Die Chronicen von Draconia1 von Silmarille (ungewollter Ruhm) ================================================================================ Kapitel 1: Leben un leben lassen? --------------------------------- Kai vom Nadelwald war ein sehr in sich verschlossener, junger Mann von 19 Jahren. Er war ungewöhnlich groß, hatte kurzes, schwarzbraunes Haar und tiefblaue Augen. Niemand in diesem Dorf kannte seinen ganzen Namen und Kai war froh darüber, denn was wäre wohl wenn die Einwohner wüssten, dass er der einzig Überlebende der Herrscherfamilie von Draconia war? "Ich versteh das nicht!" rief er, als er aus dem Haus trat, das er seit nunmehr 4 Jahren in dem Dorf Jetstar bewohnte. "Es ist zum verrückt werden." Er schlenderte durch die Gassen des Dorfes. "Mir ist echt langweilig. Hier passiert echt gar nichts. Und warum? Ich weiß, dass die Strafen recht hart sind, aber trotzdem. Irgendwas muss doch los sein." Als er in eine breite Straße einbog, hörte er plötzlich aufgeregtes Rufen. Was ist denn da los? fragte er sich und lief auf den Lärm zu. Auf dem Marktplatz hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt. Es schien sogar so als hätte sich das gesamte Dorf Jetstar dort versammelt. "Was ist denn hier los?" fragte der junge Krieger eine Frau, die etwa das gleiche Alter wie er hatte. "Was? Ach du bist es." sagte sie, als sie sich umgedreht hatte. "Da vorne wollen sich zwei schlagen. Der eine beschuldigt den anderen ihm Geld gestohlen zu haben. Ziemlich idiotisch wen du mich fragst." Sie sah ihn direkt an. Der Wind strich sanft durch ihr rehbraunes Haar, ihre grünen Augen strahlten und die schäbigen Lederkleider wirkten an ihr fast wie die Sachen einer Herzogin. "Ach so." Kai schaute sie enttäuscht an. "Und deshalb macht ihr hier so einen Aufstand? Ich dachte schon es wäre etwas Aufregendes." Er drehte sich um und ging davon. "Kai warte!" rief sie ihm nach. "Was ist noch, Kiddi?" fragte er drängend. "Du bist nicht von hier, deshalb verstehst du das auch nicht. Nie würden sich die Bewohner von Jetstar schlagen, es sei denn jemand tut ihnen Leid an." Kai starrte sie eine Weile lang merkwürdig an. Schließlich drehte er sich um und wollte gehen. "Was soll das?" fragte er über die Schulter. "Ich bleib hier eh nicht mehr lange. Ich bin nur hierher gekommen, um unterzutauchen, aber jetzt wird es für mich Zeit zu gehen." "Weshalb? Wo gehst du hin?" wollte Kiddi wissen. "Ich habe noch eine alte Rechnung zu begleichen. Mehr brauchst du nicht zu wissen." "Nimm mich mit, Kai. Ich will die Welt sehen. Bitte, außer einer Prügelei hin und wieder ist hier schließlich nichts Aufregendes los." "Muss das sein?" Kai fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. "Du hältst mich garantiert nur auf und außerdem kann ich dich nicht ständig gegen all die Biester verteidigen, die da draußen rumlaufen. Glaub mir es ist zu gefährlich." "Dann besorge ich mir eben eine Waffe. Bitte Kai, nimm mich mit. Ich werde dir nicht zur Last fallen." "Wenn du meinst..." Kai wandte sich ab und ging Richtung Schmiede davon. "Habt Ihr es?" fragte er noch ehe er ganz durch die Tür gekommen war. "Bitte wartet noch einen Augenblick." antwortete der Schmied unterwürfig. "Ich werde es nur eben hervor holen und noch einmal schleifen, dann könnt Ihr es sofort mitnehmen." Danach verschwand der alte Mann im Hinterzimmer der karg eingerichteten Schmiede. Kai lehnte sich an die Wand, die Arme vor und das Kinn auf der Brust. Quietschend öffnete sich die Tür. "Hallo, Kai!" grüßte eine freudige Frauenstimme. Kai sah nicht auf. Genervt fragte er: "Was im Namen meiner Ahnen willst du hier?" "Wie ich schon sagte, ich will mir eine Waffe besorgen." "Aha!" schnaubte Kai wenig begeistert. Dann kam der Schmied wieder aus dem Hinterzimmer hervor. In seinen Händen trug er ein Langschwert mit weißer Scheide, die mit Gold beschlagen war. "Hier bitte, Euer Schwert, Herr." erklärte der alte Mann. "Ein wunderschönes, wenn ich das anmerken darf. Nur eine Frage hätte ich noch: was bedeuten die Buchstaben K. v. N. auf der Klinge?" "Das hat Euch nicht zu interessieren!" fuhr Kai den Schmied an. Er warf zornig ein paar Goldstücke auf den Tisch, riss dem stämmigen Mann das Schwert aus der Hand und ging. In seiner Hütte angekommen packte Kai einige Sachen zusammen und verstaute sie in einem alten, schäbigen Rucksack. Er schnallte sich sein Schwert, Drachenzahn, um, steckte seinen alten Drachenstahldolch - ein Geschenk von einem alten Freund - in den Gürtel und hängte sich den Rucksack auf die Schultern. Danach verließ er die Hütte. Er schlenderte die Straße entlang Richtung Stadtausgang. "Kai!" rief ihm jemand nach. "Warte doch. Ich komme mit dir!" Wieder fuhr sich Kai mit einer Hand durchs Gesicht. Mist, sie zieht es echt durch. dachte er. Jetzt hab ich so einen Frischling am Hals. "Denkst du immer noch, dass ich dir zur Last fallen würde?" fragte sie verletzt. "Das werde ich nicht, mach dir keine Sorgen." Davon bin ich nur nicht überzeugt. dachte Kai misstrauisch. "Wenn du wirklich mitkommen willst, dann tu es halt. Doch ich werde sicher keinerlei Rücksicht auf dich nehmen." schnaubte er. Kiddi sah ihn merkwürdig an. Schließlich nickte sie leicht. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln verließen sie das Dorf. Als die beiden Gefährten den verwunschenen Wald erreichten, wurde Kiddi klar, dass Kai nicht gescherzt hatte, als er sagte, dass er nicht auf sie warten werde. Er lief so schnell durch den Wald und fand die Wildpfade so zuverlässig, dass sie Mühe hatte mit dem jungen Krieger Schritt zu halten. "Kai, warte doch mal." keuchte Kiddi. "Ich kann nicht mehr weiter." "Ich habe dir doch gesagt, dass du sehen musst, wie du mitkommst." antwortete Kai ohne sich umzudrehen. Kiddi zuckte die Schultern und lief hinter Kai her. Gegen Abend blieb er plötzlich stehen. "Warum rennst du eigentlich so?" keuchte Kiddi, als sie Kai endlich eingeholt hatte. "Wir sind doch nicht auf der Flucht." "Scht... sei still!" flüsterte Kai. "Er beobachtet uns." "Wer?" Sie war nun ebenso leise, wie Kai. "Nun sag schon, wer beobachtet uns?" Kai antwortete nicht. Er hob die Hand und deutete den Pfad entlang. Kiddi blickte in die angegebene Richtung. Ehrfürchtig schlug sie das Zeichen des Speers vor der Brust. Dort stand ein riesiger, roter Hirsch am Ende des Wildpfads. Auf dem Rücken des imposanten Tieres saß eine Hundeartige Gestalt. Das Fell des Wesens hatte die Farbe draconischer Erde, sie trug eine Weiße Lederweste und eine gleichfarbige Hose, Ihre Augen waren rot und das, was bei einem Menschen weiß war, war bei ihr gelb gefärbt. Der Kopf sah aus wie der eines Hundes, die Ohren spitz und die Schnauze lang und wenn das Wesen lächelte, konnte man deutlich die langen, scharfen Zähne sehen. Außerdem hatte die Person noch einen langen, kräftigen Schwanz und sowohl Hände, als auch Füße waren zum klettern geschaffen und hatten jeweils nur vier Finger und Zehen. "Bei der Göttin." flüsterte Kiddi erstaunt. "Sehe ich recht?" "Wenn du einen Baumspringer siehst, siehst du recht." erwiderte Kai. Das Wesen lenkte den Hirsch auf die Gefährten zu. Als sich der Freder - von den Menschen auch Baumspringer genannt - näherte, schreckte Kiddi zurück, während Kai ungerührt stehen blieb. "On urf, in rai!" sagte der Freder mit seiner hellen durchdringenden Stimme. "Tal, Nogi!" Kais tiefe Stimme klang gegen die glockenhelle des Baumspringers wie ein Donnerschlag. "Es ist lange her." "Lange?" Der Freder sah Kai fragend an. "Meines Ermessens nach war es nicht sonderlich lange. 10 Jahre, glaube ich." "Nogi, für die Menschen sind 10 Jahre eine lange Zeit. Sie fliegen nicht einfach so vorrüder, wie es bei deinem Volk der Fall ist." Kai bemerkte, wie sich Kiddi zitternd hinter ihm verbarg. "Ein... ein Baumspringer." stotterte sie. "Beim Blute Raunems ein echter Baumspringer." Lachend saßen die drei Abends am Feuer, obwohl Kiddi den Freder seltsam musterte. Doch allmählich gewann der Freder einen festen Platz in ihrem Herzen. "Du hast dich nicht verändert, in rai." bemerkte der Freder nach einer Weile. "Du auch nicht, alter Freund." entgegnete Kai. "Bist du immer noch auf der Suche nach deinem Vater?" "So ist es." Die Augen des Freder waren von Trauer erfüllt. "Obschon ich bezweifele, dass ich den großen Karan zu finden vermag." Wieder verging einige Zeit, diesmal schweigend. Dann seufzte Nogi. "Ich muss fort." sagte er und erhob sich mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung. "Vildax ren!" der große Hirschbock kam auf Nogi zu und blieb vor dem zierlichen Baumspringer stehen. Wieder schien nur eine einzige Bewegung nötig zu sein, bis Nogi auf dem Rücken seines ungewöhnlichen Reittiers saß. "Ich hätte da noch eine Frage, in rai." sagte Nogi von Vildax' Rücken. "Wo wollt ihr überhaupt hin?" "Zu den Ruinen meiner Heimat." antwortete Kai knapp. Nogi schien zuerst geschockt, doch dann nickte er zustimmend und verschwand im Dunkel der Nacht. "Jetzt werdet Ihr Eurem Vater Gesellschaft leisten, Kai vom Nadelwald!" lachte der grimmige, alte Mann, der sein Schwert an Kais Kehle hielt. Kais Augen zitterten vor Angst, aber sonst gab er keine Regung von sich. Nein ich will noch nicht sterben. dachte er. Nicht so, zitternd wie eine verängstigte Maus auf dem Boden liegend. "Habt Ihr noch einen letzten Wunsch?" fragte der Alte sarkastisch. "Nein? Nun dann werdet Glücklich bei Euren Ahnen!" Der Alte hob sein Schwert und schlug zu. "NEIN!!!" rief Kai, während sich die Klinge unaufhaltsam auf seine Brust zu bewegte. Schweißgebadet wachte Kai auf. War das eine Warnung oder nur ein Traum? fragte er sich. Er schüttelte den Kopf und redete sich ein, dass alles tatsächlich nicht mehr als ein furcht-erregender Traum war. Langsam stand er auf und sah sich um. Die Sonne stand zwar hoch am Himmel, aber - so sehr sich Kai auch anstrengte - er konnte Kiddi nicht entdeck. Wo ist sie nur? fragte er sich. Was mache ich mir überhaupt Sorgen? Die ist sicherlich nur nach Jetstar zurückgekehrt. "Na auch endlich wach?" fragte Kiddi, als sie wieder auf die Lichtung trat. "Ich muss ein Tor gewesen sein, zu denken, dass du endlich wieder zur Vernunft gekommen und in deine Heimat zurückgekehrt bist." knurrte Kai. "Wieso sollte ich?" lachte Kiddi. "Du warst so laut, dass da nicht mal ein Tauber hätte schlafen können. So hab ich halt den Morgen damit verbracht ein wenig die Gegend zu erkunden." Kai griff nach seinem Rucksack und verließ schnellen Schrittes die Lichtung. So ein Sturkopf! dachte Kiddi kopfschüttelnd. Wütend trat sie einen Stein beiseite und folgte Kai. Bald erreichten sie einen Pfad, der den Wildpfad, dem sie folgten, kreuzte. Kai ballte die Fäuste. Die Zeit ist gekommen, dar ich mich an Euch rächen werde, Lord Lorn. drohte er still. Ihr werdet sehen wozu einer derer vom Nadelwald in der Lage ist. "Ihr habt meinen Vater ermordet, meine geliebte Heimat zerstört und mich zu einem einfachen schäbigen Dasein als Waldläufer verurteilt" - ein sarkastisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel - "aber Ihr habt einen riesigen Fehler begangen, Lorn." "Was für einen Fehler hat dieser Lorn begangen?" wollte Kiddi wissen. "Er hat mich am Leben gelassen." Als es dunkel wurde, wurde schnell klar, dass sich Kai nicht wohl fühlte, denn er war ungewöhnlich nervös. "Sollten wir nicht ein Feuer machen?" fragte Kiddi. "Nein!" antwortete Kai barsch. "Es sei denn, du willst alle Banditen und Strauchdiebe, die diesen Weg dort entlang laufen, auf uns aufmerksam machen." Kiddi antwortete nicht. Dazu war sie zu verletzt. Wütend griff sie in ihren Rucksack, förderte ihre Decke hervor und rollte sich darin auf einem alten Baumstamm ein. Kai sah sie eine Weile lang merkwürdig an, nachdem sie eingeschlafen war, dann schlief auch er ein. "Vergiss es, Kai." sagte Kais Vater. "Irgendwann wirst du mich sicher bezwingen können, aber deine Zeit ist noch nicht Gekommen." Der vierjährige Junge sah seinem Vater in die Augen. "Danke, Vater." Flüsterte er und schmiegte sich an den großen Mann. Plötzlich wurde der Raum von einem seltsamen, roten Licht erfüllt. "Lauf, Kai!" schrie sein Vater. "Lauf so schnell du kannst!" Kai gehorchte prompt. So schnell der Junge konnte, rannte er in die Wälder. Als er einen Hügel erreichte, drehte Kai sich um. Die Stadt Draconia brannte wie Zunder. Kai hörte die Schreie derer, die den Flammen nicht entkommen konnten, aber ein Schrei sollte ihn für immer verfolgen. Es war der Todesschrei seines Vaters. "VATER!" schrie Kai in seiner Verzweifelung. "Ich...ich...ich werde deinen Tod rächen. Selbst wenn es das Letzte ist, dass ich tue." Er lief tiefer und tiefer in den Wald hinein. Die nächsten Tage trainierte er wie ein Wilder. Nach einiger Zeit suchte er die nächste Stadt auf und besorgte sich ein Schwert mit dem er von nun an weitertrainierte. Als Kai erwachte, dämmerte es gerade. Es regnete und das Wasser hatte den Platz durchnässt. Da Kiddi erhöht auf dem alten, halbierten Baumstamm lag, machte ihr der überflutete Boden nichts aus, aber Kais Lager befand sich direkt auf der Erde. Seine Kleider waren nass und schwer und ihm war entsetzlich kalt. Er setzte sich auf, fiel aber gleich darauf wieder rücklings auf den Boden und blieb schwer atmend liegen. Kiddi wachte auf, kurz nachdem Kai wieder in den Schlamm gestürzt war. Sie hörte Kais lauten Atem und als sie sich zu ihm umdrehte, sah sie deutlich die Schweißperlen auf seiner Stirn. Langsam ging sie zu ihm, kniete sich in den Morast und legte ihre Hand auf seine Stirn. Er glüht ja förmlich. dachte sie. Vorsichtig packte sie Kai unter den Armen, schleifte ihn mit all ihrer Kraft zu dem Baum-stamm und legte ihn darauf. Danach nahm sie ihre Decke und breitete sie über ihn. Der Waldläufer zitterte und sein Puls raste. "Nein, nicht!" rief Kai. Er hatte das Gefühl, dass er unendlich fiel .Dichter, erstickender Nebel, der ihm die Luft abschnürte, umgab ihn. Verzweifelt rang Kai nach Luft, aber er konnte nicht atmen. Nur der giftige Nebel füllte seine Lungen. Dann endlich hörte sein Fall auf und die Wellen eines Meers aus Schmerz warfen ihn wie einen Spielball hin und her. Unendlich weit entfernt hörte er jemanden seinen Namen rufen. Er versuchte darauf zu zuschwimmen, aber irgendetwas hielt seine Knöchel fest umschlossen. "Kai!" rief die Stimme. "Hier bin ich!" schrie Kai. "Ich bin hier!" obwohl die Stimme immer lauter wurde, hatte Kai das Gefühl als würde er von ihr fortgezogen. Mit letzter Kraft legte sich Kai gegen den Sog und riss sich schließlich auch los. Jetzt schwamm er so schnell er konnte auf die Stimme zu. Nach einem nicht enden wollenden Zeitraum hatte er endlich das Ufer des Meeres und kletterte an Land. Erschöpft blieb er im schwarzen Sand liegen. "Kai!" rief Kiddi ängstlich. "Wach bitte auf." Ihr Blick suchte immer wieder zwischen den Bäumen nach dem, was sie beobachtete. Endlich schlug Kai die Augen auf. Er setzte sich auf und musterte Kiddi, die noch immer zitternd auf den Wald starrte. "Was...was ist?" flüsterte Kai. Kiddi wandte sich schnell zu ihm um. "Oh Kai!" schluchzte sie und fiel ihm um den Hals. "Da...da ist was zwischen den Bäumen." "Wo?" fragte Kai und blickte sich aufmerksam um. Die Nähe zum Pfad machte ihn noch immer nervös. Kiddi vergrub ihr Gesicht an Kais Brust und deutete nach westen. Kai drehte seinen Kopf in die angegebene Richtung. Zwischen den Bäumen blitzten zwei gelbe Augen auf. Als der schwarze Schatten dann Form annahm, fing Kai an zu lachen. "Was...was ist so komisch?" fuhr sie ihn an. "Das ist doch nur Schadow." sagte er lachend. "Der tut niemandem etwas - so lange ich es ihm nicht befehle oder man ein Tier ist, das in sein Maul passt." Plötzlich wurde der Wolf nervös. Er sprang an seinem Herrn vorbei auf den Pfad und knurrte in Richtung Nordwesten, wo der Weg wohl nach Draconia führte. "Schadow, wuren!" befahl Kai leise und der Wolf gehorchte. "Was ist?" fragte Kiddi ebenso leise wie Kai. "Schritte." schnappte Kai. "Sie kommen auf uns zu." "Ich lenke sie ab." Sie stand schnell auf und sah streng auf den Pfad. "Du bist noch zu schwach." Kai ergriff ihr Handgelenk. Sie sah ihn fragend an. Was tue ich hier überhaupt? fragte er sich. Ich müsste froh sein, wenn ich sie loswerde. Sag was, Mondkalb, sag endlich was, Kai! "Was?" fragte Kiddi drängend. "Ich...ich...äh..." Kai schluckte. "Du...du solltest dein Schwert hier lassen. Wenn das der ist, der ich glaube, wirst du weit weniger Probleme haben, wenn du es da lässt." Widerwillig legte Kiddi ihren Gürtel an und gab ihn Kai. Danach verschwand sie hinter den Büschen. Die Truppe bewaffneter, gepanzerter Männer marschierte den Pfad entlang. Einer von ihnen trug die prächtige, goldbesetzte Rüstung eines hochrangigen, taogischen Ritters. Seine Haare waren dunkelblond und seine Augen grün. Er war nicht sonderlich groß und seine Züge waren müde und zornig. Eine weitere, kleinere Truppe von Soldaten kam der größeren Gruppe über einen Hügel entgegen. Kai, der den Trupp vom Gebüsch aus beobachtete, erschrak, als er den Namen des Ritters vernahm. "Lord Lorn, seht!" rief einer der zurückkehrenden Männer. Er trieb eine junge, braunhaarige Frau vor sich her. "Wer ist das?" fragte der Ritter. "Wir wissen es nicht." gab der Soldat zu. "Sie stand plötzlich vor uns und versperrte uns den Weg. Als wir ihr sagten, dass sie uns vorbei lassen solle, weigerte sie sich." Lorn ging auf die Frau zu, packte ihr Kinn und hob ihr Gesicht so an, dass er ihr in die Augen gucken konnte. "Wer bist du Weib?" fragte er schroff. Kiddi antwortete nicht. Sie sah ihn unverwandt und trotzig an. "Sprich, Mädchen!" brüllte er. "Kiddi." antwortete sie und spuckte ihm voller Abscheu ins Gesicht. "Draconischer Abschaum!" fauchte er und schlug ihr mit seiner behandschuhten Hand auf die Wange. "Du bist es nicht wert überhaupt zu atmen." Er wandte sich an seine Männer: "Tötet sie!" "Ja, Herr." erwiderte der führende Soldat. Er drehte sich um und ging mit Kiddi davon. Doch dann stolperte er rückwärts. Über den Hügel kam eine schwarze Gestalt auf vier Pfoten geschlichen. "Was habt Ihr, Mann?" brüllte Lorn. "Das ist doch nur ein Wolf!" Doch dann stockte ihm der Atem. Dem Wolf folgte eine große, schwarzgekleidete Person it gesenktem Kopf. An jeder Hüfte des Mannes hing ein Schwert und an seinem Gürtel glitzerte der reich verzierte Elfenbeingriff eines Dolches. Der Mann hob den Kopf. Seine strengen, blauen Augen richteten sich erst auf Kiddi und dann auf Lorn. Der Schwarzgekleidete hob die rechte Hand und deutete auf Lorn. Dem alten Ritter lief es kalt den Rücken hinunter, als die kühlen, ausdruckslosen Augen des jungen Mannes auf ihm ruhten. "Die Zeit meiner Rache ist gekommen." sagte der Mann streng. "Bereitet Euch vor, Lorn!" "Wer seid Ihr, dass Ihr Euch solche Worte herausnehmt?" fragte Lorn abwertend. Der Krieger sah ihn unverwandt an. Ein boshaftes Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab. "Euer ganz persönlicher Todesengel." lachte der junge Mann. "Soll ich mich jetzt etwa geschmeichelt fühlen?" fragte der Ritter verächtlich. "Oh ich erwarte ganz und gar nicht, dass Ihr Euch geschmeichelt fühlt." Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. "Ich erwarte, dass Ihr sterbt!" "Glaubt Ihr echt, dass ich mich mit einem Amateur wie Euch persönlich herumärgere?" er wandte sich an seine Soldaten: "Kümmert Euch um den Kerl!" Drei der Männer rissen ihre Schwerter aus den Scheiden und stürmten auf den Fremden zu. Der Krieger jedoch blieb regungslos stehen. Erst als die Soldaten ihn erreichten, zog er beide Schwerter und durchbohrte die Soldaten. Der Tod kam für Lorns Männer so schnell, dass es einige Zeit dauerte, bis die Toten zu Boden fielen. "Ist das alles, was Ihr könnt, Lorn?" fragte der Schwarzgewandete sarkastisch. Lorn stieß ein wütendes Knurren aus und schickte den Rest seiner Männer - bis auf zwei, die als seine Leibwache blieben - zum Angriff auf Kai. Der junge Mann verdrehte die Augen und ließ beide Schwerter über seinem Kopf kreisen. Dann verhärteten sich seine Züge und die Schwerter hörten für einen Augenblick auf sich zu bewegen. Er wartet. erkannte Kiddi. Er will die Taogi nahe genug herankommen lassen. Dann endlich gerieten die Waffen des Fremden wieder in Bewegung. Keiner der taogischen Soldaten blieb lange auf den Beinen. Es dauerte nur wenige Sekunden und um den jungen Mann herum lagen überall Tote. "Du...du bist..." stotterte Lorn, als er seinen Gegner erkannte. "Du bist der Sohn des draconischen Herzogs. Du bist..." "Kai, Kai vom Nadelwald." beendete der Fremde den Satz für Lorn. "Egal, wer du bist", knurrte der Ritter, "du kannst mich nicht töten." "Aber ich kann es versuchen." Kai lächelte. "Sind wir hier, um uns zu unterhalten oder um zu kämpfen?" Lorn zog sein Schwert hervor und stürmte auf Kai zu. "Mal sehen, ob Ihr genauso gut seid, wie Euer Vater es war." Lachte er. Kommentarlos ließ Kai eines der Schwerter wieder in die Scheide gleiten. "Es wäre eine Schande", erklärte Kai, "wenn das Schwert meiner Freundin mit Eurem Blut besudelt würde." Der Taogi hob seine Klinge und ließ sie schnell auf Kais Schädel zusausen. Geschickt wich Kai aus und startete seinerseits einen Angriff. Doch Lorn parierte Kais Schlag gegen den Hals des Ritters mit dem Ellenbogen. Drachenzahn glitt an der Panzerung ab und statt Lorns Hals traf die Klinge den Helm des Ritters und riss ihn hinunter. Der Helm landete vor Kiddis Füßen. Das Mädchen wollte aufblicken und Kai ansehen, doch sie wagte es nicht. Zu groß war die Angst, zusehen wie ihr Freund unterlag. Kai hingegen hatte keine Furcht davor, dass sein Gegner stärker war als er. Wie kreuzten sich die Klingen. Lorn näherte sich Kais Gesicht. "Ihr habt Glück." lachte der Ritter. "Wenigstenz sterbt Ihr ehrenhaft." "Wenn ich sterben sollte bevor ich Euch getötet habe", schnappte Kai, "suche ich Euch als Geist heim." Nach diesen Worten stieß Kai Lorn von sich. Der Ritter stürmte erneut vor und seine Klinge streifte Kais Stirn. Doch den jungen Krieger störte die Verletzung nicht. Er ließ seinen Gegner erneut angreifen. Er parierte Lorns neuen Angriff und mit einer schnellen Drehung seines Schwertes entwaffnete er Lorn. Die Wucht von Kais Manöver schleuderte Lorn zu Boden. Er schüttelte den Kopf und versuchte schnell wieder auf die Beine zukommen. Doch als er sich aufsetzen wollte, spürte er kalten Stahl an deiner Kehle. "Da habt Ihr Eure Antwort." bemerkte Kai sarkastisch. "Ich bin nicht so gut wie mein Vater, ich bin besser!" Schnell riss Lorn einen Dolch aus seinem Gürtel und schnitt Kai den Arm auf. Von dieser Attacke überrascht, taumelte Kai rückwärts. Das gab Lorn die Gelegenheit zu entkommen. Er wälzte sich auf den Bauch, sprang auf und rannte davon. So schnell sie konnten folgten ihm die Beiden übrigen Soldaten. Kai sah ihnen hinterher. Als sie außer Sichtweite waren, brach er auf die Knie. Sein Atem ging schwer, Blut tropfte von seiner Stirn und floss seinen Arm hinunter. Schadow kam zu Kai geschlichen und beschnüffelte die Wunden seines Herrn. Doch Kai schob ihn beiseite und der Wolf verschwand mit einem verständnislosen Knurren im Unterholz. "Kai!" rief Kiddi und lief zu ihrem Freund. Kai wehrte sie mit einer schnellen Handbewegung ab. "Mir geht es gut." schnappte er. "Mach dir keine Sorgen um mich." "Warum musst du immer so ein Dickkopf sein?" schrie Kiddi. "Ich bin doch nicht blind! Ich sehe doch was mit dir los ist, Kai. Denkst du ich bemerke das Blut, das dir übers Gesicht rinnt und deine Erschöpfung nicht?" Er hob den Kopf und starrte sie an. Seine Pupillen bebten vor Zorn. "Na und?" fauchte er. "Was zur Hölle geht dich das an?" "Wenn ich dir so zur Last falle, warum hast du mich dann nicht sterben lassen?" In ihren Augen standen Tränen. "Warum hast du mich gerettet?" "Ich war dir noch was schuldig." sagte er. "Ich weiß zwar nicht, was du meinst, aber wir sind ja dann wohl quitt!" Zornig drehte sie sich von Kai weg. Schwankend stand er auf und sah sie an. Nach unendlich langer Zeit legte er ihr die Hand auf die Schulter und drehte sie zu sich herum. "Vergib mir, Kiddi." sagte er leise. "Ich muss ein Tor gewesen sein, dich so zu behandeln." "K-Kai was s-soll das?" keuchte Kiddi. "Glaub mir, Kiddi, es ist mein Ernst. Was ich dir noch schulde, ist mein Vertrauen." Als er bemerkte, dass er Kiddi verängstigte, drehte er sich schnell um, schnallte sich ihren Schwertgut ab und hielt ihn ihr hin. "Ich...ähm...Hier, ich glaube das gehört dir." "D-Danke." Schüchtern nahm sie die Waffe an sich und schnallte sich den Schwertgurt mit zitternden Händen um. "Wir...wir müssen weiter." Kai antwortete nicht. Was zum Teufel tust du da, du Mondkalb? schalte er sich selbst. Rede mit ihr! Gib ihr eine Antwort oder setze dein Weg wortlos fort, aber tu irgendwas! Er dreht sich um und ging eilig an Kiddi vorbei. "Komm endlich!" rief er ihr über die Schulter zu. "Der Weg ist noch lang und ich will verdammt sein, wenn Lorn sich nicht an unserem Ziel befindet." Kai verschwand - wie zuvor Schadow - im Unterholz. Wenig später folgte Kiddi. Sie hatte Mühe ihn einzuholen, denn er war ein geübter Waldläufer und fand seinen Weg schnell und sicher. Sie reisten Abseits der Wege, um nicht auf Späher Lorns zu treffen. Am Mittag des siebten Tages seit sie von Jetstar aufgebrochen waren blieb Kai plötzlich stehen. "Was ist?" fragte Kiddi nervös. "Wir erreichen bald ein offenes Feld." sagte er und blickte sich beunruhigt um. "Da werden wir kaum eine Möglichkeit haben uns zu verbergen, wenn wir auf Späher Lorns treffen sollten. Ich bitte dich daher, dicht bei mir zu bleiben." "Natürlich." Kai nickte ihr zu. Dann lief er weiter. Kiddi folgte ihm nach kurzem Kopfschütteln. Nach einer Weile verließen sie den Wald und betraten tatsächlich ein riesiges Feld, dessen Ende nicht zu sehen war. "Es ist wunderschön." sagte Kiddi staunend. "Ja, das ist es." bestätigte Kai. "Dennoch kann es für uns zur Falle werden und seine tödliche Schönheit wird unser Grab." Vorsichtig betrat er das Feld, immer auf verdächtige Geräusche horchend. Er hatte seine Hand auf den Griff seines Schwertes gelegt. Doch alles war ruhig - zu ruhig. Dann kam die Nacht. Kai setzte sich auf den Boden und zog seinen Drachenstahldolch hervor. Kiddi setzte sich ihm gegenüber auf die Erde, nahm den Rucksack ab und durchwühlte ihn. Schließlich zog sie Feuerstein und Schlageisen hervor. Als Kai das bemerkte, beugte er sich vor und ergriff ihren Arm. Sie sah ihn an und er sah sie an. Er schüttelte den Kopf. "Nein." sagte er. "Kein Feuer oder willst du das ganze Feld abfackeln?" Schnell ließ Kiddi die Sachen wieder in den Rucksack gleiten. Wieder starrten sie sich an. "Ich kann verstehen, wie du dich fühlst, Kai." brach sie das Schweigen. "Immerhin hat er deinen Vater ermordet." "Was weißt du denn schon?" erwiderte er barsch. "Du hast immer nur in den Tag hinein gelebt und weißt nicht, welch eine Wunde ein solcher Verlust reißt." Kiddi kroch zu ihm herüber, hob die Hand und schlug ihm auf die Wange. "Du Idiot!" fauchte sie. "Glaubst du echt, ich wäre so töricht?" Tränen standen in ihren Augen. "Meine Eltern sich gestorben als ich noch klein war. Glaubst du, das wäre so an mir vorbei gegangen?" "Kiddi. Ich... es tut mir leid. Ich hatte ja keine Ahnung." erklärte er nach einer Weile. Betroffen starrte er in den dunklen Nachthimmel. Kiddi kroch wieder auf ihren Platz. Nach einer kargen Mahlzeit aus Brot und etwas Käse rollte sich Kiddi in ihre Decke und schlief schnell ein. Kai übernahm die Wache. Das fahle Licht des Mondes reichte gerade aus, um fünf Meter weit zu sehen. Diese Tatsache beunruhigte Kai enorm. Er umklammerte das Heft seines Schwertes so fest, das seine Knöchel weiß wurden. Allzu leicht konnten sie hier in einen Hinterhalt geraten. Ein Trupp Soldaten kam sehr nahe an Kais und Kiddis Lager heran. Kai war kurz davor Drachenzahn zu ziehen, aber die Truppe marschierte an ihm vorbei ohne Notiz von ihm zu nehmen. Kai entspannte sich wieder und seine Hand glitt vom Schwertgriff ab. Der Tag kam nur langsam und Kai wurde immer nervöser. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu den Ruinen meiner Heimatstadt. dachte er und ballte die Fäuste. Die Wut und das Entsetzen, die er verspürte, als er an die Zerstörung Draconias dachte, waren unerträglich. Kiddi legte ihm die Hand auf die Schulter. "Wie lange bist du schon wach?" fragte er überrascht. "Noch nicht lange." gab sie zu. "Doch lange genug, um zu sehen, wie du dich fühlst." Sie weiß zu viel. dachte er. Sie schaut durch meine Haut direkt in meine Seele. Wenig später brachen sie wieder auf. Noch eine Nacht verbrachten sie auf dem Feld. Dann erreichten sie sein Ende, gingen auf die Spitze eines kleinen Hügels und blickten auf die Ruinen einer Stadt. Überwältigt von dem Anblick, den seine Heimat darbot, brach Kai auf die Knie. "Oh, du einst so mächtige Stadt, Draconia" rief er. "Nie mehr wirst du in deinem einst so mächtigen Glanz erstrahlen. Nie mehr werden deine Feuer die nacht erhellen." Kiddi sah auf Kai hinunter. Sie verstand nur zu gut wie Kai sich fühlte. "Wir werden es Lorn heimzahlen." versuchte sie ihn aufzumuntern. "Verlass dich darauf, aber die Stadt macht mir keinen sicheren Eindruck. Willst du da wirklich hin?" Kai sah sie eine Weile lang stumm an. Dann nickte er. "Ich muss." antwortete er. Er stand auf und hinunter in die Ruinen. Nach kurzem Zögern folgte Kiddi. Er Führte sie durch die verbrannten Straßen bis er vor einem verfallenen Haus stehen blieb. Es muss einst riesig gewesen sein. dachte Kiddi. "Vater... Ist dies deine letzte Ruhestätte? Was haben sie dir angetan?" Er schnitt sich die Handfläche auf und ließ einige Tropfen Blut zwischen die Trümmer fallen. "Ich schwöre bei meinem Blut, dass ich deinen Tod rächen werde." Kiddi blickte betroffen auf den Boden. Plötzlich erklang hinter ihr ein bedrohliches Fauchen. Erschrocken drehte sie sich um und starrte auf einen schwarzen Drachen. Das Tier war noch klein für seine Rasse, aber es war nicht minder gefährlich. Rücklings fiel Kiddi in den Staub. Der schmale, längliche Kopf des Drachen kam immer näher an sie heran. Er bringt mich um. dachte sie. Hätte ich doch bloß auf Kai gehört und wäre zu Hause geblieben. Jetzt ist es zu spät. Der Drache bringt mich um. Doch das Tier hatte nicht die Absicht sie zu töten. Er fletschte die Zähne und beschnüffelte sie. Kiddi wagte nicht zu atmen. Sie starrte nur in die roten Augen des Drachen. "Kai!" flüsterte sie heiser. "Kai, hilf mir!" "Was zur?" fluchte Kai und drehte sich schnell um. "Beim Blute meiner Ahnen, ein wahrhaftiger Drache." Kai musterte das Tier mit ehrfürchtigem Blick. Auf dem Rücken des Drachen saß ein junger Mann in einer hellblauen Rüstung aus Drachenschuppen. "Wer seid Ihr?" fragte er an Kiddi gewandt. "K-Kiddi." Keuchte sie. "Und ich bin Kai." mischte sich der Herzogssohn ein. "Wer seid Ihr, Ritter, und was tut Ihr hier?" "Mein Name tut nichts zur Sache." erwiderte der Ritter. "Wir haben Euch unsere Namen genannt. Es ist nur recht, wenn Ihr uns nun den Euren nennt." "Mein Name lautet Luk. Ich bin ein Drachenritter." Er sah Kai durchdringend an. "Habt Ihr auch einen Nachnamen?" "Einst hatte ich einen." "Und der lautete?" "Vom Nadelwald. Mein richtiger Name lautet Kai vom Nadelwald." "Was?" Der Ritter mustert Kai ungläubig. "Das kann nicht sein. der Herzogssohn ist tot." "Wenn er tot wäre, würde ich nicht vor Euch stehen." "Ich muss zugeben, dass Ihr meinem alten Freund ähnlich seht, aber dennoch Kai vom Nadelwald ist tot." "Luk, Luk, Luk" - Kai legte die Hand an die Stirn - "bist du wirklich so naiv? Zur Hölle noch mal, ich stehe doch vor dir!" Luk schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass Kai von den Toten auferstanden war. "Ich weiß echt nicht mehr was ich glauben soll." sagte er. "Doch langsam ergibt alles einen Sinn: die Taogi im Wald, ihr beide in den Ruinen und..." Er konnte den Satz nicht beenden. Der Drache tat einen hektischen Satz nach vorn und hätte um ein Haar Kiddi niedergetrampelt. Überrascht von der plötzlichen Bewegung des Drachen wurde Luk von seinem Rücken geschleudert. Kai beobachtete das Geschehen aufmerksam. Der schwarze Drache drückte sich ängstlich mit der rechten Seite gegen eine alte, zerbrochene Mauer und starrte nach Westen, wo sich eine riesiger roter Drache auf sie zu bewegte. Luk war aufgesprungen und hastete nun zu seinem Reittier, Kiddi hatte sich hinter einem Trümmerberg versteckt und Kai stand mit gezogenem Schwert da und wartete auf seinen Gegner. Als er Kai erblickte, erhöhte der rote Drache sein Tempo. Dann stand er direkt vor Kai. Das riesige Tier senkte den Kopf und fletschte die Zähne. Doch Kai ließ sich nicht beeindrucken. Er hob Drachenzahn empor und schlug dem Roten hart gegen die Nüstern. Wütend riss der Drache den Kopf hoch und brüllte. Er stieß mit seinem Kopf nach unten und versuchte Kai zwischen seine Kiefer zu bekommen, aber sein Gegner war schneller und wendiger als der Drache und so war es für Kai ein Leichtes gewesen dem Briest auszuweichen. Als der Drache ihm wütend nachblickte, zog Kai seinen Drachenstahldolch hervor und schleuderte ihn dem Drachen entgegen. Die Schneide traf das linke Auge der Bestie. Vor Schmerzen brüllend schüttelte das Tier den Kopf und schlug mit seinem Schwanz um sich. Dieser traf Kai und schleuderte ihn gegen die Nächste Wand. Kai schlug hart mit dem Rücken auf und blieb regungslos liegen. "Kai!" schrie Kiddi und sprang mit gezogenem Schwert auf. Der Drache wandte seine Aufmerksam nun Kiddi zu, doch sie stand einfach nur da, die Klinge ihres Schwertes auf den Drachen gerichtet. "Sevo, König aller Drachen, größter aller Schwertmeister bitte leih mir deine Macht, auf das das Böse diesen Ort verlasse." murmelte sie. Ein schwarzer Energiestrahl löste sich von ihrer Klinge und durchbohrte den roten Drachen. Kapitel 2: Lorns Ende --------------------- Noch immer drückte sich der schwarze Drache zitternd gegen die Mauer. "Shiva, es ist alles in Ordnung." versuchte Luk den Drachen zu beruhigen. "Schau doch, der große ist tot. Er kann dir nichts mehr tun." Nach diesen Worten hörte der Drache auf zu zittern und sah sich aufmerksam um. Keuchend stand Kiddi da und starrte ungläubig auf den toten Drachen. "War ich das?" fragte sie. "Habe ich das vollbracht?" Luk kam zu ihr. Wortlos ließ er Shivas Zügel los und ging zu dem riesigen Kadaver. Er nahm den Elfenbeingriff von Kais Dolch in die Hand und zog die mit schwarzem Drachenblut verschmierte Klinge hervor. Der Ritter drehte sich um und ging auf Kai zu. dann kniete er nieder und steckte den Dolch zurück in die Scheide bevor er seinen Freund auf Shiva zuschleifte. "Hilf mir mal." sagte er zu Kiddi mit ausdrucksloser Stimme. "Wir müssen ihn von hier fort schaffen." Abwesend folgte Kiddi Luks Befehl. Sie und der Ritter hievten den leblosen Körper auf Shivas breiten Rücken. Danach stiegen sie beide selbst auf. Mit dem Gewicht von drei Personen auf dem Rücken war es dem Drachen nicht möglich zu fliegen, aber dennoch schafften sie es die es die 30.000 Meter nach Aora in weniger als zwei Stunden zurückzulegen. Als Luk auf dem Marktplatz eine Menschenansammlung erblickte, hielt er direkt darauf zu. Kurz bevor er die hinterste Reihe der Leute erreichte, zog Luk so plötzlich an den Zügeln, das Shiva wütend den Kopf empor riss und laut aufbrüllte. Erschrocken drehten sich die Leute zu Shiva um. "Ein Drache!" schrie einer. "Er wird uns alle umbringen!" Noch bevor eine Panik ausbrechen konnte, ließ sich Kiddi ruhig von dem Rücken des Drachen gleiten. "Bitte, helft uns." flehte sie. "Wir wurden in den Ruinen von einem Drachen attakiert und mein Freund wurde verletzt. Bitte, er überlebt sonst nicht." Warum lügt sie? fragte sich Luk. Wovor hat sie Angst? "Sagt uns erst wer Ihr seid!" verlangte ein älterer Mann zu wissen. Als der alte näher kam, sprang Luk von Shivas Rücken und sank auf ein Knie nieder. Kiddi hingegen blieb stehen und senkte ergeben den Blick. "Ich... ich bin Kiddi aus Jetstar, Lektor Irigun." stotterte Kiddi. "Es...es ehrt mich Euch gegenüber zu stehen." "Ich grüße dich, Tochter." erwiderte der Alte und wandte sich an Luk: "Und wer seid Ihr, mein Sohn?" "Luk." brach der Drachenritter heraus. "Ich bin nur ein bescheidener Ritter, Herr." "Ihr könnt kein einfacher, bescheidener Ritter sein, wenn Euch ein solch beeindruckendes Reittier und eine solche Schönheit begleiten." "Ich habe den Drachen großgezogen und Kiddi begleitet nicht mich, sondern einen Freund." "Redet Ihr von jenem >Freund<, der verletzt wurde, Ritter?" "Ja, Herr." "Und Ihr sagt also, dass er nicht Euer freund ist?" "Nein, Herr, ich bezweifele nicht mehr, dass er mein Freund ist. Es war für mich nur anfangs schwer zu glauben." "Weshalb?" "Nun, Herr, weil Kai vom Nadelwald eigentlich tot sein müsste." Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge. "Ihr behauptet, dass Euer Freund der rechtmäßige Herrscher Draconias ist." erkannte Lektor Irigun misstrauisch. "Seid Ihr Euch bewusst, was Ihr da gesagt habt?" "Ja, das bin ich." "Nun denn. Wir werden Euch helfen." Der Lektor winkte ein paar Männer heran, die Kai von Shivas Rücken zogen und fortbrachten. Kiddi folgte den Männern, doch Luk konnte nicht. Er konnte Kai einfach nicht in diesem Zustand ansehen. Er wartete bis auch der Lektor gegangen war. Dann stand er auf und riss sich wütend den Helm vom Kopf. Sein kurzes, braunes Haar klebte an seiner Stirn und seine grünen Augen waren starr vor Zorn. Warum habe ich nicht schneller reagiert? Dachte er. Ich hätte es verhindern können, wenn ich nur schneller reagiert hätte! Er starrte den hellblauen Helm an. Schließlich schleuderte er ihn wutentbrannt von sich. "Ich bin ein Narr!" sagte er zu sich selbst. "Ich hätte es verhindern können. Warum habe ich nicht gegen dieses Biest gekämpft? Ich hatte keine Angst, aber ich...ich..." Luk sank auf die Knie und starrte auf seine Hände. Er zitterte. Lange hockte er so da. Doch dann rollte ihm sein Helm gegen die Knie. Er sah auf und starrte in Shivas, große, rote Augen. Sie stieß ihn aufmunternd an und schnaubte. "Danke, mein Mädchen." sagte Luk sanft und hob seinen Helm auf. "Zum Glück habe ich dich an meiner Seite." Kiddi saß bei Kai am Bett und versuchte nicht in ihrer Verzweifelung zu versinken. Besorgt betrachtete sie den Herzogssohn, strich ihm die Haare aus der Stirn und hielt seine Hand fest umschlossen. "Kai!" flüsterte sie. "Bitte wach auf." Doch Kai gab kein Lebenszeichen von sich. Kiddi rannen Tränen übers Gesicht. "Du verfluchter Sturkopf!" schrie sie. "Warum bist auch in diese verruchte Stadt gegangen? Sie war mir von Anfang an nicht geheuer, aber du bist trotzdem hingegangen. Warum, Kai? Sag es mir!" Sie spürte, wie der große Mann ihre Hand drückte. Endlich gab Kai ein Lebenszeichen von sich. Endlich nach fünf Tagen der Ungewissheit war klar, dass Kai lebte. "Kai!" flüsterte sie. "Was für ein Glück, dass du noch lebst." Langsam öffnete Kai die Augen und sah Kiddi an. Er lächelte schwach. "Hast du... die ganze Zeit... neben mir ... gesessen?" fragte er schwach. "Ja, habe ich." Sie nickte. " Luk hat sich hier kaum blicken lassen. Ich glaube, dass er sich die Schuld an dem Vorfall in Draconia gibt." Sie sah zur Tür und dann wieder auf Kai. Immer wenn Luk diese ganzen fröhlichen Gesichter in Aora leid war, ritt Luk auf Shiva durch den Wald. Das tat er auch an diesem Tag. Drei Tage war es jetzt her, seit Kai wieder zu sich gekommen war. Als er einige Meter in den Wald geritten war, stieg er ab und schlug mit der Faust gegen einen Baum. Ich bin ein solcher Idiot! dachte er. Er hat soviel für Kiddi und mich riskiert und ich bin sogar zu feige, um ihm entgegen zu treten. Was ist bloß aus mir geworden. Wäre Kaine jetzt hier und könnte mich sehen, sie würde sich zu Tode lachen über die Feigheit ihres kleinen Bruders. Er wollte es nicht, aber dennoch verglich er sich immer wieder mit seiner älteren Schwester. Sie war so selbstsicher und noch nie im Kampf ernsthaft verletzt worden, aber sie war auch kaltblütig. Plötzlich wurde Luk von lautem Kampfgetöse aus seinen Gedanken gerissen. So schnell wie möglich sprang er auf Shivas Rücken. Er lenkte den Drachen in die Richtung aus der der Lärm kam. Bald ereichte er eine große Lichtung auf der sich einige leicht bekleidete Krieger und ein etwas größerer Trupp von Soldaten gegenüber standen. Einer der gepanzerten Soldaten stand abseits. Seine goldbesetzte Rüstung strahlte im Sonnenlicht. Er trug keinen Helm. "Lorn!" keuchte Luk, als der Mann den Kopf zu den Büschen drehte. "Er hat sich also bis hierher gewagt." Er musterte die leichter bekleideten Krieger missmutig. "Sie haben keine Chance." Luk wusste, dass auch er allein nichts gegen Lorn ausrichten konnte, aber er war nicht allein. Eine Weile lang beobachtete Luk den Kampf aus einiger Entfernung. Doch irgendwann hielt Shiva das Zusehen nicht mehr aus - der Lärm des Kampfes und der Geruch von Blut machten sie rasend - und so stürmte sie aus dem Gebüsch hervor. Der Kampf nahm ein jähes Ende, als der schwarze Drache aus dem Unterholz brach. "Lasst euch von uns nicht stören." lachte Luk. "Wir wollten nur ein wenig für Gerechtigkeit sorgen." Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, aber das war unter dem Drachen-schuppenhelm nicht zu sehen. "Also auf ins Gefecht, Shiva." Luk wandte seinen strengen Blick Lorn zu. "Seid Ihr zu feige, um selbst zu kämpfen, Lorn? Als Ihr meine Heimat zerstörtet wart Ihr weit weniger zimperlich." Lorn blickte den Ritter zornig an. "Wer seid Ihr, dass Ihr, dass Ihr solche Anschuldigungen gegen mich vorbringt?" rief Lord Lorn. "Zeigt mir Euer Gesicht!" "Vielleicht bin ich so gütig und zeige Euch mein Gesicht, wenn Ihr Euren letzten Atemzug tut." erwiderte Luk gehässig. "Meinen Namen allerdings könnt Ihr jetzt erfahren. Ich bin Luk der Drachenritter." "Der berühmte Drachenritter." Lorn lachte verächtlich. "Ich hielt Euch für einen Mythos." "Wie Ihr leicht erkennen könnt, bin ich kein Mythos." "Nein, ein Mythos seid Ihr nicht, aber auch kein Würdiger Gegner." Luk antwortete nicht auf Lorns Provokation. Er zog sein Schwert und ließ sich von Shivas Rücken gleiten. "Wehe du greifst einen Krieger an, der keine Panzerung trägt." flüsterte er dem Drachen ins Ohr und streichelte ihren Hals. "Nur die Taogi, Shiva. Jetzt amüsier dich ein wenig, mein Mädchen!" Ein bösartiges Grinsen verzerrte die Züge des Drachen als habe sie verstanden, was Luk gesagt hatte. Luk erklärte den ihn umgebenden Kriegern mit einem kurzen Nicken, dass er auf ihrer Seite war. Schnell ordneten sich die Reihen der Fremden wieder. Schwerter wirbelten herum und machten mit allem, was sie trafen kurzen Prozess. Auch Shiva bekam immer wieder einen Taogi zwischen ihre mächtigen Kiefer, den wie mit einem kurzen Biss tötete. Mit einer heftigen Bewegung ihres Kopfes schleuderte sie den Leichnam schließlich zwischen die Bäume. Doch auch die Taogi landeten einige Treffer gegen ihre Gegner. Ein Hieb traf Shiva am Hals. Zwar waren die Schuppen ihrer Art so stark, dass keine von Menschenhand gefertigte Waffe sie verletzen konnte, aber da Shiva noch jung war, verletzte die Klinge sie leicht. Ein weiterer Hieb traf den Rücken des Drachen. Doch die Klinge brach ab und hinterließ ebenfalls nur eine leichte Wunde. Schwarzes Drachenblut tropfte auf den Boden und versengte das Gras. Luk hingegen wurde kaum getroffen. Sicher seine Drachenschuppenrüstung bekam einige Schrammen ab und auch einige blutende Wunden klafften in seiner Haut, aber er streckte wesendlich mehr Soldaten nieder als er Wunden einsteckte. Letztendlich war nur noch ein Soldat übrig und Lorn warf sich in den Kampf. "Niemand erhebt seine Klinge gegen Lorn!" schrie Luk. "Er gehört mir!" Sichtlich verwirrt ließen die Krieger die Waffen sinken. Luk stellte sich Lorn mit gezogener Waffe entgegen. Doch Lorn grinste ihn nur an, zog seinen Dolch und warf ihn Luk entgegen. Die Klinge traf die rechte Schulter des Drachenritters so stark, dass Luk seinen Schwertarm nicht mehr heben konnte. Dann schlug Lorn dem Ritter mit der flachen Seite seines Schwertes auf den Helm. Luk brach bewusstlos zusammen. Lorn hingegen beugte sich über den Jungen und zog an seinem Helm. Als Shiva bemerkte, wie sich der alte Ritter an ihrem Herrn zuschaffen machte, knurrte sie wütend und griff ihn an. Lorn hatte den Helm bereits halb herunter gezogen, als er das aufgebrachte Fauchen des Drachen hinter sich vernahm. Er fuhr herum und riss sein Schwert nach oben. Der Drache umging die Klinge, legte den Kopf seitwärts und verbiss sich in Lorns Körper. Trotz des betäubenden Schmerzes schaffte es Lorn, sein Schwert zu heben und so gegen Shivas Kopf zu schlagen, das sie taumelnd zusammenbrach. Die Kiefer des bewusstlosen Drachen öffneten sich und Lorn konnte sich aus Shivas tödlichem Biss befreien. Strauchelnd suchte er sein Heil in der Flucht. Luk erwachte und blickte um sich. Er konnte erst nichts sehen und dachte er wäre blind, aber dann bemerkte er, dass lediglich das Visier seines Helms ihm die Sicht versperrte und er riss sich den Kopfschutz herunter. Doch schnell bereute er es getan zu haben, denn das Bild, das sich ihm bot war entsetzlich. Um ihn herum lagen Leichen, sterbende und verwundete. Dann sah er ganz in seiner Nähe den Drachen. Shiva! dachte er. Was ist geschehen? War das... "Lorn." Er wallte vor Wut seine Fäuste. "Er wird dafür zahlen." Luk lief zu dem Drachen und begutachtete die Wunden. Nachdem er sich sicher war, dass die Verletzungen nicht schwer waren, hielt er seine Hand vor die Nüstern. "Sie lebt." stellte er erleichtert fest. Danach ging er zwischen den Verwundeten umher und versorgte ihre Wunden. Schließlich lehnte er sich erschöpft an die Seite des Drachen. "Was?" rief Kai. "Sie sind fort? Wie kann das sein?" "Beruhige dich, Kai!" erwiderte Kiddi. "Ich bin mir sicher, dass Luk und Shiva nichts passiert ist. Sie kommen bestimmt bald zurück." Doch Kai hörte sie nicht. Seine Verletzungen nicht beachtend sprang er auf, schnallte sich hastig seinen Schwertgurt um und griff seinen Dolch. Dann lief er auf die Tür zu und riss sie auf. Kiddi wollte ihn noch zurück halten, aber Kai hatte die Tür bereits wieder hinter sich zugeschlagen. Kai rannte in die Wälder und fand schnell die deutlichen Abdrücke der Drachenpranken. Bald hatte er eine weitläufige Lichtung erreicht. Ihm stockte der Atem. Das Gras war von Blut rot gefärbt und um ihn herum lagen die Leichen von Taogischen Soldaten und anderen Kriegern, die weder Draconiar noch Taogi waren. Fewalli. dachte Kai. Was tun die hier? Das hier ist doch Draconia und nicht Fewall. Als seine Augen weiter über den Platz streiften, erblickte er eine mächtige, schwarze Gestalt, die von Kriegern umringt war. Kai kam langsam und lautlos auf sie zu. "Hauptmann Yakim", rief einer der Fewalli, "was sollen wir jetzt machen? Wir können diesen Draconiar und seinen Drachen doch nicht einfach den Wölfen überlassen, nachdem was sie für uns getan haben." Stumm pflichteten ihm die anderen Fewalli bei. Nur einer zeigte keinerlei Reaktion. Er hatte hellblonde, fast weiße Haare und grasgrüne Augen. Sein Gesicht war streng und nachdenklich. Kai drängte sich an den Kriegern vorbei. Er beachtete ihre misstrauischen Blicke nicht. Endlich konnte er auf Luk hinab blicken. Entsetzt kniete er sich vor seinen Gefährten und versuchte, ihn wachzurütteln. Langsam öffnete Luk seine Augen. "Luk, mein Freund, bist du verletzt?" fragte Kai besorgt. "Wer?" fragte Luk verwirrt. "Ich bin es: Kai." "Kai? Wie kommst du hier her?" "Das ist nicht wichtig." Kai seufzte vor Erleichterung. "Geht es dir gut, mein Freund?" "Ich kann meinen arm nicht bewegen, aber sonst ist alles in Ordnung." "Was ist geschehen?" "Lorn hat diese Fewalli attakiert. Sie waren gegen die Taogi in der Minderzahl." Luk griff nach Kais Arm. "Kai, sie hätten gegen Lord Lorn keine Chance gehabt!" Kai stand auf. Seine Augen waren hasserfüllt. "Lorn!" flüsterte er. "Jetzt bringe ich dich um. Beim Blute meiner Ahnen schwöre ich, dass mein Schwert das Letzte sein wird, das du spürst." Luk stützte sich an Shivas Körper ab und richtete sich auf. "Kai, ich habe es dir noch nie gesagt", erklärte Luk, "aber ich sage es dir jetzt: Wenn du gegen Lorn in den Kampf ziehst, folge ich dir. Bei der Göttin ich folge dir, wenn es sein muss sogar bis in meinen Tod." "Luk..." Kai wandte seinen Blick gen Boden. "Ich danke dir, mein Freund, aber ich kann dieses Gelöbnis nicht annehmen." "Verdammt, Kai! Ich bin dein Freund oder? Ich war schon dein Freund bevor unsere Heimat niederbrannte. Was zum Teufel soll das alles also? Egal ob es dir nun passt oder nicht, ich folge dir!" "Luk, du kannst deinen Schwertarm nicht bewegen. Du kannst nicht kämpfen. Wenn du mir in den Kampf folgst, wäre es dein Tod." Verdammt er hat recht. fluchte Luk in Gedanken. Vielleicht kann ich nicht kämpfen, aber Shiva kann es. "Was ist mit dem Drachen des Ritters?" mischte sich der streng blickende Krieger bei. "Er kann doch für seinen Herrn kämpfen." "Wer seid Ihr, dass Ihr Euch da einmischt?" fuhr Kai den anderen Mann an. "Mein Name lautet Yakim, Yakim von Fewall." antwortete der Fewalli. "Na und? Ich habe mir noch nie von jemandem Vorschriften machen lassen und werde jetzt nicht damit anfangen. Luk wird nicht mit mir kommen und dabei bleibt es!" Entschlossen drehte er sich um und ging Richtung Aora davon. "Ist der immer so Dickköpfig?" fragte Yakim an Luk gewandt. "Kann ich nicht sagen." erwiderte Luk schulterzuckend. "Ich hab ihn erst vor einigen Tagen wiedergesehen." "Aber Ihr sagtet doch, dass Ihr sein Freund seid." "Das bin ich auch, zu mindest dachte ich das immer, aber er hat sich verändert. Und wer kann es ihm verdenken. Vor 15 Jahren hat Lorn seinen Vater ermordet und unsere Heimat zerstört. Ich gebe zu, auch ich verspüre einen tiefen Gräuel gegen diesen Bastart von Lorn, aber Kai steigert sich da in etwas rein." Luk schüttelte den Kopf und ging auf Shiva zu. er strich ihr sanft über den Hals. "Wach auf, mein Mädchen." flüsterte er. "Wir müssen weg." Shiva hob benommen ihren Kopf und schüttelte ihn. Sie sah sich erst auf der Lichtung um und blickte dann auf Luk hinab. "Hilf mir hoch, Shiva." sagte er. "Ich kann meinen rechten Arm nicht bewegen." Shiva senkte ihren Kopf, legte ihn eng an ihre Seite und ließ ihren Herrn auf ihre Schultern klettern. Als Luk saß richtete sich Shiva auf und breitete ihre Flügel aus. Sie sprang ab und verschwand mit einigen Flügelschlägen in den Wolken. Wo sie gelegen hatte war das Gras von ihrem Blut versenkt. Drei Tage später waren Kai Luk und Kiddi auf dem Weg nach Minter, wo sie voraussichtlich auf Lorn treffen würden. "Und du bist dir sicher, dass du diesem Kerl trauen kannst, Kai?" fragte Luk nach einer Weile. "Wem kann man in diesen Zeiten schon trauen?" erwiderte Kai. "Sicher es gibt nicht viele, aber Devin ist einer meiner besten Freunde und ich glaube ihm. Wenn er sagt, dass Lorn in Minter ist, gehe ich dorthin." Luk und Kiddi sahen sich an und zuckten die Schultern. Es würde nur noch einen Tagesmarsch dauern bis sie Minter erreichten und jeder von ihnen wusste, was dann geschehen würde, Kai würde Lorn töten oder selbst getötet werden. Vor ihnen lag das fewallische Dorf Minter in all seiner Pracht. Es war ein Dorf wie jedes andere und doch etwas Besonderes. Es lag in einem Tal umringt von grasbewachsenen Hügeln. Kai hatte keine Augen für das Dorf. Er suchte nach der goldbesetzten Rüstung Lorns. Plötzlich rannte er los. Kiddi und Luk folgten nach einem verduzten Zögern. "Lorn, stellt Euch!" rief Kai. Der Ritter wandte sich um und starrte Kai hasserfüllt an. "Was wollt Ihr, Waldwolf?" fragte er sarkastisch. Waldwolf, so war Kai seit Ewigkeiten nicht mehr gerufen worden. Es war ein Name, den man ihm aufgrund seines ewigen Begleiters Schadow gegeben hatte. "Euren Tod, Lord Lorn." erwiderte Kai. "Oh bitte, hatten wir das nicht bereits einmal?" lachte Lorn. "Ihr habt damals versagt und Ihr werdet es wieder tun." "Da wäre ich mir an Eurer stelle nicht so sicher, Mylord." "Zeigt was Ihr könnt, Waldwolf!" Kai zog sein Schwert und hielt es senkrecht vor seinen Körper. Er war entschlossen seinen Gegner zu zerschmettern. Auch Lorn zog sein Schwert und stürmte auf Kai zu. Der Schlag des Ritters war gegen Kais Kopf gerichtet, aber Drachenzahn blockierte die Klinge Lorns. Lorn hob erneut das Schwert und führte einen horizontalen Schlag gegen Kais Hals aus. Der Waldwolf duckte sich. Die Klinge des Ritters prallte gegen eine Wand und zerbarst. Ein herumfliegendes Trümmerstück bohrte sich in Kais linken Arm, aber er spürte den Schmerz nicht. Er hob Drachenzahn und bohrte es geschickt durch Lorns Brustpanzer in das Herz des Ritters. Dann zog er die Klinge mit einer geschickten Bewegung wieder hervor und Lorn stürzte zu Boden. Kai sank auf die Knie und starrte auf die blutbefleckte Klinge von Drachenzahn. Blut floss über seinen Arm, aber es störte Kai nicht. Für ihn war nur wichtig, dass Lorn endlich tot und sein Eid erfüllt war. Jetzt endlich konnte er in Frieden sterben, jetzt konnte er endlich ohne Kämpfe leben - so glaubte er, aber er war sich der Rolle, die er noch spielen sollte, noch nicht bewusst. Luk und Kiddi traten zu ihm und starrten eine Weile lang auf die Leiche des toten Ritters. "Kai", sagte Kiddi sanft und legte ihm die Hand auf die Schulter, "lass uns Heim gehen." "Ich habe keine Heimat mehr." rief Kai und riss die Klinge aus seinem Arm. "Meine Heimat ist vor 15 Jahren niedergebrannt." "Nein! Kai, du hast eine Heimat. 4 Jahre lang hast du in Jetstar gelebt. Glaubst du nicht es reicht für eine Heimat. Außerdem ist eine Heimat doch da wo das Herz ist, oder? Kai sei ehrlich, du hast eine Heimat." Kai sah sie an. Seine Miene wurde seltsam weich. "Du hast Recht, Kiddi." sagte er nach einer Weile. "Ich bin ein solcher Tor. Da hatte ich eine Heimat und hab sie einfach nicht erkannt." Luk hielt Kai die Hand hin. Hinter ihm stand Shiva und starrte den Waldwolf neugierig an. "Komm Kai." sagte er. "Lass uns gehen." Kapitel 3: Gefangen ------------------- Ein Jahr war seit Lorns Tod vergangen und Kai fühlte sich in Jetstar immer noch nicht wohl. Es war ihm einfach zu wenig los. Sicher, Luk und Shiva hatten für einiges Aufsehen gesorgt, aber das war schnell vorbei gewesen. Immer wieder zog es Kai zum Wald, spürte er Schadows erwartungsvolle Blicke auf sich. Berichten zu folge war Draconia vor einigen Monaten wieder aufgebaut worden. Doch war dies eine so gute Idee gewesen? Kai konnte sich des flauen Gefühls in seinem Magen nicht erwehren. Er musste einfach wissen, ob der taogische König wirklich so töricht war und den Drachen die Herrschaft über die Ruinen des einstmals als die goldene Stadt bekannten Ortes entrissen hatte. Kai musste Kiddi und Luk davon erzählen, aber würden sie seinen Worten Glauben schenken? Würden sie seine Sorge verstehen? Er schlenderte durch die Gassen des Dorfes. Jetstar war ein ziemlich übersichtliches Dorf und dennoch fand sich Kai dort nicht allzu gut zurecht. Trotzdem war es für den Waldwolf ein Leichtes Kiddis Haus zu finden. Kiddi und Luk saßen am Tisch in der kleinen, übersichtlichen Küche der Hexe und unterhielten sich. "Er fühlt sich hier immer noch nicht zu Hause, oder?" fragte Kiddi. "Nein, aber dich trifft daran keine Schuld." erwiderte Luk leise. "Lorn nachzujagen war sein Lebensinhalt. Jetzt wo der Lord tot ist, hat er einfach nichts mehr zu tun und sehnt sich nach Abenteuern." "Ich weiß, aber was können wir tun? Wenn..." "Wenn wir nichts tun, bringt er sich noch selbst in Gefahr." Er schlug mit der behandschuhten Faust auf den Tisch. "Bei Raunems blutigem Speer, Kai muss endlich akzeptieren, dass es nicht immer Schwierigkeiten gibt, die sich nur mit dem Schwert lösen lassen." Stumm pflichtete Kiddi ihm bei. Dass Kai vor der Tür stand und jedes einzelne Wort hörte, konnten die beiden ja nicht wissen. "So denken sie also über mich." erkannte Kai leise. "Sollen sie doch. Ich werde es ihnen schon beweisen, auch wenn ich dabei drauf gehe." Wütend drehte er sich um und ging auf seinen Lieblingsplatz auf einem kleinen Berg zu. Dort angekommen setzte er sich unter einer mächtigen Eiche auf die Erde, lehnte sich an den Stamm des alten Baumes und starrte in den Himmel. "Blau und keine einzige Wolke." sagte er und gähnte. Er zog Drachenzahn aus der Scheide und starrte auf die Klinge. Das aus dem Eckzahn eines blauen Drachen gefertigte Schwert war immer noch glatt und scharf. Der einzige Makel der Klinge waren einige Schrammen, die jedoch die Klinge nur noch schärfer zu machen schienen. Kai zog ein Tuch hervor und begann damit das Schwert zu polieren. Schließlich schob er Drachenzahn wieder in die Scheide und starrte erneut in den Himmel. Als er an seinen Kampf mit Lorn dachte, fasste sich Kai automatisch an den linken Arm. Dort wo Lorn Schwert getroffen hatte, zierte eine riesige Narbe seinen Arm. Kai fasste fester zu. sein Griff wurde so stark, dass Kai sich vor Schmerz auf die Lippe biss. Dann lockerte er seine Hand wieder und lehnte sich erneut an den Baum. Er lag beinahe. Der Waldwolf schloss die Augen. Eine feuchte Schnauze stupste ihn an. Kai öffnete die Augen und sah auf den Wolf herab. "Na, mein alter Freund?" sagte Kai sanft und strich dem Nachtwolf über den Kopf. Kai schloss die Augen wieder und begann leise zu summen. Irgendwann verstummte er und begann stattdessen zu schnarchen. Luk schlenderte durch die Gassen des kleinen Dorfes. Er suchte Kai, weil er mit ihm reden musste. Eher zufällig streifte sein Blick die mächtige Eiche außerhalb des Dorfes und fiel auf die auffällige Schwertscheide von Kai. Da ist er also. dachte Luk. Er ging direkt auf den Hügel zu. doch als er bei der Eiche angekommen war, glaubte er seinen Augen nicht. "Jetzt liegt der hier auf dem Boden und schläft." Sein Blick fiel auf den Wolf. "Und was macht dieses Biest hier? Wusste gar nicht, dass Kai einen Hund hat." Luk zuckte die Schultern. Er ging auf die andere Seite der Eiche und lehnte sich ebenfalls gegen den Baum und starrte in den Himmel. Jetzt verstehe ich, warum wir Kai so oft vergeblich gesucht haben. dachte der Drachenritter. Wer kommt schon auf die Idee, ihn hier zu suchen? Schließlich weiß doch jeder wie abenteuerlustig Kai ist. Es dauert nur wenige Augenblicke und auch Luk fielen die Augen zu, so beruhigend war die Umgebung. Erst am Abend wurde Kai wieder wach. Schadow war bereits wieder verschwunden, aber der Nachtwolf kam und ging ja eh wie er wollte. Nachdem Kai sich ausgiebig gestreckt hatte registrierte er das kaum überhörbare Schnarchen einer weiteren Person. Überrascht blickte Kai sich nach der Quelle des Geräusches um und entdeckte Luk auf der anderen Seite des Baumes. Da könnte ich mir doch einen kleinen Scherz erlauben. dachte Kai. Er kletterte auf den Baum, zog seinen Wasserschlauch hervor, zog den Stopfen heraus und goss Luk den Inhalt über den Kopf. Luk schreckte auf und griff instinktiv nach seinem Dolch. Kai konnte sich sein Gelächter nicht verkneifen. Luk blicke nach oben- "Du Mistkerl!" fauchte er. "Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken?" "Wieso?" fragte Kai heiter. "Wenigstens bist du nun wach, oder hab ich etwa Unrecht?" "Haha! Sehr witzig. Jetzt komm erst einmal da runter!" Luk steckte seinen Dolch wieder in seinen Gürtel. "Oder ich komme hoch und hole dich!" "Ist ja gut. Du musst nicht gleich ausfallend werden, Luk. Was willst du eigentlich hier?" "Mit dir reden, aber es wäre mir lieber, dies von Angesicht zu Angesicht zu tun." "Worüber?" Kai sprang ab und landete sicher auf den Füßen. "Was liegt dir auf der Seele?" "Über dich, will ich reden. Ich und Kiddi haben, das Gefühl, dass du dich hier nicht wohl fühlst." "Wie kommst du denn auf den Bolzen? Mir ist nur langweilig und ich spüre, dass in unserer einstigen Heimat etwas nicht mit rechten Dingen zugeht." "Wurde die Stadt nicht vor drei Monaten wieder aufgebaut?" "Das ist ja grade der Punkt? Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache." "Ich weiß zwar nicht, was du da willst, aber ich bin schlau genug auf dein Gefühl zu vertrauen. Nur eins noch: Wenn deine Ahnung sich als falsch herausstellt, werde ich ungemütlich." "Glaub mir, ich bin mir sicher. Da stimmt etwas nicht." Luk und Kai gingen zu Kiddis Haus zurück und erzählten ihr von dem Entschluss der beiden Kriege. "Dann geht ihr mal." sagte die Hexe. "Ich bleibe hier. Mir ist die Welt da draußen einfach zu gefährlich." Verdutzt sahen sich Kai und Luk an, sagten aber nichts. Am nächsten Morgen zogen sie los. Luk trieb Shiva zum Abfliegen, aber der Drache weigerte sich. Also waren sie gezwungen auf dem Boden zu reisen. Um nicht aufzufallen durchquerten sie den Wald zu Fuß. Kai war nervös. Mehrfach drehte er sich um. Den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht liefen sie ununterbrochen. Nur zum Essen und zum Schlafen rasteten sie. Endlich nach zwei Wochen des Marsches erreichten sie ein offenes Feld, das die Stadt Draconia umgab. Kais Nervosität ließ nun langsam nach und er konnte sich dazu durchringen, die Nacht auf dem Feld zu verbringen - ein Schachzug den sie noch bereuen sollten. Mitten in der Nacht wurde Kai von merkwürdigen Geräuschen geweckt. Ohne darüber nachzudenken griff er nach Drachenzahn und weckte Luk. "Was..." fragte Luk, doch Kai bedeutete ihm, still zu sein. Verdutzt sah Luk seinen Gefährten an. Doch Kai starrte an Luk vorbei in die Finsternis. Plötzlich brachen einige schwer gepanzerte Soldaten aus dem Schatten der Nacht. Zielstrebig kamen sie auf Kai und Luk zu. Kai hob sein Schwert und begann auf die Gestalten einzuschlagen. Verdammt, dachte er, ich kann bei dieser Dunkelheit kaum etwas sehen! Sie packten Kai an den Armen und einer schlug ihm in den Bauch. Luk wollte eingreifen, doch Kai hielt ihn mit einem Blick des Entsetzens gefesselt. "Flieh, Luk!" schrie der Schwertmeister. Luk schüttelte den Kopf. "Nein!" rief er. "Ich lasse dich nicht im Stich, nicht schon wieder." "Halt hier keine großen Reden Luk!" gellte Kai. "Wenn sie dich auch noch erwischen sind wir verloren!" Luk verstand. Er stieß einen langgezogenen Pfiff aus und wartete. Als der schwarze Drache gelandet war, sprang Luk auf seinen Rücken und Shiva sprang in die Luft. Die Gestalten legten mit ihren Bögen an und schossen auf den sich schnell entfernenden Drachen. Doch sie verfehlten ihn. Lediglich zwei Pfeile trafen die empfindlichen Flügel. Aus lauter Wut schlug einer der Soldaten Kai so stark in den Magen, dass er das Bewusstsein verlor. "Kommt!" befahl er wutschnaubend. "Wir müssen zurück. Unser Auftrag ist hier erfüllt." Die beiden, die Kais Arme umklammert hielten, schleiften ihn mit sich Richtung Norden. Luk konnte Shiva nicht lange in der Luft halten. Der Drache strauchelte und schließlich stürzten sie ab. Als der Drache aufsetzte, wurde Luk von seinem Rücken geschleudert. Der Drachenritter schlug hart mit dem Rücken gegen einen Felsen, verletzte sich jedoch nicht schwer. Er rappelte sich auf und taumelte zu Shiva hinüber. Zu seiner Erleichterung war der Drache nicht verletzt. Endlich hatte er Zeit sich umzusehen. Er kannte den Ort. Hier war er vor einem Jahr auf Lorn getroffen. Noch immer war der Boden an den Stellen verbrannt, wo das Blut des Drachen auf das Gras getropft war. Luk schüttelte den Kopf. Er hatte keine Zeit, um in Erinnerungen zu schwelgen. Er hockte sich neben Shiva und versuchte den Drachen zu wecken. Plötzlich vernahm er hinter sich ein leises Rascheln im Gebüsch, dann das Knacken eines brechenden Astes. Luk fuhr herum, die Hand am Heft seines Schwertes. "Wer ist dort?" rief er. "Zeigt Euch, wenn Ihr kein feiger Hund seid!" Ein Mann von etwa Luks Größe kam aus dem Unterholz hervor. Das Gesicht des Kriegers war streng und er musterte Luk mit einer seltsamen Mischung aus Misstrauen und Freude. "Ich grüße dich, Drachenritter." sagte der Fremde. Jetzt erkannte Luk den Mann. "Yakim, du?" fragte er verwirrt. "Was im Namen der Göttin machst du hier?" "Ich?" entgegnete der Fewalli. "Was machst du hier?" "Verdammt, Kai! Das hätte ich fast vergessen! Ich muss sofort zu Kiddi und ihr Bescheid geben." "Wie? Was ist mit Kai?" "Das zu erzählen, würde zu lange dauern und ich habe nicht viel Zeit. Nur so viel, Kai steckt in Schwierigkeiten." Yakim sah erst Luk und dann seine Soldaten an, die nun nacheinander aus dem Wald traten. Schließlich nickte er Luk zu und erklärte: "Ich werde dir helfen Kai zu befreien." "Danke Yakim. Ich stehe in deiner Schuld. Doch was ist mit deinen Männern?" "Sie werden nach Fewall zurückkehren." König Sandro von Taog eilte durch die Korridore seines Schlosses in Richtung Kerker. Erst vor wenigen Minuten hatte man ihm mitgeteilt, dass der Junge Schwertmeister, Kai vom Nadelwald endlich in die Hände der taogischen Soldaten gefallen war. Nun also konnte Sandro dem Mann, der für den Tod von Lord Lorn verantwortlich war, gegenübertreten. Er öffnete die Zelle, in der Kai stehend und an den Handgelenken angekettet eingesperrt worden war. Er war voller Vorfreude darauf, den mächtigen Krieger zu sehen, über den er schon so viel gehört hatte. Doch als der König von Taog den bewusstlosen Jungen sah, konnte er kaum glauben, dass dieser Kerl ein Schwertmeister sein sollte. Er trat vor den jungen Mann und rief: "Wacht auf!" Kai öffnete die Augen und starrte in die braunen Augen des Königs. Wütend stellte sich der Waldwolf gegen die Ketten, merkte aber schnell, dass es keinen Sinn hatte. "Was wollt Ihr von mir?" fragte Kai und musterte sein Gegenüber misstrauisch. "Ihr müsst Kai vom Nadelwald sein." erkannte Sandro. "Ja und? Wer will das wissen?" "König Sandro von Taog." "Und soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?" "Ihr seid wahrhaftig nicht in der Situation, um respektlos zu werden!" "Nein? Glaubt Ihr etwa, dass ich mich vor jemandem respektvoll verhalte, der den Befehl gegeben hat, meine Heimat niederzubrennen und meinen Vater zu töten?" "Ich glaube gar nichts. Tatsache ist, dass Ihr meinen besten Mann umgebracht habt." "Ich habe lediglich Rache für jene genommen, die Ihr ermordet habt." "Wenn Ihr so erpicht darauf seid, die Toten zu rächen, ist Euch doch sicherlich auch bekannt, wo sich die restlichen Überlebenden aus Draconia versteckt halten, oder?" "Ich weiß nichts von weiteren Überlebenden." "Nein? Davon bin ich nicht überzeugt." "Ihr könnt machen, was Ihr wollt. Meinetwegen könnt Ihr mich sogar zu Tode foltern, denn ich kann Euch keine Informationen über etwas geben, dass mir unbekannt ist." "Bedauerlich, dass Ihr das so seht." Sandro drehte sich zur Tür und rief seine Soldaten wieder herein. "Prügelt die Informationen aus ihm heraus." Nach diesen Worten ging er durch die Zellentür und stürmte wutentbrannt die Korridore zu seinen Gemächern entlang. Wie kann er es wagen, so mit mir zu reden? dachte er. Verdammt, ich bin der König und er hat mir Respekt zu zollen. Was erlaubt sich dieser Kerl? Ich bin doch wirklich nicht ein solcher Idiot, dass ich ohne Grund eine solch prächtige Stadt niederbrennen lasse. Ich hatte schon meine Gründe. Er tut ja grade so als sei ich ein Tyrann. Er riss die Türen zu seinem Gemach auf und stürmte hinein. Einer der Soldaten zog seinen Dolch und hielt ihn Kai an die Kehle. "Antwortet! Wo sind die Flüchtlinge?" schrie er. "Ich sagte bereits, dass ich es nicht weiß." entgegnete Kai. "Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Euch nicht verraten." "Falsche Antwort!" Der Soldat fuhr mit der Klinge an Kais Körper herunter und stieß sie ihm in die Seite. Als der Taogi das Messer auf eine weitere >falsche Antwort< in der Wunde drahte, stieß Kai einen Schmerzensschrei aus. Als Luk und Yakim Jetstar erreichten, drangen aus allen Ecken misstrauische Blicke zu dem Fewalli. "Was haben die?" fragte Yakim unruhig. "Verstehst du das denn nicht?" entgegnete Luk. "Du bist ein Soldat in voller Rüstung und das macht diese Leute nervös. Sie leben ihr Leben und wollen nichts mit Kriegern zu tun haben. Du hättest sie mal erleben sollen, als ich und Shiva hier aufgetaucht sind." In der Dorfmitte zog der Drachenritter die Zügel seines Reittiers an, rutschte von seinem Rücken, ging auf eins der kleineren Häuser zu und hämmerte gegen die Tür. "Kiddi, ich bin es: Luk!" schrie er. "Mach die Tür auf, es ist etwas Schreckliches passiert!" knarrend öffnete sich die schwere Eichentür und Kiddi kam heraus. Sie musterte Luk misstrauisch. "Was ist geschehen?" fragte sie besorgt. "Wo ist Kai?" "Es...es geht um Kai." Luks Augen zitterten vor Entsetzen. "Er wurde gefangengenommen." "Wie?" Kiddi packte Luk am Kragen. "Wer hat das getan? Sag es mir, Luk!" Luk blickte an ihr vorbei. Er wagte nicht ihr in die Augen zusehen. Wie sollte er auch? Immerhin war er es gewesen, der Kai im Stich gelassen hatte. "Luk!" rief Kiddi. "Sag es mir!" "Er kann dir nicht sagen, was er nicht weiß." sagte Yakim, während er sich vom Rücken seines weißen Wallachs gleiten ließ. "Nach allem, was er mir erzählt hat, konnten weder er noch Kai ihre Angreifer erkennen." "Wir müssen ihn aber befreien!" Kiddi war entschlossen, alles zu riskieren. "Ich werde nicht einfach die Hände in den Schoss legen und warten." "Das ist mir klar. Doch wir wissen nicht wem er in die Hände gefallen ist." Kiddi sah den Fewalli eine Weile lang ungläubig an. "Dann finden wir es halt heraus." erklärte sie und drehte sich um. "Nur wie?" fragte Luk so leise, dass die anderen es nicht hören konnten. "Nur wie?" Kiddi kam wieder hervor und sagte: "Wollt ihr beide da draußen Wurzeln schlagen oder kommt ihr endlich ins Haus?" Wortlos folgten ihr die beiden Männer ins Haus. Direkt hinter der Tür blieben sie stehen. Behutsam schloss Kiddi die Tür hinter ihnen. "Wie sollen wir herausfinden, wo er ist?" fragte Kiddi nach einer Weile. "Habt ihr eine Idee?" Luk sah sie noch immer nicht an. Er starrte fortwehrend auf den Boden. "Wir könnten den Spuren folgen." bemerkte Yakim. "Ist eigentlich ganz simpel. Wir brauchen nur die Stelle aufzusuchen, an der Luk und Kai auf die Fremden gestoßen sind und den Spuren zu folgen." "Wenn da noch Spuren zu finden sind..." gab Luk leise zu bedenken. "Ich bin mir sicher, dass wir noch Spuren finden." Yakim sah Luk besorgt an. "Und wenn nicht, weißt du doch sicherlich noch, in welche Richtung sie gegangen sind, oder?" "Vielleicht, ich weiß es nicht genau." "Lass es uns erst einmal ausprobieren, Luk." erklärte Kiddi und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Das ist immer noch besser als hier rumzusitzen." Luk sah auf und nickte stumm. "Dann wäre das ja geklärt." sagte Yakim. Kiddi verschwand wieder in einem der Zimmer und kam wenig später mit einem prall gefüllten Rucksack wieder. Luk und Yakim gingen durch die Vordertür nach draußen. Kiddi hingegen verließ ihr Haus nachdem sie die Vordertür abgeschlossen hatte durch die Hintertür, da sie zuvor noch ihre graue Stute aus dem Stall holen musste. Mit vielen kleinen, stark blutenden Wunden stand Kai in seiner Zelle. Immer wieder versagten seine Beine, doch er zwang sich dazu, stehen zu bleiben, denn dies war die einzige Möglichkeit seine Handgelenke zu entlasten. Sie waren bereits aufgeschürft von den Ketten und schmerzten wie die Hölle. Wie so oft wurde die Tür geöffnet und wurde Kai vom einfallenden Licht geblendet. Er zwinkerte und versuchte herauszufinden, wer dort in der Tür stand. Schließlich erkannte er die Person. "Der König höchst persönlich." keuchte Kai höhnisch. "Soll ich mich nun davon geschmeichelt fühlen, dass Ihr hier seid, oder seid Ihr nur gekommen, um mir mitzuteilen, dass ich keinen weiteren Nutzen für Euch habe und Ihr mich aus dem Weg räumen wollt?" "Lacht Ihr nur." erwiderte Sandro. "Ich habe Euch ein Angebot zu unterbreiten. Ein Angebot, dass Euer Geschick herausfordert." "Und was ist, wenn ich ablehne?" "Dann werdet Ihr in diesem Kerker verrotten. Also hört Ihr mir nun zu oder nicht?" "Sagt schon, was wollt Ihr von mir?" "Ganz einfach. Ich lasse Euch von hier fort, wenn Ihr meinen besten Mann in einem Kampf auf Leben und Tod besiegt." "Bevor ich antworte, will ich noch eines wissen." "Was?" "Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?" "Nun, da Ihr selbst unter schlimmster Folter nicht sagen wollten, wo sich die Flüchtlinge verbergen, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Ihr es tatsächlich nicht wisst. Doch da ich Euch nicht einfach so gehen lassen kann - was Ihr sicher verstehen werdet - habe ich Euch die Chance gegeben, Euch freizukämpfen." "Zu gütig." "Macht Euch nicht über mich lustig, Waldwolf! Sagt mir stattdessen lieber, wie Eure Antwort lautet." "Ich nehme an. Das ist immer noch besser als hier zu krepieren." Sandro holte einen Soldaten herein und befahl ihm Kai die Ketten abzunehmen, seine Wunden zu versorgen und ihn in ein besseres Zimmer zu bringen - was ja nicht schwer war. Nach kurzem Zögern befolgte der Soldat den Befehl. Gestützt auf den gepanzerten Mann verließ Kai die Zelle, hinkte mehrere Treppen empor, einen Korridor entlang und schließlich in ein riesiges, großzügig ausgestattetes Zimmer. Dort setzte der Soldat Kai auf die Bettkante und versorgte die Wunden. Dann legte er Kai behutsam aufs Bett und verließ den Raum. Kai sah erst an die Decke, doch dann fiel ihm ein Schwert in einer weißen, goldbesetzten Scheide auf, neben dem ein kleiner Dolch in Elfenbeinscheide lag. Dieses Zimmer ist also für mich eingeplant gewesen. dachte er. Dieser Trickser von einem König hat alles ganz genau gewusst. Er wusste, wie ich mich entscheiden würde. Wieso war ich ein solcher Tor und hab seine Absichten nicht erkannt? Der junge Schwertmeister versuchte sich aufzusetzen, aber der hohe Blutverlust und die starke Erschöpfung waren so stark, dass Kai wieder rücklings auf sein Lager fiel. Während Luk ihnen aus der Luft den Weg wies, sprachen Yakim und Kiddi über das, was sie bisher erlebt hatten. Kiddi berichtete von dem Kampf gegen Lorn und wie Luk und Kai den Beschluss gefasst hatten abzureisen. Yakim hingegen hatte nicht viel zu erzählen. Nachdem sie sich im Wald getrennt hatten, waren er und seine Männer sofort wieder in sein Dorf geritten. Erst vor ein paar Tagen hatten sie es wieder verlassen, weil ihnen zu Ohren gekommen war, dass Lorn gefallen sei. Dann trafen sie auf Luk. "Und den Rest kennst du ja." schloss Yakim seine Erzählung. Kapitel 4: Auf Leben und Tod ---------------------------- Kiddi, Luk und Yakim erreichten nach einem langen, anstrengenden Ritt endlich das Feld und somit auch jenen Ort, an dem Kai und Luk auf die Soldaten gestoßen waren. "Hier habt ihr euch also aus den Augen verloren." stellte der Fewalli nachdenklich fest. "Ja, hier war es." erwiderte Luk. "Doch ich würde es nicht als >aus den Augen verloren< bezeichnen, denn Kai hat mich fort geschickt. Wenn er das nicht getan hätte, hätten sie mich vielleicht auch erwischt." "Deine Befürchtung hat sich zu mindest nicht bestätigt" - Yakim beugte sich im Sattel vor - "denn man kann die Spuren der Krieger noch gut erkennen." Luk nickte stumm, um seine Zustimmung auszudrücken. "Worauf zum Teufel warten wir dann noch?" fragte Kiddi ungeduldig. "Folgen wir ihnen." Sie ritt an den beiden Männern vorüber. Und trieb ihre Stute in einen gleichmäßigen, schnellen Trab. Luk und Yakim sahen sich eine Weile verdutzt an. Noch nie hatte einer von ihnen eine Frau so fluchen hören. Schließlich zuckte Yakim mit den Schultern und folgte Kiddi. Luk schüttelte den Kopf und redete sich ein, dass Kiddi nichts Ungewöhnliches getan hatte. Nach drei weiteren tagen erreichten sie eine gigantische Stadt. "Taog!" flüsterte Luk. "Hierher haben sie ihn also gebracht." Vorsichtig ritten sie in die Stadt hinein. Die Straßen waren wie ausgestorben - was bei der Hauptstadt eines Reiches eigentlich ungewöhnlich war. Die drei Gefährten musterten jeden Schatten misstrauisch. Niemand von ihnen sagte ein Wort. Keiner wollte unnötig die Aufmerksamkeit von Plünderern und Dieben auf sie ziehen. Vor einem riesigen Gebäude - welches wie eine Arena aussah - im Stadtzentrum fanden sie den Grund für die leeren Straßen. Hier schien sich die gesamte Stadt versammelt zu haben. Die Gefährten stoppten einige Meter entfernt von dem Menschenauflauf. "Was ist da wohl los?" fragte Kiddi leise. "Ich weiß es nicht", antwortete Luk, "aber ich verwette meinen Helm darauf, dass es etwas mit Kai zu tun hat." "Meinst du wirklich?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich traue Kai viel zu, aber - was auch immer da los ist - Ich finde nicht, dass dies zu Kai passt." "Gehen wir und finden es heraus." warf Yakim ein. "Oder besser, ich gehe allein. Ich meine, ihr seid Draconiar und soviel ich weiß sind Draconia und Taog zwei verfeindete Reiche." Yakim hielt auf die Menge zu. Niemand beachtete ihn. nur ein junger Mann drehte sich um und versperrte dem fewallischen General den Weg. "Wer seid Ihr?" fragte der Junge. "Mein Name lautet Yakim von Minter." erwiderte der Fewalli ruhig. "Ich bin nur ein Reisender." Er blickte sich um. "Sagt mir, junger Freund: Was bei Raunems blutigem Speer hat dieser Aufruhr zu bedeuten." "Es ist ein wahrlich großes Ereignis, das uns bevorsteht." Die Augen des jungen Mannes strahlten. "In einer Woche sollen hier der berühmte Waldwolf und des Königs bester Krieger in einem Kampf auf Leben und Tod aufeinandertreffen." "Könnte er tatsächlich...?" Yakim schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Jungen zu: "Danke, junger Freund, ich bin Euch einen Gefallen schuldig." "Vergesst es." erwiderte der Taogi hastig. "Ich habe Euch gerne weitergeholfen. Immerhin seid Ihr ja keiner dieser dreckigen Draconia, für den ich Euch anfangs hielt." Nachdenklich wendete der Fewalli sein Pferd und ritt zu Kiddi und Luk zurück. Hastig berichtete Yakim von dem bevorstehenden Kampf zwischen Kai und einem Taogi. "Das ist wiedereinmal typisch für ihn." erklärte Luk nach einer Weile. "Wir suchen den gesamten Kontinent des Feuers nach ihm ab und er vergnügt sich beim Taogiumbringen." "Ich bezweifele, dass Kai dies alles freiwillig tut." antwortete Kiddi. "Natürlich nicht. Ich glaube, dass ihm keine andere Wahl gelassen wurde." Luk sah zu der Arena hinüber. "Kai täte sonst alles, um nicht aufzufallen und nun zieht er die Aufmerksamkeit aller Taogi auf sich." "Und was tun wir jetzt?" fragte Yakim. "Ihn aus der Arena zu schleusen, ist wohl unmöglich. Die ist zu gut bewacht." Luk kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Ich würde sagen, wir sehen uns den Kampf erst einmal an. Vielleicht haben wir ja Glück und Kai kommt bei einem Sieg frei. Wenn nicht, stürmen ich und Shiva die Arena." "Und wie willst du das machen, Luk?" fragte Kiddi aufgebracht. "Denkst du, du könntest einfach die Mauern einreißen?" "Wir werden sehen." Nach diesen Worten wendete Luk den Drachen und ritt - gefolgt von deinen Gefährten - zu einer kleinen Herberge am Rande der Stadt. Hier würden sie die nächsten Tage bis zum Kampf verbringen. Kai stand am Fenster und blickte über den Burganger auf die Stadt hinunter. Unter seinem Fenster exerzierten die Soldaten des Königs. Zwischen den silbernen Rüstungen der Ritter konnte man auch immer wieder die roten Rüstungen der Sturmreiter - einer Spezialeinheit, die aus den brutalsten und skrupellosesten Kriegern Taogs bestand - erkennen. Kais Blick wanderte von den 18.000 Soldaten zum Stadtrand. Dort am Gasthaus stand ein riesiger, schwarzer Drache. Kai erschrak. Wie hatten sie ihn hier finden können? Was, wenn er im Kampf unterlag? Wie würden seine Freunde auf seinen Tod reagieren? Kai hörte, wie jemand die Tür aufschob. Jetzt ist es so weit. dachte er seufzend. Der Tag eines entscheidenden Kampfes ist gekommen. Wenn ich verliere, war alles, für das ich bisher gekämpft habe vergebens. "Kai vom Nadelwald?" fragte der junge Krieger mit den blonden Haaren und den eisblauen Augen. "Seid Ihr der Schwertmeister Kai vom Nadelwald?" Kai antwortete nicht sofort. "Der bin ich." sagte er nach einer Weile. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?" "Mein Name lautet Laylayo, Herr." erwiderte der Junge schüchtern. "Ihr seid nicht wie die anderen Taogi, Laylayo. Ihr seid freundlicher mir gegenüber und Ihr in Eurem Gesicht sehe ich draconische Züge. Seid ehrlich, Ihr seid kein Taogi, oder?" "Nein, Herr." Laylayo errötete. "Verzeiht" - Kai senkte den Blick - "ich habe Euch in Verlegenheit gebracht." "Nein, das hebt Ihr nicht." Eilig schüttelte der Junge den Kopf. "Es ist nur so, dass Ihr der Erste seid, dem aufgefallen ist, dass Ich kein Taogi bin. Mein Vater war ein Draconia, genau wie Ihr." "Ich verstehe." Kai legte seinen Schwertgurt an und verstaute seinen Dolch in ihm. "Nun, ich denke, wir sollten gehen." "Gewiss, Herr." Laylayo sah Kai mit glänzenden Augen an. "Ganz im Vertrauen, ich hoffe, dass Ihr siegt. Das bin ich meinem Bruder schuldig." "Eurem Bruder?" "Ja, Tschachfsü. Er ist in Draconia ums Leben gekommen." Kai nickte. Und ließ sich von dem Halbblut herausführen. Laylayo brachte ihn in einen großen Kellerraum an dessen Ende ein Fallgitter angebracht war. "Wartet hier, Waldwolf." sagte der junge Krieger. "Wird das Gitter hochgezogen, so ist das Euer Zeichen die Arena zu betreten. Ich für meinen Teil werde dafür sorgen, dass dies ein fairer Kampf wird." Nach diesen Worten verließ Laylayo den Raum. Kai ging zum Gitter und blickte in die Arena hinaus. Er schmunzelte. Sollte er hier zu Tode kommen? Würde er siegen oder verlieren? Konnte er sich richtig konzentrieren, wenn seine Freunde ihm zusahen? Er um fasste Drachenzahns Griff und zog die Klinge ein Stück weit heraus. "Lass mich nicht im Stich." sagte er und schob das Schwert wieder in die Scheide. Laut quietschend wurde das Gitter hochgezogen und Kai ging in die Arena. Er trat dem König, der in einer Loge in seinem Thron saß, gegenüber, zog sein Schwert und hielt es senkrecht vor sein Gesicht. "Ich erwarte einen großartigen Kampf von Euch, Schwertmeister." rief Sandro von Taog. "Es liegt mir fern, Euch zu enttäuschen, Mylord." entgegnete Kai. "Zumal mein Leben von diesem Kampf abhängt." Wieder ertönte ein lautes Quietschen. Das Gitter auf der anderen Seite der Arena wurde hochgezogen und ein älterer Mann von etwa 40 Jahren kam heraus. Er salutierte vor seinem König und wiederholte Kais Geste mit seinem Krummschwert. Dann erklang eine weitere Stimme. "Die Kontrahenten mögen ihre Plätze einnehmen!" rief Laylayo. Kai und der alte Krieger stellten sich mit erhobenen Schwertern einander gegenüber auf. "Der Kampf beginnt!" erklärte Laylayo. "Ich werde nun die Gegner vorstellen. Auf der südlichen Seite der Arena: Kai vom Nadelwald, Sohn des berühmtesten Schwertmeisters, der je auf dem Erdengrund gewandelt ist. Und auf der nördlichen Seite: Graf Georg von Santa, des Königs größter Kämpfer." Nach lautstarkem Jubel gab der König das Zeichen, dass der Kampf beginnen konnte. Graf Georg verlor keine Zeit, um seinen ersten Angriff zu wagen. Das ist bereits Euer erster Fehler, Graf. dachte Kai. Wie schon im Kampf gegen Lorn und seine Männer blieb Kai regungslos stehen. Im letzten Moment wich er aus und schlug seinem Gegner mit dem Schwertgriff auf den Rücken. Daraufhin stürzte der Graf vorne über in den Staub. Schnell richtete sich der alte wieder auf. "Ihr Sohn eines räudigen Hundes!" fauchte er. "Seid Ihr zu feige, fair gegen mich zu kämpfen." Kai grinste ihn verächtlich an. Er amüsierte sich über die Worte des Älteren. Wutentbrannt stürmte der Graf auf Kai zu und führte einen ungeschickten Schlag gegen den Kopf des Jüngeren aus. Doch Georgs Schwert traf auf ein Material, das härter war als Stahl. Drachenzahn versperrte dem Krummschwert des Grafen den Weg zu Kais Schädel. "Was zur Hölle ist das für ein verruchtes Schwert?" keuchte Georg. "Aus welch teuflischem Material ist es geschmiedet." "Vielleicht sage ich es Euch bevor ich Euch umbringe." sinnierte Kai grinsend. Graf Georg hob sein Schwert erneut und führte einen weiteren Schlag, der Kais Bein aufschlitzte. Abermals holte der alte Krieger aus und schnitt Kais Brust auf. Kai strauchelte kurz, aber er hatte ein Ziel und dies wollte er nicht aufgeben. An dem Tag, an welchem ich unterliege, hört mein herz auf zu schlagen. schwor er sich zu wiederholten Mal. Wieder klirrte Metall auf Zahn. Mit einem schnellen, kraftvollen Ruck entwaffnete Kai den Grafen. Georg fiel rücklings auf den Boden und fand sich kurz darauf mit einem Schwert an der Kehle wieder. "Ihr wolltet doch wissen, aus welchem Material mein Schwert besteht." sagte Kai mit einem höhnischen Lachen. "Nun es besteht aus den Zähnen eines Drachen, eines mächtigen, blauen Drachen um genau zu sein. daher kommt auch der Name dieser alten, scharfen Klinge, der da lautet: Drachenzahn." Kai hob die Klinge. "Nein bitte, tut das nicht!" flehte der Graf. "Habt Erbarmen! Ich will noch nicht sterben." Ohne zu antworten rammte Kai sein Schwert in die Brust des Älteren. "Dies war ein Kampf auf Leben und Tod." erklärte Kai keuchend. "Folglich muss der Verlierer sterben." Er zog das blutverschmierte Schwert wieder aus dem leblosen Körper und hob es zum Himmel. "Ihr habt gewonnen, Kai vom Nadelwald." verkündete Sandro. "Nun steht es Euch frei zu gehen, wohin es Euch beliebt." "Euer Krieger war kein würdiger Gegner für mich." erwiderte Kai. "ER war es nicht für mich und auch für meinen Vater wäre er keiner gewesen. Dennoch danke ich Euch für diese Chance um mein Leben zu kämpfen, Mylord." Kai ließ Drachenzahn in die Scheide gleiten und verließ hinkend den Platz. Kiddi blickte Kai hinterher. Sie verstand das nicht. Wie hatte Kai so grausam sein Können? Was hatte das zu bedeuten? Hatte Kai den Grafen nur getötet, weil der König es von ihm erwatet hatte? Kiddi erhob sich, verließ die Arena, ging zum Eingang für die Kämpfer und wartete auf Kai. Wieso hast du das getan, Kai? fragte sie ihn stumm. Die riesigen Drachenbaumtüren gingen auf und Kai hinkte heraus. Kiddi kam auf ihn zu. "Was im Namen meiner Ahnen hast du hier zu suchen?" fragte Kai. "Sagtest du nicht, dass dir die Welt zu gefährlich ist?" "Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Kai." erklärte Kiddi. "Luk hat mir erzählt was passiert ist." "Hat er das?" Kai humpelte an ihr vorbei ohne sie anzusehen. "Hat er dir wirklich alles erzählt? Ich wette, dass er das nicht hat." "Kai, du alter Sturkopf! Ist das deine Art mit deinen Freunden zu reden? Ist das deine Art zu sagen, dass du froh bist mich zu sehen? Weißt du, wie sehr du mich damit verletzt?" Kiddi, das verstehst du nicht. dacht er. Bitte zwing mich nicht dazu, dich noch mehr zu verletzen. "Es tut mir leid, Kiddi." sagte er leise und hinkte weiter zu dem Gasthaus bei dem er Shiva gesehen hatte. "Alles hat bestens funktioniert, mein König." erklärte General Spike del Sorones, als er vor König Sandro trat und ihm über seine Mission Bericht erstattete. Spike war General von Sandros Armee, um die 40, hatte schwarze Haare, grüngelbe Augen und klare, strenge Gesichtszüge. "Es freut mich zu erfahren, dass Eure Mission in Draconia von einem solchen Erfolg gekrönt war." erklärte Sandro grinsend. "Es war mir ach möglich den Aufenthaltsort dieses draconischen Abschaums herausfinden." "Das erfreut mich noch mehr, General. Bitte zögert nicht länger und nennt ihn mir." "Sie befinden sich in einer weit verzweigten Höhle am südlichen Rand des Schlangenrückens." Das Gebirge, dem man den Namen >Schlangenrücken< gegeben hatte bildete einst die Grenze zwischen Draconia und Taog und Draconia und Fewall. Doch seit die Taogi in Draconia eingefallen waren, galt das Gebirge nicht länger als Grenze. Sandro rieb sich lächelnd die Hände. "Wisst Ihr, wie sie ihren Anführer nennen, General?" fragte er. "Nein, Hoheit." antwortete Spike. "Diese Tatsache ist mir nicht bekannt." "Sie nennen ihn >Saro<. Das bedeutet so viel wie >des Todes Helfer<. Ich frage mich, ob er diesen Titel wirklich verdient." Spike war sprachlos. Er hatte schon viele Gerüchte über die Rebellen gehört, aber dies war ihm neu. Wieso trug der Anführer der Draconia diesen Namen? Haben wir sie falsch behandelt oder wusste der König tatsächlich, was er tat? fragte sich Spike. Der General verstand die Welt nicht mehr. "Ihr braucht wahrlich nicht so dreinzuschauen." bemerkte Sandro, als er den inneren Zwiespalt seines Generals bemerkte. "Vergebt mir, Hoheit." erwiderte Spike. "Ich war in Gedanken." "Lasst gut sein, General. Kümmern wir uns lieber um >des Todes Helfer<. Folgt mir." Sandro ging an Spike vorüber. Der General brauchte eine Weile, um sich wieder zu fangen. Schließlich folgte er jedoch seinem König. Saro saß auf dem Rücken seines schwarzweiß gescheckten Hengstes Katonak und blickte über die Felder Draconias hinweg. Er war ein Mann Mitte 20 mit blauen Augen, halblangen, braunen Haaren und einem markanten Gesicht. Da ihm zu Ohren gekommen war, dass sich ein Taogi über ihn und sein Versteck informiert hatte, hatten er und der Rest der Rebellen ihren Zufluchtsort von südlichen zum nördlichen Rand und in höher gelegene Höhlen verlegt. Selbst die Pferde hatten dort ausreichend Platz und es war sogar noch Raum für weitere 200 Männer mitsamt Pferden und Familie. Wobei Saro selbstverständlich niemals Frauen und Kinder in seine Truppe aufgenommen hätte. "Saro!" rief eine laute, tiefe Stimme. Der Rebellenführer drehte sich um und erblickte einen jungen Mann mit kurzen, blonden Haaren, der seinen Schimmel im vollen Galopp auf Saro zutrieb. "Was ist, Barun?" wollte des Todes Helfer wissen. "Unsere Vorräte gehen zur Neige." erklärte Barun, als er seinen Anführer erreichte. "Außerdem sind einige Männer schwer erkrankt. Sie scheinen vergiftet worden zu sein." "Vergiftet? Wie kann das sein?" "Es scheint, als seien die Vorräte aus unserem letzten Vergeltungszug mit Gift versetzt gewesen zu sein." Barun holte tief Luft. "Wir...wir haben sie bereits vernichtet. "Wie viele haben von den Vorräten gegessen?" "Vierzehn." "Wie sieht es für sie aus?" "Knapp die Hälfte von ihnen wird wahrscheinlich nicht überleben. Die anderen hingegen werden in ein paar Tagen wieder auf den Beinen sein." "Gut. Kümmert euch um die Kranken. Versucht alles, damit sie wieder gesund werden. Verbrennt die Toten im Tal." "Wie du willst." Barun wendete sein Pferd und stürmte davon. Als der junge Krieger außer Hörweite war, brach Saro in heftiges Gelächter aus. "Du willst mich also provozieren, Sandro?" lachte er. "Das zahle ich euch verdammten Taogi doppelt heim. Dies schwöre ich bei meiner Ehre!" Nach diesen Worten wendete auch Saro sein Pferd und ritt langsam den Hang hinab. Kai schrie vor schmerz, als sich der Arzt, den Kiddi gerufen hatte, an seinen Wunden zu schaffen machte. Der junge Krieger versuchte den Schmerz auszublenden, was er jedoch nicht schaffte. Damit Kiddi, Yakim und Luk ihn nicht so sahen, hatte der Waldwolf sie hinaus geschickt. "Jetzt stellt Euch nicht so an, Herr." sagte der alte Mediziner. "Ihr habt leicht reden." entgegnete Kai. "Euch wurden ja nicht Brust und Bein aufgeschlitzt." "Es hat Euch keiner zum Kampf gezwungen." "Mir wurde die Wahl gelassen." Erneut stieß Kai einen unterdrückten Schrei aus. "Entweder ich kämpfte um mein Leben oder ich sterbe im Kerker. Wie hättet Ihr Euch in dieser Situation entschieden?" "Selbstverständlich hätte ich mich ebenso wie Ihr entschieden." Bei jedem Stich der Nadel verkrampften sich Kais Muskeln. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis der Alte endlich die Behandlung beendete und das Zimmer verließ. Das Gesicht immer noch schmerzverzerrt starrte Kai an die Decke. Langsam löste sich seine innere Anspannung wieder und er schaffte es den Schmerz aus seinen Gedanken zu verbannen. Knarrend öffnete sich die Tür, doch Kai achtete nicht darauf. Luk kam gefolgt von Yakim und Kiddi und den Raum. "Hallo, Kai. Wie geht es dir?" grüßte Yakim lachend. "Das hat sich ja nicht sehr angenehm angehört." "Du hast gut lachen." erwiderte Kai zornig. "Der Kampf gegen Lorn war nicht so schmerzhaft wie diese >Behandlung<." "Du hast dich in der Arena aber echt gut gehalten, Kai." Sagte Luk, der sich neben der Tür an die Wand gelehnt hatte, anerkennend. "Das muss ich zugeben. Keiner von uns hätte gegen diesen Gegner so spielerisch gewonnen wie du es getan hast. Es sah wirklich so aus als hättest du mit deinem Feind nur gespielt." Kai sagte nichts. Er starrte unverändert an die Decke. Merkt Euch eines, Sandro: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. dachte er. Jetzt hab ich eine Rechnung mit Euch offen und diese werde ich begleichen. Euer Blut wird bald die Erde Taogs tränken. Yakim machte eine Handbewegung und bedeutete so Kiddi und Luk den Raum zu verlassen, was die beiden auch taten. Wortlos ging der Fewalli zu einem Tisch in der Ecke des Zimmers und setzte ich auf den dort stehenden Stuhl. Er zog eine Pfeife aus der Tasche und steckte sie an. Während er aus dem Fenster sah, wog er immer wieder am Mundstück. "Was willst du uns eigentlich damit beweisen, Kai?" fragte der Fewalli nach einer Weile. Kai sah ihn verständnislos an. "Womit beweisen?" fragte er schließlich. "Mit deinem Verhalten." antwortete Yakim. "Damit, dass du niemanden an dich heranlässt. Hast du Angst, du könntest verletzt werden?" "Ich fürchte mich nicht davor, dass ich verletzt werden könnte, sondern davor, dass ihr verletzt werdet. Ich habe schon viele Leute an mich herangelassen und alle wurden brutal aus dem Leben gerissen. Ich will einfach nicht, dass es euch genauso ergeht. Luk, Kiddi und du, ihr seid mir jetzt schon zu sehr ans Herz gewachsen. Vor allem Kiddi steht mir nahe, zu nahe. Ich will keinen von euch verletzen." "Bei der Göttin, Kai! Bist du echt so blind?" Wütend schlug Yakim auf den Tisch. "Genau mit dieser Einstellung verletzt du sie. sie hat sich wirklich Sorgen um dich gemacht und du behandelst sie als sei sie nicht da. Wird dir endlich darüber im Klaren was Freundschaft für dich bedeutet! Wird dir endlich deiner Gefühle gewiss!" "Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Ich will doch niemanden verletzen. Ich weiß doch selbst nicht, was ich machen soll." "Dann finde es heraus, zum Teufel noch mal!" Kai setzte sich auf und musterte den Fewalli eindringlich. Plötzlich fing er an zu lachen. "Was ist?" fragte Yakim überrascht. "Ich musste grade an daran denken, wie ich Kiddi das erste Mal mit auf eine meiner Reisen genommen habe. Sie hat fast genauso mit mir geredet und ich glaube ich weiß jetzt, was ich zu tun habe." Yakim sah Kai ungläubig an, dich dann musste auch er lachen. Kai stand auf und ging einige Schritte. Doch er konnte sich nicht auf den Beinen halten. Er strauchelte und stolperte zur Wand, wo er sein Gleichgewicht wiederfand. Er lehnte sich an die Wand und sah zur Tür. "Glaubst, es ist wahr, dass noch mehr Leute aus Draconia entkommen konnten?" fragte er den Fewalli. "Durchaus möglich." erwiderte Yakim. "Immerhin warst du damals erst vier Jahre alt und konntest dennoch fliehen." Saro hatte wiedereinmal Informationen über einen sich vom Westen her nähernden Zug Taogi erhalten. Nun stand er neben seinem Hengst auf einem Felsvorsprung oberhalb eines Passes, der durch den Schlangenrücken führte, und starrte hinunter. Hier wollten die Rebellen die Taogi in die Falle locken. Die Draconiar hatten das andere Ende der Schlucht mit Felsbrocken verschlossen und da dieser Pass nur schwer einzusehen war, konnten die Taogi die drohende Gefahr nicht sehen. "Saro, es ist Zeit." berichtete Barun, als er neben den Rebellenführer ritt. "Die Falle ist bereit." "Sehrgut." bestätigte Saro nickend. "Dann brauchen wir jetzt nur noch abzuwarten. Ich bin mir sicher, dass sie hier entlang kommen werden, denn dies ist der einzige Weg, den man mit Wagen bewältigen kann." Des Todes Helfer sprang auf den Rücken seines Pferdes wendete es und ritt gefolgt von Barun den Weg zu seinen Männern hinunter. Auf ein Zeichen des Anführers gingen die Rebellen in Stellung. Ungeduldig ging Sandro im Thronsaal auf und ab. Immer wieder warf er seinem General hasserfüllte Blicke zu. "Warum bei Raunems blutigem Speer konntet Ihr sie nicht ausfindig machen, General?" fragte er mit zorniger Stimme. "Nun, Herr, er scheint gewusst zu haben, dass wir sein Versteck kennen und hat es scheinbar gewechselt, Hoheit." erklärte Spike mit gesenktem Blick und ehrfürchtiger Stimme. "Du hältst dich wohl für klug, Saro, aber du bist bei weitem nicht klug genug." Sandro hörte auf im Raum umherzulaufen und starrte stattdessen aus dem Fenster. "Ich kriege dich schon noch." Er wandte sich wieder an Spike: "Findet heraus, wo er sich nun aufhält, General!" "Sehrwohl!" Spike erhob sich dreht sich um und ging auf die Tür zu. "Ach, und General..." rief Sandro. "Ja, Mylord?" fragte Spike über die Schulter. "Für jeden weiteren Fehler werde ich Euch zur Rechenschaft ziehen. Merkt Euch das!" "Jawohl!" Der General verließ schnellen Schrittes den Thronsaal und eilte durch die Korridore zu den Ställen. Dort angekommen sattelte er seinen weißen Hengst, stieg auf und ritt aus der Stadt. Kai trat aus dem Gebäude und sah sich aufmerksam auf der Straße um. Plötzlich schoss