Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3) von Purple_Moon (Prinz Soach und das Prinzip des Chaos) ================================================================================ Kapitel 22: Das Böse im Schloss ------------------------------- Rings um ihn herum ragten schattenhafte Gestalten auf und hielten ihn gefangen. Kaltes Metall schnitt in seine Handgelenke und umklammerte seine Knöchel. Magie blitzte silbern vor ihm auf. Der Zauber erhellte das Gesicht der alten Frau, dann ließ sie ihn auf den Gefangenen los. Gleißendes Licht schlug in seine Brust ein und erfüllte seinen ganzen Körper mit Schmerz... Crimson fuhr aus dem Schlaf hoch. Keuchend drückte er eine Hand auf die Brust, verkrallte die Finger in das schweißnasse Nachthemd. Voller Erleichterung erkannte er sein Turmzimmer, doch im nächsten Moment sprang er aus dem Bett und presste die Hand gegen eine Stelle an der Wand, von der er wusste, dass die Seelenschrift dort entlang verlief. Sie leuchtete unter seinen Fingern auf. Das Schloss bebte ganz leicht. Steine verschoben sich minimal gegeneinander. Den Schlossherrn überkam das alles verschlingende Gefühl, die Qualen seiner Seele irgendwie beenden zu müssen, zum Beispiel, indem er alles einstürzen ließ. [Soach! Reiß dich zusammen!] Doch das tat Soach bereits, wie er wusste. Schon die dritte Nacht in Folge verfolgten ihn die Erinnerungen in seine Träume, hatten ihn vorher wahrscheinlich nur verschont, weil er immer unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen gestanden hatte, die traumlosen Schlaf förderten. Beim ersten Mal hatte Crimson sich fast von seinem Balkon gestürzt, aber noch rechtzeitig bemerkt, was mit ihm passierte. Durch seine tiefe Verbundenheit mit seinem Freund teilte er auch dessen Träume – jedenfalls jene, die ihn sehr aufwühlten. Ein Nachteil, aber Crimson tat nichts dagegen. Er begrüßte es zwar nicht, die Ausbrennung aus Soachs Perspektive zu erleben, aber immerhin wusste er rechtzeitig, wenn die Seele des Schlosses instabil wurde. Catherine kannte solche Probleme bisher nicht. Der Prinz der Eisigen Inseln hatte ihn stärker gemacht, seine Persönlichkeit gefestigt und ihm ganz neue Möglichkeiten verschafft, indem er ihm Magie gab. Was vorher dem Schlossgeist Stärke verliehen hatte, drohte nun, ihn zu ruinieren. Crimson fand es immer schwieriger, in der Dreierkonstellation der Starke zu sein. Und das nach kaum einer Woche. Vielleicht, überlegte er, ist es deswegen nicht ratsam, Schlösser mit den Seelen noch lebender Personen zu versehen. Der Schlossherr rannte die Treppen seines Turms hinunter, ohne sich irgendetwas überzuziehen. In der ersten und zweiten Nacht mit Alpträumen hatte Crimson nicht so schnell reagiert und dann Soach auf dem höchsten Turm angetroffen, von dem aus immer die Drachen mit ihren Reitern abflogen. Dort hielt der Mann sich zwar des Öfteren auf, aber in seiner derzeitigen Gemütsverfassung war nicht auszuschließen, dass er Dummheiten machte. Auf halbem Wege stolperte Crimson über eine Unebenheit im Boden und fiel beinahe lang hin. Er konnte den Sturz einigermaßen abfangen, schlug sich allerdings den rechten Ellenbogen auf. Er nahm sich nicht die Zeit, die Bodenfliesen zu überprüfen. Vermutlich verschoben sie sich durch das ständige Beben. Als er endlich vor Soachs Zimmer ankam, wollte er einfach hineinstürmen, doch die Tür war von innen abgeschlossen. „Soach! Mach auf! Oder ich lasse Cathy die Tür öffnen!“ Von drinnen kam eine zögerliche Antwort. „Einen... kleinen Moment...“ Er hörte Wasser plätschern und Stoff rascheln. Schließlich klickte das Türschloss und Soach zog die Tür auf. Crimson trat in den von der Seelenschrift an den Wänden erleuchteten Raum. In dem magischen Licht wirkte der Prinz blass und niedergeschlagen. Er trug wieder nur eine Stoffhose. Auf seinen Armen und dem Oberkörper zeigten sich vereinzelte Blutergüsse, denn er hatte am vergangenen Tag das Kampftraining mit Gorz aufgenommen. Zum Glück hatten sie nur Kampfstäbe benutzt. Soachs Gesicht wies deutliche Spuren von unglücklichen Bewegungen mit dem Rasiermesser auf. Crimson wollte sich das noch ein paar Tage ansehen und dann jemanden finden, der mit einem Zauber das Problem aus der Welt schaffen konnte, am besten Vindictus, damit er sich hinterher nicht über die falsche Anwendung beschweren konnte. „Es... geht schon wieder,“ murmelte Soach und blickte betreten zur Seite. „Ist irgendetwas vorgefallen wegen mir?“ „Ich glaube, nichts Schlimmes.“ Eigentlich konnte er das auch selber feststellen, aber Crimson wies nicht darauf hin. Soach seufzte langgezogen. „Ich hoffe, wir hören bald etwas vom Zirkel. Diese Ungewissheit geht mir zusätzlich auf die Nerven. Ich liege ewig wach, weil ich daran denken muss, und dann träume ich dieses Zeug...