, ächzte der Popstar. „Was ist hier los, Laysan?“ „Du darfst das gar nicht wissen“, murmelte der Junge betreten. „Niemand darf es wissen. Es ist ein Geheimnis von Yoshi und mir. Auch Papa darf...“ Der Junge biss sich auf die Lippen, als ihm das P-Wort über die Lippen rutschte. „Akira und Megumi dürfen es auch nicht wissen, hat Yoshi gesagt.“ Nun war es an Joan, mitfühlend zu sein. Sie richtete sich ein wenig aus der liegenden Haltung auf und strich Laysan über die Wange. So ganz wusste sie nicht, ob sich der Junge nach seinen wahren Eltern sehnte, oder ob er Akira bereits so sehr liebte, dass er ihn als Vater ansah. Das Papa war ihm bei dem Division Commander jedenfalls schon ab und an über die Lippen gekommen. Akira würde bald entscheiden müssen, wie es mit Laysan weiter ging. Sie würden ihre Beziehung vielleicht legitimieren müssen. Sprich, Akira sollte den Jungen endlich adoptieren. Aber welcher halbwegs Verstandbegabte Jugendrichter würde Laysan in so einen vertrackten Haushalt geben? Es war ein Wunder, das der Junge überhaupt so lange hatte hier bleiben können. Und dann war Akira nicht einmal verheiratet. Ohne verantwortungsbewusste Frau an seiner Seite hatte der Jugendrichter gleich noch mehr Einwände. Hm, ob er seine Verlobung mit Megumi deshalb noch einmal richtig gefeiert hatte, um genau darauf hin zu arbeiten? „Also, was hat Yoshi genau für ein Geheimnis? Keine Sorge, ich werde es nicht weiter erzählen. Aber jetzt wo ich diese Bande hier gesehen habe, kann ich ja schlecht so tun als hätte ich nichts gesehen.“ Der junge Naguad rang sichtlich mit sich. Endlich gab er sich einen Ruck. „Du musst schwören!“ Auffordernd hielt er ihr den kleinen Finger hin. Joan griff zu und hakte ihren eigenen kleinen Finger ein. „Ich verspreche nichts hierüber den anderen zu sagen. Und wenn ich es doch tue, muss ich tausend Nadeln schlucken.“ „Gut“, meinte der Junge und wirkte für einen Augenblick entsetzlich erwachsen. Er holte tief Luft, atmete theatralisch aus, wirkte dabei ein klein wenig wie Akira selbst, und machte eine alles umfassende Bewegung. „Spike kennst du ja schon. Yoshi hat ihn erschaffen, und jetzt ist er mein bester Freund, der mich überall wo ich hin gehe beschützt. Yoshi hat ihn aus KI und dem Geist eines toten Hundes gemacht.“ „So weit bin ich informiert“, erwiderte Joan. „Hat er die anderen Tiere hier auch so gemacht?“ Der Junge erschrak. „Das habe ich doch noch gar nicht erzählt. Woher weißt du das?“ „Oh, es war nicht schwer zu erraten“, erwiderte sie mit einem Lächeln und setzte sich auf. Bei dieser Bewegung fing sie die Kompresse auf und legte sie neben sich. „Er hat gesagt, er hat sie für mich gemacht, aber ich glaube, er konnte einfach nicht aufhören. Genau wie Spike passen sie auf mich auf, wenn er sie nicht selbst braucht. Aber er hat gesagt, das er sie bestimmt ins Tierheim geben muss, wenn Akira herausfindet, das es schon so viele sind. Und das will ich nicht.“ Der kleine Junge flüchtete sich in die Arme des Grizzlys, und dieser Anblick wirkte so komfortabel, das Joan sich unwillkürlich wünschte, selbst so einen riesigen Teddy zu haben. „Wie viele sind es denn? Die hier und noch mehr?“ „N-nein, das sind alle. Aber Yoshi meinte, er will auch noch einen Delfin machen. Später mal. Du wirst Pa... Akira nichts sagen?“ „Natürlich nicht“, sagte sie im Brustton der Überzeugung. „Ich habe immerhin darauf geschworen, und wer sein Wort nicht hält, muss tausend Nadeln schlucken.“ Mit einem sanften Lächeln fügte sie hinzu: „Ich nehme dir doch nicht deine Freunde weg.“ „Danke! Danke!“ Der Junge stürzte in ihre Arme und lächelte glücklich. Joan umarmte ihn und wunderte sich selbst über die Gefühle, die sie überwältigten. Hoffentlich konnte sie Kinder kriegen, ging es ihr durch den Kopf. Denn gab es schönere Momente als solche? Die sie vielleicht einmal mit Makoto teilen konnte? Ihr Herz schmolz dahin wie Butter in der Sonne. Spike stellte plötzlich die Rute auf und begann zu knurren. Auch der Bär kam schwerfällig auf die Beine und richtete sich auf seine drei Meter Körperhöhe auf. Die Katze fauchte und der Kojote wich zur Seite aus. Der Adler entfaltete seine Flügel und zog sie unsicher wieder ein. Joan sah alarmiert auf. Diese Tiere machten sich kampfbereit. Als tatsächlich die Tür aufging und ein Mensch darin erschien, begann Spike wild zu bellen. „Ruhig, Spike! Das ist doch nur Jora!“, rief Joan. Die anderen Tiere waren immer noch da, was bedeutete, das die Zahl der Mitwisser von Yoshis Geheimnis gerade um eins gestiegen war. Sie seufzte schwer. „Hör mal, Mädchen, ich kann das erklären, und...“ Sie runzelte die Stirn. War das wirklich Jora Kalis, die Cousine von Megumi? Sie hatte sich im letzten halben Jahr ein wenig verändert und sah Megumi nun nicht mehr so frappierend ähnlich, aber eine Doppelgängerin hätte Joan sofort erkannt. Nein, das war es nicht. Was störte sie dann an der jungen Frau? „So viele Tiere?“, murmelte sie und streckte ihre rechte Hand aus. Ihr KI begann darum hell aufzuglimmen. „Ich hatte nur mit dem Hund gerechnet. Verdammter Mist, das bedeutet Überstunden.“ Joan fuhr hoch und nahm den Jungen hinter sich. „Eine KI-Agentin!“ Jora, oder vielmehr die kronosische Attentäterin, die den Körper gerade steuerte, lächelte spöttisch. „Gut erkannt, Joan Reilley. Das ist ein kleines Problem. Das du hier bist, meine ich. Einerseits muss ich dich töten, aber andererseits mag ich deine Musik. Ich stehe hier vor einem echten Dilemma.“ „Ich bin sicher, das Dilemma für Jora ist noch viel größer“, erwiderte Joan. Sie hatte den Kampf gegen KI-Meister trainiert, aber sie kannte die Fähigkeiten der Attentäterin nicht. Allein der Anblick der KI-Aura um ihren Arm ließ vermuten, dass die Attentäter, von denen die UEMF noch immer zwischen zehn und zwölf an Bord der AURORA vermutete, hervorragend ausgebildet waren. Und sie schienen beim letzten Stopp auf der Erde das Gerät an Bord gebracht zu haben, mit dem sie das Bewusstsein transferieren konnten, denn sonst hätte eine übernommene Jora Kalis, die praktisch überall Zugang hatte, schon längst zuschlagen können. „Ich will nur den Jungen. Für dich habe ich keinen Auftrag. Und um dich zu beruhigen, ich werde es schnell und schmerzlos machen.“ Joan war sich sicher, dass Joras Bewusstsein innerhalb ihres Körpers gerade einen mittleren Aufstand beging. Aber es nützte nichts. Hilfe konnte sie von dieser Seite nicht erwarten. „Warum, zum Henker, wollt Ihr den Jungen töten? Er hat mit all dem doch überhaupt nichts zu tun!“, rief Joan aufgebracht. „Laysan ist doch nur ein Kind!“ „Akira soll lernen, dass er ihn nicht hat schützen können“, sagte die Frau im Körper der Daness leise und ein wenig bedauernd. „Und jetzt tritt beiseite. Wo ich mich schon dazu entschlossen habe, dich nicht zu töten, würde es mir wirklich weh tun, wenn du mich dazu zwingst. Du kannst ihn nicht beschützen! Nicht gegen mich.“ Joan rührte sich nicht einen Millimeter. Was, wenn einer der KI-Meister nach Hause kam? Was wenn es Jora doch noch gelang, die Gewalt über ihren Körper zurück zu erhalten? Was wenn die KI-Biester, die Yoshi erschaffen hatte, selbst gegen eine KI-Meisterin wie diese Attentäterin effektiv waren? Nein, dann hätten sie längst angegriffen. Die Tiere spürten, das ihr Gegenüber zu mächtig war. Wenn die KI-Agentin freilich Laysan angriff, würden sie ihre Leben opfern, dessen war sich Joan sicher. Und was würde sie tun? Bestimmt würde sie Laysan nicht dem Tod überantworten. Niemals! Wenn sie doch nur etwas stärker wäre... Sie hatte schon gegen KI-Meister gekämpft, und das half ihr nun... Nichts? Die Welt konnte grausam sein. Und sie konnte Laysan nicht opfern. Abgesehen davon stand es in den Sternen, ob diese Frau ihr Versprechen hielt und sie verschonte. „Egal!