ein Krieger auf einem weißen Pferd an ihm vorbei. Als Kai versuchte auszuweichen, verlor er das Gleichgewicht und fiel in den Staub. "W...was zur Hölle war das?" stotterte der Waldwolf. Er stand wieder auf, klopfte sich den Dreck von den Sachen und setzte seinen Weg fort. Vor einem alten Waffenladen blieb Kai stehen und betrachtete ein Langschwert, das im Schaufenster ausgestellt war. Es steckte in einer schwarzen Scheide, auch der Griff des Schwertes war schwarz und es war ein kleines Stück weit herausgezogen. Fachmännisch musterten Kais Augen das Stück der Klinge. Sein blick fiel auf eine Gravur, die ihm noch aus seiner Kindheit bekannt war. Sein eigenes Schwert war auf ähnliche Weise graviert worden und Kai war sofort klar, welchen Schatz er hier vor Augen sah. Auf der Klinge waren die Initialyen seines Vaters eingebrannt: F. v. N. es war das Schwert des Schwertmeisters Frederick vom Nadelwald. Es war die Klinge mit dem Namen Jero - Schmerz. "Vaters Schwert..." erkannte er. "Wie mag es wohl hierher gekommen sein?" er betrat das Geschäft, nahm das Schwert und ging auf den Tresen zu. dort legte er die Klinge auf den Tisch. "Wie viel?" fragte er barsch. Der Händler drehte sich schnell um, betrachtete die Klinge kurz und erklärte schließlich: "Ich bezweifele, dass Ihr Euch ein solch wundervoll gearbeitetes Schwert leisten könnt, Herr." "Das lasst mal meine Sorge sein. wie viel kostet die Klinge?" "1000 Goldstücke, Herr." Kai warf einen Beutel Münzen auf den Tisch und schnellte sich Jero auf den Rücken. "Hier habt Ihr 2000." erklärte er und drehte sich um. "Aber das sind zu viele, Mylord!" rief ihm der Händler nach. Kai winkte ab. "Behaltet das Geld." sagte er über die Schulter. "Mir persönlich wäre das Schwert sogar 4000 Goldmünzen wert. Es gehörte immerhin meinem Vater." Die Augen des Händlers weiteten sich. Ehrfürchtig starrte er auf den Boden. "Dann seid Ihr..." stotterte er. "...Kai vom Nadelwald?" doch als der Mann nach diesen Worten wieder aufsah, hatte Kai das Geschäft bereits wieder verlassen. Kapitel 5: Das Treffen ---------------------- Kai schlenderte noch weiter durch die Straßen der Stadt, das Schwert seines Vaters auf dem Rücken, während sein eigenes gegen seine linke Wade schlug. Bald erreichte er die Koppel eines Pferdehändlers. Als er Kai sah, zuckte der alte Mann, der bei der Koppel stand zusammen. "Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr noch einmal hierher kommt." erklärte er. "Und doch bin ich hier, oder?" erwiderte Kai. "Wo ist Fremder? Ihr habt ihn doch nicht etwa verkauft, oder?" "Hab versucht diesen schwarzen Teufel loszuwerden, zugegeben, aber niemand wollte dieses Biest haben." Er deutete auf einen großen, schwarzen Hengst, der allein auf einer kleineren Koppel stand. "Er lässt niemanden an sich heran." "Bringt mir Euer bestes Zaumzeug und den besten Sattel." befahl Kai und ging auf den Verschlag, in dem sein Pferd war zu. "Mich wird er an sich heran lassen." Und tatsächlich, das Pferd, das den meisten Leuten gegenüber wild und unberechenbar war, zeigte sich seinem wahren Besitzer lammfromm. Als Kai den Hengst gesattelt hatte, konnte er sogar auf ihm reiten. Die erstaunten Blicke des Händlers nicht beachtend ritt Kai von dannen. "Hallo, Kai!" grüßte Kiddi freudig, als Kai, auf Fremders Rücken, zum Gasthaus zurückkam. "Du hast ja ein neues Schwert. Aber warum...?" "Das ist das Schwert meines Vaters." unterbrach Kai sie. "Ich fand es im Waffenladen." "Wie ist es da denn hingekommen. Ich meine, wie konnte es heil aus Draconia geschafft werden?" "Wenn ich das nur wüsste... Ich dachte auch, dass es damals vernichtet worden ist und nun finde ich es in einem alten, schäbigen Waffenladen, wo es für 1000 Goldmünzen zum Kauf angeboten wurde." Kiddi betrachtete erst Kai und dann das Pferd. "Woher hast du das Pferd denn auf einmal?" fragte sie neugierig und kam auf den Hengst zu. "Berühr ihn nicht!" warnte Kai. "Außer mir, darf ihm keiner zunahe kommen." "Warum nicht?" "Belass es dabei." Kai lächelte. "Ich bin der Einzige, der ihn berühren kann ohne sich in Gefahr zu begeben." "Ach übrigens, Kai." Kiddi schien das Pferd vergessen zu haben. "Luk sagt, das wir bald nach Draconia zurückkehren sollten. Er meinte, dass der kürzeste Weg über den Schlangenrücken führt." "Das sieht ihm ja wiedereinmal ähnlich." Kai lachte laut auf. "Den sollte man wirklich als Geschichtenerzähler anheuern." "Wie?" Kiddi sah ihn verständnislos an. "Was meinst du damit. "Nun, ganz einfach." Kais Stimme klang wieder ernst. "Hast du schon einmal eine Karte vom Kontinent des Feuers gesehen Kiddi?" "Nein. Ist das denn so wichtig?" "Na ja, weißt du: Der Schlangenrücken ist ein Gebirge - das ist dir sicher bekannt. Dieses Gebirge teilt unseren Kontinent in zwei Hälften: die nördliche Hälfte, die aus den Reichen Taogi und Fewall besteht, und die südliche Hälfte, wo sich Draconia befindet. Es ist also nicht nur der kürzeste Weg über den Schlangenrücken, es ist auch der Einzige. Egal wo wir lang gehen, wenn wir nicht schwimmen wollen müssen wir über den Schlangenrücken." "Verstehe... Und wann wollen wir nun aufbrechen?" "Am besten schon am heutigen Tage." Kiddi nickte. "Am besten heute schon." wiederholte sie und drehte sich um, um zu gehen. Nachdenklich sah Kai ihr nach. War das wirklich das Mädchen, das er vor einem Jahr mit in den Kampf genommen hatte? Hatte sie sich in den vier Monaten, die sie in Jetstar verbracht hatten, so sehr verändert? Was war nur mit ihr geschehen? Saro gab seinen Rebellen das Zeichen in die Schlucht zustürmen und die dortigen Taogi einzukesseln. Er selbst ritt in vollem Galopp voraus, gefolgt von Barun und dem Rest. Als sich die Pferde der Taogi plötzlich in der Falle wiederfanden und sahen, wie sich die Rebellen mit gezogenen Waffen schnell auf sie zu bewegten, scheuten sie und scharrten aufgeregt auf dem Boden. Hektisch rief der Truppführer Befehle und versuchte eine Verteidigungslinie aufzubauen, doch es gelang ihm nicht. Einer der Soldaten stellte sich dem Rebellenführer in den Weg und schlug zu. Saro hingegen presste seinem Hengst die Ferse in die Weiche, woraufhin dieses einen Satz zur Seite tat und der Soldat das Gleichgewicht verlor. Diese Situation ausnutzend hob Saro seine Axt und enthauptete seinen Gegner. Mit einigen weiteren Soldaten verfuhr er ähnlich, um sich dann um die Wagenlenker zu kümmern. Doch dort, wo vor kurzem noch Taogi saßen, befanden sich nun Rebellen, die die Zügel aus den toten Händen der taogischen Soldaten übernommen hatten. Warum sollte sich auch nur Saro vergnügen? Hatten die anderen Rebellen nicht auch das Recht auf ein wenig Spaß? Sie lenkten die Wagen zu ihrem Versteck, um ihre Beute in Augenschein zunehmen. Nur Saro und Barun hatten sich zurückgezogen - wie sie es oft nach einem Beutezug machten. Sie saßen im Unterschlupf des Rebellenführers und ließen den Kampf noch einmal Revue passieren, um eventuelle Fehler in der Ausführung des Planes auszumerzen. Kai und seine vier Gefährten hatten sich gut ausgerüstet und verließen nun die Stadt Taog. Ein Drache und drei Pferde - alle mit je einem Reiter - trotteten hintereinender durchs Stadttor und zogen manch neugierigen Blick auf sich. "Wohin jetzt?" fragte Yakim, der seinen Wallach neben Kais Pferd lenkte. "Ich dachte, das hätte dir Luk bereits gesagt." erwiderte Kai. "Wir reiten über den Schlangenrücken nach Draconia zurück." "Das war mir bislang noch nicht bekannt. Doch was führt dich in diese Stadt?" "Ich muss etwas herausfinden. Ich muss wissen, ob Sandro wirklich so töricht war und den Drachen ihr Land geraubt hat." Yakim sah Kai fragend an. Schließlich zuckte er die Schultern und ritt stumm weiter. Nach vier Tagen erreichten sie den Schlangenrücken. Kai achtete nicht auf seine Freunde. Er ritt seinen Gefährten voraus und war zu sehr darauf konzentriert, die Umgebung im Auge zu behalten. Unvermittelt ließ er Fremder anhalten, stieg ab, hockte sich auf die Erde und musterte einige Abdrücke im Boden. "Draconische Pferde." sagte Kai nachdenklich. "Sie sind noch relativ frisch. Hier sind vor kurzem Draconiar gewesen." "Was macht dich da so sicher, Kai?" fragte Yakim. "Es könnten ebenso gut taogische Pferde gewesen sein." "Bist du wirklich so naive, Yakim?" Kai schüttelte grinsend den Kopf. "Wir Draconiar beschlagen unsere Pferde nicht und da es hier weit und breit keine Wildpferde gibt, ist dies die einzige Möglichkeit. Es waren draconische Pferde, da besteht kein Zweifel." "Wenn dem tatsächlich so ist, wo sind sie dann hingeritten?" "Zum nördlichen Rand des Gebirges." "Willst du hinterher?" Yakim blickte auf und sah auf die Berge. "Immerhin sind das deine Landsleute." "Ich weiß nicht ob das so gut wäre." Kai schwang sich wieder in den Sattel. "Du bist kein Draconiar, aber auch kein Taogi. Ich habe keine Ahnung, wie sie mit dir verfahren werden. Kiddi kommt auch nicht aus der Stadt Draconia, aber das Blut unseres Volkes fließt dennoch in ihren Adern und Luk ist Draconiar von seinem Geburtsort und dem Reich her, genau wie ich. Wir dürften die geringsten Probleme mit den anderen Draconiarn haben, aber du..." Er schüttelte den Kopf. "Vielleicht sollten wir tatsächlich hinterher." "Bist du sicher? Wer weiß, wie sie auf dich reagieren." "Das ist mir gleich. In unseren Adern fließt immerhin das gleiche Blut." "Wenn du meinst..." Yakim und Kai erzählten den anderen von ihrem Entschluss. Luk und Kiddi stimmten ohne weitere Unschweife zu. "Du solltest Shiva zurücklassen, Luk." riet Kai. "Wieso?" gab der Drachenritter verständnislos zurück. "Ich habe sie noch nie irgendwo zurück-gelassen. Außerdem was ist ein Drachenritter ohne seinen Drachen?" "Luk, verstehe doch. Wenn du Shiva mitnimmst, könnte es sein, dass sich unsere Landsleute erschrecken und das ganze falsch auffassen." "Ich verstehe schon und - obwohl es mir widerstrebt - muss ich dir zustimmen." Kai nickte seinem Freund zu. An diesem Abend aßen sie lediglich ein wenig wässrige Suppe - ohne ein Wort zu wechseln - und legten sich danach schlafen. Am nächsten Morgen brachen sie zum Rand des Schlangenrückens ab. Kiddis Stute trug nun zwei Reiter, aber dies schien das graue Pferd nicht weiter zu stören. Kai führte sie über verschlungene Pfade die Felsen hinauf. In der ferne zeichneten sich die durch Nebel verschleierten Umrisse des Klingenfelsens - dem Höchsten Berg auf dem Kontinent des Feuers - ab. Der Morgen war ungewöhnlich kühl für diese Jahreszeit und der Nebel legte sich wie ein erstickender Schleier über das Land. Als sie ein breites Felsband erreichten, tauchte plötzlich eine Gestalt auf einem schwarzweiß gescheckten Pferd aus dem Nebel auf. "Was wollt Ihr hier?" fragte der Fremde. "Wir sind auf der Suche nach einigen Draconiarn, die hier entlang geritten sind." erwiderte Kai ruhig. "Und was macht Euch so sicher, dass sie hier entlang gekommen sind?" "Wir sind ihren Spuren gefolgt." Der Reiter kam aus dem Nebel weiter auf sie zu. nun konnten die Gefährten sein Gesicht erkennen. Er war ein Draconiar von etwa 24 Jahren mit braunen Haaren und blauen Augen. "Nun drei von Euch scheinen mir Draconiar zu sein." sagte er nachdenklich. "Doch Ihr" - er wandte sich an Yakim - "Ihr seid weder Taogi noch Draconiar. Welchem Volke gehört Ihr an." "Ich bin ein Fewalli." lautete die kurze Antwort des fewallischen Generals. "Ein Fewalli also." Der Reiter wandte sich wieder Kai zu. "Wer seid Ihr und was wollt Ihr von meinen Rebellen?" "Ich bin Kai vom Nadelwald, Sohn Herzogs Frederick vom Nadelwald, und meine Gefährten sind: Yakim von Fewall, Kiddi aus Jetstar und Ser Luk aus Alt-Draconia." antwortete der Waldwolf. "Ich hatte gehofft, Männer für einen Feldzug gegen Sandro von Taog zu gewinnen." "Was hat Euch der König angetan, dass Ihr einen solchen Gräuel gegen ihn hegt?" "Als ich mit meinem Freunden Luk zur Stadt Draconia reiste, nahm er mich gefangen, da er glaubte ich würde Euer Versteck kennen." "Wie bist du entkommen?" "König Sandro gab mir die Chance mich freizukämpfen." Der Fremde sah ihn fragen an. "Freikämpfen?" fragte er schließlich. "Wie meinst du das?" Warum redet er mich plötzlich mit >du< an? fragte sich Kai. Ist das ein Beweis seines Vertrauens? Tatsächlich war dem so. Die Rebellen redeten nur jene so an, die ihre Hochachtung verdienten. Das >Ihr< war unter ihnen ein Beweis des Misstrauens und wurde nur bei Fremden und Feinden verwendet. Folglich war die Tatsache, dass Saro Kai mit >du< ansprach eine Art Ehrerbietung. Kai knöpfte seine schwarze Lederweste auf und zeigte Saro den blutigen Verband. "Ich musste gegen des Königs besten Krieger kämpfen." erklärte er. "Wenn ich verloren hätte, wäre Sandro einen gefährlichen Feind losgewesen und diesen Gefallen hab ich ihm nicht getan. Ich denke, dass er mich um jeden Preis aus dem Weg haben will. Zumindest machte er den Anschein, als ich gewann, dass er nicht grade erfreut über meinen Sieg war." "Nun, du bist wahrlich deines Vaters Sohn." sagte der Rebellenführer. "Wir haben schon viel über deine Taten gehört. So heißt es zum Beispiel das du mit Fieber gegen Lorn gekämpft und ihn geschlagen hättest." "Ja, ich habe in diesem Zustand gegen ihn gekämpft, aber nicht geschlagen. Sein gerechtes Schicksal ereilte ihn in den Gassen von Minter durch meine Hand." "Außerdem heißt es noch, dass du ein Schwert mit großer Macht und Magie besitzen würdest. Mit diesem soll Lorn der Tod ereilt haben." "Ob mein Schwert nun Magisch ist, vermag ich nicht zu sagen." Kai legte die Hand auf den Griff des Schwertes aus Drachenzähnen. "In dem Schwert schlummert jedoch eine verborgne Kraft, das steht fest. In meinem Schwert Drachenzahn verbirgt sich die Macht eines Drachen." Saro sah Kai bewundernd an. wie gerne hätte er eine solche Waffe besessen. Schließlich wendete er sein Pferd. "Folgt mir!" sagte er und ritt in den Nebel. Die vier Gefährten folgten ohne jegliches Zögern. Bald sahen sie sich den vielen verzweigte Höhlen gegenüber, die die Rebellen als Versteck verwendeten. Ein junger Krieger mit blonden Haaren kam herangeritten, um seinen Anführer zu begrüßen, doch als sein Blick auf Kai und die andren fiel, blieb er schnell an Ort und Stelle stehen. "Darf ich dir unsere neuen Krieger vorstellen, Barun?" fragte Saro sanft. Der junge Krieger musterte die Gefährten aufmerksam. Seine dunkelbraunen Augen blieben an Kai hängen und sein strenger Gesichtsausdruck veränderte sich leicht. In seinen starren Zügen war plötzlich eine Sanftheit getreten, die Kai nicht verstand. "Es ist mir eine Ehre, dich wiederzusehen, Schwermeister." sagte er und verbeugte sich leicht im Sattel. Kai sah den Mann verwirrt an. Wer war er? Barun war vielleicht 21 und somit ein Jahr älter als Kai. Kai wusste, dass er ihn kannte. Nur woher? Dann fiel es ihm ein. Das ist doch der Sohn von Vaters bestem Freund, Aries Rosgar. dachte er. Warum hab ich ihn nicht gleich erkannt? Er sieht seinem Vater wirklich zum Verwechseln ähnlich und ich erkenn ihn nicht. "Es ist mir eine ebenso große Ehre, Barun Rosgar." erklärte Kai und machte seinerseits eine knappe Verbeugung. "Ich freue mich den Sohn von meines Vaters bestem Freund zu sehen. Zumal ich dachte, dass du in der Hölle damals umgekommen bist." "Unkraut vergeht nicht so schnell, Schwertmeister." erwiderte Barun. "Bitte nenn mich Kai. Wenn schon unsere Väter so gute Freunde waren, warum sollten wir dann nicht das Selbe sein. vor allem wenn man an die jüngsten Ereignisse denkt." "In Ordnung, aber nenn du mich dann bitte Barun und nicht ständig Barun Rosgar, das klingt so komisch. Doch vielleicht stellst du mir erst einmal deine Begleiter vor." "Es fehlt aber noch einer." Der Schwertmeister nickte Luk zu. Dieser zuckte die Schultern und stieß einen langezogenen Pfiff aus. Fast augenblicklich verdunkelte ein riesiger Schatten den Himmel. "Ein Drache!" keuchte Saro und zog sein Schwert. Barun tat es ihm nach. "Wie kommt ein Drache hierher?" fragte er mit aufgerissenen Augen. "Ich dachte sie wagen sich nicht so weit nach Norden." Shiva landete direkt hinter Kai. Mit zitternden Händen hielt Saro sein Schwert vor sich. "Die Göttin möge mir beistehen." stotterte er. "Was mögen wir getan haben, dass eine solche Bestie ihren Zorn gegen uns richtet?" Amüsiert lachte Luk auf. Er rutsche von Kiddis Stute, ging auf seinen Drachen zu und stich ihm sanft über die Schnauze. "Shiva ist doch keine Bestie." lachte er. "Nun gut..." sagte Kai kopfschüttelnd. "Ihr könnt eure Schwerter wieder wegstecken. Dieser Drache tut niemandem etwas. Verzeih mir Barun, ich wollte dir ja noch meine Gefährten vorstellen. Also da wären: Yakim von Fewall - General der fewallischen Armee -, hinter mir siehst du den Drachenritter Luk aus Alt-Draconia mit seinem Drachen Shiva und zu meiner Linken steht Kiddi aus Jetstar - ein junges Mädchen, das mich seit eines längeren Aufenthaltes in ihrer Heimat begleitet." "Ich freue mich euch alle kennen zulernen." grüßte Barun die Augen noch immer auf Shiva gerichtet. Saro hatte sich wieder gefangen. Er legte seinen Kopf schief und betrachtete den Drachen mit einer Mischung aus Achtung und Furcht. "Ein wahrhaft beeindruckendes Reittier." bemerkte er ehrfürchtig. "Habt Dank!" erwiderte Luk. "Doch sie ist für einen Drachenbergdrachen noch klein." "Fürwahr das ist sie." Nachdenklich kratzte sich Saro am Kinn. "Doch ihre Kraft kann uns nur von Nutzen sein." Seine Stimme wurde leiser. "Und wenn dieser Kai genauso stark ist wie alle sagen, besitzt auch er einigen Nutzen für uns." Barun legte ihm die Hand auf die Schulter. "Du vergisst, was er geleistet hat, Saro." gab er zu bedenken. "Das habe ich nicht vergessen." knurrte Saro. "Sein Vater hätte vieles nicht vollbringen können." "Ich weiß. Also ist er uns von größerem Nutzen als sein Vater." Die reden über mich als sei ich nicht anwesend. dachte Kai zornig. "Ich hoffe, dass du noch eine Weile bei uns bleibst und hilfst uns im Kampf um Draconia." sagte Saro. "Das war ohnehin unser Ziel." erklärte Kai ruhig. "Majestät!" Spike kam schwer verletzt in den Thronsaal gestürmt. "Hoheit, es ist furchtbar." "Was ist mit Euch geschehen, General?" fragte Sandro besorgt und beugte sich im Thron vor. "Ein Drache, Hoheit! Ich habe mich so sehr erschreckt, dass ich den Berg herunter gefallen bin." "Ein Drache? Ich fürchte ich verstehe nicht." "Ich...ich bin diesem Schwertmeister gefolgt und er ist tatsächlich auf den Rebellenführer getroffen. Sie sind zum Versteck der Rebellen geritten und dort tauchte plötzlich ein riesiger, schwarzer Drache auf." Sandro sprang auf. "WAS HABT IHR GESAGT?" rief er. "Es soll ein schwarzer Drache gewesen sein?" "Ja, Mylord." gab Spike zurück. "Es war ohne Zweifel ein schwarzer Drache." "Dann entsprechen die Gerüchte über den draconischen Drachenritter also doch der Wahrheit. Das hätte ich nie gedacht." "Es scheint so, Sire." "Wo sagtet Ihr soll sich der Ritter aufhalten, General?" "Bei den Rebellen am nördlichen Rand des Schlangenrücken, Hoheit." "Habt Dank, General. Nun erholt Euch. Sobald Ihr wieder bei Kräften seid, werde ich Euch über meine Pläne im Bezug auf diesen Ritter unterrichten." "Wie Ihr wünscht, Herr." Spike del Sorones drehte sich um und ging. Sandro hingegen ließ sich zurück in seinen Thron sinken. "Was denkt Ihr darüber, Sturmreiter?" fragte er den Jungen, der sich im Schatten verborgen hielt. "Was soll ich schon davon halten?" fragte der Sturmreiter. Er war ein junger Mann von 17 Jahren, hatte rötliche Haare und rehbraune Augen. Er trug die typische, rote Drachenstahlrüstung der Sturmreiter. Unter seinem Arm hielt er einen hielt er einen Helm in der Form eines Drachenkopfes. Auf seinem Rücken hing ein ungewöhnlich langes Schwert. Hiermit hatte er schon Frauen und Kinder, die jeder andere Sturmeiter verschont hätte, umgebracht. "Ich will Eure ehrliche Meinung hören, Stodelat!" fauchte der König. "Ich finde, dass er ein Tor ist. Es wäre wesendlich leichter gewesen, den Rebellenführer sofort umzubringen, statt ihnen erst zu folgen. Reist man die Wurzel heraus, kann der Baum des Verrates nicht mehr wachsen, oder irre ich mich da." "Wie ich sehe, ist nicht einmal Euer Vater vor Eurem Urteil gefeit." "Ihr wolltet meine ehrliche Meinung hören. Wenn sie Euch nicht passt kann ich da auch nichts für." "Ihr sollte mir mehr Respekt zollen, Sturmreiter! Immerhin bin ich Euer König." "Sicher, das könnte ich natürlich. Doch wieso sollte ich etwas tun, das ich persönlich für sinnlos halte. Ihr seid schließlich auch nur ein Mensch und vor meinem Schwert sind alle Menschen gleich." "Ihr wist, dass ich Euch für diese Frechheit hinrichten lassen könnte." "Warum tut Ihr es dann nicht?" Stodelat grinste verächtlich. "Seid Ihr zu feige dafür? Nein, selbstverständlich nicht. ihr braucht mich, nicht wahr? Ich bin der Einzige, der die Schwächen meines Vaters kennt und ich bin Euer bester Krieger seit dieser Graf Georg tot ist." Widerwillig musste der König zugeben, dass der Junge Recht hatte. Sandro knirschte aufgebracht mit den Zähnen. Schließlich schickte er den Krieger hinaus. Kai saß in Saros Quartier und unterhielt sich mit dem Rebellenführer. "Wie hast du den Fall von Draconia erlebt?" wollte Saro wissen. "Es war für mich alles wie ein Traum - nicht real. Ich bin einfach nur gerannt. Ich wusste nicht weshalb ich rannte - nur, dass ich nicht stehen bleiben durfte." erklärte Kai. "Ich nahm nichts wahr - nicht die Toten, nicht die Verwundeten, nicht einmal das Feuer. Ich glaube, es war mir damals egal. Ich wollte nur mein Leben retten. Irgendwann blieb ich bei einem Wald stehen und alles was ich noch vernahm war der Todesschrei meines Vaters." "Wie hast du es geschafft all die Jahre zu überleben?" "Verzeih mir, aber das kann ich dir nicht sagen, ich habe jemandem mein Wort gegeben." "Verstehe. Bei mir war es ähnlich. Ich war allerdings doppelt so alt, wie du damals. Noch dazu kam, dass ich nichts über den Schwertkampf wusste und meinen jüngeren Bruder dabei hatte. Mein Vater hatte mir beigebracht mit der Axt zu kämpfen, aber nicht wie man jagt." "Aha." "Sag mal, Kai, wie hast du Luk eigentlich wiedergetroffen?" "Das ist noch so eine Sache, die ich dir nicht sagen kann. Ich will nicht daran erinnert werden und Luk und Kiddi geht es Wohl ebenso." "Du musst wohl Recht haben. Er wollte auch nicht darüber reden." "Das hätte ich dir gleich sagen können. Luk redet so gerne über damals, wie ein Mönch in den Drachenbergen spazieren geht." "Egal... Wir werden Morgen zum Meer der 1000 Tode reisen und uns am anderen Ufer hoffentlich Verstärkung holen." "Bist du dir sicher, dass wir es über das Meer schaffen?" "Wieso sollten wir nicht?" "Na ja, ich kenne einige Seefahrer und keiner von ihnen würde im Sommer auf dieses Meer fahren." "Es vereinfacht, die Sache erheblich, dass du einige Seefahrer kennst. Zudem ist es nicht die Überfahrt, die mir Sorgen macht." "Sondern?" "Der Weg den wir nehmen müssen, wenn wir den Haven von Waterville erreichen wollen, führt durch die Drachenberge. Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Drachen zurzeit ungewöhnlich aggressiv sind und ich kann mir keine Verluste leisten." "Was ist das Problem? Wir haben immerhin Shiva, Luk und Kiddi." "Ich danke dir, aber der Panzer der Drachenbergdrachen ist nahezu unzerstörbar. Das einzige Material, das ihn durchdringen kann, sind Drachenzähne." In Saros Augen flammte plötzlich eine Erkenntnis auf. " Kai, dein Schwert. Sagtest du nicht es sein aus Drachenzähnen geschmiedet?" "Ja, warum?" Saro antwortete nicht er war dabei einen Plan zu entwerfen und konzentrierte seine gesamten Gedanken darauf. "WAS ER IST MIT DIESEN VERLETZUNGEN LOSGERITTEN?" fuhr Sandro den Leutnant an, der vor ihm auf dem Boden kniete. Er war ein Mann Mitte 40 mit kurzen blonden Haaren und einem markanten Gesicht. "Ja, Mylord." Erwiderte der Krieger. "Findet ihn und bringt ihn zurück, Leutnant Jester!" befahl der König. "W-Wie Ihr wünscht, Sire." Eilig stand Jester auf, eilte aus dem Thronsaal und die Gänge entlang. Als er bei den Truppen angelangt war rief er: "Hört mir gut zu Männer. Unser Auftrag ist es General Spike del Sorones zu finden und ihn wohlbehalten zurück zu bringen. Er hat sich schwer verletzt auf der Suche nach den Rebellen und seine Majestät fürchtet, dass er aufgrund seiner Wunden bei seinen jetzigen Unterfangen umkommt." Ohne jegliches Zögern rannten die Soldaten zu den Ställen und sattelten ihre Pferde. Binnen Sekunden waren alle Reiter angetreten und hatten sich in ordentlichen Zehnerreihen aufgestellt. Jester ritt vor ihnen auf und ab. "Zwei Mann", sagte er und hob die Hand, "zwei Mann bilden jeweils einen Suchtrupp. Sucht jeden Winkel des Reiches ab und vergesst nicht wirklich genau nachzusehen, wo sich der General befindet. Der jenige, der ihn findet, wird reich belohnt werden." Auf ein Zeichen des Leutnants stoben die Reiter aus der Stadt. Jester galoppierte schnell hinterher. Vor der Stadt trennten sich die Gruppen und ritten in alle Richtungen davon. Jester selbst ritt mit Laylayo nach Süden zum Schlangenrücken. Kapitel 6: Drachenberge ----------------------- Eine Truppe von 26 Draconiarn und einem Fewalli machte sich auf den Weg zum Meer der 1000 Tode. Viele von ihnen machten den Anschein als wären sie mordlüsterne Bestien. Nur Kai schien all dies nicht zu stören. Er beachtete den wilden, wahnsinnigen Blick der anderen Nicht. seine Gedanken waren nicht bei den Verbündeten, die sie vielleicht gewinnen konnten. Vielmehr sorgte er sich, um das, was vor und hinter ihnen lag. Wir werden verfolgt. dachte er nicht zum ersten Mal. Ich spüre es in jeder Faser meines Körpers. Ich vermute jedoch, dass sie uns nicht durch die Drachenberge folgen. Wer auch immer uns folgt, ist wahrscheinlich zu klug, um uns in den Tod zu folgen. Plötzlich spürte der junge Krieger eine sanfte Hand auf seiner Schulter. „Du solltest wirklich nicht soviel nachdenken, Kai.“ Sagte Barun, der neben dem Waldwolf ritt. „Ich denke nicht nach, Barun.“ erklärte Kai. „Ich mache mir Sorgen.“ „Sorgen?“ Baruns Blick verfinsterte sich. „Worüber machst du dir Sorgen? Über die Drachen?“ „Nicht nur über die Drachen.“ Kai schüttelte den Kopf. „Vielmehr sorge ich mich eines Gefühls wegen.“ „Wegen einem Gefühl?“ „Ja. Ich glaube, dass man uns verfolgt.“ „Bist du dir sicher?“ „Eben nicht. Ich sagte doch, dass es nur ein Gefühl ist.“ „Dann behalte es besser für dich. Wir sind nur noch einen Tagesritt von den Drachenbergen entfernt und ich glaube, dass Saro nicht grade erfreut über einen Aufruhr wegen deines Gefühls wäre.“ „Noch ein Tagesritt…“ Kai sah nachdenklich nach Osten, wo sich schwach die Umrisse der Drachenberge abzeichneten. Seine Augen bebten durch die Furcht vor dem, was sie erwartete. Die Nacht kam schnell und die Rebellen sammelten sich an mehreren Feuern, aßen etwas Fleisch oder wässrige Suppe und tranken Bier oder Wein. Wie so oft hatte sich Kai mit Yakim in den Schatten der Nacht zurückgezogen, um zu trainieren. „Hast du es auch gespürt?“ fragte Yakim nachdem sich die Schwerter zum dritten Mal gekreuzt hatten. „Was meinst du?“ erwiderte Kai. „Das uns jemand gefolgt hat.“ „Ach das.“ Kai nickte ernst. „Ich habe es gespürt, aber da wir schon morgen die Drachenberge erreichen habe ich mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Ich meine: Wer reitet schon freiwillig zu dieser Zeit durch dieses Gebirge?“ „Da hast du allerdings Recht.“ Kai stieß Yakim mit einem kräftigen Ruck zurück. Das Schwert des fewallischen Generals flog durch die Luft und rammte sich neben seinem Kopf in den Boden. Als Yakim die Klinge ergreifen wollte, spürte er Drachenzahns scharfe Klinge an seiner Kehle. „Erneut hast du mich geschlagen, Kai.“ sagte Kai mit einem anerkennenden Nicken. „Aber du wirst immer besser, mein Freund.“ erwiderte Kai. Er zog den Fewalli wieder auf die Füße. Der Mond stand bereits hoch am Himmel, als Kai und Yakim ins Lager zurückkehrten. Sie setzten sich zu Barun, Saro, Kiddi und Luk ans Feuer. „Und wie ist euer Kampf heute ausgegangen?“ wollte Saro wissen. „Wie er immer ausgeht.“ Erwiderte Yakim knapp und setzte sich ans Feuer. Kaum waren die beiden Kämpfer zurückgekehrt, als auch schon Luk aufsprang. „Ich werde mich dann mal um Shiva kümmern.“ erklärte der Drachenritter. „Außerdem bin ich müde und morgen wird ein anstrengender Tag.“ Nach diesen Worten verschwand er in der Dunkelheit. „Luk warte ich komme mit.“ Rief Kiddi, sprang auf und rannte hinter dem Ritter her. Kai warf Yakim einen bedeutenden Blick zu. Der Fewalli lächelte. Natürlich! dachte er. Sie liebt ihn. Doch erwidert er ihre Gefühle? Als Kai Yakims nachdenklichen Blick bemerkte beugte er sich zu ihm hinüber und flüsterte: „Er liebt wie sosehr, wie keiner von uns nachzuvollziehen vermag.“ „Woher weißt du das?“ fragte Yakim ebenso leise. „Ganz einfach.“ Kai seufzte bei der Erinnerung. „Auch ich habe geliebt und ich glaube, ich tu es immer noch.“ Sein Blick wanderte zu den Sternen. „Ihr Name war Saja. Sie war wunderschön, ihr goldblondes Haar, ihre grasgrünen Augen.“ „War sie eine Draconiar?“ „Nein. Sie war eine Heigani. Vielleicht war es nur die Spinnerei eines zehnjährigen Jungen, aber ich liebte sie. ihr Anblick geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Spike beobachtete den Trupp aus der Nähe. „Hier seid Ihr also, Saro.“ flüsterte er. „Wie es aussieht wird es schwerer als wir dachten, immerhin haben sich Euch ja nun der Schwertmeister, der Drachenritter mit seinem Drachen und der fewallische General angeschlossen. Doch wenn Ihr glaubt, dass uns dieser Stand aufhält, irrt Ihr.“ Leise schlich Spike vom Rebellenlager davon. Er ging zu seinem Pferd. Doch als er aufsitzen und nach Taog zureiten wollte, um seinem König Bericht zu erstatten, brach er über den Pferderücken gebeugt zusammen. Unsanft landete er quer über dem Rücken des weißen Hengstes. Das Tier erschrak. Ein lautes Wiehern drang aus der Kehle des Pferdes. Dann preschte der Hengst mit dem General auf seinem Rücken davon. „Was zum Teufel war das?“ rief Barun als er das verängstigte Wiehern eines Pferdes hörte. Kai deutete auf einen sich schnell entfernenden weißen Fleck. „Dort drüben.“ Sagte er ruhig. „Ich hatte also doch Recht. Man ist uns gefolgt.“ „Vielleicht ist es nur ein Reisender, der sich mit den Drachen angelegt hat.“ sinnierte Saro. „Vielleicht…“ – Kai furchte die Stirn – „aber ich bezweifele es. Niemand, der noch halbwegs bei Verstand ist, würde zu dieser Jahreszeit durch die Drachenberge reisen.“ „Wir zumindest reisen hindurch.“ „Bei uns ist das etwas Anderes.“ Nachdenklich saß Kai mit verschränkten Armen da. „Wir haben eine mächtige Waffe auf unserer Seite und ich rede nicht von Drachenzahn.“ Er sah auf und in seinen Augen spiegelte sich nicht nur der schein des Feuers, sondern auch Mut und Entschlossenheit. „Wir haben Shiva auf unserer Seite.“ „Sicher wir haben den Drachen, aber was nützt er uns, wenn uns ein weit mächtigerer Gegner attakiert?“ Barun senkte den Blick. „Ich meine: Was nützt uns ein Drache, wenn wir auf Zauberkundige treffen?“ „Für diesen Fall haben wir immer noch Kiddi.“ „Kiddi?“ Saro sah Kai fragend an. „Was soll uns dieses Mädchen denn in einem solchen Fall für einen Vorteil bringen?“ „Nun…ähm…“ – Kai räusperte sich – „ich weiß nicht, ob ich euch dies anvertrauen kann. Immerhin ist es Kiddis Geschichte und nicht mein – obschon sie mit meiner verwoben ist. Nicht einmal Yakim weiß darüber Bescheid und er ist einer unserer engsten Freunde.“ „Wovon soll ich nichts wissen, Kai?“ fragte der Fewalli streng. „Von Kiddis Erbe.“ Kai bemerkte den Fragenden Blick der anderen nicht. „Dem Erbe der Magie. Was ich sagen will ist: Kiddi beherrscht die Kunst – wie alle Zauberkundigen ihre Macht nennen.“ Entsetztes Schweigen breitete sich über die Gefährten. Keiner sagte etwas. „Soll das heißen, sie ist eine Hexe?“ brach Yakim die Stille. „Wie…wie ist das möglich. Ich meine: wir sind doch Freunde. Ich hätte es bemerkt.“ „Wir Unwissenden nennen es >Hexe<, aber sie selbst bevorzugt den Begriff >Zauberin<.“ Kai sah Yakim scharf an. „Du hättest es erst bemerkt, wenn sie in deiner Gegenwart einen Zauber geworfen oder dich in einen Frosch verwandelt hätte.“ „Genug!“ gellte Saro. „Ob nun Hexe oder meinetwegen auch Eiswächter – wir haben wichtigeres zu tun.“ Stumm pflichteten ihm die anderen bei. Es würde ein harter Tag werden und sie mussten sich ausruhen. Jester und Laylayo hielten auf einem der vielen Hügel des draconischen Graslandes Ausschau nach Spike del Sorones. „Wo seid Ihr nur, General?