Fremde Welten Spezial: Es gibt keine Zufälle (#3 1/2) von Purple_Moon (oder: "Fremde Welten" kommt auf den Hund!) ================================================================================ Prolog: Sturzflug ----------------- Kuro landete auf Gandora auf der Waldlichtung, wo Soach ihn schon erwartete. Seine Hoheit hatte sich hier gut zwei Monate lang aufgehalten, Zeit, die Kuro genutzt hatte, um einen Pflichtbesuch im Kristallschloss einzulegen, weil sein Schlossherz sich nach ihm sehnte. Soachs Vorschlag, mit Gandora zu fliegen und den finsteren Drachen so lange bei sich zu behalten, hatte er zögernd angenommen, aber praktischerweise wusste er durch den Drachen, wann er den anderen abholen kommen sollte, damit sie ihre Reise planmäßig fortsetzen konnten. Der Wind der mächtigen schwarzen Schwingen wirbelte Soachs Haar hoch, das er fast nie zusammenband. Der Mann trug Reisekleidung, die ihm vermutlich die Druiden gegeben hatten: Eine halblange Robe, unter der eine Hose und leichte Stiefel hervorschauten, alles in diversen Brauntönen. Nur der Reiseumhang war schwarzgrau. Gandora landete mit dem Gesicht zu seinem Freund, neigte den großen Kopf und ließ sich ein wenig zur Begrüßung tätscheln, während er selbst ein gurrendes Geräusch ausstieß. Kuro sprang von seinem Rücken und ging auf Soach zu. „Du siehst gut aus… sie haben dich wohl gut fit gehalten, aber du wirkst auch irgendwie zufrieden…“ Soach schenkte ihm ein offenes Lächeln. „Die Unterweisungen waren sehr nützlich. Sie haben mir sogar angeboten, bei ihnen zu leben, was ich als Ehre ansehe, aber ich glaube, das wäre auf Dauer nichts für mich.“ „Verstehe… zu ruhig, eh?“ grinste Kuro. „Wenn du willst, können wir direkt aufbrechen, du hast anscheinend nicht vor, nochmal zurück zu gehen.“ „Ich habe mich verabschiedet, ja. Lass uns aufbrechen.“ Kuro ließ Soach vor sich sitzen. Es war immerhin sein Drache. Früher hätte er es damit begründet, dass er den Kerl nicht im Rücken haben wollte, aber die beiden Männer hatten sich inzwischen einigermaßen zusammengerauft. Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass sie Freunde waren, aber sie hatten ein kollegiales Verhältnis zueinander, das auf Respekt und gegenseitiger Achtung basierte. Diese Entwicklung freute vor allem ihre jeweiligen Söhne, Dark und Blacky. Gandora hatte nicht übermäßig Platz auf der Lichtung, aber er konnte auf engem Raum fast senkrecht starten. Kuro krallte sich an seinem Vordermann fest, denn die Aktion war ziemlich brutal. Natürlich war der Drache der Zerstörung nicht eben für seine Sanftmut und sein Taktgefühl bekannt… Sie ließen das Waldgebiet rasend schnell hinter sich. Manchmal überlegte Kuro, dass Gandora das Konzept ‚langsam‘ vermutlich gar nicht kannte. Sie hatten gar nicht darüber gesprochen, wo es als Nächstes hinging, aber Drachen hatten gute Gedächtnisse, also vielleicht hatte dieser den ganzen Reiseplan im Kopf. Als sie über ein Meer flogen, ging Gandora in einen Sturzflug und segelte auf das Wasser zu, um dann dicht darüber entlangzugleiten, in einer Spirale wieder aufzusteigen und das Ganze zu wiederholen. Soach stieß an strategisch passenden Stellen einen vergnügten Schrei aus. Na gut… vielleicht lag es einfach nur an seinem Kindskopf, dass sie diese Richtung eingeschlagen hatten. Kuro bezweifelte langsam, dass momentan ein bestimmtes Ziel angeflogen wurde. Schließlich hatte Soach wohl genug von dem Spielchen und ließ den