“, zischte Joan. „Dann wird das ein trauriger Tag für das Universum, wenn es Superstar Joan Reilley verliert!“, rief die Attentäterin wütend. „Ich bin nicht Schuld! Du zwingst mich!“ Langsam ging sie auf die Sängerin zu. In diesem Moment schrie der Adler auf. Er entfaltete die Flügel und machte einen Satz. Er landete auf Joans Schultern, schrie erneut und senkte dann den Kopf. Er sah Joan direkt in die Augen, tief, unglaublich tief, bis er fand was er gesucht hatte. Dann schrie er erneut, aber nicht im Zimmer, sondern im Geist des Superstars. Der Schrei stieß auf Resonanz, hallte tausendfach in ihr wieder und weckte etwas. Es war ein Gefühl, das sie immer schon in sich erahnt hatte, aber sie hatte nie wirklich darum gewusst oder auch nur gehofft es zu besitzen. Es war Macht! Joan schrie auf und fühlte, wie ihr Körper ohne ihr Zutun heiß wurde. Es war eine vollkommen andere Hitze als nach dem Sport oder körperlicher Liebe, es war eine vollkommen andere Form des Fühlens. So mächtig, und dennoch so devot, ein Gefühl, das sie nach Aktivität verlangen ließ, nicht unbedingt Kampf. KI trat aus ihrem Körper aus, umspülte sie, hüllte sie ein, verdeckte sie. Dann verschwand das Zimmer in einem hellen Lichtblitz. Als das Licht sich wieder normalisiert hatte, brauchte Joan keinen Spiegel um zu wissen, dass sie nun wesentlich größer war, fast so groß wie Akira. Sie trug nun langes braunes Haar, das ihr fast bis auf den Po fiel. Und sie trug eine KI-Rüstung, die recht viel von einer Schuluniform mit viel zu kurzem Rock hatte. Sie wusste einfach, dass der Grundtenor dieser KI-Rüstung die Farbe scharlachrot war. Dankbarkeit erfüllte sie, Dankbarkeit für Dai-Kuzo-sama, die sie letztendlich doch, im Zeitpunkt ihrer größten persönlichen Not zum Slayer erweckt hatte. „U-unmöglich!“, rief die Attentäterin entsetzt. „Alle Slayer sind beim Otome-Training!“ „Ich müsste lügen, würde ich sagen, das wäre nicht auch für mich neu. Aber sieh den Tatsachen ins Auge. Ab heute gibt es eine Slayer mehr. Ich bin Scarlet Slayer, wie es ausschaut.“ Sie verschränkte ihre Hände ineinander und drückte sie nach außen, bis die Knöchel knackten. „Und jetzt unterhalten wir uns mal über deinen Auftrag, Laysan zu töten!“ Die Attentäterin in Joras Körper schluckte trocken. „Scheiße.“ *** Langsam begann ich zu glauben, das das Krankenhaus von Fushida City meine Zweitwohnung werden würde. Beinahe hätte ich beim Eintreten befürchtet, das man mir meinen persönlichen Kaffeebecher oder meinetwegen meine eigene Teetasse reichen würde. Nicht weil ich selbst so oft hier behandelt wurde. Mehr wegen den anderen mehr oder weniger dringenden Fällen in meiner Umgebung. Diesmal hatte es Jora erwischt, die ältere Cousine von Megumi, die seit unserer Zeit auf Nag Prime mit ihr zusammen war. Die reichlich blessierte junge Frau saß nun aufrecht in ihrem Krankenbett und zählte gerade einer zerknirschten Joan Reilley die Liste ihrer Verletzungen auf. Ich musste mich dabei zurückhalten um nicht anerkennend zu pfeifen, denn anscheinend hatte Joan ganze Arbeit geleistet. Sie hatte nur vergessen, die inneren Organe irreparabel zu schädigen. „Und? Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, fragte Jora mit vor Zorn blitzenden Augen. „Äh... Du warst besessen?“ „Ein Armbruch, fünf gebrochene Rippen, eine Gehirnerschütterung, ein angebrochenes Fußgelenk...“ „Ich weiß, ich weiß! Es tut mir leid, Jora-chan! Ich bin gerade erst als Slayer erwacht und habe meine Kraft noch nicht unter Kontrolle! Außerdem konnte ich den Gegner nicht richtig einschätzen! Kann sein, dass ich es etwas übertrieben habe...“ „Etwas?“, warf ich ein. „Fall du mir nicht in den Rücken, Aki-chan“, flehte sie. „Wenigstens siehst du es ein“, schloss Jora und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wenn wir schon mal dabei sind... ...“ Joan spitzte die Ohren. „Was hast du gesagt, Jora-chan?“ „...“ „Ich verstehe dich nicht.“ „...“ „Aki-chan, hast du das gehört?“ „Ich bin mir nicht sicher. Es klang wie ein sehr zurückhaltendes Danke.“ Joans Augen verloren den um Mitgefühl heischenden Blick. „Ach, meinst du wirklich?“ Jora sah sich plötzlich von zwei Raubtieraugen fixiert. „Hast du etwa wirklich... „In Ordnung! Ich gebe es ja zu! Danke, Joan! Danke, dass du mich gerettet hast! Danke, dass du verhindert hast, das ich Laysan etwas tue. Danke, das du die Agentin aus meinem Körper verjagt hast! Danke, das du da warst.“ Joan Reilley lächelte ihr süßestes Lächeln. „Oh, wie schön. Das beruhigt mich doch. Ich dachte, du wärst ernsthaft böse mit mir. Aber es sieht aus, als würdest du mir vergeben.“ „NATÜRLICH vergebe ich dir. ICH war ja so dumm, mich überwältigen und von einem KI-Agenten infiltrieren zu lassen.“ „Und es ist alles gut ausgegangen“, fügte ich hinzu, was das Eis zwischen den beiden Frauen vollends brach. „Wie lange musst du hier bleiben?“ „Futabe-sensei hat mich behandelt. Ich soll die Nacht noch zur Beobachtung bleiben, aber ich durfte meine Aussage bereits der Polizei aufgeben. Sie versuchen herauszufinden, wo sich die Anlage befindet, die mir die KI-Agentin initiiert hat.“ „Die AURORA ist groß“, schränkte ich ein. „Aber es ist nicht unmöglich.“ „Dennoch! So etwas darf nicht noch mal passieren! Akira, kannst du nicht... Persönlich ermitteln?“ Abwehrend hob ich beide Hände. „Langsam, langsam! Ich bin ein erstklassiger Mecha-Pilot, ein passabler Offizier, und auf dem politischen Parkett habe ich mir auch schon den einen oder anderen Lorbeerzweig verdient, allerdings die Anfängervariante mit Außenseiterbonus. Aber ich bin wirklich ein ganz miserabler Privatdetektiv. Ich verspreche dir etwas anderes. Wenn die Polizei ihr Versteck findet, dann werde ich ganz vorne mit dabei sein, um sie ein für allemal auszuräuchern.“ „Oh. Damit bin ich zufrieden.“ Erst in diesem Moment wurde mir bewusst, dass Jora lange nicht gelächelt und wenig gesagt hatte... Und das ihr Lächeln wunderschön war. *** Ein paar Kilometer entfernt, und das nicht unbedingt auf horizontaler Ebene, begann ein maskierter Elite-Offizier heftig zu niesen. Das Team, das ihn begleitete, warf ihm besorgte Blicke zu, aber er winkte ab. „Muss jemand an mich gedacht haben. Weiter im Text. Wir warten auf die angeforderten KI-Meister und auf Agent Chiba, dann nehmen wir die Anlage von beiden Seiten zugleich. Wir werden dafür über einhundert Mann einsetzen, die meisten von ihnen gehören zum Blue Lightning-Regiment. Dies war die letzte Besprechung. Kehrt jetzt zu euren Teams zurück und bereitet alles vor. Einsatzbeginn ist in vierzig Minuten.