“ fragte Jester mehr zu sich selbst als zu Spike. „Leutnant Jester, seht dort drüben!“ rief Laylayo und deutete auf ein schnell über die weiten, draconischen Grasebenen hastendes Pferd. „Ist das dort nicht der Hengst des Generals?“ „Wo?“ Jesters Blick folgte dem Finger des Soldaten. „Ihr habt Recht. doch was ist das auf seinem Rücken?“ „Vielleicht ist das der General.“ „Ich hoffe, Ihr irrt, Soldat.“ Jester ließ seine braune Stute angaloppieren und ritt den Hügel hinab. Laylayo seufzte. „Wieder kein Wort des Dankes oder der Annerkennung.“ sagte er leise. „Nur wegen meiner ehrlosen Herkunft.“ Kopfschüttelnd gab er seinem Pferd die Sporen und ritt hinter dem Leutnant her. Dieser versuchte während dessen die Zügel des völlig verängstigten Hengstes zu ergreifen. Nach mehreren missglückten Versuchten schaffte er es endlich die Zügel zu ergreifen und das Pferd zu beruhigen. Laylayo langte seinen Wallach an den Hengst heran stieg ab und zog den leblosen Körper des Generals von dem Hengst hinunter. Behutsam ließ er den Mann zu Boden gleiten. „Er lebt, Leutnant.“ erklärte er erleichtert. „Es ist General del Sorones.“ „Wir verbringen die Nacht hier.“ sagte Jester gebieterisch. „Morgen reiten wir zurück nach Taog.“ Und immer noch kein Wort der Ehrerbietung. dachte Laylayo seufzend. Der Morgen war kühl und nebelig. Niemand hatte an diesem Morgen große Lust auf einen Ritt gehabt, aber nun saßen doch alle Rebellen in den Sätteln. Über ihnen zogen der Drachenritter und sein Drache ihre Kreise. Barun ritt nun neben Kai. „War sie wirklich so schön wie du gesagt hast?“ fragte er. „Ja.“ bestätigte Kai nickend. „Doch es ist nicht mein Wille jetzt darüber zu reden.“ Von seinen eigenen Worten überrascht brach Kai in Gelächter aus. „Bei meinen Ahnen, ich rede schon wie Nogi!“ „Nogi?“ „Das ist eine zu lange Geschichte. Las mich nur soviel sagen: Er ist ein alter – sehr alter – Freund.“ „Wie dein Nachtwolf vielleicht?“ „Was hat Schadow denn jetzt damit zu tun?“ Er sah Barun verwirrt an. „Schadow ist ein treuer Gefährte, aber Nogi ist wieder etwas Anderes.“ „Dann stimmen die Gerüchte also doch.“ Nachdenklich starrte Barun auf den Hals seines Pferdes. „Du besitzt also tatsächlich einen Nachtwolf.“ Nun blickte er Kai direkt an. „Meinst du, dass du ihn hierher holen könntest?“ „Ich kann es versuchen, aber wenn er meinen Ruf nicht hört, wird er auch nicht kommen.“ Kai stieß einen langezogenen Pfiff aus. Worauf hin sich alle Augen auf ihn richteten. Aus den Bergen erschall das einsame Lied eines nahen Wolfes. Kai antwortete auf den Ruf des Tieres mit einem weiteren Pfiff. Plötzlich brach ein großer, schwarzer Wolf aus dem Unterholz des Bergwaldes, durch den die Rebellen ritten. Unwillkürlich griff Saro nach seiner Axt. Kai hingegen stieg von Fremders Rücken und ging seelenruhig auf den Wolf zu. „Was hast du vor Kai?“ wollte der Rebellenführer wissen. „Steck deine Axt weg.“ riet Kai ruhig. „Sonst versteht Schadow das noch falsch und denkt, dass du ihn oder mich angreifen willst.“ „Schadow?“ Saro sah den jungen Krieger fragend an. „Wie darf ich das verstehen?“ „Na ja, wie soll ich sagen… Schadow ist… äh… so etwas wie… ein sehr guter Freund.“ „Du hast schon merkwürdige >Freunde<, Schwertmeister.“ Saro sah zu Shivas riesigem, schwarzem Schatten des Drachen empor. „du ziehst umher mit einem fewallischen General, einem Drachenritter mit seinem Drachen, einer Zauberin und nun auch noch mit einem Wolf. Zusätzlich hast du dein Herz an eine Heigani verloren. Was habe ich mir da bloß für Verbündete angeheuert?“ „Sei froh, dass wir auf deiner und nicht auf des Feindes Seite stehen, Saro.“ Saro lief vor Scham rot an. mit zitternder Hand ließ er seine Axt wieder in seinen Gürtel gleiten. Grinsend schlenderte Kai – gefolgt von seinem Wolf – zu seinem Pferd zurück und schwang sich in den Sattel. Mit einem weiteren, gefährlichen Verbündeten ritt der Trupp weiter seinem Ziel – der Hafenstadt Waterville – entgegen. Zwei Tage waren seither vergangen. Noch kein Drache hatte den Weg der Rebellen durch die Drachenberge gekreuzt, aber das sollte sich schon bald ändern. Gegen Ende der Nacht begann Schadow, die Dunkelheit anzuknurren. „Was ist, Schadow?“ Fragte Kai, während er Drachenzahn und Jero hervorzog. „Was ist dort, mein Guter?“ Kai weckte die anderen Rebellen, die sich – in drohender Abwehrhaltung – hinter ihm aufbauten. Shiva drängte sich zwischen die Krieger und starrte mit ihren roten Augen in die undurchdringliche Finsternis der Nacht. Alle sahen mit gezogenen Schwertern – in Erwartung eines menschlichen Feindes – in die Dunkelheit. „Was ist dort?“ fragte Saro leise. „Ich fürchte, das werden wir bald erfahren.“ erwiderte Kai ernst. Dann sahen sie im Licht der aufgehenden Sonne, was den Wolf so nervös machte. Zwei rote Drachenaugen funkelten sie wie glühende Kohlen an. später wurden nach und nach die Umrisse der Kreatur in der Finsternis schärfer und schließlich wich die Dunkelheit und gab den Blick auf einen riesigen, grünen Drachen frei. Shiva war nun nicht mehr zu halten. Sie stürzte sich auf ihren Artgenossen und schlug ihre mächtigen Zähne so in den Nacken des größeren Drachen, dass dieser selbst nicht mehr zubeißen konnte. Schwarzes Blut rann wie ein nicht enden wollender Strom aus Shivas Mal und versengte den Boden. Einer der Armbrustschützen legte an und schoss, doch der Bolzen prallte an der dicken Schuppenhaut des Drachen ab und wurde in Kiddis Richtung abgelenkt. Kurz bevor das Geschoss die Hexe erreichte schmiss sich Kai dazwischen. Der Bolzen durchschlug die rechte Schulter des Schwertmeisters, der daraufhin blutend in den Staub fiel. Schadow, der seinen Herrn in Gefahr glaubte, rannte wütend auf den Drachen zu. „Sch-Schadow teire!“ keuchte Kai und versuchte sich aufzurichten. Der Wolf gehorchte nicht. Er steckte seine Schnauze zwischen zwei Brustschuppen des großen Drachen und biss zu. das Blut verbrannte die Haare auf seiner Schnauze, aber in seiner Raserei spürte der Wolf den Schmerz nicht und kämpfte wutentbrannt weiter. Kiddi half Kai auf die Füße. „Wieso hast du das getan, Kai?“ fragte sie leise. „Weil ich nicht will, dass Luk dich verliert antwortete Kai sanft. „Bist du in Ordnung?“ „Ja.“ Seine Miene verfinsterte sich, als er seinen Schwertarm betrachtete. „Verdammt!“ „Was ist?“ Kiddi musterte ihn besorgt. „Was hast du.“ „Ich kann meinen Arm nicht bewegen.“ Drachenzahn rutschte aus seiner Hand und fiel klappernd zu Boden. Schnell ließ Kai Jero in die Scheide gleiten und hob das Schwert aus Drachenzähnen wieder auf. Doch noch bevor sich Kai in den Kampf der beiden Drachen einmischen konnte, sah er wie Rauch aus dem Maul des großen Drachen drang. Das riesige Tier öffnete sein Maul und war im Begriff einen letzten, verheerenden Angriff zu unternehmen. Wieder flog ein Bolzen durch die Luft. Diesmal traf das Geschoss sein Ziel und bohrte sich in den Gaumen des Drachen. Das Biest heulte auf vor Schmerz. Er versuchte das Maul zu schließen, doch dabei trieb er den Bolzen immer tiefer in seinen Schädel. Schließlich ließ der alte Drache den Kopf hängen. Shiva öffnete ihre tödlichen Kiefer und der Grüne fiel tot zu Boden. An diesem Tag lief eine Fremde durch die Korridore des taogischen Schlosses. Diese Fremde hatte rehbraune Haare und tannengrüne Augen. Sie trug einen roten Brustpanzer und gleichfarbige Beinschienen. Ansonsten trug sie eine grüne Hose, einen kurzärmligen, grünen Wams und gleichfarbige Handschuhe. Um ihre Hüfte hingen zwei Gürtel: ihr Schwertgurt und ein weiterer, lockerer Gürtel an dem sie einen kleinen, reichverzierten Dolch trug. Die Wachen versuchten sich der Frau in den Weg zu stellen, aber sie wurden von einer seltsamen, schaurigen Macht zur Seite gestoßne. Schließlich erreichte die Fremde ihr Ziel. Sie stieß die Flügeltüren des Thronsaales auf und stürmte hinein. Sandro von Taog sprang auf. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte er wütend. „Ihr seid ein Tor, König!“ rief die Frau und deutete auf den Mann. „Was soll diese Beleidigung? Wollt Ihr mich in meiner Ehre verletzen?“ „Ehre?“ erklang eine ruhige, geisterhafte Stimme. „Was für Ehre? Es war ir nicht bewusst, dass Feiglinge etwas wie Ehre besitzen.“ „Was zur Hölle ist das?“ stotterte Sandro. „Lord Vortem, bitte redet nicht aus dem Schatten.“ unterbrach die Frau sarkastisch. „Wir wollen doch nicht, dass der König meint, er sei des Wahnsinns.“ Aus dem Schatten der Wand trat die blaue, durchscheinende Gestalt eines toten Ritters, dessen Augen noch immer die Umstände seines Todes preisgaben, denn sie schienen aus zwei fingergroßen Flamme, die in der Luft standen. Zusätzlich war die Rüstung des Ritters so verkohlt, dass man sein Wappen nicht mehr erkennen konnte. Sandros Augen gingen erst zu Vortem und schließlich zu der Frau. „Wer seid Ihr?“ fragte er ruhig. „Mein Name lautet Kaine Severanz.“ antwortete die Fremde. Sandros Augen weiteten sich bei dieser Erkenntnis. „Ihr seid tatsächlich die Kaine Severanz – die Drachenfürstin deren Name allein weinende Kinder zum Schweigen bringt?“ fragte er. „Eben diese.“ erwiderte Kaine knapp. Aus dem Gesicht des Königs war plötzlich jegliche Farbe gewichen. Er sank auf seinen Thron zurück und schien wie ein alter Greis. „Sagt mir, Fürstin: Weshalb bin ich in Euren Augen ein Tor?“ wollte er wissen. „Sagt es ihm, Vortem!“ befahl Kaine dem toten Ritter. „Den Rebellen haben sich vier weitere Personen angeschlossen.“ erklärte Vortem. „Vier Personen, von denen Euch zumindest eine wohlbekannt ist.“ „Ich weiß darüber bescheid, dass sich der fewallische General, dieser Schwertmeister, eine Frau und der Drachenritter sich den Rebellen angeschlossen haben.“ knurrte Sandro. „Ihr unterschätzt meinen Bruder König.“ warf Kaine ein. „Euren Bruder?“ Sandro sah sie verständnislos an. „Ich fürchte, ich verstehe nicht.“ „Der Drachenritter ist der Bruder der Fürstin.“ erklärte Vortem. „Außerdem ist diese draconische Frau keine normale Frau. Sie ist eine Zauberin.“ „Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“ Sandro sprang erneut auf. „Eine Hexe? Bei den Rebellen?“ „Was ich sagte: Es befindet sich eine Hexe bei den Rebellen. Natürlich keine würdige Gegnerin für mich, aber ich und meine Fürstin haben uns entschlossen, uns nicht einzumischen.“ „Und warum bitte nicht?“ „Wieso sollte ich dem Mann helfen, der meine einstige Heimat verwüstet halt?“ fragte Kaine verächtlich. „Wenn Ihr so denkt, wieso seid Ihr dann hierher gekommen, Fürstin?“ wollte König Sandro wissen. „Ich wollte Euch nur davor warnen, meinen Bruder und seine Gefährten zu unterschätzen, was Ihr ja offensichtlich tut.“ „Ich unterschätze meine Gegner nie!“ Kaine brach in Gelächter aus. „Mich habt Ihr unterschätzt.“ lachte sie. „Ihr dachtet, ich sei eine ganz normale Frau, nicht wahr?“ „Na ja, was sollte ich denn sonst schon denken?“ Er grinste. „Aber ich muss zugeben, dass schon Mut dazugehört, um einfach so hier hereinzustürmen.“ Sie lächelte. Es war ein schalkhaftes Lächeln, das jeden normalen Mann zum Schmelzen gebracht hätte. Bei Sandro war es nicht anders. „Nicht ich bin es, die ihren Mut beweisen muss – Ihr nämlich müsst den Euren beweisen.“ Ihr Lächeln war verschwunden. „Ich gebe Euch einen Tipp: Gewinnt Euren Krieg.“ „Das weiß ich selbst!“ knurrte Sandro. „Nur wie soll ich das anstellen? Um zu gewinnen, muss ich diesen Drachenritter loswerden und ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll.“ „Ganz einfach: Um meinen Bruder zu vernichten, müsst Ihr seinen Drachen töten.“ „Wie?“ Er wandte seinen Blick von der Fürstin ab. „Der Drache Eures Bruders ist kein Steppendrache aus dem Draconischen Grasland – wie der Eure –, er ist auch kein Feuer- oder Eisdrache. ER ist ein Schwarzwasserdrache aus den Drachenbergen.“ „Sagt Euch der Name Dravo Drachentod etwas?“ „Ein Drachentöter?“ Der König sank in seinen Thron zurück. „Ihr wollt, dass ich einen Drachentöter einsetze?“ „Genau.“ „Doch wie soll ich Kontakt mit ihm aufnehmen?“ „Wenn Ihr es wünscht, werde ich ihm den Auftrag persönlich überbringen.“ „Tut dies, Fürstin Severanz.“ Kaine verbeugte sich, drehte sich um und verließ den Raum. Schnell lief sie durch die Flure hinaus auf den Burghof, wo Riku – ein großer, nachtblauer Steppendrache – auf seine Herrin wartete. Als er Kaine kommen sah, breitet Riku einen seiner Flügel aus und ließ ihn auf den Boden sinken damit seine Herrin aufsteigen konnte. Schnell kletterte die Drachenfürstin auf den Rücken ihres Drachen. Neben ihr ließ sich der tote Ritter nieder. Nur wenige Sekunden Später erhob sich der Steppendrachen in die Lüfte und verschwand in den Wolken. Bereits einen Tag später landete Riku vor den weißen Kalksteinmauern von White Castle – der einzige Ort in Iceworld, der von Menschen bewohnt wurde. Kaine ließ sich von Rikus Rücken gleiten und eilte auf die Tore zu. „Öffnet mir!“ befahl sie lautstark. Am oberen Rand erschien das runde Gesicht eines etwa 40-jährigen Mannes mit graubraunen Haarstoppeln und schwarzen Haifischaugen – Augen, die alle wahren Schneewandler besaßen. „Wer ist dort?“ fragte der Schneewandler. „Drachenfürstin Kaine Severanz.“ erwiderte die Fürstin. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Man nennt mich Cadrach. Was ist Euer begehr?“ „Ich muss mit Dravo Drachentod reden.“ Der Schneewandler schnitt eine merkwürdige Grimasse und verschwand wieder hinter der Mauer. Wenig später öffnete sich das aus weißem Holz gefertigte Drachenbaumtor. Cadrach wartete dahinter. Als sich seine schwarzen Augen auf Vortem richteten, erstarrte er einen Augenblick. „Nun?“ Kaine sah sich im Hof um. „Wo ist der Drachentöter?“ „Was?“ Cadrach zuckte zusammen. „Oh ja, Dravo…äh… folgt mir bitte.“ Der Schneewandler führte Kaine durch die verschlungenen Korridore der Burg zu einer schäbigen Tür aus Eschenholz. „Hier ist es.“ erklärte Cadrach untergeben. „Vergebt mir, wenn ich mich hier von Euch trenne, aber uns Schneewandlern ist es verboten, diesen Raum zu betreten.“ Kaine sagte nichts, sondern nickte bloß. Als Cadrach gegangen war, öffnete sie die Tür. Der Drachentöter saß mit verschränkten Beinen auf dem Boden, seine Hände ruhten auf den Knien, seine Augen waren geschlossen, seinen Kopf hielt er gesenkt und seine schwarzbraunen Haare hingen ihm ins Gesicht. Um seine Schultern hing ein grauer Kaninchenfellumhang. Zusätzlich trug er ein Wams aus graugefärbtem Hirschleder, eine gleichfarbige Bärenfellhose und schwarze Rindslederstiefel deren Saum mit weißem Wolfspelz besetzt war. „Was wünscht Ihr von mir, Fürstin Severanz?“ fragte er ohne aufzublicken. „Ich habe einen Auftrag für Euch, Drachentöter.“ erwiderte Kaine ruhig. „Einen Auftrag?“ Dravo sah interessiert auf. „Was für einen Auftrag?“ Seine tiefblauen Augen musterten die Fürstin interessiert. „Sprecht, Fürstin!“ „Es geht um einen Schwarzwasserdrachen.“ Kaine fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Dieser Drache gehört einem Drachenritter namens…“ „…Ser Luk Severanz.“ unterbrach Dravo. „Er ist mir bereits bekannt.“ „Woher?“ „Glaubt Ihr etwa, nur weil ich hier draußen lebe, ginge alles an mir einfach so vorbei?“ Dravo lachte laut auf. „Das ist nun wirklich nicht der Fall.“ „Ich will nicht mit Euch über Eure Informationsquellen reden, Drachentöter. Ich bin nur hier, um Euch den Auftrag zu überbringen.“ „Ich nehme an.“ Dravo stand auf. „Wo finde ich den Drachen?“ „Lord Vortem wird Euch hinführen.“ „Lord Vortem? Wer ist das?“ „Ich bin Lord Vortem.“ Der tote Ritter trat aus dem Schatten der Tür neben seine Herrin. „Ihr seid dann wohl dieser Drachenritter.“ Dravo konnte nicht antworten. Mit offenem Mund stand er da und starrte den Ritter an. Als die Rebellen sechs Tage nach dem Zusammentreffen mit dem grünen Drachen die Drachenberge verließen, lag Dravo Drachentod bereits auf der Lauer. Er hatte seine Armbrust angelegt und zielte auf den schwarzen Drachen. Doch plötzlich ritt eine schwarzgekleidete Gestalt auf einem gleichfarbigen Pferd in die Schusslinie. Als eine Windbö der Gestalt die Kapuze vom Kopf blies, erstarrte Dravo. Der Drachentöter ließ seine Armbrust sinken stand auf und ging zu seiner weißbraunen Stute. Als er den stechenden Blick von Vortems Flammenaugen auf sich spürte, sagte er: „berichtet Eurer Fürstin, dass ich mich weigere einen Drachen zutöten, wenn ich dadurch meinen kleinen Bruder in Gefahr bringe.“ Er schwang sich auf den Rücken seiner Stute. „Ich werde zurück nach White Castle reiten.“ Er tätschelte den Hals des Pferdes. „Gehen wir, Mirua.“ Als es Dämmerte hatten sich Yakim und Kai bereits wieder für ihr Training zurückgezogen. Der Waldwolf trug seinen rechten Arm in einer Schlinge und hielt Jero in seiner linken Hand. „In zwei Tagen will Saro zum Kontinent der verlorenen Seelen übersetzen.“ bemerkte Yakim, als er Kai zurückgestoßen hatte. „Ich weiß, dass du dir deswegen Sorgen machst. Ist es wegen den Seeungeheuern oder weil du deinen Arm nicht richtig bewegen kannst?“ „Mein Arm ist sicherlich auch ein Grund, aber hauptsächlich sorge ich mich wegen den Meeresungeheuern.“ erwiderte Kai und startete seinerseits einen Angriff. Die Schwerter klirrten aufeinander, wieder und wieder. Kai stieß Yakim zurück. Die Wucht des Stoßes war so stark, dass sowohl dem fewallischen General als auch dem Schwertmeister die Griffe ihrer Schwerter aus den Händen rutschten. Die beiden Klingen flogen durch die Luft. Sofort rannt Kai los, sprang hoch und fing das Schwert seines Vaters. Yakim hingegen wartete ab bis das Schwert im Boden steckte. Als dies der Fall war, rannte auch er los. Doch noch bevor er sein Schwert erreichen konnte, schlug ihm Kai das Heft seines Schwertes auf den Rücken. Yakim strauchelte und stürzte in den Staub. Er rappelte sich auf Hände und Knie hoch und schlug mit der Faust auf den Boden. „Schon wieder!“ knurrte er. „Selbst mit einer solchen Wunde besiegst du mich noch.“ „Diesmal hättest du mich fast geschlagen.“ keuchte Kai. „hättest du vorhin schneller reagiert, wäre ich wahrscheinlich der Verlierer gewesen.“ Als Yakim wieder aufgestanden war, ging Kai zum Schwert des Fewalli, zog es aus der Erde und warf es dem General zu. „Fang es!“ rief Kai. „Vergesse alles, außer deinem Schwert und fang es!“ Yakim hob die Hand, konzentrierte sich auf das Schwert und griff nach ihm. Doch statt des Heftes bekam er die Klinge zu fassen. Er spürte wie sich das kalte Metall in seine Hand grub und warmes Blut über seine Haut lief und schließlich zu Boden tröpfelte. Er öffnete die Hand und sein Schwert fiel klappernd zu Boden. „Ich kann es nicht.“ meinte Yakim, als er die Wunde betrachtete. „Mach dir nichts daraus.“ Sagte Kai sanft. „Es braucht einiges an Übung. Ich zum Beispiel habe drei Jahre gebraucht um mein Schwert aus der Luft zu greifen. Es ist nicht einfach, den richtigen Moment zu erkennen, aber jeder schafft es irgendwann.“ Yakim riss ein Stück von seinem Hemd ab und verband seine Hand damit. Dann nickte er Kai zu und die Beiden gingen zusammen zum Lager zurück. Kapitel 7: Das Meer der 1000 Tode --------------------------------- Spike hatte sich wieder weitestgehend erholt und führte seine Soldaten nun durch die Drachenberge. Drei Tage waren sie bereits unterwegs, als sich in der Ferne endlich wieder weite, draconische Graslandschaften abzeichneten. Jetzt sind es nur noch zwei Tagesritte bis wir endlich diese Hölle hinter uns haben. dachte Spike. „Was gedenkt Ihr nun zu tun, General?“ fragte Jester, der neben seinem Vorgesetzten ritt. „Was wohl?“ erwiderte Spike abfällig. „Sie werden zum Kontinent der verlorenen Seelen übersetzen und ich habe vor ihnen zu folgen.“ „Aber General, das ist viel zu gefährlich zu dieser Jahreszeit. Seid Ihr denn des Wahnsinns?“ „vielleicht bin ich das tatsächlich, aber nicht mehr als Ihr oder sonst einer unserer Soldaten. ich bin hier, um meinen Auftrag zu erfüllen – der nebenbei bemerkt auch der Eure ist – und niemand wird mich davon abhalten, denn wenn die Rebellen es über das Meer schaffen, ist Taog gefallen.“ Er warf dem Leutnant einen abfälligen Blick zu. „Habt Ihr mich verstanden, Jester?“ „Ja, Herr.“ Selbstzufrieden nickte Spike dem Leutnant zu. dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Von nun an ritten sie unaufhörlich – schliefen sogar im Sattel – und das nur, um keine Zeit zu verlieren. Nach weiteren zwei Tagen erreichten die Rebellen endlich Waterville. Die Hafenstadt war riesig und an die hundert Schiffe waren am Bootssteg vertäut und schwankten im Takt der Wellen. Keiner der Rebellen konnte glauben, dass hier kein Seefahrer war, der nicht im Sommer über das Meer der 1000 Tode fuhr. Während Saro seine Männer zu einer Gaststätte führte, ritt Kai zielstrebig auf den Steg zu. Der Schwertmeister ließ Fremder vor einem großen, weißgestrichenen Eichenschiff halten, an dessen Bug mit schwarzen Runen der Name >Weißstern< gestrichen war. Er ließ sich von Rücken seines Hengstes gleiten und ging auf das Schiff zu. „Hey, Devin!“ rief er zur Reling hinauf. „Bist du da?“ Ein junger Mann um die 30 Jahre kam an die Reling geschlendert. Er hatte halblange, schwarze Haare, einen kurzen Kinnbart, braune Augen, trug einen langen, braunen, abgenutzten Ledermantel und hatte von der Sonne stark gebräunte Haut. „Wer verlangt nach mir?“ fragte er mit der rauen Stimme eines erfahrenen Seefahrers. „Ich, Kai vom Nadelwald.“ erwiderte Kai. „Ich verlange nach dir, Devin.“ „Lange nicht mehr gesehen, was?“ Devin sah hinunter auf den Steg und grinste Kai freundlich an. „Was führt dich hierher?“ Sein Blick fiel auf die Schlinge in der Kai seinen rechten Arm trug. „Was ist geschehen?“ „Ich hab mich mit einem Drachen angelegt“ – Kai grinste – „und leider den Kürzeren gezogen.“ „Verstehe.“ Devins blick wich von Kais Arm und richtete sich auf das Gesicht des jungen Kriegers. „Aber du bist doch sicher nicht nur hier, um mit mir zu plaudern.“ „Das nicht.“ „Was dann?“ Das Grinsen war aus dem Windgegerbten Gesicht des Seemannes gewichen. Er sprang hinunter auf den Steg und starrte Kai neugierig in die Augen. Auch wenn er zu ahnen schien, was Kai wollte, zeigte er es nicht und behielt seine ausdruckslose, strenge Miene bei. „Bring uns zum Kontinent der verlorenen Seelen!“ verlangte Kai ruhig. „Euch?“ fragte Devin misstrauisch. „Wer ist noch bei dir?“ „Das tut nichts zur Sache.“ „Doch das tut es.“ Die Stimme des Seefahrers steigerte sich fast zu dem Brüllen eines gigantischen Drachens. „Du willst, dass ich dich hinüberbringe, oder? Glaubst du ich lasse einfach jeden dahergelaufenen auf meine Weißstern? Da könnte ich ja gleich ein Schild aufstellen, auf dem Steht: >Hier kann jeder ein und ausgehen, der möchte und bitte nehmt alles mit, das Euch gefällt<“ „Beruhige dich, Devin. Ich sage es dir. Bei mir sind noch 24 Draconische Rebellen und ein Fewalli.“ „Warum wollt ihr zum Kontinent der verlorenen Seelen?“ „Uns sind taogische Soldaten auf den Fersen. Ich fürchte, dass sie uns schon bald einholen könnten und da wir noch nicht genügend Männer haben, um uns ihnen entgegenzustellen, hoffen wir, dass wir auf dem Kontinent neue Verbündete erhalten.“ Devin sah den Pier entlang, um nach möglichen Zuhörern Ausschau zu halten. Als er niemanden erblickte, fragte er mit ernster Stimme: „Wann wollt ihr rüber?“ „So schnell wie möglich.“ erwiderte Kai. „Am Besten schon morgen.“ „Nein.“ Der Seemann schüttelte den Kopf. „Du weißt genau, dass es zu dieser Zeit zu gefährlich ist. Wartet bin zum Herbst!“ „So viel Zeit haben wir nicht, Devin.“ Jetzt Sah sich auch Kai nach Zuhörern um und sprach dann mit leiser Stimme weiter: „Ich bin mir sicher, dass hier schon in wenigen Tagen einige Taogi auftauchen werden, die uns suchen und wenn sie mich und die restlichen Rebellen gefunden haben, sind wir schon so gut wie tot.“ „Verstehe.“ Devin kratzte sich am Bart. „Da ihr etwa 26 Mann seid, könnten wir es vielleicht doch im Sommer schaffen.“ Er sah Kai direkt in die Augen. „Aber merke dir eins, alter Freund: Ich tue das hier nur, weil es um dein Leben geht. Bei jedem anderen, währe mir meine Weißstern wichtiger gewesen.“ „Ich danke dir, Devin.“ Kai nickte ihm zu. „Ich bin dir etwas schuldig.“ „Lass es gut sein.“ Devin schüttelte den Kopf. „Wozu hat man Freunde? Außerdem schulde ich dir noch etwas, von unserem letzten Ausflug auf das Meer der 1000 Tode.“ „Ich danke dir nochmals.“ Kai machte eine knappe Verbeugung. „Wir sehen uns im Morgengrauen.“ Kai drehte sich um, ging zu seinem Pferd, nahm die Zügel des schwarzen Hengstes und führte ihn zum Gasthaus. Dort angekommen band er Fremder an einen Pfahl und betrat den Schankraum des Gasthauses. Der gesamte Raum war mit Rebellen regelrecht vollgestopft. Es roch nach Bier und Bratkartoffeln. Kai schlängelte sich durch die Menge und setzte sich zu Saro und Barun an einen Tisch der in der dunkelsten Ecke des Raumes stand. „Und wie ist es gelaufen?“ fragte der Rebellenführer. Kai winkte eine Kellnerin heran und bestellte eine Portion Bratkartoffeln und einen Krug Bier. „Er setzt uns im Morgengrauen über.“ berichtete Kai, als die Frau wieder gegangen war. Saro nickte. „Gut.“ sagte er. „Aber sag mal: Warum nimmst du diese Schlinge eigentlich nicht langsam mal ab?“ „Der Bolzen hat einen Knochen in meiner Schulter durchschlagen“ – Auf Kais Lippen zeichnete sich ein Schalkhaftes Grinsen ab – „und wenn ich die Schlinge abnehme bevor der Knochen verheilt ist, reißt mir Kiddi den Kopf ab.“ Saro lachte auf. „Sie sich einer diesen Schwertkämpfer an!“ rief er aus. „Zeigt keinerlei Angst vor einem Drachen, aber vor dem Zorn eines Mädchens fürchtet er sich wie ein Kind vor unheimlichen Geräuschen.“ „Ich fürchte mich nicht vor ihr.“ widersprach Kai verletzt. „Nein?“ „Nein. Ich habe nur keine Lust darauf, mit Kiddi Ärger zu kriegen. Außerdem ist sie nicht nur ein Mädchen, und das weißt du.“ „Ja, ja, es ist mir klar.“ Die Kellnerin kam zurück und stellte Bier und Kartoffeln vor Kai hin. „Das macht drei Silbermünzen.“ erklärte sie und hielt Kai ihre geöffnete Hand hin. „Wenn Ihr nicht bezahlen könnt, verlasst unser Haus.“ „Schon gut, schon gut.“ Sagte Kai und kramte in seinen Taschen herum, um den Eindruck zu erwecken, dass er kein Geld bei sich hatte. „Nun rückt schon raus mit den Münzen!“ Schadow, der sich neben der Bank, auf der sein Herr Platz genommen hatte zusammengerollt hatte, sprang auf und knurrte die Frau an, da er wahrscheinlich glaubte, dass sie Kai etwas zuleide tun wollte. Erschrocken trat die Kellnerin einen Schritt zurück und starrte den Wolf a verängstigt an. „Schadow, alem!“ befahl Kai ruhig und legte dem Wolf die Hand auf den Kopf. „Habt keine Furcht. Dieser Wolf tut Euch nichts.“ Langsam kam die Frau näher und streckte abermals die Hand aus. „Das Geld!“ stotterte sie. „Natürlich.“ Kai griff kurz in eine Tasche seines Mantels, förderte eine glänzende Goldmünze hervor und legte sie der Kellnerin in die Hand. „Bitteschön. Passt so.“ „D-Danke.“ Die Kellnerin warf Schadow einen letzten, misstrauischen Blick zu und verschwand dann in der Menge. Kai hob den Bierkrug und trank einen großen Schluck des süßen, dunklen Gebräus. „Das war aber nicht sehr freundlich, Kai.“ tadelte Barun. „Was denn?“ fragte Kai unschuldig. „Hast du eine Ahnung davon wie schwer es ist, mit der linken Hand in die rechte Manteltasche zu greifen?“ Barun sagte nichts. Er kannte Kai noch nicht gut genug, um zu sagen, ob er die Kellnerin absichtlich mit seinem Wolf erschreckt hatte oder ob es tatsächlich nur ein Versehen gewesen war. Spike führte seine ihm noch verbliebenen Männer über die weiter Grasebene, die zwischen den Drachenbergen und Waterville lag. Er blickte immer geradeaus oder auf die verblassenden Spuren der unbeschlagenen, draconischen Pferde. „Wie lange brauchen wir noch, bis wir Waterville erreichen?“ fragte Jester, der neben seinem General ritt und sich in diesem Teil Draconias nicht auskannte. Spike antwortete ohne den jungen Leutnant anzusehen: „Noch einen Tagesritt.“ „Was tun wir, wenn sie dann bereits fort sind?“ „Dann segeln wir hinterher.“ „Aber was, wenn sie nicht zum Kontinent der verlorenen Seelen segeln?“ „Sie werden dort hin segeln. Saro wird sich durch nichts und niemandem von seinem Entschluss abbringen lassen.“ Mit dieser Antwort musste sich der Leutnant begnügen. Egal wie oft er seinen jüngeren Vorgesetzten auch fragte, er bekam immer dieselbe Antwort. Diese Nacht schliefen sie nicht im Sattel, sondern schlugen ein behelfsmäßiges Lager auf. Sie hatten bereits 20 Mann an die Drachen verloren, denen sie auf ihrem Weg begegnet waren. Wobei nur 5 Mann von den Drachenbergdrachen getötet worden war. Die restlichen 15 hatten die kleineren, aggressiveren Steppendrachen auf den draconischen Grasebenen umgebracht. Auch trugen einige Pferde Reiter, die durch die angriffe der draconischen Bestien verstümmelt worden waren und in den Wagen Männer, die nicht selten heftige Bekanntschaft mit den grauenvollen Klauen eines Drachen gemacht haben. Doch Spike war froh, dass er nicht mehr Verluste gemacht hatte und sie lebend aus dem Land der Drachen entkommen waren, denn zwischen den Drachenbergen und Waterville gab es keine Drachen. Auch war er sich sicher, dass die Rebellen hier entlang gekommen waren, denn vor einigen Tagen hatten sie die zerfetzten Überreste eines Drachen gefunden, dem Mann einen Bolzen durch den Schädel getrieben hatte. Die anderen Drachen hatten nicht sonderlich viel von ihrem Artgenossen übrig gelassen und ihn bis auf die Knochen abgenagt. Kai stand am Bug der Weißstern und genoss den salzigen Duft des Meerwassers. Endlich wieder auf hoher See. dachte er. Wie mir doch dieses Gefühl gefehlt hat, diese Freiheit und die endlose Weite der See. An Deck des Schiffes hätten ohne Probleme fünf Drachen von Shivas Größe Platz gehabt, wenn sie sich zusammenrollten, und der Drache maß immerhin vom Kopf bis zur Schwanzspitze sechs und bis zur Spitze der größten Rückenschuppe drei Meter. Zusätzlich hatte der Drache noch eine Flügelspannweite von mehr als zehn Metern. Devin hatte darauf bestanden, dass sie Shiva in der Mitte unterbrachten, um zu verhindern, dass sein Schiff Schlagseite bekam und möglicherweise kenterte. Kai blickte aufs Meer hinaus. Durch den Sonnenuntergang sah es aus, als hätte jemand das Wasser rot eingefärbt. Der junge Krieger holte tief Luft, drehte sich dann um und ging auf die Treppe zum Unterdeck zu. Allerdings musste er, um zu der Treppe zu gelangen, über die massige Gestalt des Drachen klettern und das gestaltete sich immer wieder als äußerst schwierig, denn Shiva riss oft ihr Maul auf und schnappte unvermittelt nach allem, was sich bewegte. Die Schlinge hatte Kai zwar wieder abgenommen, aber da seine Schulter noch immer schmerzte, war diese einfache Sache für ihn immer wieder eine enorme Kraftanstrengung. Er wartete bis Shiva ihr Maul geschlossen hatte, sprang dann darauf, kletterte über ihren breiten Rücken und ging zu der Tür, die zur Treppe führte. Er schlenderte die Stufen hinunter, an der Tür zu den Mannschaftskajüten und der Kombüse vorbei zum zweiten Unterdeck, wo sich der Laderaum befand und wo sie ihre Pferde untergebracht hatten. Er ging zu seinem Hengst und strich ihm über die Stirn. Fremder stieß seinen Herren mit dem Maul an und gab ein leises Wiehern von sich. Dem großen Pferd gefiel es gar nicht, dass er mit so vielen Pferden auf derart engem Raum zusammengesperrt war. Zwischen den Boxen von Saros Pferd und Kiddis Stute schlich Schadow hervor. Der alte Wolf hasste Schiffe und war dementsprechend vorsichtig in seinen geschmeidigen Bewegungen. Das Schwanken des Kahns schien für ihn die Hölle auf Erden zu sein. Am Liebsten hätte Kai den Wolf ja mit in seine Kabine genommen, aber das hatte Devin ihm verboten, nachdem der Wolf in der ersten Nacht auf See im Schlaf in die Hand des Kapitäns gebissen. Schadow stieß Kai sanft gegen das Knie. „Tut mir leid, mein Freund.“ Sagte Kai und kraulte den Wolf zwischen den Ohren. „Ich kann dich nicht mit nach oben nehmen. Weißt du, Devin hat gesagt, dass du ruhig die Pferde beißen kannst, so lange nicht die Hand eines Seemannes dazwischen ist. Ich weiß, dass dir, das nicht gefällt, aber er hatte seine Gründe dafür.“ Er nahm seine Hand vom Kopf des Wolfes. „Es ist bald vorbei, mein Freund.