Drachen wieder an Höhe gewinnen, und zwar in einem Aufstiegswinkel, den jeder normale Mensch als Risiko eingestuft hätte. Zum Glück zählte Kuro sich selbst auch nicht zu den Normalen. Die gewählte Reisehöhe war über der manch anderer Drachen, und dementsprechend dünn war auch die Luft, aber dafür wurde der Flug jetzt auch ruhiger. Na endlich. „Entschuldige, Kuro, aber das musste sein,“ sagte Soach und drehte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu ihm um. „Die Ruhe in diesem Wald war klasse, aber das Fliegen habe ich doch vermisst.“ Der Finsternismagier verdrehte die Augen. „Bei dir wundere ich mich doch schon gar nicht mehr. Über gar nichts, wohlgemerkt. Vielleicht könntest du aber jetzt mal irgendwo landen, denn vom Kristallschloss aus war es doch ein gutes Stück und ich hätte gerne eine Pause.“ „Klar doch, kein Problem…“ Soach drehte sich nach vorne und sah nach unten. Gandora sank ein bisschen tiefer, denn aus dieser Höhe waren die Landmassen kaum zu erkennen. Kuro gähnte und entspannte sich so weit wie möglich. Das war immer so eine Sache mit dieser Reisegesellschaft… Plötzlich gab es eine heftige Erschütterung in der Luft. Er hatte nicht mitbekommen, was das verursacht hatte, doch er wäre fast gefallen – der Drache verlagerte sein Gewicht, so dass Kuro sich fangen und wieder an Soach festklammern konnte. Gandora brüllte schrill. Das Geräusch klang nach Angst oder Schmerzen. Da Gandora vor nichts Angst hatte, blieb nur eine Erklärung… das machte wiederum Kuro Angst. Er hörte, dass Soach unbekannte Worte vor sich hinmurmelte, und bemerkte, dass der Mann heftig mit beiden Armen gestikulierte. Er wollte ihn auf keinen Fall ablenken, aber was konnte Soach schon erreichen? „Halt dich fest!“ kam dessen Stimme wie als Antwort. „Aufprallschutz, wenn du kannst…“ Es ging abwärts. Steil. Kuro klemmte die Beine um den Drachenkörper, die Arme um den Vordermann und murmelte die Beschwörung für einen Schild, der sie hoffentlich vor dem Aufprall retten würde. Er sah bunte Effekte um sich herum, verwirrende Farben, seltsame magische Erscheinungen, und die Umgebung änderte ihre Qualität. Anders wusste er es nicht auszudrücken. Die Luft selbst wurde anders. Soach murmelte und gestikulierte. Kuro hätte seine blauen Hände lieber fest an irgendeinem Teil des Drachen gesehen. Gandora schrie heiser. Sein Flügelschlag war unregelmäßig, und er bekam Schlagseite nach rechts. Kuro konzentrierte sich auf seinen Schutzschild gegen den Aufprall und versuchte zu bremsen, aber die bewegte Masse war zu groß. Er richtete kaum etwas aus. Irgendwo im Hinterkopf bekam er mit, dass Soach sein Bestes tat, um irgendein geeignetes Landefeld zu finden. Es wäre für die Reiter ein Leichtes gewesen, abzuspringen und sich mit einem Schwebezauber zu retten, aber darin waren sie sich beide einig: Das kam nicht in Frage. [Gute Idee… Schwebezauber!] vernahm er Soachs Stimme in seinem Kopf. „Was? Nein…!“ [Vertrau mir!] Nicht wirklich. Mangels einer angemessenen Gesprächssituation blieb Kuro aber keine andere Wahl, als auf Soach zu hören, also versuchte er, den Schwebezauber auf die ganze Gruppe anzuwenden. Und plötzlich war der Drache unter ihm verschwunden. Es war gut, dass Kuro kein junger Hüpfer mehr war, denn das bewahrte ihn vor einer Panikattacke. Er konzentrierte sich auf sich selbst und Soach, aber sie waren zu schwer. Der Aufprallschutzzauber war noch aktiv, aber er bekam ihn nur ansatzweise mit den anderen Beschwörungen koordiniert. Sie wurden noch immer durch die Luft geschleudert und fielen, und schließlich schlugen sie auf. Kuro hatte schreckliche Kopfschmerzen. Das fiel ihm als Erstes auf, als er wieder zu sich kam. Ein krampfartiger Anfall durchzuckte seinen Körper. [Onyxenia!] Das Schlossherz antwortete nicht. Er konnte ihre Anwesenheit nicht spüren. „Scheiße! Was zum Henker ist hier los?