“ Die Truppe verstreute sich vom provisorischen Besprechungsplatz, irgendwo in der Bodenplatte der AURORA, und die einzelnen Leute nahmen neben ihren Trupps Position ein. Dabei taten sie ihr Möglichstes, um von den Verteidigern nicht entdeckt zu werden. „Eine nette Truppe. Ich hätte nicht gedacht, das sie sich so gut entwickeln würde, nachdem wir ihre Gründung auf der Erde beschlossen haben“, merkte eine Stimme hinter dem Einsatzleiter an. Er wandte sich um und erkannte drei Personen: Yoshi Futaba, Makoto Ino, Doitsu Ataka und dessen Gefolgsmann Chiba. Die KI-Meister waren da. *** Merkwürdig, das es mir erst nach mehreren Wochen auffiel, in denen ich mich schon auf der AURORA aufhielt, aber eigentlich war es irgendwann unausweichlich, das ich darauf stieß: Ich hatte nichts zu tun. Bisher hatte ich dankbar die Pause angenommen, die sich mir geboten hatte, nachdem die AURORA ihren ersten und kurz darauf ihren zweiten, von den KI-Meistern verstärkten Sprung gemacht hatte, um mich von den Strapazen, Verwirrungen und allgemein dem Ärger zu erholen, den ich im letzten Dreiviertel Jahr erlebt hatte, aber danach sah ich mich mit der harten Realität konfrontiert. Ich war immer noch Oberbefehlshaber des Cores, de facto im Moment sogar sein oberster Verwalter, aber ich hatte alle auswärtigen Angelegenheiten in die Hände fähiger Leute gelegt. Den Core, den wir samt zivilisatorischem Material hatten auf die AURORA retten können, verwaltete Maltran Choaster für mich, ein Daima, den ich durchaus als engen Freund bezeichnete. Natürlich war ich immer noch General des Intendenten, im Moment namentlich meine Urgroßmutter Aris Ohana Lencis, aber abgesehen von einer Lencis-Verbindungsoffizierin und einem kleinen Stab an Bord hatte ich zum Aufstand keinen großen Kontakt. Natürlich war ich auch immer noch Erbe der Arogads, und amtlich gesiegelt und gestempelt Besitzer des Daness-Turms, was eigentlich nicht nur in der Theorie eine Verschmelzung der Familien Daness und Arogad bedeutete. Ein Umstand, der wohl alle Häuser, die nicht mit einer der beiden Familien verbündet waren, schlaflose Nächte bereitete, denn wenn diese Koalition, diese Vermischung wirklich in dem Maß zustande kam, dann bedeutete sie ein unglaubliches Übergewicht. Alle anderen Häuser waren dann vom Wohlwollen, vom Anstand und vom Gerechtigkeitssinn der Anführer beider Häuser abhängig, wobei ich mir in dem Punkt keine Sorgen machte, denn Uropa Oren war ein wirklich feiner Kerl, und Megumis Großeltern im Daness-Turm hochanständig. Cicero wurde der Spruch zugeordnet: Die Diktatur ist die beste Staatsform, wenn der Diktator der beste Mann des Staates ist. Wahrscheinlich hatte er Recht damit, dabei aber vergessen, das auf einen guten Diktator durchaus ein schlechter folgen konnte und irgendwann sogar musste. Dementsprechend wünschte ich Uropa ein langes, gesundes Leben. Churchill hatte gesagt: Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, aber sie ist die beste die wir haben. Wahrscheinlich hatte er auch Recht, denn kein anderes Staatsgebilde erlaubte dem Individuum maximale Freiheiten und maximale persönliche Entfaltung, dies aber auf Kosten eines ordentlich geführten Staatsgebildes. Außerdem war das Prinzip anfällig für Manipulationen und Suggestionen. Man musste wirklich jeden verdammten Tag um die Demokratie kämpfen, und selbst dann gab es Nutznießer dieses Systems, die „jene da oben“ im Verdacht hatten, sowieso den ganzen Tag nur in die eigene Tasche zu wirtschaften und sich von ihrer Aufgabe, an der Demokratie teil zu nehmen drückten, indem sie behaupteten, sie seien „Politikverdrossen“. Oh, was lobte ich mir da das System, mit dem wir den Sternhimmel im Innenraum der AURORA bestimmten. Maximale Demokratie bei minimalem Missbrauch. Wenn ich es genau nahm, war ich weder Diktator noch demokratischer Vertreter. Eigentlich war ich für die Naguad gar nichts. Abgesehen vielleicht von meinem gerichtlich bestätigten Eigentumsrecht auf das Kanto-System sowie Mond und Mars. Was mich zur Erde brachte. Hier war ich einmal Executive Commander der UEMF gewesen, einer Einrichtung der United Nations, die unter der Federführung eines internationalen Rates und unter der Regie eines beinahe allmächtigen Kommissars – der mein Vater war, und den ich zwischenzeitlich ersetzen musste – die Welt gegen die Kronosier verteidigt hatte, danach gegen die Anelph, später gegen die Naguad, die Iovar übersprang und sich direkt des Cores annahm. Nun existierte die United Earth Mecha Force, um gegen die Götter zu bestehen, einer unheimlichen Roboterzivilisation, die einst das Urreich der Dai vor gut fünfzigtausend Jahren vernichtet hatte. Und nun wieder drohte, uns zu vernichten. Warum eigentlich? Wir hatten ihnen nichts getan. Dazu waren wir noch gar nicht gekommen. Wir hingegen hatten mehr als genügend Grund, uns bei den Göttern und ihren Hilfskräften, den Kindern der Götter, Beschwerde einzulegen, denn abgesehen von dem Ärger, den wir persönlich gehabt hatten, weil die Götter den Core auf uns gehetzt hatten, kamen noch einige Daima- und Daina-Völker hinzu, die heftig unter den Göttern gelitten hatten. Konkret gesprochen waren viele ausgerottet worden, und etliche waren an dessen Rand getrieben worden. Aber welche Aufgabe hatte ich dort? Okay, als Bestandteil der Daness-Arogad-Koalition, essentieller Bestandteil wohlgemerkt, war ich wichtig für die Erde. Doch meinen neuen Job des Division Commanders der neuerlich aufgeblähte Hekatoncheiren hatte Megumi übernommen, und sie führte dieses Kommando immer noch. Mir blieb nur mein Mecha Prime Lightning. Was war also ein Division Commander, der nur über einen Mecha verfügte? Okay, ich konnte die Spötter schon hören, die sagten, ich würde mit Prime alleine eine Division darstellen, aber es änderte nichts an der Tatsache, das ich das erste Mal seit sehr langer Zeit wieder auf eines reduziert war: Schüler zu sein. Schlimmer noch, manchmal hatte ich fast das Gefühl in der AURORA nur geduldet zu sein. In der Admiralität zum Beispiel, oder in den Hangars der Hekatoncheiren. Selbst mein alter Kumpel Kei, der mittlerweile Admiral Richards´ alten Job als Chef der Begleitflotte inne hatte, sah mich seit neuesten mit jenen Mitleidsvollen Augen an, die Militärs immer dann bekamen, wenn sie einen bedauerlichen ehemaligen Kameraden ansahen, der ins Zivilleben zurück gezwungen worden war. Und dabei konnte ich nicht einmal was dazu. Ich hatte mich einfach nur entführen lassen und... Der arme Torum Acati. Man hatte mich quasi in einer Nacht und Nebel-Aktion unter seinen Augen verschwinden lassen. Der Knabe war in Ordnung und ein dufter Kumpel, wenn man nicht gerade auf Leben und Tod mit ihm kämpfte. Außerdem hatte er mir einen meiner besten Fights geliefert, die ich je zu bestehen hatte. Ich war sicher, der arme Junge hatte eine sehr ungewisse Zeit hinter sich gebracht, bis ihn endlich die erlösende Nachricht von meiner Rettung erreicht hatte. Nun, er war als Oberbefehlshaber der Rettungsaktion in den strahlungsverseuchten Vorstädten nicht vollkommen unschuldig an meiner Entführung gewesen. Er hätte drauf bestehen können, das ich Holzkopf eine Leibwache mitnehme. Oder gleich ganz aus den Städten raus bleibe. Okay, das hätte wohl nicht besonders viel genutzt, dennoch hielt sich mein schlechtes Gewissen in absehbaren Grenzen. Was blieb übrig, wenn ich all das zusammenzählte, differierte und gegeneinander aufwog? Was war ich dann letztendlich? Eine Ein Mann-Armee? Ein Reyan Maxus, wie mich die künstliche Intelligenz des Strafers bezeichnet hatte? Eine schlichte Symbolfigur, wie schon Jahre zuvor, als die Taten des anonymen Blue Lightnings eine ganze Welt inspiriert hatten? Oh, als Symbolfigur war ich ganz, ganz schlecht. Mir fehlte die emotionale Distanz, die so eine Rolle erforderte. Oder war ich die graue Eminenz im Hintergrund, die lenkte und steuerte? Wenn ich an Chausiku Aris dachte, die Herrin des Cores, die in ihrem KI-Container wie ein normales Mädchen in die Schule ging und diese Körperlichkeit sehr genoss, war die Frage klar. Ich war ihr Statthalter, auch wenn dies im Moment nicht viel bedeutete. Der Core war an Bord der AURORA in relativer Sicherheit, seine Kampfschiffe begleiteten uns oder kamen zu uns, wann immer wir einen Zwischenstopp einlegten und bald würden wir die gesamte Core-Zivilisation zur Erde gebracht haben. Oder zu einem anderen Planeten, auf dem Chausiku sagen würde: Stopp, Akira, danke fürs Mitnehmen, aber hier wollen wir raus. Für den anderen Fall, das wir eine solche