“ Er setzte sich auf sein Bett, sah aber nicht so aus, als wolle er gleich wieder schlafen. Crimson zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch, wie das ist... sie brauchen eine Weile, ehe sie alle Mitglieder versammeln oder zumindest nach ihrer Meinung befragen können.“ „Hmm... und dann ist da noch diese Sache mit der Rehabilitandenstelle...“ „Du machst dir Sorgen, dass sie dich wegschicken? Zumindest da kannst du ganz beruhigt sein, das lasse ich nicht zu. Ähm... möchtest du einen Schlaftrank? Du hast schon letzte und vorletzte Nacht nicht richtig geschlafen.“ Soach schlang die Arme um sich, als würde er frieren. „Ich... weiß nicht. Vielleicht etwas, das kein Meras benötigt, um zu wirken. Vindictus hat erklärt, dass mein Körper dafür jetzt Kapall nimmt, aber erst muss er sich umstellen.“ „Oh. Ich habe auch andere Sachen im Inventar. Ich hole schnell was.“ Crimson wollte schon vorschlagen, dass der Körper sich vielleicht auch angewöhnen konnte, mit Kapall zu zaubern, aber etwas hielt ihn zurück. Sein Unterbewusstsein kannte die Antwort. Er begab sich zügig zur Krankenstation, brühte einen beruhigenden Tee auf und kehrte mit dem Becher zu Soach zurück. Aber so konnte es nicht weitergehen. Crimson wachte darüber, dass Soach sich wieder hinlegte, nachdem er den Tee getrunken hatte, und wartete, bis der Mann schlief. [Catherine,] sandte er an sein Schlossherz. [Finde heraus, ob wir Bücher zum Thema Traummagie im Inventar haben, oder ob es einen Spezialisten gibt, den ich fragen kann.] Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, Soach vor seinen Träumen zu bewahren und damit das Risiko für das Schloss zu vermindern. [Ich werde das Kristallschloss kontaktieren,] antwortete Cathy. Er ging die Verzeichnisse der Bibliothek und der Schatzkammer durch. Alle Bücher, die jemals einer seiner Herren gelesen hatte, konnte er auch inhaltlich prüfen. Das dauerte allerdings eine Weile. Nun ja... vielleicht zehn Minuten. Indessen schlich Crimson aus dem Zimmer des früheren Chaosmagiers und begab sich, diesmal in gemäßigtem Tempo, zurück in seines. Unterwegs begegnete ihm eine Gestalt in einem Morgenmantel, die eine Lichtkugel neben sich her schweben ließ. „Oh... hallo, Paps.“ „Crimson... ich dachte mir, dass du zu Soach unterwegs bist,“ sagte Shiro leise. Sein Sohn runzelte die Stirn. „Woher weißt du denn, wo der sein Zimmer hat?“ „Ich weiß so einiges über dieses Schloss und seine Seele, seit Turmalinda quasi eine Dauerverbindung zu euch hat,“ verriet der Lichtmagier. „Die tratschen ja alle wie die Waschweiber, einschließlich Draconiel.“ Shiro schaffte es, positive Energie auszustrahlen, obwohl das Schloss um ihn herum in einen Mantel der Frustration gehüllt war. Möglicherweise, weil er von der Stimmung im Kristallschloss zehren konnte, die zweifellos etwas besser ausfiel. „Wann ist nochmal diese Beseelungsfeier, die deine Schüler planen?“ erkundigte er sich. Crimon musste kurz nachdenken, denn derzeit wusste er nicht immer ganz genau, welches Datum sie hatten. „In knapp zwei Wochen...“ „Dann hat mein Bruder ja noch ein bisschen Zeit. Er ist ziemlich zielstrebig damit beschäftigt, Briefe zu schreiben und Boten zu weit entfernten Orten zu schicken... mal ganz was neues für den alten Herumtreiber. Er versucht, Soach zu helfen.“ „Onkel Kuro? Ich dachte, er hasst Soach.“ „Er sagt, dass er das nur tut, damit sein Sohn seinen Chaosmagier wiederhaben kann,“ grinste Shiro. „Dafür muss er eben eine Möglichkeit finden, damit du deinen zurück bekommst.“ Crimson sah zwar wenig Hoffnung, ließ sich aber durch Shiros Worte etwas aufheitern und die Stimmung auf das Schlossherz überschwappen. „Ich glaube, ohne eure Hilfe wäre ich schon untergegangen,“ murmelte er. „Ihr beeinflusst Cathy mit eurer guten Laune zum Positiven.“ „Dafür sind wir ja da...“ sagte Shiro. „Kuro beschwert sich zwar ständig, weil er sich ein kleines bisschen traurig fühlt, obwohl er keinen Grund dafür sieht, aber er würde dich nie im Stich lassen. Und was Dark angeht... ich denke mal, im Moment geht es dem ziemlich gut.“ „Ich will es gar nicht so genau wissen,“ lachte Crimson. „Aber wenn es die Stimmung hebt, soll er mal schön weitermachen...“ Er konnte Cathy gerade noch davon abhalten, ihn einen Blick in das Zimmer werfen zu lassen, in dem Dark übernachtete, und zwar nicht alleine. Das ging ihn nun wirklich nichts an, aber natürlich spürte das Schlossherz seine heimliche Neugier. Seine Wangen fühlten sich heiß an. Falls sein Vater etwas merkte, zeigte er es nicht. „Du kennst dich nicht zufällig mit Traummagie aus?