“ Er verließ den Laderaum und ging hinauf zu seiner Kajüte. Dort angekommen machte er es sich in der schäbigen Hängematte bequem und starrte an die Decke. Das ist die letzte Nacht, die ich auf der Weißstern verbringen werde. dachte er. Das heißt, wenn uns nicht noch irgendetwas dazwischen kommt. Plötzlich hörte Kai schnelle Schritte, die sich der schäbigen Eichentür seiner Kajüte näherten. Dann wurde die Tür mit solcher Wucht aufgeschlagen, dass sie fast splitterte. Devin stand keuchend und nach vorne gebeugt im Türrahmen. Sein Atem ging schwer. „Kai, schnell!“ keuchte er. „Was ist?“ fragte Kai beunruhigt, setzte sich auf und griff nach seinen Schwertern. „Komm einfach mir. Wir…wir haben ein riesiges Problem. Und… und nimm deinen verfluchten Wolf auch gleich mit.“ Schnell stand Kai auf, schnallte sich die Schwertgurte um und pfiff Schadow zu sich, der auch gleich darauf die Treppe hinaufhastete. Nur wenige Minuten später standen die Zwei Männer und der Wolf an Deck. Atemlos starrte Kai auf den langen, schuppigen Hals eines riesigen, meerblauen Seeungeheuers, das in der Dunkelheit der Neumondnacht gräulich glänzte. Mit zitternden Händen zog Kai Drachenzahn aus der Scheide, während seine Augen den Hals hinauf zum narbigen Kopf des Ungeheuers fuhren. Shiva flog knurrend um den Kopf herum. Sie wirkte im Vergleich zu diesem Monster wie ein kleiner Vogel, der um einen Drachenbaum kreist. Es war nahezu unmöglich ein solches Biest zu vernichten, denn schon allein das Auge hatte einen Durchmesser von ungefähr drei Metern. Während das Ungeheuer seinen Kopf langsam zum Boot hinab senkte, wandte Kai seinen Blick von ihm ab und sah zu Kiddi hinüber. Erneut stockte ihm der Atem, denn Kiddi leuchtete in einem seltsamen, violetten Licht. Auch Devin war dieses Leuchten aufgefallen. „Was tut sie da?“ fragte er Kai. „Sie konzentriert sich auf die Kunst.“ erwiderte Kai, der seinen Blick nun wieder fest auf das Ungeheuer gerichtet hatte. Als dieses seinen Kopf soweit fast gesenkt hatte, dass sie ihm in das riesige Auge sehen konnten, holte Kai tief Luft und bereitete sich auf seine wohlmöglich letzte Schlacht vor. Dann war es soweit. Das Auge des Monsters sah Kai direkt an und er konnte sich in der spiegelgleichen Pupille sehen. Kai machte eine schnelle Handbewegung zu Schadow und rief: „Schadow, mestai!“ Der Wolf reagierte sofort. Er stürmte los und verbiss sich in das Auge des Ungeheuers. Das Meerestier riss wütend seinen Kopf empor, schüttelte ihn und nickte heftig, um das kleine, schwarze Tier, das ihm solche Schmerzen bereitete loszuwerden. Einige Minuten lang schaffte es Schadow sich zu halten, doch dann verlor er den halt und wurde auf die Planken des Schiffes geschleudert. Er blieb regungslos auf der Seite liegen. Blut rann aus seiner Schnauze. Schnell lief Kai zu seinem treuen Begleiter. Er musterte den Wolf von allen Seiten. Als er feststellte, dass das Tier keine äußeren Verletzungen hatte, seufzte er erleichtert, hob es vom Boden auf und ging zu Devin, der noch immer in der Tür zum Unterdeck stand, zu. „Devin, bring Schadow bitte in meine Kabine und bleib bei ihm.“ bat Kai den Seefahrer leise. Devin nickte, nahm seinem Freund das Tier ab und fragte besorgt: „Was hast du vor, Kai?“ „Das wirst du schon sehen.“ Der Schwertmeister warf dem Seeungeheuer einen hasserfüllten Blick zu. „Ab jetzt ist es etwas Persönliches.“ Als der Schiffer unter Deck verschwunden war, fasste Kai sein Schwert mit beiden Händen. Er spürte wie die uralte Kraft in seinen Händen pulsierte, durch seinen Körper strömte und ihn mit dem Zorn erfüllte, den der ursprüngliche Besitzer von Drachenzahn in den Jahrhunderten seines Lebens angesammelt hatte. Kiddi führte in der Zwischenzeit ihren Zauber durch. sie schlug mit ihrem Schwert einen Halbkreis in der Luft. Eine rote Sichel löste sich von der Klinge und raste auf das Ungeheuer zu. doch der Zauber verfehlte sein Ziel, da dieses eine schnelle Bewegung zur Seite machte. Kai beobachtete das Ganze mit Gleichmut. Er wartete bis das Tier seinen Kopf erneut senkte, rannte los und sprang auf den Kopf der Bestie. Er hob das Schwert aus Drachenzähnen empor, stieß mit seiner eigenen und der Kraft des Drachen zu und trieb die Klinge tief in den Schädel des Ungeheuers, das daraufhin wild zuckend und unter lautstarkem Gebrüll langsam im Meer versank. Schnell zog Kai Drachenzahn aus dem Schädel des sterbenden Tieres und sprang wieder auf das Deck der Weißstern. Sein Atem ging schwer und Schweiß rann von seiner Stirn. Zudem war der Schmerz in seine Schulter zurückgekehrt, denn der Knochen, den der Bolzen damals durchschlagen hatte, war noch nicht geheilt. Den Schmerz nicht beachtend schob Kai sein Schwert zurück in die Scheide und lief zur Tür. Doch auf halben Weg strauchelte er und Brach auf die Knie. Eben hatte er noch die Macht gehabt eines der grausamsten Wesen auf dem Erdengrund zu besiegen und nun hatte er nicht mal mehr genug Kraft, um sich selbst auf den Beinen zu halten. Wütend schlug er mit der Faust auf das Holz der Planken. „Verdammt!“ fluchte er. „Ich hätte nie gedacht, dass mir die Kraft des Drachen mich so viel meiner Energie kosten würde.“ Plötzlich spürte Kai eine Hand auf seiner rechten Schulter. Mit einem von Schmerz gedämpften knurren entzog er sich der Berührung und zwang sich zum Aufstehen, ging langsam auf die Tür zu und dann durch sie hindurch. Nachdem die Tür hinter ihm wieder zugefallen war, lehnte sich Kai gegen die Wand, zu schwach, um sich noch viel länger auf den Beinen zu halten. Er atmete mehrmals tief durch und taumelte schließlich die Treppe hinab. Dann ging er langsam zu seiner Kabine. Dort angekommen fand er Devin und Schadow vor. Als der junge Schwertmeister eintrat, blickte Devin auf und musterte eingehend das blasse, verschwitzte Gesicht seines Freundes. „Du siehst schrecklich aus, Kai.“ bemerkte der Seefahrer besorgt. „Dann sehe ich so aus, wie ich mich fühle.“ entgegnete Kai flüsternd. „Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Wie geht es Schadow.“ „Ich glaube, dass er weitestgehend unverletzt ist. Er muss sich nur ausruhen“ – er warf Kai einen strengen Blick zu – „und ich glaube, damit ist er nicht der Einzige.“ Kai grinste. „Du hast Recht, mein Freund.“ gestand er sich ein. „Auch ich muss mich ausruhen. Lass mich allen.“ Devin nickte und ging hinaus. Kai hingegen warf seinem Wolf einen beunruhigten Blick zu. dann biss er die Zähne aufeinander und umklammerte seine Schulter. Er schnallte sich die Schwertgurte ab, legte sie auf einen kleinen Holztisch und legte sich in die Hängematte. Nun gab sich der Krieger endlich seiner schmerzenden Schulter und der Erschöpfung hin, schloss die Augen und verfiel in einen langen, fiebrigen Schlaf, der seinen Freunden noch einige Sorge bereiten sollte. Die Zeit verstich. Der Tag neigte sich dem Ende zu und schließlich erreichte die Weißstern ihr Ziel – den Hafen von Wolfsfels. Doch Kais Zustand hatte sich noch immer nicht gebessert. Aus diesem Grund entschloss sich Saro dazu, Luk loszuschicken, um einen Arzt zu finden. Kapitel 8: Unendliches Warten ----------------------------- Spike hatte beschlossen noch einen weiteren Tag mit der Abreise zu warten, damit sich seine Männer erholen konnten. Sie waren nun bereits eine Woche im Rückstand und die Rebellen hatten höchst wahrscheinlich bereits einen uneinholbaren Vorsprung. Das Schiff, das sie genommen hatten, schwankte bedrohlich in der Strömung, des tosenden Meeres. Aus diesem Grund hatte Spike größte Mühe sich auf den Beinen zu halten. Immer wieder drohte er über Bord zu gehen, wie es schon vielen seiner Männer wiederfahren war. Jester trat zu seinem Vorgesetzten. Auch der Leutnant schwankte bei jedem Schritt und hatte scheinbar sogar noch größere Mühe sich auf den Beinen zu halten wie Spike. Die See war selbst für das Meer der 1000 Tode ungewöhnlich stürmisch und meterhohe Wellen warfen das Schiff wie einen Spielball hin und her. „Seid Ihr Euch wirklich sicher, dass sie nach Hellsoul gesegelt sind, General?“ fragte Jester. „Sicher bin ich mir nicht.“ erwidere Spike ernst. „Sie könnten ebenso gut nach Wolfsfels übergesetzt haben.“ „Aber wir können nicht in zwei Städten zur gleichen Zeit sein, Herr. Dazu ist unsere Zahl bereits zu gering.“ „Das weiß ich auch, Leutnant!“ Spikes Stimme war nun so laut vor Zorn, dass es ihm keine Mühe machte, gegen den Sturm anzuschreien. „Doch wir haben keine andere Wahl. Wir müssen es einfach riskieren. Doch sollten sie sich doch in Wolfsfels befinden, werden wir dorthin reiten – auch wenn uns dies einen weiteren Tag kostet.“ Nach diesen Worten wandte sich Spike um und ging ungewöhnlich aufrecht an dem verdutzten Leutnant vorbei. Die Hände auf dem Rücken gefaltet ging Luk durch die Straßen von Wolfsfels zurück zum Hafen und erzählte einem Mann von etwa 22 Jahren mit blauen Augen, blonden Haaren und einem stoppeligen Dreitagebart, was auf dem Meer der 1000 Tode vorgefallen war.. Der Junge trug ein hirschbraunes Lederwams und eine blaugefärbte Leinenhose. „Du verstehst also, was ich meine, oder Jaime?“ fragte Luk. „Ich verstehe.“ erwiderte der junge Heigani. „Dein Freund war also voller Zorn und hat diese Bestie mit einem einzigen Schwerthieb getötet.“ „Ja. Und seitdem ist er ohne Bewusstsein.“ „Ich werde schauen, was ich tun kann, aber ich kann nichts versprechen. Ich bin ein Arzt, aber ich bin nicht sonderlich geübt darin.“ „Aber du bist der Einzige, der sich bereit erklärt hat uns zu helfen.“ „Ich weiß. Die Alten sind zu verbohrt in ihre komische Weltanschauung.“ Jaime grinste. „Sie bezeichnen mein Bestreben nach Wissen als jugendliche Neugierde oder Torheit. Sie denken, dass es nicht unser Bestreben sein kann, Schlachten zu schlagen und die Welt zu bereisen. Na ja mit den Schlachten haben sie vermutlich Recht, denn in meinem Beruf heißt es wunden zu heilen und nicht zu verursachen, aber ich will die Welt sehen und das werde ich.“ Er blickte Luk direkt an. „Ich werde mich euch anschließen – das heißt, wenn ich darf.“ „Tut mir leid, aber das kann ich nicht entscheiden.“ Luk blieb stehen und sah nun Jaime in die Augen. „Ich bin nicht der Anführer sondern Saro. Wer weiß, ob er dich dabei haben will.“ „Ich glaube, dies ist nun ohnehin nebensächlich, oder Luk? Ich meine: Du hast mich immerhin um deines Freundes Willen gesucht.“ „Du hast Recht. wir müssen uns beeilen – um Kais Willen.“ Luk ging weiter, bald beschleunigte er seinen Schritt, bis er rannte. Seine Drachenschuppen-rüstung klapperte und sein Schwert schlug heftig gegen seine Wade. Weil der Ritter durch seine Panzerung behindert wurde, war es für Jaime ein Leichtes mit ihm Schritt zu halten. Schon nach einer Viertelstunde hatten sie das Schiff erreicht und gingen durch eine Klappe im Rumpf des Schiffes in den Laderaum. Es war warm und roch stark nach Pferden. zusätzlich war es Feucht und stickig. Im hinteren Teil des Laderaumes war das rötlich Glimmen eines merkwürdigen Lichtes zu sehen. Luk schlich darauf zu – Jaime folgte ihm. Als der Ritter das Licht erreichte, erblickte er Kiddi, die an der Box von Kai Pferd Stand und den großen Hengst eingehend betrachtete als könnte sie seine Gedanken lesen. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Stab aus Drachenbaumholz an dessen spitze eine Kugel aus Rubin befestigt war. Von eben dieser Kugel kam das seltsame Leuchten. Im Schein des Rubins sah es aus als ob der Laderaum Feuergefangen hätte und Kiddi ein Todesengel wäre, der die Seelen der in den Flammen eingeschlossenen in dem Edelstein bannte. Luk wollte aus dem Schatten treten, aber noch bevor dies tun konnte, spürte er eine feste Hand auf seinem Arm. „Was hast du vor, Luk?“ fragte Jaime besorgt. „Wer ist diese Frau? Sie ist nicht normal.“ „Ich weiß.“ erwiderte der Drachenritter sanft. „Sie ist etwas ganz Besonderes.“ Luk befreite sich aus dem Griff des Heigani und trat in das Licht des Rubins. „Kiddi?“ fragte er sanft. „Was machst du hier?“ „Ich… ich… ich wollte nur wissen“, stotterte die Zauberin, „was Fremder über den Zustand seines Herrn weiß.“ „Magie?“ Luk sah sie vorwurfsvoll an. „Devin hat dir verboten, unter Deck zu Zaubern.“ „Ich weiß. Und ehrlich gesagt, war es auch kein wirklicher Zauber. Kein Magier kann die Gedanken eines Tieres lesen. Ich wollte nur sehen, wie er sich benimmt“ – sie senkte ihren Blick gen Boden – „aber er ist wie immer – nervös und aggressiv.“ „Ich weiß, Geliebte.“ Er ergriff ihre Schultern und zog sie an sich. „Du wirst schon sehen, alles wird wieder in Ordnung kommen.“ „Aber wann, Liebster?“ Sie drückte ihre Wange an den kalten Brustpanzer des Ritters. „Wann?“ „Bald, mein Herz. Bald.“ Hinter Luk räusperte sich Jaime verlegen. „Ich will euch wahrhaftig nicht stören“, sagte er entschuldigend, „aber ich hörte, dass sich hier ein Verwundeter befände.“ „Ja, natürlich.“ Luks Gesicht lief vor Verlegenheit rot an. „Ich vergaß, dass du noch da bist, verzeih.“ Er schob Kiddi von sich weg. „Folge mir, bitte.“ Luk ging – noch immer rot im Gesicht – auf die Treppe zum ersten Unterdeck zu. Er stieß sie auf und hastete die Stufen hinauf. Jaime war ziemlich überrascht darüber, dass der Ritter in seiner schweren Rüstung dieses Tempo bis zu Kais Kajüte beibehalten konnte. schließlich blieb der Drachenritter vor einer Eichentür stehen, legte eine behandschuhte Hand auf den Türknopf und drückte sie auf. Im Raum dahinter war es Stockdunkel. Nur der gleichmäßige Atem von Kai und ein heiseres, kehliges Knurren waren zu hören. Luk griff in einen kleinen Lederrucksack, der neben der Tür an der Wand lehnte und förderte eine dünne, weiße Kerze hervor. Diese entzündete er an einer der wenigen Fackeln, die die Gänge im Schiffsinneren beleuchteten, ging mit der Kerze in der Hand in den düsteren Raum und zündete dort die Kerzen auf einem fünfarmigen Kerzenständer, der auf einem schäbigen Schreibtisch aus Ebenholz stand, und eine Fackel in einer Wandhalterung neben der Tür an. Dann kam Luk wieder durch die Tür und bedeutete Jaime hereinzukommen. Sicherlich folgte der Arzt ihm ohne Fragen zu stellen. Doch als der Heigani durch die Tür trat, wurde das Knurren lauter und schwoll bald zu eine, wahrhaft bedrohlichen Laut an. Nervös sah sich der Arzt im Raum an. sein Blick fiel auf einen schwarzen Wolf, der mit angelegten Ohren in der Ecke neben dem Schreibtisch stand und den Neuankömmling wütend anknurrte. Jaime schluckte und ging vorsichtig an dem Tier vorüber. Er wagte nicht zu atmen, denn der Wolf hatte seinen gelben Blick noch immer fest auf den Heigani gerichtet und ließ ihn auch nicht aus dem Auge. Vielmehr verfolgte das schwarze Tier jede Bewegung des Fremden mit übermäßigem Argwohn. „Schadow, es ist alles in Ordnung.“ Versuchte Luk den Wolf zu beruhigen. „Niemand wird Kai etwas zu leide tun.“ Durch die ruhige Stimme des Ritters besänftigt, hörte der Wolf auf zu knurren. Schnell ging Jaime zu Kais Hängematte hinüber und untersuchte den großen Schwertkämpfer eingehend. Bald fiel ihm die Schwellung an der rechten Schulter des Kriegers auf. „Weißt du, wie er sich die Schulter verletzt hat?“ fragte Jaime Luk. „Ja, weiß ich.“ erwiderte der Ritter. „Ein Bolzen hat sie durchschlagen.“ „Aha… aber dies ist nicht der Grund für seinen Zustand, nicht wahr.“ „Ich… ich glaube nicht.“ Der Blick des Heigani wanderte erst zu Luk und dann zu den beiden Schwertern, die auf dem kleinen Nachttisch lagen. „Weshalb, besitzt er zwei Langschwerter?“ wollte er wissen. „Ich meine: eines wäre doch wohl genug, oder?“ „Nun, das schwarze – Jero ist sein Name – gehörte einst seinem Vater und das andere, das er selbst Drachenzahn nennt, ist eigentlich sein Schwert. Es ist eine ganz besondere Waffe, musst du wissen, denn es wurde aus Drachenzähnen geschmiedet.“ „Drachenzähne?“ wiederholte Jaime nachdenklich. „Das erklärt so einiges.“ „Wieso?“ „Nun, es heißt, dass eine Waffe aus Drachenzähnen einen eigenen Willen besitzt und dass wenn ein Krieger mit einem solchen Schwert eine immense Wut verspürt, sich das Schwert seines Besitzers bedient in dem es ihm eine unbändige Macht schenkt. Dies tut es allerdings nur verübergehend und hinterher ist der Besitzer so erschöpft, dass er beinahe sofort in einen tiefen Schlaf verfällt, der ungefähr zwei bis drei Tage anhält. Dieser Krieger braucht also lediglich etwas Schlaf und Ruhe.“ Jaime dachte kurz nach. „Woher hat er dieses Schwert, weißt du das?“ „Nein. Doch weshalb fragst du mich das?“ „Ganz einfach. Meines Wissens nach gab es nur ein einziges Volk, das die Zähne von Drachen zu Waffen schmieden konnte.“ „Und welches Volk war das?“ „Du stellst viele Fragen, Ritter.“ Jaime lächelte ihn schalkhaft an. „Es war das große, mächtige Volk der Freder, die wir Menschen auch Baumspringer nennen.“ „Aber meines Wissens nach, kennt Kai keinen Baumspringer.“ „Es scheint, dass dein Freund dir nicht alles gesagt hat, was er weiß.“ „Kai hat viele Geheimnisse, das stimmt, aber ich bin mir sicher, dass er so etwas erwähnt hätte.“ „Wie gut kennst du denn deinen Freund?“ „Gut genug.“ „Bist du dir dessen sicher?“ „Wessen kann man sich schon sicher sein – vor allem, wenn es um Kai geht?“ „Du kennst ihn wirklich gut, oder?“ „Nun ja. Gut genug, so hoffe ich.“ „Verstehe.“ Saro, der gerade die Stufen hinunter kam und die beiden Männer reden hörte, fragte plötzlich: „Und? Wie geht es ihm?“ fragte der Rebellenführer. „Soweit ganz gut.“ erwiderte Jaime. „Er muss sich nur ausruhen.“ Saro antwortete nicht, sondern nickte lediglich. Er betrachtete erst Luk, dann Kai und schließlich den jungen Heigani mit einer Mischung aus Sorge und Zufriedenheit. Letztendlich zuckte er die Schultern und wandte sich um, um zu gehen. Doch dann hielt er noch einmal inne. „Wie lange wird seine Genesung in Anspruch nehmen?“ fragte er über die Schulter. „Meinem Ermessen nach wird es zwei bis drei Tage dauern.“ antwortete Jaime. „Das wirft unsere Pläne um einiges zurück.“ nachdenklich kratzte sich Saro am Kinn. „Doch da kann man wohl nichts machen. Ich habe keine andere Wahl. Wir werden warten.“ Nach diesen Worten verschwand der Rebellenführer durch die Tür. Als Saro gegangen war, schüttelte Luk den Kopf. „Es tut mir Leid.“ sagte er mehr zu sich selbst. „Was tut dir Leid, Luk?“ fragte Jaime verwirrt. „Ich hätte Kai besser schützen sollen.“ „Aber du kannst doch nichts für seine Wunden.“ „Ich weiß, ich weiß. Dennoch fühle ich mich schrecklich.“ „Ist das nicht normal in einer solchen Situation?“ Luk zuckte die Schultern. Dann ging auch er durch die Tür, schloss sie hinter sich und lief zum Laderaum. Wie er gehofft hatte, stand Kiddi immer noch vor Fremders Box und starrte den Hengst an. Luk ging zu ihr, fasste sie an dem linken Handgelenk und drehte sie zu sich um. „Hallo, Geliebter.“ hauchte sie. „Was wünschst du von mir?“ „Komm mit mir, Liebste.“ flüsterte er ihr zu und strich ihr sanft durch das Haar. „Lass uns etwas ausreiten.“ „Du willst in so einer Situation ausreiten?“ Sie sah ihn entgeistert an. „Wie kannst du das tun?“ „Ich muss mich einfach ablenken.“ Er hörte auf mit seiner Hand durch ihr Haar zu fahren und strich ihr stattdessen über die Wange. „Wenn ich noch länger an ihn denken muss, werde ich noch verrückt.“ „Aber das bist du doch jetzt schon, Geliebter.“ Sie lächelte. „Verrückt vor Liebe.“ „Bitte, mach dich nicht lustig über mich.“ Er sah ihr mit von Tränen getrübtem in die grünen Augen. „Lass uns gehen. Nur ein Stück, nur bis zum Fluss.“ „Na gut, aber wirklich nur bis zum Fluss.“ Luk nickte. Er holte Kiddis graue Stute und einen roten Wallach, der weder einen Namen noch einen Besitzer hatte – da außer Kiddis, Saros, Kais und Yakims Pferde ständig den Reiter wechselten, hatten viele der Tiere keinen Namen – und sattelte sie. danach führte er die beiden Pferde aus dem Laderaum, half Kiddi auf den Rücken ihrer Stute, gab ihr ihren Stab und stieg selbst auf. Lange Zeit ritten sie schweigend nebeneinander her. Doch als sie beireist die fernen Umrisse, des im fahlen Mondlicht glitzernden Flusses mit dem Namen Dadman sahen, sagte Kiddi plötzlich: „Du trägst keine Schuld an Kais Unglück.“ „Ich weiß, ich weiß…“ antwortete Luk nachdenklich. „Dennoch fühle ich mich schrecklich.“ „Ich tue das auch, aber ich gebe mir nicht die Schuld daran. Sicherlich, ich hätte es verhindern können, wenn ich nur getroffen hätte.“ „Ich glaube, keiner hätte etwas ändern können.“ Er blickte auf den Sattelknopf. „Weißt du, was Jaime mir erzählt hat? Er sagte, dass es an Kais Schwert läge.“ „An seinem Schwert? Ich fürchte ich verstehe nicht.“ „Um ehrlich zu sein“ – er versuchte zu lächeln – „ich verstehe es auch nicht. Jaime sagte, dass eine solche Waffe dem Besitzer verübergehend eine riesige Kraft verleihen könne, dass dieses aber auch einen enormen Preis habe. Der Besitzer sei hinterher so ausgelaugt, dass er zwei bis drei Tage schlafe. Er sagte auch, dass es nur ein Volk gebe, das eine solche Waffe herstellen könne.“ „Und welches Volk soll das sein?“ „Die Baumspringer, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Aber so viel ich weiß, kennt Kai keines dieser Geschöpfe.“ „Doch er kennt einen Baumspringer.“ flüsterte Kiddi. „Wie?“ „Kai kennt einen Freder.“ „Ist das dein Ernst, Liebste?“ „Ja.“ Wieder verfiel Luk in Schweigen. Er blickte einfach nur geradeaus und ritt weiter. Nach wenigen Minuten hatten sie den Fluss erreicht und zügelten die Pferde. „Kennst du den Namen des Baumspringers, den Kai kennt?“ fragte Luk plötzlich. Kiddi antwortete nicht. Sie holte lediglich erschrocken Luft. „Was ist?“ fragte Luk und drehte sich zum ersten Mal, seit sie die Weißstern verlassen hatten, zu ihr um. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet und mit ihrem Stab deutete sie über den Fluss einen Hügel hinauf. Er blickte zu der angedeuteten Stelle und als er sah, was dort war, stöhnte er beunruhigt auf. Auf dem Hügel stand ein weißes Pferd auf dessen Rücken ein Krieger in strahlendweißer Rüstung saß und um die Beine des kräftigen Streitrosses schlich ein schneeweißer Nachtwolf. Der Krieger hielt ein blitzendes Schwert in Händen. Die Blicke aller Drei waren auf Luk und Kiddi gerichtet. Plötzlich ließ der Reiter sein Pferd angaloppieren und ritt – gefolgt von dem Wolf – des Hang hinab. Das Ross machte einen Satz über den Fluss und stand nur einen Augenblick später direkt neben Luks Wallach. Luk wollte etwas sagen, doch noch bevor er einen Ton herausbrachte, spürte er kalten Stahl an seiner Kehle. Dann hörte er, wie Kiddi einige Worte eines Zaubers murmelte. Mit einer Handbewegung ließ er sie verstummen. Als er von Kiddi nichts mehr hörte, sah er dem Krieger ins Gesicht. Erschrocken zog er die Luft ein, denn unter dem visierlosen Helm war das Gesicht einer Frau zu erkennen. Ihre Augen waren Grün wie Baumwipfel im Frühling und ihr langes Haar, das unter dem Helm hervorquoll, sah aus wie flüssiges Gold. „Luk, wir müssen zurück!“ rief Kiddi, als könnte sie so die Klinge von seinem Hals verschwinden lassen. „Ich weiß, ich weiß.“ erwiderte Luk ungehalten. „Nur wie du vielleicht siehst, ist es nicht so einfach hier abzuhauen.“ „Ich sehe es, aber wir müssen zurück. Wegen Kai, du weißt doch. Vielleicht ist er…“ „Kai?“ unterbrach die Kriegerin. „Kai vom Nadelwald? Ist er hier? Ist er in Wolfsfels?“ „Bevor ich diese Frage beantworte, bitte ich Euch dieses Ding da“ – er deutete auf das Schwert – „wegzunehmen und mir Euren Namen zu nennen.“ „Natürlich.“ Sie ließ ihr Schwert wieder in die Scheide gleiten. „Man nennt mich Saja die Kriegerin des Mondes und wer seid Ihr?“ „Mein Name lautet Ser Luk Severanz und dies hier“ – er deutete auf Kiddi – „ist Kiddi die Zauberin.“ „Es freut mich Euch kennen zu lernen. Doch bitte beantwortet mir nun meine Frage, Ritter. Befindet sich Kai vom Nadelwald in Wolfsfels?“ „Ja er befindet sich dort.“ „Dann bitte ich Euch, bringt mich zu ihm.“ „Und was wollt Ihr von ihm, Kriegerin?“ „Das…“ – ihre blassen Wangen wurden rot – „das hat Euch nicht zu interessieren.“ „Nun gut.“ Er kratzte sich am Kinn. „Aber denkt daran: Ich werde Euch im Auge behalten.“ Saja erwiderte nichts sondern nickte lediglich. Nach wenigen Augenblicken führten der Ritter und die Hexe die Mondenkriegerin zur Weißstern. Dort angekommen stiegen alle drei von den Pferden. Saja Band ihre Stute Carmie in der Nähe des Schiffes an und folgte danach Luk und Kiddi ins Innere des Kahns. Während der Drachenritter die beiden anderen Pferde in ihre Boxen brachte und absattelte, führte Kiddi die Kriegerin die Treppen hinauf zum ersten Unterdeck und danach zu Kais Kabine. Als Saja hinter der Zauberin eintrat und Kai bewusstlos in seiner Hängematte liegen sah, riss sie sich ihren Helm vom Kopf und die Handschuhe von ihren Händen, schleuderte alles n eine Ecke des Zimmers und rannte zu dem jungen Schwermeister. „Mein Geliebter!“ flüsterte sie, umklammerte mit ihrer linken Kais Hand und strich mit der anderen Hand durch sein kurzes, dunkles Haar. „Was ist geschehen, Liebster?“ „Es war sein Schwert.“ sagte Jaime, der auf einem schäbigen Hocker in einer dunklen Ecke des Raumes saß. „Sein Schwert?“ fragte Saja verständnislos. „Wie meint Ihr das, Jaime?“ „Wie ich es sage, Mylady. Er besitzt ein Schwert aus Drachenzähnen.“ „Ich verstehe.“ Saja stand auf, zog sich den Stuhl, der neben dem Schreibtisch stand heran und setzte sich darauf. „Doch wo hat er diese Waffe her? Als er das letzte Mal hier in Heigan war besaß er noch kein solches Schwert.“ „Es scheint, dass niemand, außer er selbst, diese Frage zu beantworten vermag, Kriegerin.“ „Nein, nicht nur er kann diese Frage beantworten.“ wandte Kiddi leise ein. Saja fuhr herum. „Wie meint Ihr das, Zauberin?“ fragte sie scharf. „Sprecht!“ „Ich meine, dass ich vielleicht, die Person kenne, von der Kai das Schwert Drachenzahn hat.“ erwiderte Kiddi. „Und von wem?“ Eine kräftige Hand legte sich auf Sajas Schulter. „Das brauchst du nicht zu wissen.“ flüsterte Kai und setzte sich auf. Die Mondenkriegerin drehte sich zu ihm um und starrte den jungen Krieger ungläubig an. „K-Kai!“ stotterte sie. „Aber… aber wie…?“ Sie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken wieder in eine grade Bahn zu lenken. „Normalerweise dauert der Schlaf desjenigen, der ein Schwert wie das deine mit solcher Kraft – wie du es laut deinen Freunden getan hast – führt, mindestens zwei Tage. Und doch bist du nun schon wieder bei Bewusstsein, obschon noch nicht mal ein einziger Tag vergangen ist. Wie ist das möglich.“ „Du klingst ja nicht gerade erfreut darüber, Liebste.“ scherzte Kai. „Ich weiß auch nicht wie das möglich ist. Aber nun lass auch mich eine Frage stellen, mein Herz. Was suchst du hier auf der Weißstern?“ „Die beiden dort“ – sie deutete auf Luk und Kiddi – „haben mich hergeführt.“ Er nickte, dann blickte er seine beiden Freunde streng an. Das hättet ihr nicht tun dürfen. dachte er. Jester kam zu seinem General gerannt, um ihm die unerfreuliche Neuigkeit, die der Leutnant in Erfahrung gebracht hatte, mitzuteilen. Keuchend kam er bei Spike del Sorones an. „Sie sind nicht in Hellsoul, Herr.“ sagte er. „Wir haben 7 Tage nach ihnen abgelegt.“ erwiderte Spike gelassen. „Es ist demnach durchaus denkbar, dass sie bereits wieder abgereist sind.“ „Oder aber, sie befinden sich in Wolfsfels. Ich meine, wer hätte dieses verfluchte Meer ohne Probleme überfahren können? Ich habe von einem Schiffer gehört, der so etwas schaffen kann, aber ich denke, dass es dennoch nur Gerüchte waren, die ich vernahm, Herr.“ „Auch ich habe von ihm gehört. Mehr noch, Leutnant, ich habe ihn persönlich getroffen. Dieser Devin ist wahrlich kein gewöhnlicher Mann. Es heißt, dass einer seiner Vorfahren eine Nixe gewesen sein soll und dementsprechend gut sind seine Kenntnisse der See. Ich bin mir sicher, dass er ein Freund dieses Wolfslords ist.“ „Aber was macht Euch so sicher, dass eben dieser Schiffer sie übergesetzt hat, General?“ „Die Tatsache, dass lediglich ein Schiff vor unserem übergesetzt hat. Ich bin mir sicher, dass sie sich auf diesem Schiff befinden.“ „Und dennoch ist die Weißstern nicht in Hellsoul. Doch wo sind sie dann?“ Spike schnaubte verächtlich. „Das liegt doch auf der Hand, oder?“ Er grinste den Leutnant selbstgefällig an. „Ich fürchte, ich verstehe nicht, Herr.“ gab Jester zu. „Es ist doch ganz einfach. Hier in Hellsoul wären sie dem gesamten Reich ohne Schutz ausgeliefert, aber sie könnten auch wesentlich schneller fliehen, wenn sie angegriffen werden. Aus diesem Grund haben wir angenommen, dass sie hierher segeln“ – Er schüttelte den Kopf über seine eigene Torheit – „aber das sind sie nicht. Saro wusste, wie wir denken würden. Er hat alles genau geplant und nun können wir ihn kaum noch einholen. Sie sind nach Wolfsfels gesegelt. Bei der Göttin, sie sind uns ein weiteres Mal entkommen.“ Nach diesen Worten machte der taogische General Kehrt und stapfte zu der Gaststätte, in der sich seine verbliebenen Männer niedergelassen hatten. Von einst 200 waren nun nur noch 50 Mann übrig geblieben. 20 Mann hatten sie an die Drachen verloren, 90 waren später an ihren Wunden krepiert und 40 waren auf See überbord gegangen. Ein trauriger Schnitt. dachte Spike, als er auf seine Männer blickte. In Waterville hatten viele in den Ställen oder auf den Feldern schlafen müssen, doch nun würden alle Taogi im Gasthaus Platz finden. Ob die Rebellen auch so große Verluste erlitten haben? fragte sich der General. Er dachte nicht weiter darüber nach und beschloss sich an diesem Tage früher ins Bett zu begeben, um am nächsten Morgen ausgeruht zu sein. Kapitel 9: Schmerzhafte Wahrheit -------------------------------- Endlich konnten die Rebellen weiterreiten und die Taogi hatten sie auch noch nicht eingeholt. Saro und Barun führten den Trupp der Rebellen an. hinter ihnen ritten Kai und Saja, gefolgt von ihren Nachtwölfen und dem Rest der Krieger. Luk und Shiva zogen ihre Kreise über der Gruppe und flog ab und zu ein Stück voraus, um nach eventuellen Feinden Ausschau zu halten. Kai hingegen blickte sich nervös in der Umgebung um. Es schien als erwartete er jederzeit einen Hinterhalt der Heigani oder der Taogi. „Was hast du, Kai?“ fragte Saja besorgt. „Es ist nichts…“ erwiderte Kai unsicher. „Ich musste mich nur grade an das letzte Mal dass ich hier war erinnern.““ „Kai, was damals passiert ist war nicht deine Schuld. Es war nur ein Unfall.“ „Ich weiß, aber dennoch fühle ich mich daran schuldig. Immerhin bin ich der einzige, der den Flammen entkommen ist. Robert von Heigan hatte weniger Glück und dies nur, weil ich mit ihm reden wollte.“ „Du hast mir nie erzählt, was damals im Schloss wirklich passiert ist, Liebster.“ „Und das werde ich auch jetzt nicht, darauf kannst du dich verlassen.“ Nach diesen Worten trieb er Fremder die Fersen in die Flanken, ritt an Saro und Barun vorüber und brachte einigen Abstand zwischen sich und die Rebellen. Schadow folgte wenige Schritte hinter seinem Herrn. „Was hat er?“ fragte Kiddi, die nun Kais Platz neben Saja eingenommen hatte. „Es ist das, was vor 10 Jahren geschehen ist und der Ort, der unser Ziel ist.“ „Wieso? Wo reiten wir denn hin?“ „Richhall.“ antwortete Saja kurz angebunden. „Richhall?“ Kiddi sah die Mondenkriegerin fragend an. „Aber wieso ist Kai dann so komisch? Welche Erinnerungen verbindet er mit dieser Stadt?“ „Vor zehn Jahren gab es einen schrecklichen Unfall im Schloss unseres alten Königs Robert von Heigan, bei dem der König ums leben kam und den Kai nur knapp unverletzt überlebte.“ „Was ist den geschehen?“ „Das weiß ich nicht, denn ich hielt außerhalb des Schlosses Wache, während sich Kai drinnen mit Robert unterhielt. Ich weiß nur, dass plötzlich das Solar des Schlosses in Flammen stand und Kai herausgerannt kam. Er lief in den Stall, der auch Feuer gefangen hatte und kam wenig später mit einem kleinen, schwarzen Wüstenjägerfohlen, das er Fremder nannte, wieder heraus. Ich fragte ihn, was passiert sei, aber er antwortete mir nicht. bis heute hat er mir nie verraten was damals vorgefallen ist.“ „Und was hat das mit Richhall zu tun?“ „Nun, unser neuer König, Ser Ramond Gentor, war die rechte Hand von Robert und seine Heimat ist nun mal Richhall.“ „Verstehe. Also hat Kai Angst.“ „Angst?“ Saja lachte. „Ich weiß nicht ob dieser Dickkopf so was wie Angst empfinden kann, aber er ist sicherlich ziemlich nervös.