Welt nicht fanden oder die Götter uns zu sehr im Nacken saßen hatte ich vorgesorgt. Der allerletzte Halt für den Core würde der Mars sein. Spätestens auf dieser Welt würden wir die ganze Zivilisation ausladen. Ohnehin war der Rote Planet dabei, von der Welt des Krieges zur Welt des Handels und der Verständigung zu werden. Nirgends sonst siedelten die Abkömmlinge so unterschiedlicher Abstammung friedlich nebeneinander. Menschen, Anelph, Kronosier und Naguad waren hier schon vertreten. Die paar in KI-Containern umher laufenden Core-Daima und Daina würden da nicht weiter auffallen. Außerdem war ich sicher, dass das Paradies der Daima und Daina erhebliche Möglichkeiten für unsere Zivilisation bedeuten würde; es war also eine gehörige Portion Selbstnutzen, wenn ich den Core nicht vor dem Mars von Bord ließ. Und was dann? Wenn wir die Erde erreicht hatten? Was geschah mit uns, mit der AURORA, was mit unseren Welten? Die Götter existierten, sie waren mächtig und sie waren tot. Paradox erklärt, aber leider zutreffend. Man konnte sich mit dem, was von den Göttern übrig geblieben war, sicher nicht verständigen. Die Roboter, die das Erbe der Götter verwalteten und die Kinder der Götter, ehemals unterworfene Völker unter ihrer Regentschaft, würden ihrem Programm folgen. Und dies war die Vernichtung der Dai, die sie als die größte Bedrohung im Universum ansahen. Vielleicht zu Recht, vielleicht auch nicht. Denn wenn die Götter die Dai auslöschten, rückten sie selbst als größte Bedrohung nach. Ich glaubte nicht eine Sekunde daran, das die Künstliche Intelligenz der Götter jemals so weit gedacht hatte. Und ich glaubte auch nicht daran, das mein neuester Titel als Reyan Maxus irgendeine praktische Bedeutung haben würde. Es war ein Titel, mehr nicht. In der Zivilisation der Dai mochte er eine gewisse Bedeutung, ja sogar eine Art Amt dargestellt haben, aber heutzutage war es nur eine negative Feststellung durch die Götter, gewissermaßen eine Gefahrenklassifizierung. Staatsfeind Nummer eins, das war doch schon wesentlich besser als stumme Galeonsfigur der AURORA oder Großkaiser eines interstellaren Großreichs, das nicht wirklich existierte und mit mir untergehen würde, sobald ich mein Leben ließ. Außerdem versprach es bis zum bitteren Ende Spaß. Wobei das Ende, das ich gewinnen konnte, die bitterere Variante darstellte. Zusammengefasst war ich in der Ferne alles und Zuhause nichts. Das war nicht sehr nett, nicht sehr konstruktiv, aber auch nicht zu ändern. Nicht solange eben doch ein gewisser Teil Arbeit auf mich entfiel, was die Arbeit für den Core, den Intendenten und für die fragile Daness-Arogad-Allianz bedeutete, summiert als riesiger Berg Arbeit, den ich größtenteils delegieren konnte. Leider blieb noch genügend übrig, was ich weder Sora, noch Franlin oder Makoto aufdrücken konnte. Ärgerlicherweise. Sehnte ich mich etwa danach zurück, im Mittelpunkt zu stehen? Den Hekatoncheiren vorzustehen? Inmitten von Gewalt und Tod zu sein? War ich ruhmsüchtig? Oder buhlte ich um die Anerkennung einer ganzen Galaxis? Vielleicht war es auch genau anders herum, und ich war tief in meinem Innersten zutiefst verstört, weil die Naguad, die Iovar und die Core-Zivilisation – ganz zu schweigen von den Anelph – mich so hoch hielten, und ich auf der Erde alle Titel und Ämter verloren hatte. Vielleicht sehnte ich mich in jene Tage zurück, in denen ich Blue Lightning gewesen war, auch als der Name noch eine Maske für mich bedeutet hatte. Aber wenigstens hatte es für etwas gestanden. Und nun, als Prinz der Arogad, einer Familie die ich nie wirklich kennen gelernt hatte und bei der ich auf ewig ein Gast sein würde? Nun, als Stellvertreter des Intendenten, als ausländischer Söldner mit ein paar Spritzern Blut der neuen Kaiserin in den Adern? Nun, als Ursupator der gesamten Zivilisation der Daima und Daina im Core, als ihr Bezwinger, ihr Aufzwinger, ja, als derjenige, der sie herumwirbelte wie es ihm beliebte und wie er es für richtig hielt... Stopp. Diese Art Gedanken führten zu nichts. Es brachte mir nicht das Geringste ein, mich als einen Menschen zu beschreiben, der ich auch nicht war, und den ich übrigens auf Leben und Tod bekämpft hätte, um all die Unschuldigen aus seinen Klauen zu befreien. Denn ich wusste, wenn ich auch nichts anderes war, diese Kraft hatte ich und würde sie auch behalten. Und dank meiner Freunde, die hoffentlich immer zu mir stehen würden, würde ich dabei nicht alleine sein. Vielleicht war das die Antwort auf all meine Fragen. Die Antwort auf meine Pein, meine Orientierungslosigkeit und auf meinen schwelenden Selbsthass. Die Antwort auf einfach alles. Solange meine Freunde an mich glaubten, solange es die Familie gab, konnte es nicht so schlimm um mich stehen. Dieser Gedanke hatte etwas sehr beruhigendes. „Otomo, schläfst du?“ Ich fuhr aus meinen Gedanken auf. Neben mir stand einer meiner Klassenkameraden. Einer von denen, die ich noch nicht besonders gut kannte, denn durch meine Entführung war ich ein Schuljahr abgerutscht und wäre beinahe mit Akari und Michi in eine Klasse gekommen. Das frustrierte wirklich, aber unser Schulsystem war unerbittlich und nicht einmal für einen Mega-Helden wie Akira Otomo zu erweichen. In frühestens einer Woche begannen die Quartalstests, mit denen ich beweisen konnte, das ich in der Lage war, in meinen alten Jahrgang zurück zu kehren. Bis dahin saß ich hier fest. Und ich hatte das ungute Gefühl, das es Sakura so ganz Recht war und das sie mich liebend gerne im ersten Jahr behalten hätte, bedeutete es doch, mich noch drei weitere Jahre zu unterrichten. Doch ich hatte nicht vor, diese Tests zu versemmeln. Im Gegenteil, ich wollte im nächsten Quartal sogar ins dritte Jahr springen und endlich meinen Abschluss machen, um dieses leidige Thema los zu sein. „Ja, ich schlafe“, erwiderte ich mürrisch. „Das sieht dir ähnlich. Gleich haben wir Unterricht bei Ino-sensei, und du pennst“, tadelte mich der junge Bursche. Wenn ich mich recht entsann, war er Libyer mit italienischen Wurzeln, ein patenter kleiner Kerl, der seine Karriere in der UEMF schon längst geplant hatte – allerdings in der Verwaltung, nicht in der Kampftruppe. Was hätte ich auf diesen Vorwurf antworten sollen? Dass ich das Gottgleiche Wesen jeden Tag Zuhause sah? Das ich als kleiner Junge mit ihr gebadet hatte? Das ich tausende Möglichkeiten hätte sie so zu sehen wie die Götter sie erschaffen hatten, wenn ich mir nur ein klein wenig Mühe geben würde? Wahrscheinlich würde sogar eine entsprechende Bitte reichen. Diese Erkenntnis verursachte mir heftigen Kopfschmerz und ein sehr unangenehmes Jucken am Hals. Für diesen Gedanken würden meine männlichen Klassenkameraden mich wahrscheinlich aufhängen, wenn ich ihn aussprach. Zu Recht. Und wenn ich ehrlich war, ich würde ihnen dabei auch noch helfen. Also beließ ich es dabei abzuwinken. „Jeder soll seinen persönlichen Fetisch nach bestem Wissen und Gewissen pflegen“, antwortete ich. „Das fasse ich nicht! Du bist doch ihr Liebling! Hast du sie schon mal richtig angesehen?“ Nun reagierte ich doch. Aber ich beschloss sanft zu sein. „Sie ist meine Cousine, okay? Außerdem hat sie einen Freund, der zufällig Kommandeur der AURORA ist. Außerdem bin ich höchstpersönlich verlobt. Reicht das?“ „Hm, stimmt ja. Ging durch die Medien. Irgend so eine Daness-Prinzessin für ein Bündnis mit deiner Naguad-Familie. Kannst du das nicht wieder lösen? Ich meine, politische Hochzeiten, in welchem Jahrtausend leben wir denn?“ Ich tätschelte dem Jungen die Schulter. „Andrea, danke das du dir Sorgen um mich machst, aber...“ „Akira, du hier und nicht irgendwo in den Weiten des Alls?