“ fragte Crimson ihn. Shiro schüttelte den Kopf. „Nicht besser als du, und damit solltest du auch vorsichtig sein. Aber das sage ich immer. Also warum tust du nicht, was ein Chaosmagier tun würde, und versuchst es einfach? Du bist schließlich am engsten mit ihm verbunden.“ „Ah. Anscheinend weißt du, worum es dabei geht...“ Crimson fröstelte ein wenig, da er nichts als ein dünnes Nachthemd anhatte, und setzte den Weg zu seinem Turm fort. Shiro heftete sich an seine Fersen. „War ja nicht schwer zu erraten. Ihr zwei braucht vermutlich gar keine Traummagie, um euch einen Traum zu teilen.“ „Allerdings nicht,“ seufzte Crimson. „Mir hat es eigentlich gereicht, die Ausbrennung als Zuschauer zu sehen.“ „Davon träumt er also... das war wohl zu erwarten,“ murmelte sein Vater. „Wenn du das nächste Mal dort bist, in seinem Traum, versuche, ihn in deine Perspektive zu versetzen. Das wird die Sache zumindest ein wenig leichter machen, hoffe ich. Dann versuche, die Szene zu verlassen.“ „Bist du sicher, dass du dich damit nicht auskennst?“ „Ach... es ist nur das, was ich tun würde.“ Shiro begleitete seinen Sohn bis in dessen Zimmer. Crimson stellte keine Fragen und widersprach auch nicht, als der Ältere sich auf den Stuhl am Schreibtisch setzte und sein Licht dämpfte. Es tat ganz gut, dass noch jemand da war, um aufzupassen, dass er nach einem möglichen weiteren Alptraum einen kühlen Kopf behielt. Soach gähnte. Diese Nacht hatte ihn Crimsons Tee zwar wieder einschlafen lassen, aber nicht für lange. Er hatte sein morgendliches Training auf etwas früher verlegt und sich dann um das Frühstück gekümmert. Es bestand aus Omelettfetzen, denn er schaffte es nicht, die Dinger unbeschadet in der Pfanne zu wenden. Der Geschmack... nun, er ließ sich aushalten, wenn man Röstaromen mochte. Eines der Mädels schickte ihn zum Abwasch. „Überlasst uns lieber das Kochen, schließlich wollen ja alle satt werden.“ Soach seufzte. So war er also vom Prinzen und Chaoshexer zum Tellerwäscher geworden. Doch selbst das gestaltete sich schwierig... er zerbrach versehentlich einen Tonbecher und schnitt sich daran, stach sich an einer Fleischgabel und verletzte sich an einem Messer. Die Küchenmädchen scheuchten ihn zur Krankenstation, damit er sich die blutenden Finger heilen lassen konnte. Zum Glück traf er Vindictus an, bemerkte aber, dass Lily auf einem der Betten lag und sich gerade von Dsasheera untersuchen ließ. Die Amazone betastete mit geschlossenen Augen ihren Bauch. Soach trat näher, unbeachtet von der Heilerin. „Scheint alles gut zu sein, meine Liebe,“ sagte Dsasheera. „Oh! Ich glaube, das werden Flügel! Herzlichen Glückwunsch!“ Lily kicherte. „Das ist ja schön! Dass man das jetzt schon erkennen kann!“ „Nun ja, es hilft, dass ich hellsehen kann, Kind.“ Etwas zupfte an Soachs Ärmel. Er blickte nach unten. „Steh da nicht rum, du blutest ja alles voll.“ Vindictus drängte ihn zu einem Stuhl, so dass er die Hände begutachten konnte. „Ohne Magie stellst du dich ja echt idiotisch an...“ Soach spürte das Kribbeln eines Heilzaubers in seinen Händen, doch es dauerte ziemlich lange, die kleinen Küchenverletzungen zu heilen. „Dein Kapall scheint allmählich seine Aufgaben wahrzunehmen. Aber wie ich schon sagte, ist es wenig, also versuch, schlimme Wunden zu vermeiden,“ grummelte Vindictus. Soach hob eine Augenbraue. „Ich dachte, das mit dem Kapall gilt nur für Tränke.“ „Schon, und ich kann auch mein eigenes Meras benutzen, wenn ich dich heile, aber es funktioniert besser mit der körpereigenen Kraft des Patienten,“ erklärte der Heiler. Er runzelte die Stirn. „Was ist das... hast du dich am Bein auch verletzt?“ Soach sprang rasch auf und entzog ihm seine Hände. „Äh... wahrscheinlich meinst du was von gestern... beim Training mit Gorz... Danke, Vindictus, ich habe es ziemlich eilig. Ähm... voller Terminkalender wieder einmal.“ „Ja... wie du meinst...“ Soach flüchtete regelrecht und sah sich nicht einmal nach Lily um. Draußen stieß er fast mit Legend zusammen. „Oh, Soach, ich hab dich gesucht. Hast du kurz Zeit?“ „Äh, sicher...“ Soach packte den Arm des jungen Mannes und zog ihn mit sich, bis er genug Abstand zwischen sich und Vindictus gebracht hatte. Mit dem Alten musste er vorsichtiger sein. „So, was gibt es?“ Der blonde Schüler schien sich nichts dabei zu denken. „Die anderen baten mich, dich etwas zu fragen, weil sie sich selbst nicht recht trauen. Und zwar: Ist es möglich, dass du bei der kommenden Beseelungsfeier auf ein Stichwort die Schriftzeichen an den Wänden aufleuchten lässt?