“ Er öffnete die Augen, denn vor seinen Lidern war es unnatürlich hell. Das Licht tat seinem Kopf nicht gut, daher schloss er sie reflexartig wieder. [Kuro…] Die Stimme war nicht Soachs. „Gandora?“ Er unterhielt sich nicht zum ersten Mal mit einem Drachen, auch nicht mit diesem. „Wo steckst du...“ Meistens sprach er seine Antwort laut aus, auch wenn der andere telepathisch kommunizierte. Seiner Erfahrung nach kamen die Gedanken trotzdem an, und er musste sich weniger stark konzentrieren. [Kuro, ich... ich glaube, ich habe ein Problem... sogar mehrere... Steh auf!] Der Drache klang drängend. Kuro erhob sich also und klopfte automatisch seine Kleidung ab, wobei er versuchte, sich an das grelle Licht zu gewöhnen. Seine Augen konnten im Dunkeln sehen, aber zu helle Lichtquellen machten ihnen zu schaffen. Wenn nur sein Kopf nicht so dröhnen würde! Der Boden bestand aus sehr kurz getrimmtem Rasen. Es schien sich um einen größeren Platz zu handeln. Wo Kuro gelandet war, war der Boden aufgerissen und die gepflegte Struktur beschädigt. Er hielt den Blick gesenkt, da seine Augen noch nicht mit den Lichtverhältnissen klarkamen. Jedenfalls schien es keine direkte Bedrohung zu geben, soweit er das beurteilen konnte. Knapp drei Meter entfernt entdeckte er Soach. Der Mann war bewusstlos, und bei ihm war ein... Kerl... Kuros Mund klappte auf, denn trotz aller Vehemenz, mit der sein Verstand die Tatsachen sogleich zu leugnen versuchte, war ihm sofort klar, dass er Gandora vor sich hatte: einen Hünen mit buschigem, schwarzen Haar, aschfarbener Haut und roten Flecken in regelmäßigen Abständen, die bei näherem Hinsehen wie geschliffene Rubine aussahen, die mit der Haut verwachsen waren. Er kauerte über Soach wie ein Raubtier, das sein Junges verteidigen will. Als Kuro sich näherte, knurrte er ihn an. Der Finsternismagier überwand dennoch den Rest der kurzen Entfernung, vermied allerdings zu ruckartige Bewegungen, die sein Kopf ihm ohnehin übel genommen hätte. Wachsam hielt er Blickkontakt zu den reptilienartigen Augen. Sie hatten die Farbe von fließender Lava. Und er hatte den Eindruck, dass er gerade einen ziemlich verunsicherten Drachen vor sich hatte, aber einen, der das nie zeigen würde, solange er jemanden beschützen wollte. Beim Kontakt mit Drachen musste er jedes Zeichen von Angst unterdrücken, das wusste Kuro, also streckte er die Hand aus und berührte vorsichtig die Wange, wie er es bei ihm in der Originalgestalt schon öfter getan hatte. Die Haut fühlte sich glatt und schuppig an, wie bei einer Schlange. Aus der Nähe waren tatsächlich kleine Schuppen zu unterscheiden. Die Nasenflügel bebten, dann schloss Gandora kurz die Augen und gab dabei ein leises Grollen von sich. Das Geräusch entsprach dem Schnurren einer Katze, jedoch konnte ein Unwissender es leicht mit einer Drohgebärde verwechseln. Nun, da sie das geklärt hatten, wandte Kuro seine Aufmerksamkeit Soach zu. Er hielt es wie der Chaosmagier und beschäftigte sich mit dem vorrangigen Problem, ehe er sich Gedanken darüber