“ Ich wandte mich der neuen Stimme zu. Natürlich, Megumi. „Wieso in den Weiten des Alls?“ Ihre Augen verengten sich ein wenig und feine Fältchen, kaum zu sehen, kräuselten sich als zwei feine Striche links und rechts von ihren Augen. Dazu warfen sich ihre Lippen leicht auf, und ich wappnete mich für einen typischen derben Soldatenscherz. „Na, weil wir doch die Serie beachten müssen. Entführt, entführt, geflüchtet, entführt, entführt, geflüchtet. Du bist wieder dran damit in den Sternen unterzutauchen“, sagte sie todernst. Für einen Moment dachte ich nach. Okay, meine Entführung durch die Kronosier und die Integration in den Biocomputer war ihr Argument Nummer eins. Dann hatte sie mich entführt. Quasi entführt und beinahe mit Gewalt gezwungen, in Blue Lightning zu klettern. Nach dem Krieg war ich verschwunden und als John Takei untergetaucht. Die nächste Entführung hatte ich durch Torum Acati erlebt. Darauf war die Entführung meines KIs in Laysans Körper gefolgt, die mich bis hierher gebracht hatte. Richtig, wenn man daraus eine Serie machte, dann hätte ich längst schon wieder verschwunden sein müssen. Genauso verschwunden wie Kitsune-chan, die seit unserem letzten Scharmützel mit den Strafern der Götter nicht auffindbar war. Aber unsere beiden Dais von der Erde, Okame und Sphinx, machten sich darum nicht einen Hauch von Sorgen, also nahm ich zu Recht an, das sie sich auf einer Spezialmission für Dai-Kuzo-sama befand. „Bist du denn schon alt genug, um solche Witze zu reißen, junge Dame?“, fragte ich ernst. „Bist du nicht noch zu jung, um den weisen Mann vom Berg zu spielen?“, erwiderte sie. „Obwohl ich dir zugestehen muss, dass du seit der Verlobung an Seriosität gewonnen hast, A-ki-ra-sa-ma.“ Sie beugte sich zu mir herüber, und irritiert stellte ich fest, das der Ausschnitt ihres Shirts sehr tief war. „Du bist doch nicht hergekommen, um deinen armen Verlobten zu ärgern oder um ihn zu quälen, oder?“, tadelte ich. „Nein, das bin ich nicht. Aber das war eben eine Frage, die ich mir schon sehr lange stelle. Da wollte ich sie einfach mal los werden. Ich war auf dem Weg zu Akane. Die Slayer, also jetzt die Offiziere des Otome-Bataillons, wollen was für Emi machen. Es dauert ja nicht mehr lange, und deshalb wollten wir uns für eine niedliche kleine Party absprechen. Nur wir Frauen.“ „Und dabei dachtest du, geh doch mal bei Akira vorbei und mach dich ein wenig über ihn lustig?“, fragte ich mit hoch gezogenen Augenbrauen. „Das denkst du von mir? Akira.“ Entrüstet sah sie mich an. Sie lächelte und flüsterte mir leise zu: „Wenn du das wirklich denkst, dann muss ich mich ja bei dir entschuldigen. Außerdem kannst du, ah, eine Form der Kompensation von mir verlangen. Was, bleibt vollkommen dir überlassen, A-ki-ra-sa-ma.“ Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Zum Glück hatte das Sonnenlicht der AURORA mich bereits gut gebräunt, sodass es nicht besonders auffiel. Leider schoss das Blut noch in andere Bereiche, und vornehmlich aus meinem Gehirn heraus. „Du bist ja doch hier, um mich zu quälen.“ „Ein klein wenig“, gab sie zu. Sanft berührten ihre Lippen meine Wange, und als das nicht den gewünschten Effekt brachte, küsste sie mich auf den Mund. Aus Rücksicht auf meine bereits eifersüchtig herüber schauenden Klassenkameraden verweigerte ich aber einen französischen Kuss. „Wir sehen uns heute Abend Zuhause, Akira“, hauchte sie zum Abschied. Nach einem Winken in die Runde verließ sie die Klasse wieder. Der junge Libyer sah mich fassungslos an. „D-deine Verlobte?“ Ich nickte. „D-die Daness-Prinzessin?“ „Korrekt.“ „Aber das war Megumi Uno!“ „Die Frau, die ich heiraten werde“, bestätigte ich. „Okay, unter diesen Umständen kann man es verstehen“, murmelte der junge Bursche. Mit tief in die Hosentaschen verfrachteten Händen schlenderte er auf seinen Platz zu und murmelte dabei Dinge wie „glücklicher Bastard“. Diese Worte ließen mich schmunzeln. Es schien als konnte ich darauf reduziert werden, einmal Megumis Ehemann zu sein. Und ehrlich gesagt war das nicht das schlechteste Schicksal, das ich mir vorstellen konnte... Sekunden darauf entstand eine mächtige KI-Eruption, die ich spürte, als stünde ich daneben. Der Urheber diese Eruption war für mich so eindeutig als hätte ich zugesehen. „Doitsu!“ Hastig sprang ich auf, verließ die Klasse und lief beinahe Sakura um. „Du bist zurück, bevor die Stunde Zuende ist, Akira!“, rief sie mir nach. „Ich versuche es!“ Was für eine tolle, verständnisvolle Lehrerin sie doch war. Sie hatte sofort gemerkt, das ich meinem Kumpel Doitsu beistehen wollte. Immerhin war sein Zweitjob als Oyabun der Yakuza an Bord brandgefährlich, und wer wusste schon in welchem Mist er gerade drin steckte? Die Eruption wies zumindest darauf hin, das es ihm schon bis zum Kinn reichen musste. *** Franlin Litov war vieles, sogar sehr vieles. Als Spross einer Linie der Arogad-Familie, die vor allem erstklassige Mediziner, Verwalter und Ingenieure hervorgebracht hatte, war er immer in der Pflicht gewesen, einen intellektuell ansprechenden, aber irgendwie auch körperlichen Beruf zu wählen. Nicht, das es ihn zu den Geisteswissenschaften gezogen hätte, beileibe nicht. Aber je mehr er sich seinem Ziel näherte, eines Tages im obersten Stockwerk des Arogad-Turms zu sitzen und mit seiner Abteilung einen Teil der weitläufigen Arogad-Besitzungen oder gar der Hausflotte zu verwalten, desto öfter hatte er sich gefragt, ob es das wirklich gewesen war. Himmel, er war fünfundzwanzig Jahre alt, in Nag Prime-Jahren gemessen, was nicht ganz sechsundzwanzig Erdjahre machte. Er würde diesen Job die nächsten zwei-, dreihundert Jahre ausführen, eventuell länger, je nachdem wie gut er war und wann ihm gestattet wurde, seine restliche Zeit nach dem Dienst an der Familie nach eigenen Vorstellungen zu verbringen. Als sich ihm dann die Chance geboten hatte, in die direkten Dienste eines Enkels von Eridia Arogad zu wechseln, hatte er diese Chance genutzt, trotz des Widerspruchs seines erfahrenen Vaters, der ihm voraus gesagt hatte, dass die wirkliche Arbeit, die Aris Arogad für die Familie leisten konnte frühestens in vierhundert Jahren beginnen würde. Vater hatte sich geirrt. Sie alle hatten sich geirrt. Und Franlin war immer noch Verwaltungsfachkraft, allerdings auf einem Stuhl, der mehr und mehr die Eigenschaften eine Schleudersitz annahm, je länger er darauf saß. Nichts war aufregender als für Akira Otomo den Stabschef seiner zivilen Angelegenheiten zu geben! Nichts war abwechslungsreicher, spannender, brachte mehr Neues, mehr Herausforderungen als diese Aufgabe! Und wäre es nicht so ein verteufelter Stress gewesen, dann wäre es Franlins Lieblingsjob gewesen. So aber bedeutete es, das Verbindungsglied für alles zu sein, was Akira Otomo im Universum angerichtet hatte. Oder anders formuliert, an ihm und seinem handverlesenen Stab aus den besten Mitarbeitern, die er mit Zähnen und Klauen hatte bekommen können, blieb all das hängen, was nicht direkt zu Akira gehen musste. Und für einen Mann, der ein Sonnensystem ganz und in einem anderen die beiden wichtigsten Planeten nach der Hauptwelt besaß - jemand hatte neulich ausgeführt, das die AURORA Akiras Privateigentum war, wenn man Naguad-Recht bemühte, und das dementsprechend alle für die Erde annektierten Welten ebenfalls sein Privatbesitz waren, was alle als sehr erschreckend und gefährlich logisch bezeichnet hatten – zudem politische Ämter in mehreren Sternreichen, fiel mehr als genügend Arbeit an. Natürlich bestand sein Besitz an Mars und Mond sowie an Lorania und dem Kanto-System nur auf dem Papier. Letzteres