“ Soach blinzelte überrascht. „Das sollte kein Problem sein.“ „Hervorragend! Ich werde es ihnen sagen!“ verkündete Legend. „Wieso trauen sich die Schüler denn nicht selbst, mit mir zu reden?“ hakte Soach nach, obwohl er es sich denken konnte. Legend zögerte ein wenig. „Sie, äh, scheinen nicht recht zu wissen, wie sie jetzt mit dir umgehen sollen. Ich habe ihnen erklärt, dass sie sich ganz normal verhalten sollen und auch ruhig Fragen stellen können, die dich vielleicht an deine verlorene Magie erinnern. Schließlich nützt es nichts, das Thema zu tabuisieren...“ Legend biss sich auf die Lippe und blickte zur Seite. „Oder... wäre es dir lieber, wenn...“ Soach zwang ein Lächeln in sein Gesicht. „Stimmt, du hast ganz Recht, ich will auf keinen Fall wie ein Invalide behandelt werden, und ihr könnt auch ruhig mit mir über Magie reden, das macht mir nichts aus.“ Die Lüge kam glatt über seine Lippen, wenn auch etwas hastig. Legend wirkte entgegen seiner sonstigen sorglosen Art direkt schüchtern und unsicher. „Naja, also dann planen wir das ein, nicht wahr... es wird sicherlich ein schöner Effekt.“ „Ja, dafür sorge ich schon,“ versprach Soach. „Wenn es noch Einzelheiten gibt, die ich dazu wissen sollte, sagt mir Bescheid.“ „Ist gut. Das war es auch schon.“ Legend verzog sich eilig. Als er wieder allein war, rieb sich Soach stöhnend die Schläfen. Die Beseelungsfeier. Die hatte er ganz verdrängt. Hoffentlich stand er das wirklich so einfach durch, wie er behauptete. Allerdings blieb ihm noch etwas Zeit bis dahin, um entweder etwas gelassener zu werden oder völlig durchzudrehen. Damit ihm niemand anmerkte, wie aufgewühlt er schon wieder war, unternahm er einen weiteren Spaziergang ins Dorf. Wenn er sich so oft wie möglich vom Schloss fern hielt, ging es den Bewohnern auch besser, und er selbst konnte sich einreden, dass er keine Magie anwendete, weil es auf solchen Alltagsmissionen keinen Grund dafür gab. Was das anging, machte er sich auch nur etwas vor, denn vermutlich benutzte kein Magier im Schattenreich so viel Magie im Alltag, wie er es getan hatte. Wozu ein Magier sein und dann nur in Bedarfsfällen zaubern? Er musste zugeben, dass er immer die staunenden Blicke genossen hatte, wenn er Dinge aus dem Nichts holte und Bücher in der Luft schweben ließ, einfach so nebenbei. Doch umso schwieriger gestaltete sich der Verlust dieser Fähigkeiten nun für ihn. Ob es wohl ausgebrannte Magier gab, die sich gar nicht daran störten? Personen, die danach einfach eine andere Karriere anfingen und ihre Kräfte kaum vermissten? Soach konnte sich das nicht vorstellen. Auf halbem Weg zum Dorf hielt er inne und setzte sich auf einen Stein am Wegesrand, den er seit jeher des Öfteren für diesen Zweck benutzt hatte – schon vor fast einem Jahr, als er geübt hatte, sich ohne seine Seele vom Schloss zu entfernen. Von hier aus betrachtete er die Mauern von Lotusblüte und beobachtete die magischen Strömungen, die es umgaben, während Cathy arbeitete. Er beschloss, sich in der Bibliothek und in der Schatzkammer nach Literatur umzusehen, die ihm helfen konnte, obgleich das Schlossherz die Inhalte schon darauf überprüft hatte. Vielleicht war etwas seiner Aufmerksamkeit entgangen, etwa ein Buch, das noch niemand gelesen hatte. Dies war immerhin besser, als gar nichts zu unternehmen. Aber zunächst hatte er noch etwas im Dorf zu erledigen, und er wollte fertig sein, bevor im Schloss zu viel los war. Crimson gewann zunehmend den Eindruck, dass sein Freund sich ein wenig gegen ihn sperrte, aber das schob er darauf, dass Soach sich bemühte, seine Niedergeschlagenheit zu verheimlichen, möglicherweise sogar vor sich selbst. Er ging neuerdings jeden Tag ins Dorf und machte Besorgungen oder lieferte den Bewohnern Tränke aus dem Schlossfundus, oder er ging am Meer entlang, manchmal auch im Rahmen seines Trainings mit Gorz. Im Großen und Ganzen jedenfalls hielt er sich oft außerhalb des Gebietes auf, das Cathy kontrollierte. Wenn er das tat, verminderten sich die negativen Folgen seiner angeschlagenen seelischen Verfassung auf das Schloss, obgleich sie nie ganz verschwinden konnten – eben weil diese Seele dem Schloss gehörte, aber noch von dem ausgebrannten Magier mitbenutzt wurde. Crimson ließ ihn gewähren, behielt ihn aber im Auge. Er sorgte sich, dass Soach vielleicht zu viel Zeit alleine verbrachte. Kurz nach dem Frühstück jedoch ergaben sich wieder Sorgen anderer Art, denn die Abordnung des Zirkels des Bösen kam endlich an. Crimson empfing die Gruppe vor dem Haupttor, wobei er bemerkte, dass sie sich alle ziemlich in Schale geworfen hatten für diesen offiziellen Anlass. Mit einem selbstironischen Lächeln