“ Kiddi erwiderte nichts mehr. Sie und Saja starrten nun auf den schwarzen Fleck, der sich langsam von ihnen entfernte. Spät am Abend sammelten sich die Rebellen um fünf Feuer. Nur zwei der 26 Krieger fehlten, denn Kai und Yakim waren in der Dunkelheit verschwunden, um zu trainieren und der Lärm ihrer Schwerter hallte bis ins Lager herüber. Doch das störte die Draconiar nicht. sie feierten ausgelassen mit Bier, Wein, Trockenfleisch und Fisch. Warum sie das taten wusste allerdings niemand. Auch Saro trank eine ganze Menge Alkohol und war bald so betrunken, dass er nicht mal mehr grade stehen konnte. Kiddi und Saja hingegen hielten sich zurück. Sie saßen nebeneinander und unterhielten sich über Kai und Luk. Der Drachenritter hatte sich – nachdem er mehrere Krüge Bier und Wein hinuntergestürzt hatte – zu seinem Drachen zurückgezogen und war nun wahrscheinlich bereits eingeschlafen. Auch Saro wurde nun von Barun und einem jungen Krieger, der eine Rüstung aus roten Drachenschuppen, rote Armschienen, Stahlbeschlagene Handschuhe, Schuhe mit Stahlkappen und keine Waffe trug, der pechschwarzen Haare und Augen hatte, die so Grau waren wie der Himmel eines regennassen Tages, in sein Zelt getragen. Doch hätten die Rebellen gewusst, was in dieser Nacht noch geschehen sollte, hätte sicherlich niemand mehr als ein oder zwei Krüge Bier oder auch Wein getrunken. Kai und Yakim standen sich schwer atmend gegenüber. Sie trainierten jetzt schon seit zwei Stunden und noch keiner hatte aufgegeben. So lange hatten ihre Zweikämpfe bisher noch nie gedauert. Entschlossen dem Kampf nun endlich ein Ende zu bereiten griffen bei Kämpfer gleichzeitig wieder an. immer wieder traf Stahl auf Stahl – denn Kai kämpfte entgegen seiner Gewohnheit nicht mit Drachenzahn sondern mit Jero – oder auf metallbeschlagenes Holz. Immer wieder donnerten die Schwerter auf Kettenhemden und immer wieder fiel einer der beiden in den Staub, um dann gleich wieder zu stehen. Als die Waffen schließlich zum zwölften Mal aufeinander klirrten, glitt Kai Jeros Heft aus den Händen. Durch die Wucht des Aufpralls flog die Klinge dem Waldwolf entgegen und schlitzte ihm die Wange auf. „Ich glaube, wir sollten es für heute gut sein lassen.“ keuchte Kai. „Du hast dich gebessert, Yakim.“ „Danke“, erwiderte der fewallische General, „aber du bist Auch nicht schlecht.“ Er hob Kais Schwert auf und reichte es dem jungen Krieger. „Das war das erste Mal, das ich dich besiegt habe, mein Freund.“ Kai lächelte. „Und es wird das letzte Mal sein.“ erklärte er schalkhaft. Yakim stieß ein fröhliches Gelächter aus doch dann verfinsterte sich seine Miene wieder. „Saja hat mir erzählt, warum du so nervös bist, Kai.“ erklärte er ernst. „Ach ja hat sie das?“ fragte Kai gleichgültig. „Ja und ich will mit dir darüber reden.“ „Es gibt nichts zu bereden.“ Kai nahm sein Schwert, ließ es in die Scheide gleiten und drehte sich zum gehen um. „Warte, Kai.“ rief Yakim ruhig. „Bist du dir sicher, dass der Tod deines Onkels nichts ist, über das man nicht reden sollte?“ „Was hast du gesagt?“ Kai wirbelte herum. „Wieso der Tod meines Onkels?“ „Weil Robert von Heigan der Bruder deines Vaters war.“ Erst war Kai erschüttert über die Tatsache, dass der Mann, der vor 10 Jahren durch seine Schuld umgekommen war, sein Onkel gewesen ist. Doch dann schüttelte er den Kopf und sein Gesicht nahm wieder die Ausdruckslosen Züge, die man von dem jungen Krieger bereits gewohnt war. „Na und?“ schnaubte er und drehte sich um. „König Robert starb durch einen Unfall. Ich trage vielleicht eine gewisse Schuld an seinem Tod aber deshalb mache ich mir keine Vorwürfe und werde auch nicht darüber sprechen.“ Nach diesen Worten verschmolz Kai mit der Dunkelheit. Yakim starrte ihm noch eine ganze Weile nach, dann schüttelte er den Kopf und folgte seinem Freund. Die Sonne war schon vor zwei Stunden aufgegangen und alle Rebellen waren schon seit langem zum Aufbruch bereit. Doch Saro war noch immer nicht aus seinem Zelt hervorgekommen. Kai blickte fragend zu Saja hinüber, aber sie würdigte ihn keines Blickes. Als er gestern vom Training zurückgekommen war und sie die Verletzung an seiner Wange gesehen hatte, hatte sie nur den Kopf geschüttelt und irgendwas von „typisch Mann“ und „irgendwann schneidet der sich noch mal den Arm ab“ gesagt. Kai hatte über diese Worte gelächelt, merkte aber nun, dass dies genau die falsche Reaktion gewesen war, denn mit seiner sorglosen Geste hatte er ihr nur noch mehr Grund zur Sorge gegeben. Kai schüttelte den Kopf. Es gab jetzt wichtigeres als seine Beziehung zu Saja. Warum kam Saro nicht hervor? Auch wenn er sich bewusstlos getrunken hatte, war er immer der erste gewesen, der wach war. Was war also mit ihm? „Jetzt reicht es!“ knurrte Barun. „“Ich gehe da hinein und hole ihn raus – mit Gewalt, wenn es sein muss.“ Er stampfte in Saros Zelt und verschwand hinter der Zeltplane. Doch nur wenige Sekunden später war von drinnen ein erstickter Fluch zu hören und Barun kam Rückwärts wieder herausgestolpert. „Barun!“ rief Kai und lief an Baruns Seite. „Was ist? Was hast du?“ Saros Vertrauter antwortete nicht. Mit aufgerissenen Augen starrte er ins Zelt. Kai stand auf, zog Drachenzahn hervor und betrat vorsichtig das Zelt des Rebellenführers. Doch dann weiteten sich seine Augen vor Schreck und das Schwert der Freder viel klappernd zu Boden, denn dort auf seinem Nachtlager lag Saro mit durchgeschnittener Kehle und aufgerissenen Augen. Kai senkte den Blick und sprach: „Mögen die Götter der neuen und der alten Welt sowie unser aller Ahnen mit dir sein und dich auf deinem letzten Weg begleiten, Saro – Rebellenführer.“ Dach diesen Worten ging er nach draußen und wandte sich an die Rebellen, die gleichermaßen neugierig und besorgt draußen warteten. Er baute sich vor dem Eingang zu Saros Zelt auf und rief: „Hört mir zu, meine Freunde!“ Als Kai sicher war, dass er die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, fuhr er fort: „Saro ist tot. Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten. Dadurch werfen sich nun für uns zwei Fragen auf. Erstens: Wer hat Saro ermordet? Und Zweitens: Wer soll uns nun führen?“ „Wenn ich dazu etwas sagen dürfte.“ Rief eine Stimme vom anderen Ende der Rebellen-Ansammlung. Wenige Augenblicke später bildeten die draconischen Krieger eine Gasse und der Draconiar, der gestern zusammen mit Barun Saro in sein Zelt getragen hatte. Kai kannte ihn und deshalb kramte er in seinen Gedanken nach dem Namen des Mannes. Dann viel er ihm ein, wer dieser Krieger war. Er hörte auf den Namen Tschachfsü – war also Laylayos älterer Bruder – war 25 Jahre alt und somit 9 Jahre älter als sein Halbbruder. Zudem galt Tschach, wie er von allen genannt wurde, als Außenseiter und eigenwillig. „Was willst du, Tschach?“ „Meiner Meinung nach, wärst du als Anführer perfekt geeignet, Kai vom Nadelwald.“ erklärte Tschach mit seiner rauen Stimme. „Was? Wieso ich? Das kann ich nicht. Das ist eine zu große Verantwortung. Ich bin so was nicht gewohnt.“ „Oh, ich bin überzeugt, dass du es kannst. Immerhin warst du es, der uns über das Meer der 1000 Tode gebracht hast. Außerdem bist du der mit Abstand beste Schwertkämpfer von uns. Ich meine, wenn du diesem Seeungeheuer damals nicht den Schädel gespalten hättest, wären wir jetzt alle nicht mehr hier.“ „Das war etwas anderes. Bei dem Kun-Ri ging es auch um mein Leben. Ich bin dennoch kein Anführer.“ Kiddi trat zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Du schaffst das schon.“ „Was tun wir nun, Kai?“ fragte Saja. „Als Erstes müssen wir Saro die letzte Ehre erweisen. Ist dies geschehen nehmen wir unseren Weg nach Richhall wieder auf.“ Der Scheiterhaufen brannte hell und erleuchtete den trüben, grauen Tag. Alle Rebellen hatten sich um ihn versammelt, um ihrem einstigen Anführer die letzte Ehre zu erweisen. Sie alle saßen bereits auf ihren Pferden. Nur einer stand neben seinem Pferd. Dieser junge Bursche war Karowa, Saros jüngerer Bruder. Er war das genaue Ebenbild seines 6 Jahre älteren Bruders. Er hatte nach dem Tod des Rebellenführers dessen Hengst Katonak übernommen. Nach einer Weile, die sie in die Flammen, die nun Saros Körper verzerrten, gestarrt hatten, erklang Baruns tiefe Stimme: „Geliebter Freund, du bist gegangen, denn so war es der Göttin Verlangen. Ich suchte dich ganz unverwandt, doch als ich dich dann endlich fand, warst du schon fort, gegangen an einen schöneren Ort. Du sagtest noch, ich soll nicht weinen, denn morgen würd die Sonne scheinen, würd dich endlich zu sich holen und hätt dir dann dein Leid gestohlen. Ich sollt nicht deiner Rückkehr harren, doch musst ich deinem Geist nachstarren. Ich sagt, so sei es wahrlich, nie gab’s einen Kämpfer, so wie dich. Du sagtest, du gingst zu unserem Herrn und wärst dann auch nur noch ein Stern. Dann deckte dich die Erde zu und bettete dich zur ewigen Ruh. Geliebter Freund du bist gegangen, denn so war es der Göttin Verlangen. Du sagtest noch, ich soll nicht weinen, denn morgen würd die Sonne scheinen. Ich sagt, so sei es wahrlich, nie gab’s einen Kämpfer, so wie dich.“ Nach einer kurzen Pause wiederholte die gesamte Armee das Totenlied, das schon ihre Ahnen sangen, wenn ein großer Anführer starb. Schließlich erloschen die Flammen und von Saro war nichts weiter als Asche übrig. Noch immer stand Karowa neben seinem Pferd und starrte auf den grauen Staub, der vom Feuer zurückgeblieben war. Doch dann schob sich die schwarze Flanke eines großen Jagdpferdes in sein Blickfeld. Der junge Draconiar blickte auf und erkannte den neuen Anführer der Rebellen, der von Fremders breitem Rücken zu ihm hinab sah. „Komm, Junge.“ Sagte Kai sanft. „Wir müssen weiter.“ „J-Ja, Herr.“ erwiderte Karowa. „Nenn mich doch bitte bei meinem Vornamen – wie alle anderen auch – und nicht >Herr<.“ Saros Bruder nickte, sagte aber nichts. Kai hingegen ritt wieder an die Spitze des Trupps und gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Rebellen waren bereits ein Stück vorausgeritten, als Karowa endlich aufstieg. Er Blickte auf die Asche hinunter und sagte mit trauriger Stimme: „Mach es gut, mein Bruder. Ich hoffe, du hast es dort, wo du nun bist besser.“ Danach trieb er Katonak in den Galopp und folgte den restlichen Draconiarn. Die restlichen fünf Tagesritte bis Richhall lag die Trauer über Saros Verlust wie ein erstickender Nebel über der Gruppe der draconischen Krieger. Und Auch als sie endlich Richhall erreichten, wollte sich die Stimmung nicht heben. Vor einem großen, aber alten Gasthaus machten sie Halt. Gleichmütig versorgten die Rebellen ihre Pferde, um danach in den Schankraum zu schleichen. Nur Kai und Saja blieben draußen. Während die Mondenkriegerin ihre Stute bereits versorgt hatte, saß Kai immer noch auf dem Rücken seines Jagdpferdes. „Und ich soll wirklich nicht mitkommen?“ fragte Saja. „Nein.“ antwortete Kai entschieden. „Dies ist etwas, das ich allein klären muss. Vergib mir, aber ich kann dich da nicht mit hineinziehen, Liebste“ „So geh denn, aber wehe du kommst nicht zurück.“ „Wir treffen uns im Schankraum.“ Er wandte sich an seinen Wolf. „Schadow geton!“ Danach wendete er sein Pferd und ritt im Trab die Straße hinunter. Er ritt direkt zur Burg des neuen Königs. Dort angekommen stieg Kai ab und betrat die Burg. Die Tür zum Solar stand weit offen. Kai ging hindurch. Er war sichtlicht nervös, denn zum ersten Mal seit dem Tode des alten Königs würde er dem neuen Herrscher von Heigan gegenübertreten. Der Schwertmeister fand Ramond Gentor – ein braunhaariger, langer Mann mit graugrünen Augen und einem braunen Kinnbart von etwa 40 Jahren – und seine Brüder an einem langen Tisch, wo sie gerade über die Situation des Königreiches sprachen und somit nicht auf Kai achteten. Der Waldwolf schlenderte durch den Saal und blickte auf die Banner, die überall aufgehängt waren. Er war stets darauf bedacht, dass er weder von Ramond noch seinen Brüdern bemerkt wurde. Das Wappen von Ramond zeigte einen weißen Bären auf orangenem Grund. Auf dem seines jüngeren Bruders Jon war ein schwarzer Löwe auf rotem Grund und auf dem des jüngsten Bruders Tyrion ein roter Tiger auf orangenem Grund zu sehen. Kai schlich hinter Ramond und suchte sich die richtige Position für sein Vorhaben. Als er sicher war, dass er passend stand, riss er Drachenzahn aus der Scheide und drückte die Klinge Ramond an die Kehle. Der heiganische König fuhr zusammen. Seine Brüder sprangen auf und zogen ihre Schwerter. Doch Ramond brachte sie mit einem matten Kopfschütteln und einer Handbewegung wieder zur Ruhe. „Wer seid Ihr?“ stotterte Ramond. „Jetzt sagt nicht, dass Ihr mich vergessen habt, Hoheit.“ antwortete Kai mit gespielter Empörung. „Man nennt mich Kai vom Nadelwald – Sohn von Herzog Frederick vom Nadelwald, Neffe von König Robert von Heigan.“ „Verzeiht, aber ich kenne Euch nicht, obschon mir Euer Name geläufig ist.“ „Das Ihr Euch nicht an mich erinnert kommt wohl daher, dass ich das letzte Mal, das wir uns gesehen haben, einen anderen Namen verwendet habe. Nur lasst Euch gesagt sein, dass Ihr mich kennt.“ In Kais Stimme lag eine Spur von Hohn. „Ich war dabei, als mein Onkel diesen Unfall hatte.“ „Was meint Ihr damit? Welchen Unfall? Der König wurde ermordet.“ „Ach! Und von wem wurde mein Onkel ermordet, wenn ich fragen darf?“ „Von einem jungen Schwertkämpfer, der nicht älter als 10 Jahre war. Sein Name lautete Padrace.“ „Nun Herr, vielleicht erinnert Ihr Euch ja an mich, wenn Ihr mein Gesicht seht. Doch dieses zeige ich Euch nur unter einer Bedingung.“ „Und die wäre?“ „Ihr und Eure Brüder werdet weder die Wachen rufen, noch Eure Schwerter ziehen oder sonst in irgendeiner Form Hand an mich legen.“ „Nun gut. Ich gewähre Euch diese Bedingung – wenn auch nur widerwillig.“ „Gut.“ Kai nahm Drachenzahn von Ramonds Kehle, ließ das Schwert in die Schwertscheide gleiten, trat neben den König und verbeugte sich. „Erinnert Ihr Euch nun an mich, Sire?“ Ramond musterte Kai aufmerksam von oben bis unter. Dann stieß er erschrocken die Luft aus. „Bei der Göttin!“ schnappte er. „Padrace! Ihr wagt es Euch hier nochmals blicken zu lassen, nachdem, was Ihr getan habt?“ „Der Tod meines Onkels mag vielleicht meine Schuld gewesen sein“, gab Kai zu, „aber es war dennoch ein bedauerlicher Unfall, den ich nicht beabsichtigte.“ „Können wir Euch das glauben, Padrace?“ fragte Ser Jon mit rauer Stimme. Er war ein großer Mann – fast so groß wie Kai selbst – mit pechschwarzen Haaren und eisblauen Augen. „So wahr ich hier stehe.“ erwiderte Kai. „Aber Ihr habt Euch schon mal als etwas ausgegeben, das Ihr nicht seid!“ rief Ser Tyrion streng. Der jüngst der drei Brüder war eher von gedrungener Statur, hatte ebenso braune Haare wie Ramond, blaugrüne Augen und trug einen kurzen Schnurrbart. „Hättet Ihr mich damals denn nicht an die Taogi ausgeliefert, wenn ich meinen wahren Namen preisgegeben hätte, wie Ihr es schon mit vielen meiner Landsleute getan habt?“ fuhr Kai den Ritter an. „Ruhe!“ rief Ramond. „Es ist nun auch egal. Selbst wenn dieser junge Krieger hier sich einst mit einem falschen Namen vorgestellt hat, ist er nun unter wahrem Namen und ich hoffe ohne schlechte Absichten hierher gekommen.“ „Wie auch an jenem Tage an dem mein Onkel den Tod fand, bin ich auch heute lediglich hier, um zu reden.“ bestätigte Kai. „Das heißt: Ich bin hier, um Euch um Hilfe zu bitten.“ „Wie kann ich dem Neffen meines engsten Freundes irgendeine Bitte abschlagen?“ Ramond fuhr sich nachdenklich durchs Haar. „Nur eine Frage hätte ich noch. Wie soll ich Euch nennen, Padrace oder bei Eurem richtigen Namen.“ „Wie es Euch beliebt, Hoheit.“ „Gut, dann nenne ich Euch Padrace, denn dieser Name ist mir geläufiger als Euer wahrer Name.“ Er holte kurz Luft. „Nun wobei braucht ihr meine Hilfe, Padrace?“ „Bei einem Krieg, um mein Volk zu befreien- dieser Krieg wird sicherlich das Leben vieler, tapferer Männer fordern, vielleicht werde Auch ich für Draconias Freiheit mein Leben geben, aber jeder, der in diesem ehrenvollen Kampf stirbt, wird wissen, dass es nicht umsonst war.“ „Gut ich werde Euch helfen.“ „Nun, dann folgt mir. Meine Männer warten schon auf mich.“ „Eure Männer?“ „Noch vor wenigen Tagen waren es Saros Rebellen, doch dann wurde unser alter Anführer ermordet und ich wurde zu ihrem neuen Befehlshaber.“ „Dann folge ich Euch selbstverständlich. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn meine Brüder uns begleiten, oder?“ „Aber mit Nichten.“ Nach diesem doch ziemlich kurzen Gespräch führte Kai die drei Heigani zum Gasthaus.# Fremder trottete, ohne dass Kai die Zügel nehmen musste, hinter ihnen her. „Ein beeindruckender Hengst.“ bemerkte Ser Jon bewundernd. „Ich weiß, was du meinst, Bruder.“ bestätigte Ser Tyrion. „Wenn ich nicht wüsste, dass es unmöglich ist und dieser Hengst weiß und nicht schwarz wäre, würde ich sagen, er sei König Roberts Hengst, Shiningstar.“ „Wenn Ihr es genau wissen wollt, ist Fremder der Sohn von Shiningstar.“ sagte Kai ruhig. Bald hatten sie das Gasthaus erreicht und betraten den Schankraum. „Heilige Göttin, das sind aber einige Rebellen!“ fuhr es Ramond heraus, als er die Männer sah. Von dem Ausruf des Königs alarmiert kam Saja hervorgestürmt und zog ihr Schwert. Doch als sie den König Heigans erkannte, steckte sie die Klinge wieder weg und fiel auf die Knie. „Vergebt mir, Hoheit.“ sagte sie leise. „Ich habe Euch nicht gleich erkannt.“ „Erhebt Euch, Mondenkriegerin.“ sagte Ramond ruhig und wandte sich danach wieder dem Waldwolf zu. „Wie ich sehe Habt Ihr sogar die Kriegerin des Mondes auf Eurer Seite, Padrace.“ „Saja ist mir die liebste Person, die ich kenne.“ erwiderte Kai. „Doch genug von meinem Privatleben. Folgt mir bitte.“ Kai führte den König in ein Zimmer des Gasthauses. Jon und Tyrion warteten unten. In dem Zimmer, in das Kai den König führte, lag Schadow zusammengerollt auf dem Teppich vor dem Bett und döste. Als Kai den Raum betrat, sprang der Wolf auf und fiepte freudig. Doch als er König Ramond erblickte, legte er die Ohren an, knurrte und fletschte die Zähne. „Schadow scheint Euch nicht sonderlich zu mögen, Hoheit.“ sagte Kai ruhig. „Das ist auch kein Wunder.“ erwiderte Ramond. „Normalerweise lasse ich Wölfe töten.“ „Das erklärt einiges.“ Kai wandte sich an seinen Wolf. „Schadow alem.“ Augenblicklich hörte der Wolf auf zu knurren und starrte seinen Herrn verständnislos an. „Nun gut.“ sagte Ramond kurz darauf. „Was habt Ihr nun vor, Padrace?“ „Ich habe vor in sechs Tagen nach Shining-Water überzusetzen.“ antwortete Kai. „Dann müsst Ihr über das verbotene Meer. Das ist eine gefährliche Angelegenheit – vor allem wenn man an all die Seeschlagen und Haie denkt, die sich dort herumtreiben.“ „Nun es gibt dort noch wesentlich größere Gefahren als Haie oder Schlangen, Herr. Ich denke da an Kun-Ris, Nosins oder auch die gefürchteten Gräbber.“ „Sicher, auch diese Wesen sind gefährliche Gegner. Doch auf Shining-Water leben nur noch die verhassten Eiswächter und mit denen lässt sich wohl kaum reden.“ „Es gibt noch jemanden, der auf der Burg Shining-Water lebt, Hoheit. Ich rede von Kaine Severanz.“ „Die Drachenfürstin? Wisst Ihr etwa nicht, dass sie einen Drachentöter auf ihren eigenen Bruder angelegt hat?“ Ramond sah Kai entsetzt an. „Sie hat jemanden auf ihren Bruder angesetzt, den Ihr nur zu gut kennt, Padrace.“ „Und wer, wenn ich fragen darf, soll das gewesen sein?“ Als Antwort begann Ramond ein Gedicht zu zitieren, dass Kai schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte: „In der mondlosen Nacht der Schatten, wenn Geister wandeln auf dem Erdengrund, wart ein Kind geboren, von edlem Blute, das Feuer der Drachen im Herzen, die Güte der Alten im Blicke. Und so fand seine Mutter, von ihrem Volke beseelt, den Namen des Knaben, in den Tiefen der Nacht, die einst auch ihren Namen barg. So bekam sie in jener Nacht, den Jungen im Arme, die Vision seines Lebens und entschied einen Namen und Dravo wart er gerufen fortan, ein Name, der eines alten Gottes würdig und doch unwürdig. Und Dravo erfuhr die Bedeutung des Namens als Knabe von zehn Jahren, als die Mutter seinen Bruder gebar, der in den Händen sollte halten das Schicksal der Welt. Und so wart sich Dravo der Bedeutung des Namens gewahr und Drachentod wart er gerufen sodann.“ Kai sah ihn eine Weile lang verständnislos an. dann schnaubte er. „Sie hat also meinen eigenen Bruder auf Luk angesetzt.“ knurrte Kai. „Nun gut. Ich hätte da noch eine Frage an Euch: Da ich mich ja scheinbar nicht auf die Drachenfürstin verlassen kann, wäre es vielleicht möglich, dass Ihr und Eure Armee sich der Sache von uns anschließen?“ „Natürlich, Padrace.“ erwiderte Ramond. „Ich danke Euch, Hoheit.“ Kai verbeugte sich kurz und setzte sich danach an einen kleinen Tisch, auf dem er einige Karten verteilt hatte. König Ramond hingegen ging wieder nach unten und befahl seinen Brüdern die Heiganische Armee zu sammeln. „Was habt Ihr für Neuigkeiten, General?“ fragte Sandro nachdem Spike zurückgekehrt und sich in den Thronsaal des taogischen Königs begeben hatte. „Schlechte, Sire.“ erwiderte Spike. „Wir haben 150 Mann verloren und zu allem Überfluss hat sich der Feind mit dem Reich Heigan verbündet. Ihre Reihen sind stärker als je zuvor, mein König.“ „Wir werden ihn besiegen oder sterben.“ „Aber Hoheit, wir können nicht gewinnen! Ihr schickt hunderte Männer, Frauen und Kinder in den sicheren Tod, Sire. Ich kann das nicht billigen!“ „Wollt Ihr Euren König verraten, General?“ „Wenn es das Recht verlangt, ja.“ „Das ist Hochverrat!“ rief Sandro. „Wachen!“ „Ja, Sire?“ fragten zwei Junge Soldaten, die in den Thronsaal gestürmt kamen. „Bringt den General weg und werft ihn in den Kerker!“ befahl der König. „Er ist des Hochverrates an König und Vaterland angeklagt. Wenn der Krieg gewonnen ist, werde ich über ihn Gericht halten.“ Als die Männer Spike packten und auf die Beine zogen, rief er: „Hoheit, ich weiß, dass Ihr meinen Kopf wollt, aber ich bleibe bei meiner Meinung. Dieser Krieg ist bereits verloren und auch Ihr werdet daran nichts ändern! Ihr kämpft auf verlorenem Posten. Und dies nicht nur gegen Menschen. Ihr kämpft auch gegen eine Hexe und einen Drachen. Ihr könnt nicht gewinnen, auch wenn Ihr Tausende von Leuten habt und euer Gegner nur 500. Der Waldwolf wird Euch töten.“ Die Wachen schleiften ihn in die Kellergewölbe der Burg, nahmen ihm seine Waffen und Panzerung ab und warfen ihn in die enge, dunkele Zelle, in der sie damals den Waldwolf gefangen gehalten hatten und gefoltert hatten. Noch immer klebte Kais Blut auf dem Boden und an den Wänden. Er hat sich damals freikämpfen können. dachte Spike. Doch ich werde diese Chance wohl nicht erhalten. Der Tag war grau und regnerisch, als die Rebellen und Ramonds Heer Wolfsfels erreichten. „Auf Devins Schiff ist wohl Kaum Platz für so viele Männer, Sire.“ bemerkte Kai. „Ich habe meine eigenen Schiffe.“ erwiderte König Ramond grinsend. Sie hielten auf den Hafen zu und erreichten Bald die Weißstern. „Devin, bist du da?“ rief der junge Schwertmeister zum Deck hinauf. Eine Gestalt in braunem Ledermantel trat durch die Luke im zweiten Unterdeck, wo ursprünglich Ruderbänke gewesen waren, das aber nun zu einem zweiten Laderaum umgebaut worden war, ins Tageslicht. „Kai?“ fragte der Seemann verwirrt. „Haben wir uns nicht erst vor 12 Tagen getrennt?“ „Ja, haben wir.“ antwortete Kai sachlich. „Ich möchte dich noch ein letztes Mal darum bitten, uns über das Meer zu bringen.“ „Das tue ich doch gerne, aber sag nicht letztes Mal. Das klingt so endgültig und ich will meinen besten Freund nicht verlieren.“ Noch am selben Tag brachen sie auf. Dreizehn heiganische Schiffe – jedes mit 100 Soldaten besetzt – und ein draconisches Schiff, auf dem sich die nunmehr 25 Rebellen befanden, stachen in See, um Sandro von Taog zu stürzen und Draconia zu befreien. Kapitel 10: Ein verhängnisvoller Fehler --------------------------------------- Im Gegensatz zum letzten Mal, war die Fahrt über das Meer der 1000 Tode problemlos verlaufen und so konnten die Rebellen sich ohne weiteres auf den Weg durch die Drachenberge machen. „Hoffen wir, dass die Drachen friedlich bleiben.“ meinte Luk nachdenklich. „Ich habe nämlich keine Lust auf einen Kampf gegen sie.“ „Drachen?“ fragte Ser Tyrion. „Soll das heißen, dass diese berüchtigten Schwarzwasserdrachen tatsächlich existieren?“ „Wenn dem nicht so ist, wäre Shiva hier wohl kaum mein Reittier. sie würde überhaupt nicht existieren. als wir das letzte Mal hier entlang geritten sind, hatten wir erhebliche Probleme mit diesen Bestien.“ „Erhebliche Probleme? Pah!“ mischte sich Kai ein. „Wir können von Glück reden, dass alle noch am Leben sind!“ „Ah, Verstehe!“ stieß Ser Jon wissend aus. „Ihr hofft also, dass diese Biester etwas Anderes zu tun haben.“ „Genau. Auch wenn mir nicht die Schwarzwasserdrachen sondern die Steppendrachen Sorgen machen. mir wäre es ehrlichgesagt lieber, wenn keine der beiden Arten sich blicken lässt, denn ich kann es mir nicht leisten Männer zu verlieren. Wir sind jetzt schon weniger als Sandros Krieger und sein Heer ist riesig, ich habe es gesehen.“ „Wie meint Ihr das, Ihr habet König Sandros Truppen gesehen?“ fragte Ramond verwirrt. „Wie darf man das verstehen?“ „Am 12. Junon nahm mich König Sandro gefangen. er wollte herausfinden, wo sich die restlichen Überlebenden aus Draconia aufhielten. Doch da ich nicht wusste, dass es überhaupt noch andere Personen außer mir und Luk überlebt haben.“ Er hielt kurz in seiner Erzählung Inne. „Ich muss ungefähr einen Monat in seinem Kerker ausgeharrt haben. Als sich der König schließlich gewahr wurde, dass ich ihm nichts verraten kann, gab er mir die Chance mich freizukämpfen. Natürlich nahm ich den Vorschlag an. Zwei Wochen später war es dann soweit und der Kampf fand statt. Wie man sieht hab ich gewonnen. Warum ich nun die stärke seines Heers kenne, will ich gern erklären. in den zwei Wochen die ich in Sandros Schloss in einem Zimmer verbrachte konnte ich immer wieder beobachten, wie die Soldaten unter meinem Fenster exerzierten. es waren ungefähr 18000.“ „Eine beeindruckende Streitmacht, in der Tat.“ Ramond machte eine wegwerfende Handbewegung. „Dennoch werden wir sie besiegen, da bin ich mir sicher.“ Kai antwortete nicht. Er nickte nur. Am Abend hatten sie die Drachenberge hinter sich gelassen und waren tatsächlich auf keinen der Drachenbergdrachen gestoßen. Nun hatten sie wieder ihr Lager aufgeschlagen und saßen um die Feuer. Nur Kai und Yakim hatten sich wieder entfernt, um ihr Training weiterzuführen. Ihre Schwerter klirrten aufeinander und Kai merkte, dass er es diesmal schwerer haben würde, als jemals zuvor. Kai startete einen Angriff auf Yakims Magengegend. Doch der fewallische General fing die Klinge ab und griff seinerseits an. Er zielte auf Kais Hals und hätte auch fast getroffen. doch im letzten Augenblick riss Kai Jero empor und lenkte Yakims Schlag ab. Statt des Halses traf Yakims Schwert auf Kais Schulter und drang tief hinein. Erschrocken riss Yakim die Klinge aus Kais Fleisch. Dabei schnitt der Stahl allerdings noch tiefer in das Fleisch des Draconiars. Kai blockierte den Schmerz und lies ihn nicht an sich heran. Er riss sein eigenes Schwert nach oben und schlug Yakim das seine aus der Hand. „Gewonnen.“ erklärte der Waldwolf hustend und sank in die Knie. Er umklammerte seine Schulter. Unaufhörlich lief Blut über seinen Arm zu Boden. „Heilige Göttin, Kai!“ rief Yakim aus. „Bist du in Ordnung?“ „Was für eine überflüssige Frage.“ knurrte Kai und richtete sich schwankend auf. „Ich bin nicht dein Feind, Yakim. Du musst mich also nicht gleich in Stücke hauen.“ „Tut mir leid, Kai.“ „Gehen wir.“ Kai ließ Jero wieder in die Scheide gleiten und ging. „Ich habe das Gefühl, als sei es besser, wenn Jaime sich mal meine Schulter ansieht.“ „Gut.“ Yakim hob sein blutiges Schwert auf. „Du gehst in dein Zelt und ich hole Jaime.“ „Tu mir aber einen Gefallen, Yakim. Du darfst Saja davon nichts sagen. Sie macht sich schon genug sorgen um mich.“ „Kannst dich auf mich verlassen.“ So gingen die Beiden zurück zum Lager. außerhalb des Feuerscheins schlich sich Kai zu seinem Zelt, während Yakim sich auf die suche nach Jaime machte. Der junge Schwertmeister setzte sich fast vollkommen außer Atem auf sein Lager und hielt seine Schulter fest. Im Gegensatz zu dem, was Kai erwartet hatte, befand sich Schadow nicht hier m Zelt. der große Wolf war wahrscheinlich wieder auf einem seiner ausgedehnten Streifzüge durch die Umgebung und suchte sich sein Abendessen. Irgendwann kam Jaime dann herein und das erste, was er tat, war einen Bottich mit Wein auf das Kleine Feuer zu stellen, die in diesem Zelt brannte. Als er das getan hatte, kam er zu Kai, löste vorsichtig die hand des Schwertmeisters von seiner Schulter und betrachtete eingehend die Verletzung. „Gerechte Göttin!“ keuchte er. „Das sieht wahrlich nicht gut aus…“ „Weshalb?“ fragte Kai verstört. „Wäre die klinge etwas tiefer eingedrungen hättest du deinen Arm oder schlimmsten Falls dein Leben verloren, Kai.“ „Verstehe…“ Jaime reichte Kai ein lederummanteltes Stück Holz, aber der Waldwolf schlug es aus. Wenn er den Schmerz schon spürte, dann ohne auf dieses Ding zu beißen. Schulterzuckend machte sich der Heigani ans Werk, wusch die Wunde aus, nähte sie und verband sie schließlich. Nachdem er fertig war, schickte Kai ihn mit der Nachricht raus, dass man den Rebellenführer nur im äußersten Notfall stören dürfe. Zu Kais Bedauern ließ dieser Notfall allerdings nicht lange auf sich warten, denn ungefähr eine Viertelstunde nachdem Kai Jaime hinausgeschickt hatte, kam Barun ins Zelt gestürzt. Ohne aufzusehen und wenig begeistert, fragte Kai: „Was ist denn nun schon wieder los?“ „Kai“, schnappte Saros einstiger Vertrauter atemlos, „wir haben ein gewaltiges Problem.“ „Das hatte ich mit schon gedacht.“ Kai stand auf und schnallte sich den Gurt von Drachenzahn um. „Rede, Mann. was ist unser Problem?“ „Die Taogi und das ist nicht alles. bei ihnen ist ein Erdwels und auch noch ein Shatan!“ Ein Erdwels war ein riesiger, brauner Fisch mit scharfen Zähnen, der eigentlich unter der Erde lebte. Ein Shatan hingegen war ein Ungeheuer, dass sich in den Wäldern versteckte. Sein Oberkörper sah fast aus, wie der eines Menschen – nur dass er große, schwarze Augen, scharfe Reißzähne und eine grüne Haut hatte. Dieser saß auf dem Körper eines Hirsches mit einem Drachenschwanz saß. Sie waren gefürchtete Bestien und hatten brutale und furchteinflößende Waffen. Ihre Klauen und Zähne trieften nur so von Gift und mit ihren kräftigen Hufen konnten die Shatan ihre Feinde in sekundenschnelle zertrampeln. „Ich komme.“ sagte Kai und war bereits durch die Zeltklappe verschwunden. Der Shatan sah Kai aus seinen großen, schwarzen Augen an und stemmte sich gegen die Kette, die um seinen Hals gebunden war und dort eine hässliche Wunde riss. Als Kai das Wesen ansah, wusste er plötzlich, dass dies nicht die Ungeheuer waren, für die die Shatan gehalten wurden. Hilf mir. flehte die Stimme des Shatan in Kais Kopf. Bitte hilf mir. Wer bist du? fragte Kai. Schattenseher. antwortete das Wesen. Hilf mir, bitte. Das werde ich. versicherte der Schwertmeister. Wenn du uns dafür hilfst und weil ich dich nicht leiden sehen will. Hastig sah der Shatan sich um. Als er sicher war, dass er nicht beobachtet wurde, nickte er. Kai nickte ebenfalls. „Also, jeder weiß was er zu tun hat?“ fragte Kai, ohne eine Antwort zu erwarten. „Dann lasst uns loslegen. Saja, nimm Schadow mit.“ Saja nickte und rief: „Erista, Schadow, wurene!