ohnehin nur mit Einschränkungen, weil das Regionalflottenhauptquartier auf Lovtose ohnehin Staatseigentum war. Dennoch fiel Arbeit en Masse an. Abgesehen von einem Pressebüro verwaltete der Stab Akiras fiktive Besitztümer und betreute den Kontakt mit den verschiedenen Fraktionen, in denen er aktiv gewesen war. Dazu kamen ein paar reale Besitzungen, die wesentlich mehr Arbeit machten als gegenüber der Naguadschen Imperialverwaltung den Eindruck zu erwecken, Aris Arogad würde wirklich über drei Planeten gebieten. Allein Pressebüro und die Verwaltung der Kontakte bedurfte einer eigenen Abteilung. Dazu kam dann noch der Personenschutz. Seit Akira Otomo wieder auf der AURORA weilte, wurde seine persönliche Sicherheit nicht nur durch das UEMF-Militär gewährleistet, sondern auch von seinem persönlichen Stab, der eng mit den Sicherheitskräften zusammenarbeitete, gerade unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Bedrohung Akiras durch die KI-Schläfer. Und all das war ein Job rund um die Uhr. Dieser spezielle Sektor wurde von seiner Stellvertreterin direkt betreut. Nun, wer bot sich auch besser dafür an als ausgerechnet eine Fioran-Assasinin, die zudem als Akiras direkte Cousine auch noch ein persönliches Interesse an seinem Leben hatte? Aber alles in allem war Franlin froh. Froh, diesen Job ergriffen zu haben als er ihm angeboten worden war. Froh, das er Akira so viel Arbeit und Ärger vom Hals halten konnte. Froh, das sein Meister die geleistete Arbeit bisher immer gelobt und nie getadelt hatte. Was durchaus möglich war, denn etwas was Franlin sich anmaßte selbst zu entscheiden war in Akiras Augen womöglich Chefsache. Aber bisher waren ihm keine gravierenden Fehler unterlaufen. Alles in allem war es der anstrengendste Traumjob, den er je ausgeführt hatte. Aber man konnte sich dran gewöhnen. Außer... Außer, die Kommunikationseinrichtung auf seinem Schreibtisch ging los. „Litov.“ „Fioran. Troublemaker hat die Schule verlassen. Ziel ist eine KI-Eruption im Boden der AURORA.“ „Ich aktiviere zwei zusätzliche Begleitkommandos“, sagte Franlin mit einem Seufzer. Akira konnte wirklich nicht einmal ein paar Tage auf der faulen Haut liegen. Andererseits, nach dem was mit Jora Kalis passiert war, sicherlich kein Wunder, das er so viel wie möglich selbst erledigen wollte. In diesem Fall mit den KI-Agenten direkt zu kämpfen. „Sora, kommst du klar?“ „Was denn, Franlin, traust du mir etwa zu, ich würde gegen ein halbes Kind verlieren? Akira wird nicht mal merken, das er beschützt wird.“ „Und das ist auch gut so.“ Denn wenn Akira bemerkte, das ihn Sicherheitsteams auf Schritt und Tritt begleiteten, das seine Sicherheit im Notfall mit vier permanent auf Bereitschaft stehenden Hawks gewährleistet werden konnte, verbot er diese Maßnahmen vielleicht. Und bescherte ihnen allen schlaflose Nächte. „Wissen wir Näheres über die Eruption?“ „Die Blue Lightning-Division.“ „Aha. Warne sie vor. Wenn Akira das raus kriegt, dann weiß ich nicht was passieren wird.“ „Verstanden. Ach, und Franlin?“ „Ich höre, Sora.“ „Ich will nicht deinen Job haben.“ Franlin Litov lachte rau auf. „Ich deinen auch nicht. Allerdings ist es einfacher zu lernen einen fünfzigköpfigen, über neun Systeme verteilten Stab zu führen als nur mit der linken Hand fünfzig Methoden zum töten zu beherrschen.“ „Spötter“, erwiderte sie amüsiert. „Beeil dich, Sora“, erwiderte Franlin und deaktivierte die Verbindung. Danach atmete er tief und lange aus. Akira Otomo zu dienen war wirklich ein Job, der einen Naguad ganz forderte. Und er erforderte Liebe. Tiefe, reine Liebe. 3. Die Sphäre beschützte die Erde vor den Göttern, bis jener Tag eintrat, an dem sie sich den Strafern stellen konnten, oder der letzte Mensch an KI-Entzug gestorben war. Das wussten sie alle. Und sie wussten auch, dass es keine Alternative dazu gab. Um keinerlei KI für die Sphäre mehr zu erhalten musste nur etwas mehr als ein Jahr vergehen. Um sich den Göttern stellen zu können jedoch das eine oder andere Wunder. Drei waren bereits geschehen, als insgesamt drei Daina-Völker den offenen Kontakt und ein Bündnis mit den Terranern gesucht und gefunden hatten. Ein viertes Volk hatte sehr vorsichtig angefragt, was die UEMF überhaupt vorhatte. Es schien wirklich, dass die Menschheit in letzter Zeit ziemlich populär geworden war. Die Sphäre schützte die Erde vor Strafern, aber nicht vor Leuten, die ein Recht hatten, eingelassen zu werden. Obwohl dieser Schutz so weit hätte gehen müssen. Als Eridia Arogads große Flotte eintraf, bestehend aus einem gemischten Verband der großen Häuser, der Anelph und der Raumflotte, gingen die meisten Schiffe über dem Mars sprichwörtlich vor Anker. Eines der Schiffe jedoch flog zur Erde weiter und dockte, nachdem es die Sphäre durchdrungen hatte, auf der OLYMP-Plattform an. Als Helen Berger-Otomo durch die offene Schleuse trat, konnte Eikichi Otomo nicht mehr an sich halten. Er lief auf seine Frau zu. Die stieß einen Laut aus, der pure Freude bedeutete und stürzte in die Arme ihres Ehemannes, den sie so lange nicht gesehen hatte. Die beiden hielten einander und zitterten vor Erleichterung und Spannung. Aufmerksamere Beobachter konnten vielleicht recht schnell erkennen, dass es zwischen den beiden sofort wieder zu knistern begann. Hinter ihrer Tochter trat Eridia Arogad ein. Sie grinste burschikos in die Runde. „Ich bin auch wieder da, falls das jemanden interessiert.“ Torum Acati, der für dieses Ereignis extra in den Erdorbit gekommen war, wollte ihr gerade antworten, als ein weißer Schemen an ihm vorbei huschte. Man konnte vieles glauben, wenn man im Leben nur lange genug gesehen hatte – und Torum hatte bereits eine kleine Ewigkeit hinter sich. Aber der weiße Schemen hinterließ auf seiner Netzhaut den Eindruck eines weißen Kaninchens, das mit mörderischer Miene und einem per KI aufgeladenen Kampfdolch auf Helen und Eikichi zusprang, und das konnte einfach nicht sein. Dennoch griff er schnell und beherzt zu, packte das Tierchen am Nackenfell, wehrte den Dolch ab, den es verzweifelt nach ihm schlug und schüttelte das kleine, kaum zwei Hände große Tier derart durch, dass der viel zu große Dolch aus seinen Pfoten fiel. Danach hing es benommen in seinem Griff. „Ein Kaninchen?“, fragte Acati entsetzt. „Ein Kaninchen als Attentäter?“ Vor den Augen der Anwesenden verwandelte sich das Kaninchen zuerst in einen grauen Wolf, dann in eine bewusstlose Frau, in dessen Haut im Nacken Acatis Finger gekrallt waren. „Eine Dai“, erklang eine ernste und verärgerte Stimme hinter ihm. Dort stand Dai-Kuma, um die rechte Hand eine KI-Menge projiziert, die nur darauf gewartet zu haben schien, geworfen zu werden. Und das Ziel war sehr offensichtlich. Das ehemalige Kaninchen. Dies war das Zeichen für den Auftritt von Dai-Kuzo. Es war ein Wunder, das sie sich gerade auf dem OLYMP aufhielt, denn eigentlich musste sie als Herrscherin des verschollenen und nun wieder aufgetauchten Kontinents Atalantis von Fernsehsendung zu Fernsehsendung, von Staatsempfang zu Staatsempfang hetzen, Botschafter bestätigen, eigene Botschafter ernennen und Dinge tun, die ein offizielles Staatsoberhaupt nun einmal tat. Auch wenn dieser Staat sich bis vor ein paar Wochen noch verborgen gehalten hatte. Spötter hatten bereits die Frage gestellt, ob jetzt auch Mu und Avalon in dieser Sphäre auftauchen würden, aber das Gelächter war nur kurz gewesen. „Dai-Okami ist eine Untergebene von Okame-sama, dem König der Wolfsdämo... Entschuldigt, Macht der Gewohnheit. Der Herr der Wolfs-Dai. Als sie Atalantis verließ, dachte ich mir schon, das sie etwas plant. Sie gehört einer konspirativen Gruppe von Dai an, die sich gegen die Aufhebung der Isolation gewendet haben und den Konflikt mit den Göttern unbedingt verhindern wollen. Ich...