nahm er seinen eigenen Alltagsaufzug zur Kenntnis, bestehend aus einer verwaschenen roten Robe und alten Sandalen. Nun ja. Wenn diese Leute sich nicht vorher anmelden konnten, sollten sie sich lieber nicht beschweren. Zu seiner Erleichterung erkannte er Lord Genesis unter den Besuchern, und auch Marquis Belial befand sich in der Gruppe. Sie reisten auf eigenen Flügeln, ebenso wie zwei von drei fremden Zirkelmitgliedern, die Crimson allerdings alle vom Sehen kannte. Derjenige von ihnen, der anscheinend keine Flügel besaß, reiste auf einem Drachen an, und ein zweiter Drache trug Opa Sage und Oma Cosmea. Ein etwas kleineres Exemplar verspätete sich und ließ Thaumator absteigen. Crimson spürte starken Unwillen in sich aufsteigen. Seine Großmutter konnte er gerade noch ertragen, aber was hatte der jüngere Ausbrenner hier zu suchen? Der flügellose Fremde ging ganz vorne. Er war ein gutaussehender Mann mit einer Flut rotbraunen Haares, den Crimson auf Mitte dreißig schätzte, doch bei einem Unterweltler konnte das täuschen. Seine Augen leuchteten goldgelb, und das linke war von einer andersartigen Haut umgeben, die aussah wie Drachenschuppen. Crimson hatte das Phänomen erst für eine Narbe gehalten, sich aber bei näherem Hinsehen korrigiert. Der Körper verschwand unter einem schwarzen Umhang mit protzigen Silberapplikationen am Kragen, doch der Fremde holte eine Hand hervor, um sie auf die linke Brust zu legen, wo die meisten Wesen das Herz hatten. Er neigte feierlich das Haupt. „Seid gegrüßt, Lord Crimson vom Lotusschloss. Ich bin Vanis, amtierender Vorsitzender des Zirkels des Bösen.“ Er wandte sich zu seinen Begleitern um. „Ihr kennt Lord Genesis, Marquis Belial, Thaumator, Meister Sage und Lady Cosmea. Diese beiden Herren sind Finsterlord Asmodeus und Finsterlord Desire.“ Crimson grüßte die Gruppe ebenfalls mit einem Nicken. Asmodeus hatte nachtblaue Federflügel und Desire rote, beide schienen Feen zu sein, wenn ihn sein Gespür nicht trügte. Sie trugen hübsche Rüstungen, dienten den anderen möglicherweise als Geleitschutz. Die sichtbare Haut war hell, fast schneeweiß. „Wir sind gekommen, um über Eure Aufnahme in den Zirkel zu sprechen,“ lenkte Vanis seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Natürlich. Gehen wir in mein Büro.“ Crimson erinnerte sich an seine Manieren und ließ die Leute durch das offene Haupttor eintreten. Die Torflügel schlossen sich wie von Geisterhand hinter ihnen. Als sie einige Schritte weit gekommen waren, leuchtete plötzlich ein Kreis aus Schriftzeichen unter Thaumator auf, gleich danach auch unter Cosmea. Sage, der neben seiner Partnerin ging, streckte instinktiv die Hand nach ihr aus und stieß gegen eine Barriere. „Was hat das zu bedeuten?“ empörte die Magierin sich. Catherine tauchte neben Crimson auf. „Diese beiden sind hier nicht willkommen!“ „Cathy, das ist vielleicht nicht der richtige Augenblick,“ zischte Crimson seinem Schlossherz zu. Doch der Geist ließ sich nicht beirren. „Es gibt gar keinen Grund, warum sie unbedingt dabei sein müssen!“ „Also wirklich! Ich kam mit, weil ich Crimsons Großmutter bin!“ sagte Cosmea. „Und was ist mit dem da?“ Cathy zeigte auf den jüngeren Kollegen. Thaumator lächelte dünn. „Ich bin Mitglied im Zirkel und wollte dabei sein, wenn ein neuer Kollege beitritt. Das ist wohl kaum verwerflich, oder?“ „Für solche Gelegenheiten wird immer bevorzugt eine Gruppe von Personen geschickt, die der Betreffende kennt,“ ergriff Vanis das Wort. „Jedoch mindestens sieben. Das ist Tradition.“ „Das sind acht, schmeiß den Kerl raus!“ zeterte Cathy. Crimson fiel es auch schwer, den Mann zu dulden, der an Soachs Ausbrennung beteiligt gewesen war, doch er konnte sich denken, woran das lag. Die Seele des Schlosses lehnte ihn ab, und ebenso Cosmea, wenn auch nicht so stark – immerhin war sie seine Großmutter. Allerdings konnte er den beiden im Grunde genommen nichts vorwerfen. Ernst sagte er zu seinem Schlossherz: „Cathy, mir ist klar, dass du so reagierst, weil Soach... nun, ich will nicht sagen, sie fürchtet... er möchte sie eben verständlicherweise nicht wiedersehen. Jedoch ist es nichts Persönliches, hörst du? Sie verurteilten ihn zur Ausbrennung der Magie, und jemand musste es machen.“ Davon abgesehen hatten sie Thaumator und Cosmea ja schon beim letzten Besuch geneckt, diese neue Gelegenheit hatte nichts mit Soachs Ausbrennung zu tun. Es ging um die Aufnahme in den Zirkel. Crimson war sich unangenehm bewusst, dass die Besucher seinen Machtkampf mit dem Schlossgeist genau verfolgten. Vielleicht sah auch Cathy das in diesem Moment ein, jedenfalls löste er sich mit einem letzten wütenden Schnaufen auf. „Ich bitte um Verzeihung,“ murmelte Crimson. „Es ist für uns alle momentan nicht leicht.