machte, wie oder warum es dazu gekommen war. Gandora wich zurück, um ihm Platz zu machen, blieb aber wachsam in der Nähe. Kuro notierte sich in Gedanken, dass sie etwas wegen seiner Kleidung unternehmen mussten, die war nämlich nicht existent. Das konnte ein Problem werden, denn weder er selbst noch Soach hatten Kleidung in der passenden Große zu verleihen. Kuro überprüfte die Lebenszeichen. Soachs Puls war vorhanden, er ging sogar ziemlich schnell. Das überraschte ihn. Auch sonst schien alles in Ordnung zu sein. Kuro konnte keine Verletzungen feststellen, die über die den Umständen geschuldeten Kleinigkeiten hinausgingen, aber Soach wachte nicht auf. Also gut, nächstes Problem. Soachs Umhang war Gandora viel zu klein, aber besser als nichts. Er bedeckte den Rücken und die Arme, schloss aber vorne nicht, und natürlich ging er nur bis zu den Knien. Aus seinem eigenen Umhang bastelte Kuro einen behelfsmäßigen Lendenschurz für den Drachenmann. Selbiger beschwerte sich nicht, da er durchaus wusste, dass Menschen Kleidung zu tragen pflegten. Damit kamen sie zu Problem Nummer drei. Gandora konnte offensichtlich das Gleichgewicht halten und auf seinen Beinen stehen, aber ob er auch gehen konnte, musste sich noch erweisen. Auch mit dem Sprechen schien es zu hapern. Im Moment war er damit beschäftigt, seinen veränderten Körper zu überprüfen und sich zu beschweren, direkt in Kuros schmerzenden Kopf hinein. [Meine Krallen sind ganz kurz!] jammerte er. Für einen Menschen hatte er gewaltige Fingernägel, fand Kuro, geradezu krallenartig, und das ließ er den Drachen auch wissen, indem er schlicht und einfach seine Gedanken nicht abschirmte. [Ich habe keinen Schwanz!] Oh doch, dachte Kuro, aber Gandora verstand den Witz nicht. [Und noch nichtmal Flügel, geschweige denn Hörner!] Das allerdings war definitiv so. Und vielleicht war das auch ganz gut, denn so fiel er etwas weniger auf als ohnehin schon. Kuro rieb sich die Schläfen. Er hatte noch gar nicht festgestellt, wo sie sich befanden. Sein Blick schweifte über Rasen… viel davon. Sein länglicher Schatten war ganz klar darauf zu sehen. Die Rasenfläche ging in einen schmaleren Bereich ohne Rasen über und schließlich in etwas, das wie Sitzreihen aussah, die ziemlich weit in die Höhe anstiegen… oh. Ein Stadion. Vielleicht waren sie auf der Insel des Duellantenvereins. [Kuro?] Gandora zupfte ihn am Ärmel und lenkte seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. Auf einer der weiter unten gelegenen Sitzflächen saß ein Hund und sah mit steil aufgerichteten Ohren zu ihnen hinunter. Er hatte ungefähr eine Größe, die einem durchschnittlichen Mann bis übers Knie reichte, gehörte also zu denen, die Kuro als nützlich einstufte. Sein Fell war kurz und sandfarben bis gelblich. Kuro musste seine Augen mit der Hand abschirmen, um ihn besser sehen zu können. Etwas blitzte auf dem Platz neben dem Hund auf. Der Magier runzelte die Stirn und sah genauer hin, wurde aber vom Licht geblendet. Das Ding bestand aus einer runden Fläche und je einer länglichen links und rechts davon. Manche Teile waren blau oder rot eingefärbt. Das sah aus wie… „Eine Duel Disk…“ Kuro richtete den Blick an den Sitzreihen entlang nach oben, obwohl sein Kopf fast explodierte, als seine Augen die Helligkeit übertrugen. Der Himmel war blau. Und damit war jeder Restzweifel ausgeräumt. Sie waren in der Welt des Blauen Lichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)