“ Die Dai hob eine Augenbraue und schenkte Helen und Eikichi einen interessierten Blick. „Ob sie überhaupt bemerkt haben, was gerade passiert ist?“ Dai-Kuma absorbierte sein eigenes KI wieder und trat neben seine Herrin. „Unwahrscheinlich. Sie waren schließlich auch sehr lange getrennt.“ „Wenn du nicht alles zweimal erklären willst, alte Freundin“, kommentierte Eri lächelnd beim Anblick des sich selig küssenden Pärchens, „dann würde ich zehn bis fünfzehn Minuten warten.“ „Zehn bis fünfzehn Minuten?“ „Wollen wir drauf wetten?“, erwiderte Eri grinsend. Zehn bis fünfzehn Minuten später zahlte Dai-Kuzo ihre Wettschulden. Danach führte sie die Anwesenden in einen Konferenzsaal und ließ keinen Zweifel daran, dass die Angelegenheit ernst war. Tödlich ernst, und das nicht nur für die Erde. Sie stellte sich hinter das Rednerpult und ließ ein Hologramm hinter sich erscheinen. Als sie gerade zu sprechen beginnen wollte, traf ein Nachzügler ein. Jan Avergan Ryon murmelte eine Entschuldigung und suchte sich einen freien Platz. Der Anführer der Anelph war erst spät über den Ernst dieses Treffens informiert worden. „Herrschaften“, begann Kuzo, „die Lage ist ernst. Aber sie ist nicht hoffnungslos. Im Gegenteil. Dennoch, unsere Situation hat sich mit der Ankunft von Helen verschärft. Dramatisch verschärft." Verwirrt blinzelte die Deutsche. „Wieso? Was habe ich getan? Was habe ich tun können, achtzig Lichtjahre entfernt und in einen Computer integriert?“ „Es gibt Stimmen unter den Dai, die meinen, du hättest dort bleiben sollen“, sagte Kuzo düster. „Und es gibt Stimmen wie meine, die sagen, dass sie endlich wieder leben soll, Seite an Seite mit ihrer Familie“, warf Eridia laut ein. „Sie hat schon genug mitgemacht!“ „Das streitet auch keiner ab“, erwiderte die Dai. „Im Gegenteil. Aber du weißt, alleine ihre Anwesenheit kann all unsere Pläne scheitern lassen.“ „Wollen wir drauf wetten? Ich glaube, ich habe gerade eine Strähne“, sagte Eridia und wedelte sich mit den frisch gewonnenen Geldscheinen Luft zu. „Die Wette verliere ich nur zu gerne“, erwiderte die Dai. „Aber du weißt, dass es nicht so einfach ist.“ „Könnte vielleicht jemand das reden übernehmen, der klipp und klar sagt was Sache ist, und nicht in kryptischer Geheimsprache redet?“, brauste Eikichi auf. „Du willst es einfach?“ Der Japaner nickte. „Schnell und klar auf den Punkt?“ „Ja, verdammt.“ „Und da bist du dir sicher?“ Heftig nickte der Executive Commander der United Earth Mecha Force. „Okay, dann kommen wir erstmal zu einem Punkt. Der Autounfall, den deine Frau erlitten hat, und dessen Folgen Michael und Eri dazu bewogen haben, sie in einem Biotank nach Nag Prime zu schicken, wurde von der gleichen Dai-Fraktion initiiert, die heute versucht hat, Helen umzubringen.“ „Das war wirklich knapp“, gestand Eikichi geschockt. „Aber ich vermisse den Sinn.“ „Nicht alles im Universum macht Sinn“, erwiderte Kuzo trocken. „Oder nur für einige wenige, aber nicht für den Rest des Universums.“ „DAS macht wiederum Sinn“, spöttelte Eridia Arogad. „Um es kurz zu machen, hat sich niemand gewundert, das die Erde noch nie massiv angegriffen wurde, von den Göttern, meine ich?“ „Dafür gibt es vielleicht einen Grund“, sagte Torum Acati. „Mir gegenüber wurde eine geheime Flotte erwähnt, die irgendwo in der Nähe konserviert ist.“ „Tatsache ist, es gibt diese Flotte. Und sie könnte wenn schon nicht die Götter besiegen, dann doch wenigstens genug schwächen, um sie verwundbar zu machen. Das ist das schöne an Robotern. Sie handeln streng logisch, und die Verluste bei einem Zusammenprall zwischen Strafern und uns waren ihnen immer zu hoch. Also handelten wir einen Status Quo aus. Wir ließen die Flotte im Dorf, und sie ließen uns in Ruhe. Abgesehen von drei-, vierhundert Übergriffen des Cores, aber das steht auf einem anderen Blatt. Um aber zu garantieren, dass wir die Flotte nicht aktivierten, mussten wir uns überwachen lassen.“ In Torums Verstand machte es laut und vernehmlich Klick. „Lass mich raten, Dai-Kuzo. Ihr habt keinen externen Beobachter akzeptiert, also wurde einer von euch ausgewählt, der die Aktivierung der Flotte weiter meldet, ob er will oder nicht.“ „Das ist richtig, Admiral.“ „Deshalb fand es diese ominöse Dai-Gruppe sehr schlau, Helen anzufahren und euch dazu zu bringen, sie nach Nag Prime zu bringen. Der Wächter ist weg, aber es kann kein neuer gewählt werden, solange sie im biologischen Sinne noch lebt.“ „Auch das ist richtig, Torum.“ „Helen wird die Erweckung der Kommandoschiffe an die Götter melden. Es gab schon immer diese Wächter auf der Erde, und jedes Mal wenn der alte Wächter starb, ging dieses Amt auf einen neuen über. Das letzte Mal warst du an der Reihe, und das tut mir leid“, sagte Kuzo beinahe tonlos. „Und es tut mir leid, das wir dich nicht beschützen konnten. Danach blieb uns wirklich nichts anderes als dich fort zu schicken und zu hoffen, dass die KI-Kontamination irgendwann einmal abklingen würde, mit der dich diese Dai attackiert hatten.“ „Und jetzt ist sie wieder hier und übt die Wächterfunktion erneut aus?“, hakte Acati nach. Kuzo nickte ernst. „Die Sphäre kann das nicht verhindern?“ „Ich fürchte nein. Aber all das ist egal, und weit weniger dramatisch als du vielleicht denkst, Torum. Genauso wie die Götter ihre Überwachung verstärkt haben, als der vertraglich vereinbarte Wächter die Erde verlassen hat, haben sich die Dinge für uns verändert, und das zum Guten. Das Ende dieses uralten Konflikts ist nahe, strebt dem Höhepunkt entgegen. Und derjenige, der den Konflikt ein für allemal beenden wird, ist der Reyan Maxus, ein KI-Krieger, der KI-Rüstungen projizieren und Materie manipulieren kann.“ Helen Arogad hob eine Augenbraue. „Du sprichst von Akira, oder?“ „Ich hätte nie gedacht, das er die Talente entwickelt, um so weit zu kommen. Vom Oren zum Dai ist es nur ein kurzer Sprung, aber ein Maxus wird niemals ein Dai werden, weil...“ Sie lachte und schüttelte dabei den Kopf. „Das führt zu weit. Aber ja, dank Akira vereinigt sich mehr und mehr Macht in dieser Galaxis. Die Bedrohung durch die Götter vereint uns, und gemeinsam werden wir sie ein für allemal beenden.“ Das glauben Sie wirklich, Dai-Kuzo-sama?“, fragte Jan Ryon nach. „Das glaube ich wirklich, Admiral“, sagte die Dai im Brustton der Überzeugung. „Dann würde ich zwischen Ihren Dai mal gründlich aufräumen, damit nicht noch weitere Attentate gegen Helen Arogad ausgeführt werden. Sie haben dann keinerlei Bedeutung mehr.“ „Das sehe ich genauso“, erwiderte sie mit einem dünnen Lächeln. Sie wandte sich Eikichi und Helen zu. „Das Universum wird die nächsten vierundzwanzig Stunden auf euch verzichten. Ich sorge dafür, das es nicht kollabiert, Kinder.