“ „Ja, Belial erzählte, dass die Seele des Rehabilitanden Sorc an dieses Schloss gebunden ist. Ich möchte mir kein Urteil darüber erlauben,“ meinte Vanis. „Wenn das dann geklärt ist, können wir mit dem eigentlichen Grund unseres Kommens fortfahren.“ „Ja, bitte.“ Crimson führte die Männer und Cosmea zu seinem Büro. Er hatte nicht genügend Stühle in dem Raum, aber die Geflügelten wollten ohnehin lieber stehen bleiben. Vanis breitete einige Papiere auf dem Kaffeetischchen aus. Dabei kamen wieder seine Arme zum Vorschein – sie waren mit Fell bedeckt, das erst auf den Handrücken aufhörte. „Der Zirkel des Bösen hat Euren Antrag auf Aufnahme mit einer Mehrheit von 58% gebilligt. Herzlichen Glückwunsch. Außerdem seid Ihr nun der Besitzer der Ländereien von Edeh Arae, da sein Clan keine Einwände erhoben hat.“ Crimson fragte sich im Stillen, ob Lady Charoselle dem Arae Clan dazu geraten hatte. Er nahm zur Kenntnis, dass es nun so aussah, als hätte er darum gebeten, Mitglied im Zirkel zu werden, dabei wäre er selbst nie auf diese Idee gekommen. Vermutlich eine Formsache. „Ähm... der Anteil der Zustimmungen erscheint mir fast ein wenig gering, sollte ich mir da Sorgen machen?“ hakte er nach. „Ach was,“ winkte Vanis ab. „Niemand konnte behaupten, Euch nicht zu kennen, wo Ihr doch erst kürzlich Gast bei uns gewesen seid, aber manche stimmen dagegen, einfach damit es kein einstimmiges Ergebnis wird. Einige sind auch Araes Sympathisanten, doch das muss Euch nicht beunruhigen.“ Es beunruhigte Crimson trotzdem, und er hatte einige Mühe, gelassen zu bleiben. „Danke,“ sagte er mit möglichst festem Tonfall. „Ich hätte es auch bedauert, mich mit den Araes streiten zu müssen.“ Die letzte Bemerkung brachte ihm ein paar hochgezogene Augenbrauen, was ihm gut gefiel. Eigentlich lag es ihm fern, sich mit einem ganzen Unterweltlerclan anzulegen, aber vor dem Zirkel des Bösen galt es, Stärke zu zeigen. „Besitzt ihr schon ein eigenes Wappen, das ihr dort auf einer Flagge hissen könnt?“ erkundigte Vanis sich. „Ich habe eine Schulfahne, geht die?“ fragte Crimson. Dann besann er sich und drückte sich noch einmal anders aus: „Ich meine... ja, wir haben noch einige Exemplare in Reserve. Ich werde noch heute einen Boten hinschicken.“ „Sehr gut,“ nickte der Zirkelvorsitzende. „Wir haben Euch auch eine Flagge mitgebracht. Die Flagge des Zirkels, die Ihr von nun an von Euren Türmen wehen lassen könnt.“ Auf das Stichwort holte Sage die Flagge unter seinem Umhang hervor und überreichte sie seinem Enkel mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln, das wie stolze Anerkennung wirkte, so als sei der Alte froh, dass wenigstens einer seiner Enkel ihm nachfolgte. Crimson nahm einen schwarzen Stoffbeutel entgegen, in dem die Flagge zusammengefaltet zu sein schien. Etwas unsicher fragte er sich, ob sie wohl von ihm erwarteten, dass er sie auspackte, aber Vanis beantwortete ihm das indirekt, indem er auf weitere Punkte zu sprechen kam. „Hier sind einige Informationsblätter für Euch, und hier... das Buch über unsere Geheimschrift, in der Ihr Briefe an andere Mitglieder verfassen könnt. Lernt sie so schnell wie möglich. Hier das Buch über unsere Traditionen und Regeln, Kleiderverordnungen und allgemeine...“ An dieser Stelle unterbrach Crimson ihn. „Moment. Heißt das, ich muss mir so einen rüschenbehafteten Kleidungsstil anschaffen?“ „Rüschen? Oh, weil einige unserer Mitglieder das mögen!“ Vanis lachte amüsiert. „Nicht doch, aber wir haben zu bestimmten Anlässen beispielsweise eine Pflicht für schwarze Roben. Außerdem solltet Ihr Euch überlegen, stilistische Merkmale in Eure Alltagskleidung zu integrieren, an denen Ihr leicht zu erkennen seid. Nur für den Wiedererkennungswert, es kann praktisch alles sein. Und es gibt den Brauch, Gästezimmer mit vornehmer Kleidung auszustatten. Solche Dinge stehen da drin.“ „Oh... dann fahrt doch bitte fort.“ Das tat der Vorsitzende. Crimson bekam weitere Bücher, Merkzettel und Infobroschüren. Für letztere hatte der Zirkel offenbar eine Vorliebe, das wusste er ja, seit er Soach als Rehabilitand hier beherbergte. Zuletzt händige der Unterweltler ihm eine Einladung zum nächsten Zirkeltreffen aus. „Es ist üblich, dass jedes Mitglied einen Begleiter mitbringt, der helfende Tätigkeiten ausführt, etwa Akten tragen oder so. Das macht auch generell einen einflussreichen Eindruck,“ erklärte Vanis. „Habt Ihr schon jemanden für dieses Amt im Hinterkopf?“ „Soach,“ antwortete Crimson sofort. Das folgende Schweigen war direkt ohrenbetäubend. „Nun... vielleicht sollten wir dieses Thema jetzt besprechen,“ meldete sich Marquis Belial zu Wort. „Ihr wart doch so gut wie fertig, oder, Vanis?“ „Ich glaube, das Wichtigste ist gesagt. Bitte, Marquis.“ Der Vorsitzende lehnte sich zurück und ließ Belial reden. Der Sachbearbeiter für den Rehabilitanden Sorc trat an den Tisch heran und reichte Crimson eine Liste. „Dies ist eine Aufzählung der Personen und Gruppen, die sich als Rehabilitationsstelle beworben haben. Wir haben entschieden, Euch zu begünstigen, jedoch werden wir all diesen Bewerbern mitteilen, dass sie persönlich Angebote oder Forderungen unterbreiten dürfen, die Sorc annehmen oder ablehnen kann.“ „Forderungen?“ wiederholte Crimson. „Was wäre das zum Beispiel?“ „Nichts Schlimmes,“ versicherte der Marquis. „Nur wird es den ein oder anderen geben, der sein Angebot nicht so freundlich formuliert wie die übrigen, das ist alles. Viele werden vermutlich gar nicht reagieren, etwa das Kristallschloss.“ „Wo steckt Soach eigentlich?“ fragte Sage. „Oh... er ist...“ Crimson schloss die Augen und sah nach. „Er war auf einem Botengang, wird aber bald hier sein.“ „Ich dachte schon, er traut sich nicht,“ bemerkte Cosmea. Soach zuckte ertappt zusammen, während er die Einkäufe auf seinem Bett abstellte. Er tauschte nur schnell seine Stiefel gegen ein saubereres Paar aus, dann ließ er die Sachen erst einmal stehen und begab sich zügig zum Büro. Dort begegnete er Milla, die vor der Tür stand und sich anscheinend nicht zum Anklopfen überwinden konnte. Sie trug ein Tablett mit einem Teegedeck bei sich. „Hey. Was machst du denn da? Traust du dich nicht rein?“ sprach er sie an. Sie wirkte geradezu erleichtert, ihn zu sehen. „Oh, Soach! Nun, ähm... da sind lauter Leute vom Zirkel des Bösen drin, die machen mich ganz nervös! Ich bin eh schon so aufgekratzt, seit... Nun ja, seit... das mit dir passiert ist.“ „Verstehe,“ meinte er. „Das Schloss überträgt die Stimmung seiner Seele auf euch.“ „Ja, ich glaube schon. Was ist denn mit deiner Hand passiert? Alles in Ordnung?“ „Zu viel Neugier in der Schmiede im Dorf.“ Vindictus würde vermutlich den Kopf schütteln angesichts seines ungeschickten Verbandes an der rechten Hand, aber er wollte auf keinen Fall schon wieder zu ihm. Soach hatte im Dorf extra Vorräte an Bandagen für seinen persönlichen Bedarf besorgt. Salben stellte Crimson ja selber her oder beauftragte ihn damit, so konnte er sich auch daran bedienen, ohne dass sich die Heiler wunderten. Unter den gegebenen Umständen musste Soach nur darauf achten, die Zutaten immer wieder nachzufüllen. Er nahm der Schülerin das Tablett ab. „Ich kümmere mich darum.“ „Ja, danke.“ Milla gab es ihm mit einem Lächeln. Soach legte die bandagierte Hand auf die Klinke, während die andere das Tablett balancierte. Wenigstens sorgte die Tatsache, dass darin Cosmea und Thaumator saßen, dafür, dass seine Gedanken bei seiner Magie waren, so dass er nicht versuchte, das Tablett schweben zu lassen. Er straffte seine Haltung, setzte eine möglichst neutrale Mine auf und trat ein. Alle Blicke richteten sich auf ihn, bis auf Crimsons, der in die Lektüre eines Zirkelformulars vertieft war. Genesis kam ihm sogleich entgegen und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Soach! Bist du wieder wohlauf? Das freut mich.“ „Ja... Danke der Nachfrage.“ Soach stellte das Tablett auf den Tisch und verteilte Tassen, in die er dann Tee eingoss. „Hallo, Vanis,“ sagte er, als er dem Vorsitzenden eine reichte. Crimson sah von seinem Formular auf. „Ihr kennt euch?“ „Er wäre fast mein Schwager geworden,“ verriet Vanis. „Oh... Kriegerbeerentee. Lecker.“ Soach klemmte sich das Tablett unter einen Arm und hielt sich daran fest, während er sich neben Crimsons Stuhl stellte und abwartete, ob jemand etwas zu seiner Person zu sagen hatte. „Konntest du unser bisheriges Gespräch verfolgen?“ fragte Vanis ihn geradeheraus. „Ich war so frei,“ gab Soach zu. Er hatte das Gefühl, dass Thaumator ihn anstarrte, widerstand aber dem Drang zurückzustarren. Vielleicht bildete er es sich auch ein. „Dann hast du ja mitbekommen, was wir besprochen haben, und dass du hier bleiben kannst, sofern dir kein anderes Angebot gefällt,“ fuhr Vanis fort. „Dein Schlossherr wollte dich als den Vertrauten an seiner Seite.“ „Von mir aus gibt es da kein Problem,“ versicherte Soach genauso schnell, wie Crimson verkündet hatte, dass er Soach für diese Aufgabe wollte. Belial holte sein Klemmbrett unter dem Umhang hervor. „Ich werde das erst einmal notieren, und wenn sich nichts anderes ergibt...“ „Es wird sich nichts anderes ergeben,“ unterbrach Soach ihn. „Mein Platz ist genau hier. Auf Schloss Lotusblüte, an der Seite des Schlossherrn.