“ „Und ich sorge dafür, dass die UEMF nicht kollabiert“, fügte Eridia hinzu. „Ich sorge für die Flotte und den Rest“, sagte Torum Acati, wurde rot und räusperte sich vernehmlich. Denn beide waren aufgesprungen und eilten nun aus dem Konferenzsaal. Es bedurfte nicht besonders viel Phantasie um sich vorzustellen, welchen Ort sie nun aufsuchen und für eine lange Zeit nicht mehr verlassen würden. *** Es war nicht sehr schwer, die Quelle der KI-Eruption zu finden. Ich musste nur in die Grey Zone wechseln, eine Passage tiefer in das blasige Gestein suchen, die von UEMF-Infanteristen bewacht wurde und hindurch stoßen. Die Männer und Frauen waren nicht wirklich Hindernisse. Im Gegenteil. Sie waren schon vorab von meiner Ankunft instruiert worden und ließen mich anstandslos ein. Ich passierte auf meinem Weg Soldaten mit den verschiedensten Uniformen, Polizisten und Rettungskräfte. Letztere überzeugten mich davon, dass die Kampfhandlungen vorbei waren. Nichtkombattanten brachte man nicht auf ein Schlachtfeld. Schließlich und endlich endete die Passage, nach einem Internierungsplatz für die Gefangenen und einem Verbandsplatz für die Verwundeten, in einer ehemals gut getarnten Kaverne, die nun aber gut sichtbar war und von weiteren Infanteristen flankiert wurde. Als ich durch ihre Reihen trat, salutierten sie mit allen Anzeichen höchsten Respekts. In der riesigen Gesteinsblase, die verwinkelt und labyrinthartig aufgebaut war, entdeckte ich schließlich die Ecke mit der größten Lärmentwicklung. Dort fand ich dann Yoshi, Doitsu, Mako-chan und einen Haufen gut ausgerüsteter Elite-Soldaten. Das war aber bei weitem nicht so beeindruckend wie das Equipment, das sie erobert hatten. Ich pfiff anerkennend, als ich die lange Reihe an Biotanks erkannte. Zwanzig von ihnen standen hier, und fünf waren belegt. Vier von ihnen waren separiert und dienten augenscheinlich einem besonderen Zweck. Im Moment waren sie leer. „Guter Fang. Ich nehme an, hier implantieren sie ihre Attentäter unschuldigen Menschen?“, fragte ich geradeheraus. „Akira? Was machst...“, begann Mako, winkte aber ab. „Schon gut, dumme Frage. Du musst natürlich immer da sein, wo was los ist. Hast du nicht eigentlich eine Matheklausur zu schreiben?“ „Sakura hat mir frei gegeben“, erklärte ich hastig. „Also, wenn ich schon mal hier bin, was ist passiert?“ „Scheiße ist passiert“, brummte Doitsu. „Wir haben das Operationsgebiet eine Woche lang observiert. Als wir sicher waren, Sinn und Zweck der Anlage entdeckt und die Verteidigung erkannt zu haben, schlugen wir zu. Wir hatten keine große Probleme, bis wir auf KI-Meister trafen. Der Kampf wurde etwas heftig. Aber wir haben gewonnen.“ Yoshi hielt lächelnd eine Schreibfolie hoch. „Und wir haben zumindest ein Verzeichnis jener Personen, die seit unserem Start von der Erde von einem KI-Agenten übernommen wurden. Immerhin etwas. Aber wir haben nicht damit gerechnet.“ Er deutete mit dem Daumen auf die besetzten Biotanks. Ich runzelte die Stirn. „Was meinst du mit damit?“ „Sie sind mit dem Core vernetzt.“ Nicht gut, gar nicht gut, ging es mir durch den Kopf. Und damit hatte ich sehr wahrscheinlich Recht. „Sie machen Jagd auf Henry“, stellte ich tonlos fest. „Das klingt plausibel. Sie sind fanatische Anhänger der Legaten, und sie haben ihn als Agenten der Erde identifiziert. Vor allem nachdem er an deiner Seite aufgetaucht ist, sollte er ziemlich weit oben auf ihrer Racheliste stehen“, sagte Doitsu. Kurz ging ich die Optionen durch. Wie gefährlich konnten sie Henry William Taylor werden, solange er sich im Paradies der Daina und Daima aufhielt. Konnten sie ihn töten? Oder wenigstens verletzten? Nur mit falschen Daten füttern? Ihn behindern? Unwillkürlich strich ich mir über die linke Schläfe, wo noch immer eine Narbe prangte. Hier hatte der Anschluss gesessen, damals im Biotank, den die kronosischen Wissenschaftler überlastet hatten, um mein Gehirn zu rösten. Spötter meinten heute noch, sie hätten damit teilweise Erfolg gehabt, was nicht unbedingt meine Zustimmung fand, aber einiges erklärt hätte. Aber es bewies auch, dass man nicht wirklich sicher war, nicht einmal in einer virtuellen Welt wie dem Paradies. „Personenschutz für die Körper der Forschungsgruppe?“, fragte ich ernst. „Bereits veranlasst. Außerdem verstärkter Schutz für den ganzen Core“, sagte Makoto „Können wir die hier vom Paradies trennen?“ „Negativ. Es würde sie von ihren Körpern trennen und als reinen Geist durch das Paradies irren lassen. Wir hätten nichts gewonnen, uns lediglich gerächt.“ Doitsus Stimme klang mit einem Mal sehr müde. Entschlossen trat ich auf die Röhren zu. Allein die Bewegung auf die mit bernsteinfarbener Flüssigkeit gefüllten Behälter ließ mir den kalten Schweiß ausbrechen. Ich hatte nicht sehr viele angenehme Erinnerungen an diese Dinger. Und ich war mir sicher, es würden nicht sehr viele angenehme hinzu kommen. "Wie viele Tanks können mit dem Core noch verbunden werden?", fragte ich. "Nach unseren bisherigen Erkenntnissen zwei", antwortete Yoshi. "Ich wollte gerade reinsteigen, und mit etwas Glück dort heraus kommen, wo auch die KI-Agenten das Paradies der Daima und Daina betreten haben. „Ich gehe selbst rein“, sagte ich ernst. Doitsu und Makoto wechselten einen kurzen Blick. „Würde es etwas nützen, wenn wir dich bedrohen, fesseln, weg sperren oder dich darüber informieren, dass eine entsprechende Warnung an Henry unterwegs ist?“, fragte Makoto emotionslos. „Nein.“ „Das habe ich befürchtet.“ Makoto seufzte. Wieder wechselten beide Männer einen Blick. "Ach kommt schon, Jungs!", rief Yoshi. "Ich bin doch auch da. Was soll schon passieren?" "Ja, was soll schon passieren? Es ist Akira, verdammt! Akira! Natürlich wird irgend etwas passieren!", blaffte Makoto. Anschließend seufzte er. "Aber es beruhigt mich schon, wenn du dabei bist." Yoshi nickte zufrieden. Makoto berührte sein Komm-Gerät. „Die beiden Biotanks mit Kontakt zum Core bereit machen. Futabe und Otomo folgen den Attentätern.“ Spontan meldeten sich über fünfzig UEMF-Infanteristen freiwillig, um uns auf dieser Mission zu begleiten, aber es standen einfach keine Tanks mehr zu Verfügung.. Nach etwa zwanzig Minuten Vorbereitungszeit stiegen Yoshi und ich in speziellen Overalls in die Tanks. „Kann jemand Admiral Ino Bescheid sagen, dass ich es nicht mehr zum Unterricht zurück schaffe?“, scherzte ich. Dann wurde ich angeschlossen, und übergangslos befand ich mich auf einem Trip in die Seele des Paradies der Daima und Daina. *** Als die Welt wieder einen rationalen Sinn für mich ergab, fand ich mich an einem Ort wieder, der weit von dem Ort in der Kaverne entfernt war, an dem ich in den Tank gestiegen war. Das, was Yoshi und mich umgab, war keine Höhle mit Steinwänden. Auch kein exotischer Strand, keine Bar, kein Club, nicht einmal eine simple Einkaufspassage. Es war ein Raum aus Stahl. Beinahe hätte ich an eine Falle gedacht, wenn er nicht mehrere Türen gehabt hätte. Form und Position der Türen ließen den Verdacht aufkommen, dass wir es mit einem Korridor zu tun hatten. Just als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, fuhr eine der Türen auf. Ein eifrig diskutierender Mann trat mit seiner Gesprächspartnerin ein, grüßte beiläufig und ging ein paar Schritte, bevor er inne hielt und wieder zurück ging. „Akira? Was zum Teufel machst du hier?“, rief Henry William Taylor fassungslos. „Dies ist eine Konstruktrealität tief in der Vergangenheit der Erde!“ Er warf die Stirn in Falten. „Auch wenn wir gerade nicht auf der Erde sind, zugegeben.“ „Würde es dich sehr schockieren, wenn wir dir erzählen, dass wir über eine Anlage hierher gekommen sind, die erbaut wurde, um den Kronosiern zu ermöglichen, den Core zu infiltrieren?“, fragte ich mit Sarkasmus in der Stimme. „Du hast Attentäter am Hals, alter Freund.“ „Attentäter? Hier? Ich? Aber...“ Gönnerhaft klopfte ich ihm auf die Schulter. „Du hast ja jetzt mich und Yoshi hier. Zusammen richten wir das schon.“ „Entschuldige bitte, wenn ich das Gegenteil glaube, Akira“, sagte er mit ernster Miene. „Du ziehst eher noch mehr Ärger an.“ Okay, ich konnte verstehen, warum er so etwas über mich sagte. Immerhin hatte ich ihn bereits einmal getötet. Aber ich konnte nicht verstehen, warum Yoshi dazu energisch nickte. „Kumpel...“, beschwerte ich mich, stieß aber auf taube Ohren. Mist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)