“ Er wusste, dass Crimson grinste, obwohl er nicht hinsah. „Ihr glaubt nicht wirklich, dass mein Schlossherz und ich diesen Mann aus unseren Fängen lassen würden?“ fragte der weißhaarige Magier herausfordernd in die Runde. „Lord Crimson, letztendlich müsst Ihr akzeptieren, wie wir entscheiden,“ wandte Belial ein. „Sagt wer?“ entgegnete Crimson. „Ich möchte zu Protokoll geben, das ich mich an die Regeln gehalten und mich ordnungsgemäß für diesen Rehabilitanden beworben habe, aber ich kann auch anders. Und sagtet Ihr nicht sowieso, dass er hierbleiben kann?“ „Wenn die Bewerber ihn nicht überzeugen,“ erinnerte der Marquis ihn. „Dann ist das ja geklärt,“ setzte Crimson fest. Lord Genesis lachte. „Habe ich euch nicht gesagt, dass wir einen interessanten Neuling kriegen werden?“ Er leerte seine Teetasse. „Wenn es keine Umstände macht, würde ich mich gerne in ein Gästezimmer zurückziehen, ich schlage mir jetzt schon zum wiederholten Mal den Tag um die Ohren. Vielleicht bringt unser Gastgeber mir ja später das Frühstück...“ Die Gruppe johlte, als wüssten alle, wie er das meinte. Vanis erhob sich. „Dann können wir ja nun zum entspannten Teil übergehen. Angelus, du kennst ja das Schloss schon, aber wir anderen würden uns gerne etwas umsehen. Führst du uns herum, Crimson? Ich darf doch du sagen?“ „Ja, also, wenn ich das auch darf?“ entgegnete Crimson mit einem etwas verdutzten Gesichtsausdruck. „Wir benehmen uns nur bei offiziellen Anlässen so förmlich,“ erklärte Sage. „Du hast hoffentlich genug Platz, Crimson, wir wollen gerne ein oder zwei Tage bleiben.“ „Was?“ riefen Soach und Crimson wie aus einem Munde, dann mussten sie zusammen darum kämpfen, dass Cathy sich nicht materialisierte und seine Meinung dazu kundtat. [Schmeißt Thaumator raus!] zeterte der Geist. [Cathy, es ist schon gut. Du hasst ihn doch nur meinetwegen...] versuchte Soach ihn zu beruhigen. Damit der innere Dialog nicht so auffiel, beschäftigte er sich damit, die Teetassen wieder auf dem Tablett zu stapeln. Crimson indessen klinkte sich aus und kümmerte sich um die Besucher. Soach bekam mit, dass er die Gruppe aufforderte, ihm nach draußen zu folgen, um sich zunächst die Gärten anzusehen. [Ich könnte dafür sorgen, dass er sich bei einem Sturz den Hals bricht!] schlug Catherine vor. [Nein, lass ihn einfach zufrieden. Vielleicht... ist es ganz gut, dass ich mich mit ihm auseinandersetzen muss.] Soach gefiel es auch nicht, dass die beiden Magier, mit denen er so negative Erinnerungen verband, sich in seinem Seelenbereich befanden, aber im Prinzip stimmte es, was Crimson vor kurzem gesagt hatte... jemand hatte das Urteil vollstrecken müssen. Das war alles. Als er mit den Teetassen fertig war, bemerkte er, dass Lord Genesis zurückgeblieben war. „Crimson meinte, du könntest mir mein Zimmer zeigen,“ sagte der Vampir. „Sicher, bitte folgt mir.“ Soach führte Genesis zu einem Gästezimmer im ersten Obergeschoss. Er wählte eines mit Balkon mit Blick zum Meer. „Braucht Ihr noch etwas? Ich fürchte, wir haben noch keine Nachtgewänder bereitgestellt, aber ich könnte eines besorgen...“ „Es wird gehen,“ versicherte der Vampir. „Was ist mit deiner Hand passiert?“ „Ich hab mich am Herd verbrannt,“ antwortete Soach knapp. Genesis ließ es dabei bewenden und war dabei, die Vorhänge zuzuziehen, als Soach ihn verließ. Der Prinz kam kaum ein paar Schritte weit, da fiel seine Mutter geradezu über ihn her. „Na? Hat sich entschieden, was sie mit dir machen?“ begehrte sie zu erfahren. Ishzark hielt einen Meter Sicherheitsabstand zu ihr. „Sie hat auf die Bürotür gelauert und dich verfolgt,“ flüsterte er deutlich hörbar, aber seine Frau ignorierte ihn. „Es ist alles in Ordnung, Mutter,“ konnte er ihr nun endlich mitteilen. „Von dir ist diese Bemerkung immer ein Grund zur Vorsicht!“ meinte sie misstrauisch. „Was ist mit deiner Hand?“ Soach verdrehte die Augen. „Eigene Trotteligkeit.“ „Ich hab dir immer gesagt, dass du dich viel zu sehr auf deine Magie verlässt, mein Junge,“ seufzte sie. „Jetzt bist du völlig hilflos...“ „Es ist nur eine Gewöhnungsphase,“ wiegelte er das Thema ab. „Macht euch keine Sorgen. Ähm... ich muss noch das Teetablett in die Küche bringen, dann erzähle ich euch alles, ja?“ Soach ging noch einmal ins Büro, um wie angekündigt das Tablett wegzubringen. Dort angekommen, erschien ihm Catherine. „Wird es weitere solche Unfälle geben?“ fragte der Schlossgeist mit strenger Mine und deutete auf die verbundene Hand. „Und wenn schon,“ murmelte Soach mit einem Anflug von Trotz. „Das ist meine Sache.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)