“ Die Wölfe gehorchten sofort und obschon Schadow kurz zögerte, folgten sie letztendlich doch dem Befehl. Kai stieg auf Fremder, während sich Shiva mit ihrem Reiter in die Luft erhob und sich die anderen Rebellen auf die Taogi stürzte. Er trieb dem Hengst die Fersen in die Seite und galoppierte genau auf den Shatan zu, der noch immer die Kette straff hielt. Im vorbeireiten schlug Kai mit Drachenzahn die stählernen Glieder durch. Danke. hörte Kai die Gedanken des Shatan sagen, der sich nut voller Wut auf die Taogi stürzte. Nun sah sich Kai nach Luk und Shiva um. Der Drache kreiste über dem Wels und nahm genau Maß, um zu zielen. Dann öffnete der Drache sein Maul und eine klare Flüssigkeit ergoss sich daraus auf den Kopf des Fisches. Durch die Flüssigkeit dampfend und wutschnaubend wand sich der Wels und brüllte. Etwas von dem Zeug tropfte vor Fremders Hufe und verschwand zischend und dampfend, ebenso wie das blutbefleckte Gras, auf das sie gespritzt war. Der Hengst trat einen Schritt zurück und schüttelte nervös mit dem Kopf. Säure. dachte Kai. Ich hätte nie gedacht, dass Luk diese Waffe einsetzen würde. Sie ist doch viel zu ungenau. Kann zu schnell ihr Ziel verfehlen. Noch während der Waldwolf darüber nachsann, öffnete sich der Schlund des Drachen erneut und ein Schwall Feuer traf die verätzte Stelle auf dem Kopf des Fisches. Wild um sich schlagend, erwischte die Schwanzflosse des Tieres, Shivas Seite. Der Drache verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Verdammt! dachte Kai und trieb Fremder an. Dann muss ich jetzt wohl ran. Drachenzahn begann in Kais Hand zu pulsieren. Zu spät erinnerte sich der Schwertmeister, was sein Schwert das letzte Mal mit ihm angestellt hatte, denn die uralte Macht des Schwertes war bereits geweckt und nicht mehr zu bändigen, bevor es Blut geschmeckt hatte. Da waren wieder diese unbezwingbare Wut, Blutgier und Kampfeslust. Ohne auch nur wirklich zu wissen, was er tat, trieb er sein widerstrebendes Pferd auf den Fisch zu. als dieser kurz den Kopf senkte, sprang Kai von Fremder ab und landete auf dem Kopf des Gegners. Halte dich zurück, Mensch! schrie die Stimme des Shatan in Kais Kopf. Tu das nicht, gib dieser Macht nicht nach! Doch Kai beachtete die Warnung Schattensehers nicht. Er hob Drachenzahn empor und trieb ihn in den Kopf des Welses. Die Kraft der Klinge entlud sich in einem widerlichen Knirschen. Kai warf sich nach vorn, wobei sich das alte Schwert immer weiter durch den Schädel des Gegners arbeitet und ihn aufspaltete. Der Fisch wankte und fiel nach vorn. Kurz bevor er auf dem Boden aufschlug, sprang Kai von seinem Kopf und landete etwas unsicher auf seinen Füßen. Der Wels schlug in unmittelbarer Nähe vor ihm auf und bespritzte Kai mit Blut und Schlamm. Kai steckte Drachenzahn wieder in die Scheide. Er taumelte und die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Undeutlich sah er den Shatan auf sich zukommen. Dann brach Kai auf die Knie und alles wurde schwarz vor seinen Augen. Schattenseher hatte sich Kais Kampf gegen den Wels genau angesehen, während er seine Peiniger niedergemacht hatte. Jetzt wusste er, dass dieser junge Mensch nicht Gewöhnliches war. Er hatte die Präsenz der Freder in ihm gespürt, noch bevor er mit ihm gesprochen hatte, doch nun war er sich dieser Präsenz sicher. Mit seinen 245 Jahren war er noch ein junger Vertreter seiner Rasse und für seine Artgenossen grade mal ein halbwüchsiger Heißsporn. Doch seine kämpferischen und geistigen Fähigkeiten waren ungewöhnlich stark entwickelt. Nun trottete er auf den Krieger zu. Er sah wie Kais Augen immer glasiger wurden. „Ich habe dich gewarnt.“ sagte Schattenseher, doch noch während er diese Worte aussprach, wusste er, dass der Schwertmeister sie nicht hören konnte, denn in diesem Moment brach Kai auf die Knie und fiel danach nach vorn über. Was hast du nun vor, Shatan? fragte eine raue und doch weiblich anmutende Stimme. Wer bist du? fragte Schattenseher durch seine Gedanken. Wer spricht dort mit mir. Shiva ist mein Name. erklärte die Stimme. Ich bin ein Schwarzwasserdrache. Das erklärte einiges. Schattenseher wusste zwar nicht viel über Drachen, aber eines hatte ihm seine Mutter schon in jungen Jahren beigebracht, nämlich, dass alle Drachenarten – abgesehen von den Eisdrachen – über die Macht der Telepathie und das Können, die menschliche Sprache zu sprechen, verfügten. Allerdings machten sie nicht gern gebrauch von ihrer Macht, da dies unter ihrer Würde war. Du bist die Gefährtin dieses Ritters. stellte Schattenseher fest. Ist er ein Freund dieses Jungen? Ja. bestätigte der Drache. Und eines will ich dir Sagen, Shatan: Glaube nicht, dass ich dich nicht in Stücke reißen würde, wenn ich könnte. Der einzige Grund, dass ich dies nicht tue, ist, dass mein Herr es mir nicht gestattet, da dieser Schwertkämpfer dich scheinbar gern hat. Also wage es nicht, dem Jungen auch nur ein Haar zu krümmen! Ich werde mich an deinen Rat halten, Drache. knurrte Schattenseher. vorsichtig ging er näher an den reglosen Körper heran. Dann beugte er seine Vorderbeine und hob Kai so behutsam, wie einen Säugling auf. Die verstörten Blicke der Männer nicht beachtend stand der Shatan mit dem Rebellenführer im Arm da und schaute die Heigani und Draconiar an. Unsicher blickte er auf den bewusstlosen Krieger in seinen Armen. Er wurde sich plötzlich des stählernen Bandes um seinen Hals bewusst und ahnte, wie gefährlich und furchteinflößend er den Menschen erscheinen musste. Doch dann sah er neuen Mutes wieder auf. Der Mann, der ihn von der Gefangenschaft errettet hatte, brauchte nun Hilfe und er konnte nicht auf seinen Anblick und die Legenden, die über sein Volk verbreitet wurden, Rücksicht nehmen. Zum ersten Mal in seinem Leben sprach er diese Wort Sterblichen gegenüber aus: „Kommt her und helft ihm! Er braucht einen Heiler.“ Eine Junge Frau – eine der einzigen beiden Frauen, die Schattenseher sehen konnte – trat vor. Ihre weiße Rüstung strahlte im Licht des Mondes und ihr goldenes Haar fiel ihr sanft über die Schultern. „Wer bist du, dass du uns um Hilfe bittest?“ fauchte sie, bevor ihr Blick auf den Schwertmeister fiel und Furcht in ihr Gesicht trat. „Kai!“ Sie blickte Schattenseher wutentbrannt und gleichzeitig ängstlich an. „Was hast du mit ihm gemacht, du Ungeheuer? Was zur Hölle fällt dir ein, ihn so zuzurichten?“ Schattenseher wich zurück und trat nervös von einem Huf auf den anderen. „Ich… ich habe ihm nichts getan.“ stotterte der Shatan. „Er hat mich gerettet, wieso sollte ich ihm da was antun?“ „Dich gerettet? Dich gerettet? warum sollte er ausgerechnet einen Shatan retten?“ „Weil ich ihn darum gebeten habe vielleicht.“ Seine schwarzen Augen sahen sich gehetzt in der Umgebung um. „Seinen genauen Grund weiß ich aber nicht, denn wie Ihr schon richtig gesehen habt, bin ich ein Shatan und kein Hellseher. Doch genug davon“ – Schattenseher nahm den kümmerlich Rest seines Mutes und seiner Kraft zusammen – „dieser Mann braucht Hilfe.“ „Allerdings.“ Saja musterte den verstörten Shatan eindringlich. „Komm mit! Bringen wir ihn in sein Zelt.“ „Dafür ist keine Zeit.“ Schattenseher hatte seinen Mut nun wiedergefunden und stand aufrecht, aber immer noch leicht zitternd vor den Männern. „Ich kann ihn zur nächsten Stadt bringen, ehe ihr Menschen noch auf euren Pferden sitzt.“ „Bring ihn nach Minter, wenn du tatsächlich so schnell bist.“ mischte sich Yakim, von dessen Schwert noch immer Blut tropfte, ein. „Minter?“ Bei dem Namen dieser Stadt kehrte die Nervosität des Shatan zurück. „Wieso Minter? Es… es gibt doch genügend Städte, die diesem Ort wesendlich näher sind.“ „Natürlich gibt es Orte, die näher sind, aber sie sind nicht unbedingt sicherer, denn – wie du sicherlich weißt – ist der Großteil Draconias von Taog besetzt und diese sind nicht unbedingt unsere Freunde. Nein, mein Heimatland, Fewall, ist der einzig sichere Ort, den es momentan, für uns gibt.“ „In Ordnung, Fewalli.“ Obwohl Schattenseher noch sichtlich nervös war, stimmte er mit der Logik des Generals überein. „Ich bringe ihn nach Minter. Gibt es eine spezielle Person, zu der ich ihn bringen soll?“ „Einaug.“ sagte Yakim bestimmt. „Der alte Einaug.“ „Einaug?“ Verängstigt sprang der Shatan ein Stück rückwärts. „Ausgerechnet Diego Einaug?“ „Ja, warum? Was hast du gegen ihn.“ „Er… er hat mich einst angegriffen, fast umgebracht.“ Schattenseher sah sich erneut mit angsterfülltem Blick um. „Ich muss ehrlich sein, denn meine Rasse ist der Lüge nicht mächtig. Ich habe Angst vor ihm.“ „Die Shatan können nicht lügen?“ Yakim sah Schattenseher ungläubig an. „Das war mir bislang nicht bekannt.“ „Aber es entspricht der Wahrheit.“ Wieder blickte der Shatan auf Kai, schluckt und drehte sich um. „Egal. Ich kann jetzt keine Rücksicht auf meine Angst nehmen… Der, der mich rettete, braucht nun Hilfe. Es ist eine Ehrenschuld… Ich muss sie zurückzahlen.“ Nach diesen Worten war Schattenseher in den Wald eingetaucht. und die Rebellen konnten nur staunen, wie ein so großes Wesen, so spurlos verschwinden konnte. Nun kam auch Luk hinzu. „Ich muss euch verlassen.“ erklärte er. „Wenn ich in zwei Wochen noch nicht zurück bin, richtet Kai aus, dass ich als tapferer Krieger gefallen bin.“ „Luk wie meinst du das?“ Kiddi sah ihn verwirrt an. „Wie meinst du das mit dem >als tapferer Krieger gefallenKleiner< nennen konntest sind wohl vorüber.“ „Das stimmt, aber ist das nicht das Vorrecht eines älteren Bruders?“ Dravo ließ sich mit über-kreuzten Beinen auf den Boden fallen. „Wann wollt ihr weiter?“ „Morgenfrüh, durch den Steinwald.“ „Gut, ich und Mirua werden euch folgen.“ Kai nickte, hob Drachenzahn auf, drehte sich um und verließ abermals das Haus. Dravo hingegen legte seine Hände mit den Handflächen nach oben auf seine Knie und senkte den Kopf auf seine Brust. „So, Ihr seid also Kais älterer Bruder, wie?“ stellte Saja fest. „Bitte“ – Dravo hob eine Hand – „stört mich nicht, Mylady. Ich habe bei den Schneewandlern viel gelernt. Meine Gefühle bringen den Tod, wenn ich sie nicht unter Kontrolle halte. Bitte unterbrecht meine Konzentration nicht.“ Saja stieß ein höchst undamenhaftes Schnauben aus und folgte schließlich ihrem Geliebten nach draußen, da sie mit diesem Drachentöter nicht reden konnte. Jester, neuer General der Taogi, hatte seine Männer am Rande des Steinwaldes in Stellung gebracht, da er sich sicher war, dass der Wolfslord seine Truppen durch den Wald führen würde. Immerhin war dies der kürzeste Weg von Fewall nach Taog. Jester hatte zwar darauf bestanden, dass man Fewall möglichst schnell angreifen und unter taogische Gewalt bringen sollte, doch der König hatte dem mit der Begründung, dass dies höchst unklug war und wohlmöglich auch noch die starke, fewallische Armee sich dadurch zur Verbündung mit den Rebellen gezwungen fühlen könnte, widersprochen. „Nun gut“, rief er seinen Männern zu und erhob seine Lanze, „sollte der Wolfslord widererwahrten nicht durch diesen Wald kommen, müssen wir ihn auf jeden Fall und zu jedem Preis finden und aufhalten, bevor er Taog erreicht.“ „Sir!“ rief Laylayo, der aufgrund seines draconischen Blutes und der Tatsache, dass er mehr Zeit mit Kai verbracht hatte als jeder andere, zum Hauptmann der Armee und somit zu Jesters direktem Untergebenen befördert worden. „Ja, Hauptmann Laylayo? Was ist Euer Anliegen?“ fragte Jester ohne vom Pferde zu steigen oder sich auch nur umzudrehen. „Melde gehorsamst: Die Soldaten haben ihre Posten eingenommen.“ Obschon der General ihn nicht ansah, salutierte Laylayo vor seinem Vorgesetzten. „Sie erwarten Eure weiteren Befehle, Herr.“ „Das Zeichen werde ich geben, wenn ich es für angemessen halte, Hauptmann. Danke für die Nachricht. Nun geht wieder auf Euren Posten, Mann.“ „Sehrwohl, Sir!“ Wieder salutierte Laylayo, macht auf dem Absatz kehr und lief zu seiner Einheit zurück. „Also dann, lasst die Truppen antreten.“ sagte Kai zu Yakim, Barun und König Ramond. Alle drei reagierten sofort und liefen los, um die Truppen zu holen. So stand Kai und allein mir Saja vor der offenen Tür des Hauses in der kühlen Nacht des ersten Sebtuvermorgens. Just in diesem Moment beendete Dravo seine Trance und trat neben Kai. Der Drachentöter hatte die ganze Nacht auf dem Boden gesessen und weder geschlafen noch gegessen oder getrunken. „Wenn du willst, Bruder, hole ich die Pferde.“ schlug er vor. „Tu das, Dravo.“ bestätigte Kai. So schob sich Dravo an seinem Bruder vorbei und begab sich zu den Stallungen. Als niemand mehr in sichtweite war, nahm Saja die Hand von Kai und zog ihn ins Haus. Sie schloss die Tür und umschlang seinen Hals mit ihren Armen. „Bald wird der Krieg vorbei sein, Liebste.“ sagte Kai und strich ihr durch das goldene Haar. „Ich habe Angst, Kai.“ flüsterte Saja und versuchte verzweifelt das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Ich habe Angst, dich zu verlieren.“ „Ich weiß, mein Engel, aber ich muss kämpfen, sonst sterben wir vielleicht noch beide.“ Auch seine Stimme bebte leicht. „Auch ich verspüre tiefe Trauer, wenn ich daran denke, dass ich dich vielleicht nie mehr sehen kann. Ein Krieg fordert nun mal immer auch Opfer. Alles was uns dann noch bleibt ist die Erinnerung an den, den wir verloren haben, Leider können wir das nicht ändern.“ „Sag so was nicht, mein Liebster. Ich will dich sonst nie mehr loslassen.“ „Du musst, Saja. Irgendwann muss ich auch noch ein paar Worte an die Männer richten und den Heeren ihre Einsatzbefehle geben.“ „Nein Freundchen, ich lass dich niemals mehr los.“ In diesem Moment schwang die Tür auf und Barun trat ein. „Die… die Truppen sind vollzählig angetreten, Kai.“ meldete er mit rotem Gesicht und nach kurzem Zögern. „Lass mich los, Saja. Es ist soweit.“ forderte Kai und schob die Mondenkriegern beiseite. „Nein, Kai!“ wehrte sich Saja und griff nach der Hand ihres Geliebten. Doch Kai war bereits durch die Tür gegangen. So blieb der Kriegerin nichts anderes übrig als ihm zu folgen. Kai saß auf Fremders Rücken und rief zu den Männern herunter: „In wenigen Minuten werden die Meisten von uns gen Taog reiten. Einige werden nicht mehr zurückkehren. Andere werden verletzt oder verstümmelt. Doch keiner wird vergebens fallen, denn unser Ziel ist ehrenhaft. Dennoch muss ich die Fewalli bitten, in ihrer Heimat zu bleiben, denn ich kann ein an Taog grenzendes Land nicht ohne Schutz lassen.“ Aus den reihen der Fewalli erklang ein wütendes Gemurmel. „Doch auch sie werden an unserem Sieg teilhaben, denn kein Krieg wurde je gewonnen, ohne, dass der siegreichen Partei der Rücken gestärkt wurde. Männer, denkt stets daran: Ihr kämpft nicht nur für Draconia und Fewall, sondern auch für die übrigen Reiche und eure Nachkommen!“ Diese Ansprache hatte die Kämpfer genau an der richtigen Stelle getroffen. Als Kai zum Abschluss Drachenzahn in die Höhe hielt, brachen die meisten in Jubel aus. Nur Yakim, Dravo, König Ramond, Ser Tyrion, Ser Jon und Saja standen ungerührt da. Nachdem der Jubel verstummt war, stiegen die Heigani und Draconiar auf ihre Pferde. Als alle saßen, gab Kai das Zeichen zum Aufbruch und die Armee schob sich durch die Straßen der Stadt Minter. Es dauerte wenige Stunden bis sie den Steinwald erreichten, da Kai einen Umweg gewählt hatte, um nicht zu durchschaubar zu wirken. Bis es Abend wurde hatten sie schon den Großteil des Waldes hinter sich gelassen und schlugen ihr Lager auf einer Lichtung auf. Kai und Saja saßen im Zelt des Rebellenführers, während sich die anderen draußen aufhielten. Der Waldwolf und die Mondenkriegerin schwiegen lange. „Kai, versprich mir eins.“ brach Saja endlich das Schweigen. „Versprich mir, dass du mich nie allein lässt.“ „Das kann ich nicht.“ sagte Kai leise. „Noch nicht.“ „Warum nicht?“ Kai schwieg. Er drehte sich um und ging zu Bett. Wenige Minuten später gesellte sich Saja zu ihm. Am nächsten Morgen wurde Kai schon vor Sonnenaufgang von einem Jungen Rebellen geweckt. „Wacht auf, Herr.“ rief der Junge und rüttelte an Kais Schultern. Verschlafen blickte der Schwertmeister den Jungen Mann an. „Was ist, Karowa?“ fragte er schlafend. „Habe ich dir nicht gesagt, dass du mich nicht >Herr< nennen sollst?“ „Ja, Herr.“ Karowa wendete den Blick ab. „Nur, Euer Bruder und der Krieger mit dem Namen Tschachfsü sind fort.“ „Weißt du was sie vorhatten?“ fragte Kai und sprang auf. Da er seit er sich auf den Krieg vorbereitete immer fast vollständig angezogen schlief, brauchte er sich nun nur noch seine Schwertgurte umzuschnallen, den Dolch in seinen Gürtel zustecken und seinen Schwarzen Umhang überzuwerfen. „Nein, das ist mir nicht bekannt.“ antwortete Saros Bruder leise. „Immer die selben Probleme mit diesem Drachentöter.“ Kai legte eine Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Kann er denn nicht einmal da bleiben, wo er hingehört, und nicht einfach spurlos verschwinden? Wie ich so was hasse! Und nie sagt er, wo er hingeht.“ „Ich bin nicht spurlos verschwunden, Bruder.“ sagte eine Stimme am Zelteingang. „Mein Begehr war lediglich, sicherzugehen, dass uns niemand am anderen Ende des Steinwaldes erwartet.“ „Und was hast du herausgefunden, Dravo?“ fragte Kai. „Drei Taogi am östlichen Rand, davon einer beritten.“ genau nach diesen Worten betrat ein klatschnasser Tschachfsü den Raum und fluchte: „Was für ein Mistwetter. Da jagt man ja keinen Hund vor die Türe. was gäbe ich jetzt nicht alles für ein warmes Feuer in einem Kamin!“ „Nun, leider wird das mit dem Kamin wohl noch etwas warten müssen.“ sagte Kai lächelnd. Plötzlich setzte sich auch Saja auf. Auch sie hatte lediglich ihre Rüstung für de Nacht abgelegt. „Was ist los, Geliebter?“ gähnte sie. „Nichts.“ Kai wandte sich an Tschachfsü. „Was hast du mir zu melden?“ „Nichts.“ erwiderte Tschach. „Selbst dieser Shatan konnte keinen Hinterhalt entdecken. Nur, einer der drei, die auf uns warten, ist Lay.“ „Dein Halbbruder?“ Kai sah ihn verständnisvoll an. „Mir ist es auch zuwider gegen einen ehrbaren Mann wie Laylayo zu kämpfen.“ „Wann wollen wir weiterreiten?“ fragte Tschach, der so tat, als hätte er Kais Bemerkung nicht gehört und auf einer seiner seltsamen, dünnen Pergamentrollen, die mit Kräutern, die normalerweise in eine Pfeife gehören, gefüllt waren, herumkaute (er benutzte keine Pfeifen, da ihm diese äußerst unpraktisch erschienen). „Sofort.“ Kai zog seine Stiefel an. „Trommelt die Männer zusammen.“ Dravo, Tschach und Karowa nickten kurz und trotteten einer nach dem anderen hinaus. Kai half Saja noch dabei die Rüstung anzulegen und ging dann mit ihr zusammen ebenfalls hinaus. Dravo, Yakim und Ser Ramond mit seinen beiden Brüdern warteten bereits auf ihn. Der Drachenritter hielt die Zügel von seiner Stute in der einen, die von Fremder, an dessen Sattel man Carmie gebunden hatte, in der anderen Hand. „Direkter Weg nach Taog?“ fragte Ser Jon knapp. „Ja.“ bestätigte Kai. „Sind alle bereit?“ Yakim nickte, während Dravo seinem Bruder Fremders Zügel übergab und Saja den Knuten, der Carmie an den Sattel des schwarzen Hengstes band, löste. Sie stiegen auf und Kai und Saja setzten sich sofort an die Spitze des Trupps. Alles war ruhig, zu ruhig. Doch dann passierten sie die letzte Baumreihe des Steinwaldes. Was sie erwartete war mehr als nur eine simple Falle. 1100 taogische Bogenschützen und weitere 1000 Fußsoldaten standen dort und hielten ihre Waffen bereit. „Ergebt Euch, Wolfslord!“ rief der Mann, der als Einziger auf einem Pferd saß und einen Speer in Händen hielt. „Ich werde mich nicht ergeben ehe Taog gefallen ist!“ erwiderte Kai und hob Drachenzahn über seinen Kopf. „Dann, Euer Lordschaft, wählt Ihr den Weg des Todes!“ „Ich habe keine Angst vor dem Tod.“ Kai senkte das Schwert in einem schnellen Bogen nach vorn und galoppierte los. „Möge Eure Waffe in diesem Kampfe brechen!“ Die Rebellen folgten ihrem Anführer in die schlacht, doch nur allzu schnell war klar, dass sie keine Chance hatten. Gegen Bogenschützen waren Schwerter machtlos und zudem war der Feind in der Überzahl. Es war also kein ehrenvoller Kampf. Kai wendete seinen Hengst und gab damit auch das Zeichen zum Rückzug. Tausende von Pferdehufen prasselten auf den morastigen Boden und schleuderten Schlamm in die Luft. Sie hatten schon fast den Wald erreicht, als Kai hörte wie jemand seinen Namen rief. Er zog stak an einem Zügel. Fremder bäumte sich auf und drehte sich auf den Hinterbeinen, bist er mit dem Kopf wieder in Richtung der feindlichen Kompanie zeigte. Dann stand er wieder auf allen vier hufen. Kai starrte ungläubig aufs Schlachtfeld. Er sah wie Saja mitten in dem Pfeilhagel auf dem Boden kniete, sah, dass ein Pfeil aus der Hinterhand ihrer Stute ragte und sah wie sich das verängstigte Tier aufbäumte, konnte es aber nicht glauben. „Saja…“ flüsterte er, dann wurde sein Ruf lauter und er gab Fremder die Sporen. „Saja!“ Der Hengst riss den Kopf hoch und preschte vorwärts. kurz bevor er die Mondkriegerin erreichte, ließ Kai das schwarze Pferd in den Trab übergehen, beugte sich im Sattel vor und streckte die Hand aus. Saja ergriff sie und ließ sich von Kai vor ihn aufs Pferd ziehen. Wieder wendete er Fremder auf der Stelle, ließ ihn erneut angaloppieren und ergriff im Vorbeireiten Carmies Zügel. Als sie die Nähe des Jagdpferdes spürte beruhigte sich die Stute ein wenig und galoppierte neben ihm her. Doch noch waren sie nicht außer Gefahr, denn die Pfeile der Taogi prasselten immer noch auf sie herab. Fast wäre einer in Kais Rücken gelandet, Doch bevor das Geschoss sein Ziel erreichen konnte, stand plötzlich eine riesige, lebende, schwarze Mauer zwischen Kai und den Taogi und fing den Pfeil ab. Erschrocken ließ Kai Fremder anhalten und starrte erst auf den schwarzen Drachen mit den beiden Reitern und dann in den Himmel, der vom Geschrei der Drachen und ihren mächtigen Körpern verhängt war. „Kai, Saja, los jetzt!“ rief der Drachenritter von Shivas Rücken herab. „Shiva und ich schaffen das schon!“ „Gut.“ erwiderte der Waldwolf leicht verwirrt. „In… in Ordnung.“ Nach diesen Worten trieb Kai seinen Hengst in den Wald hinein. Luk blickte ihm hinterher und als das schwarze Pferd im Schatten des Waldes verschwunden war wandte er sich an seinen Drachen: „Und nun, Shiva, Lass Feuer sprechen.“ Aber gern. erwiderte die Drachin und holte Luft. Sie öffnete das Maul und ließ einen gigantischen Schwall Feuer heraus, der alles auf seinem Weg zu Asche verbrannte. Das Pferd des taogischen Generals scheute, brennende Schützen liefen schreiend umher, wälzten sich im Todeskampf auf dem Boden und Soldaten rannten davon. „Rückzug!“ schrie Jester überflüssiger Weise und ließ den weißen Wallach, der ja eigentlich Spike gehörte, angaloppieren. Kapitel 12: Der letzte Kampf - eine neue Herausforderung -------------------------------------------------------- „Und wie ist es gelaufen, General?“ fragte Sandro. „Wir wurden zurückgeschlagen, Herr.“ erwiderte Jester unterwürfig. „Lediglich 400 Männer haben überlebt. Der Feind hat nun alle Drachenritter auf seiner Seite. Selbst der junge Haupt-mann Laylayo befand sich unter den Opfern des schwarzen Drachen.“ „Schon wieder der Drachenritter.“ Sandro ging vor seinem Thron auf und ab. „Ich muss zugeben, dass mir dieser Draconiar langsam auf die Nerven geht.“ Er kratzte sich nachdenklich an Kinn. „Nun, um dieses Ärgernis ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, gebe ich Euch meinen fähigsten Krieger mit.“ „Herr, ich halte das nicht für empfehlenswert. Denkt bitte daran, wer sein Vater ist.“ „Ihr haltet vieles nicht für empfehlenswert, General.“ Er erhob die Stimme. „Sturmreiter Stodelat del Sorones tretet ein.“ Die riesige Flügeltür schwang auf und der junge Sturmreiter trat ein. Er trug seinen Helm in Form eines Drachenkopfes unter dem Arm und schaute nicht nach rechts oder links, sondern geradeaus auf den König. „Ihr ließet nach mir schicken, Sire?“ fragte er, beugte aber nicht wie Jester oder jeder andere, der seinem König gegenübertrat sein Knie. „Also sagt mir nun bitte, was Ihr wollt und bitte“ – Er hob abwehrend die Hand – „erzählt mir nicht schon wieder die Geschichte Taogs oder der Sturmreiter, denn die kenne ich zur Genüge.“ „Nun denn“ – der König knirschte über die Respektlosigkeit des Jungen Mannes mit den Zähnen – „Stodelat, Ihr seit mein bester Krieger und das ist Euch sicherlich bekannt. Daher schicke ich Euch mit General Jester los, um die Reihen der Rebellen zu zerschlagen.“ „Wenn es denn sein muss.“ Er wandte sich an den General: „Gibt es Neuigkeiten von meinem Vater?“ „Leider nein. Seit er mit meiner Stute davon geritten ist, habe ich ihn weder gesehen, noch etwas von ihm gehört, junger Herr.“ log Jester mit gebührendem Respekt vor dem Sturmreiter. „So ist das also.“ Er musterte den General misstrauisch. „Na ja, egal. Lasst uns lieber aufbrechen.“ Stodelat ging zur Tür. Nach einer kurzen Verbeugung folgte ihm Jester. Auf Dem verkohlten Feld lagen die schlimm verbrannten, schwarzen Körper der Taogi, die Shivas Feuer nicht hatten entrinnen können. Nur einer hatte die Flammen überlebt. Laylayo war als halber Draconiar extrem hitzeun-empfindlich und daher hatte ihn das Drachenfeuer nicht umbringen können. Doch wenn er nicht schnellstens Hilfe bekam, würde er sicherlich sterben. Langsam schleppte er sich auf die Baumgrenze zu, doch etwa 1,5 Meter davor brach er zusammen. Dies hatte Tschachfsü beobachtet und kam nun aus dem Wald geritten. Erließ sein Pferd neben dem Halbblut halten, stieg ab, fasste Laylayos Schulter und rüttelte ihn. „Lay. Wach auf, Bruder.“ sagte er besorgt. Er konnte nicht lauter sprechen, denn das verübergehende Lager der Rebellen war zu nah. Langsam öffneten sich die Lieder des todgeglaubten Hauptmanns. Seine scheußlich verbrannte Haut war an mehreren Stellen gerissen und blutete stark. Er sah seinen Halbbruder mit leeren glasigen Augen an, ohne ihn zu erkennen. „Lay, bitte.“ flehte Tschach leise. „Ich bin es. Sag was, sprich mit mir.“ „Bist du das, Tschachfsü?“ fragte Laylayo gebrochen. „Ich dachte du wärst tot.“ „Schone deine Kräfte, Bruder. Ich… ich bringe dich zu Jaime. Der wird dir hoffentlich helfen. Ich will nicht auch noch dich verlieren.“ Lay antwortete nicht. Er schloss wieder seine Augen. Nun nahm Tschach seinen Halbbruder hoch – der junge Draconiar war ungewöhnlich stark (Kai hatte ihn schon mit einem Tritt Felsen zertrümmern sehen) auch wenn man ihm das nicht ansah – und brachte ihn zu seinem Pferd wo er den Hauptmann vor den Sattel auf die Schultern des grauen Hengstes legte. Er selbst nahm hinter Lay im Sattel Platz und spornte das Tier an. Mit langen Schritten galoppierte der Hengst in den Wald, denn Tschach wollte keine Zeit verlieren und seinen Halbbruder ins Lager bringen. Erhoffte nur, dass Laylayo so lange durchhielt. Als Tschach mit seinem bewusstlosen Bruder das Lager erreichte, wurden sie nicht grade freundlich empfangen. „Was soll das, Tschach?“ rief Luk, der sich kurz zuvor noch mit Ser Garamir und Ser Kilithon unterhalten hatte. „Warum schleppst du eine dieser Leichen hier an?“ „Wo ist Jaime?“ fragte Tschach, ohne auf den scharfen Unterton in Luks Stimme zu achten. „Was willst du von ihm?“ „Dieser Mann ist nicht tot.“ „Na und?“ Luk warf dem Bewusstlosen Mann einen abwertenden Blick zu. „Er ist ein Taogi und außerdem noch ein hochrangiger Soldat. Er hat nichts Besseres als den Tod verdient.“ „Nein!“ Tschach sprang vom Pferd, lief auf Luk zu, packte ihn am Kragen und hob den Ritter so hoch, dass seine Füße den Boden nicht mehr berührten. „Dieser Mann ist weder ein Taogi noch sonst irgendwas.“ Aus dem Augenwinkel sah er, wie die Drachenritter ihre Waffen zogen und sich bereit machten, ihn anzugreifen, aber er beachtete das nicht. „Er ist ein Halbblut und der Sohn meines Vaters. Also: Wo ist Jaime?“ „Dei-Dein Bruder ist ein Verräter?“ „Lay ist kein Verräter!“ Tschachfsüs Griff festigte sich. „Er ist in Taog aufgewachsen, weil seine Mutter eine Taogi war und dass er auf ihrer Seite kämpfte, liegt nur daran, dass er dachte ich und unser Vater wären tot.“ „Lass ihn los, Tschach.“ sagte eine Kais tiefe Stimme hinter ihm. „Dein Halbbruder soll sich erst mal erholen. danach entscheide ich, ob er bleiben darf.“ Erleichtert setzte Tschach Luk wieder auf dem boden ab und sagte: „Danke, Kai. Lay wird uns sicherlich keine Probleme bereiten.“ „Du bürgst also für ihn?“ Kai wartete auf Tschachs Nicken, dann fuhr er fort: „Jaime ist da hinten bei Kiddi, Saja und den anderen.“ Er deutete auf eine etwas größere Feuerstelle etwas abseits der anderen. „Du solltest dich lieber beeilen. Luk du hilfst ihm.“ „Ja, Kai.“ Zusammen mit Luk zog er seinen Bruder vom rücken des Grauen. „Danke dir, Wolfslord“ Dann brachten sie ihn zur Feuerstelle. Kaine lief unruhig in ihren Gemächern auf und ab. „Sie haben ihn einfach gehen lassen!“ zischte sie. „Könnt Ihr Euch das vorstellen, Vortem?“ Sie warf dem toten Ritter einen hasserfüllten Blick zu. „Sie haben ihn einfach freigesprochen und das obwohl er einen strikten Befehl verweigert hat. Nicht nur das, sie sind auch noch mit ihm in den Kampf gezogen!“ „Beruhigt Euch, meine Fürstin.“ sprach Vortem mit seiner hohlen, tiefen Stimme. „Euer Bruder lebt, na und? was interessiert es Euch? Er kann Euch doch nicht gefährlich werden.“ „Ihr habt keine Ahnung, wie gefährlich Luk mir werden kann.“ „Oh, ich glaube, ich weiß ganz genau, warum Ihr das tut.“ Ein sardonisches Grinsen umspielte seine toten Lippen. „Ihr wollt sie brechen, nicht? Ihr erhofft Euch, dass sie aufgibt, wenn Ihr Euren Bruder tötet.“ „Wen soll ich brechen wollen? In wie fern aufgeben?“ „Diese Heigani. Ihr wollt, dass sie den Wolfslord aufgibt.“ Er bemerkte Kaines strafenden Blick noch bevor sie ihn selbst mitbekam. „Also kommt schon, ich kenne Euch gut genug. Wie alt ist der Junge gleich noch mal?“ „Sturm ist jetzt drei.“ Gab Kaine wütend zurück. „Doch ich verstehe nicht, was mein Sohn damit zu tun hat. Ich habe ihn weggegeben, wie Ihr sicherlich noch wisst.“ „Doch habt Ihr dafür gesorgt, dass er in dem Wissen aufwächst, wer seine Eltern sind, nicht? Im Übrigen glaube ich Euch nicht, dass Euch der Junge egal ist.“ „Sturm ist mir sicherlich nicht egal…“ Sie nahm ihr rastloses Umherwandern wieder auf. „Aber was hat das jetzt mit meinem Bruder zu tun?“ „Na ja.“ Vortem legte seine blauen, durchsichtigen Füße auf den Tisch. „Ich kenne Euch nun seit 15 Jahren. Ich weiß, wie Ihr denkt und ich kenne Eure kleinen Fehlschritte im Bezug auf Männer.“ Er begann mit einem kleinen Dolch zu spielen, den er immer wieder in die Luft warf und auffing. „Nur wenn Ihr den Wolfslord wieder an Eurer Seite wissen wollt, müsst Ihr nicht versuchen, Euren Bruder aus dem Weg zu räumen. Ihr solltet Euch lieber um die Mondenkriegerin kümmern.“ „Ach ja, sollte ich das?“ Kaine warf ein Messer nach dem toten Ritter, das jedoch ohne schaden anzurichten durch ihn hindurchflog. „Seit wann belehrt Ihr mich, Vortem?“ „Ist es mir etwa nicht erlaubt, Euch einen Rat zu geben?“ Die durchsichtigen Lippen des Ritters verzogen sich zu einem diabolischen Grinsen. „Nun, Fürstin, ich rate Euch, Euch von diesen Draconiarn und der Heigani fernzuhalten. Nicht weil ich Euch diesen Krieger nicht gönne, sondern weil er für Euch doch immer unerreichbar sein wird.“ „Ich soll es also auf den Herzogssohn abgesehen haben? Das ich nicht lache!“ Sie trat eine Katze beiseite, die durch die zugigen Flure und Räume der Burg Shining Water schlich. „Er ist mir total egal. Ich halte lediglich meinen kleinen Bruder für eine unberechenbare Gefahr.“ „Wenn Ihr meint.“ Vortem seufzte. „Eure Handlungsweise erschließt sich mir nicht. Doch das ist ja auch egal. Ihr seit die Drachenfürstin und ich nur ein verfluchter, toter Ritter.“ „So ist es.“ Kaine grinste. „Ihr seid nur ein toter Ritter. Eine Existenz, die es eigentlich nicht mehr geben sollte.“ „Also? was ist nun mit Eurem Bruder?“ „Ach lassen wir doch Luk.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die Kriege der Draconiar sind mir egal. Ich bin vor 15 Jahren gegangen und ich denke nicht daran, zurückzukehren.“ Lord Vortems Flammenaugen schienen plötzlich in Selbstzufriedenheit zu lodern. Er grinste und seine durchscheinende Gestalt bebte bei seinem unterdrückten Lachen. Wieder waren zwei Wochen vergangen, bevor sich die Draconiar wieder in Bewegung setzten. Eine Schar Drachen flog über ihnen und ein Shatan begleitete sie. Laylayo ritt nun auch mit ihnen. Man hatte ihm ein kleines, unbeschlagenes, beigefarbenes Pferd besorgt, das mit leicht mit Tschachs großem, grauem Hengst Schritt halten konnte. Zwar würden die zahlreichen Brandnarben auf seiner Haut Lay für immer zeichnen, aber seine Wunden waren ansonsten schnell verheilt. „Was meinst du Lay?“ fragte Tschachfsü unerwartet. „Wird Sandro seine Sturmreiter gegen uns einsetzen?“ „Die, die noch zu ihm halten sicherlich.“ erwiderte Lay ernst. „Immerhin hat er den Vater seines besten Kriegers des Verrates bezichtigt und einsperren lassen.“ „Wessen Vater?“ „Den Vater von Stodelat del Sorones?“ „Wie? Seinen General?“ Lay nickte. Stodelat hatte sie beobachtet. hinter ihm stand ein silberner Eispferdhengst mit leuchtend roten Augen, der auf den Namen Derin hörte. Das einzige Geräusch, das die beiden verursachten, war der schnaubende Laut von dem Atem des Pferdes. „So ist das als.“ knurrte er. „Verschollen, was? Ihr werdet schon sehen, was Ihr von Euren Lügen habt, Euer Hohlheit. Komm schon, Derin, wir gehen zu den Rebellen. wollen doch mal sehen, was der Herr König davon hält.“ Das Pferd vom Leblosen Kontinent kam zu seinem Herrn. Stodelat stieg auf und galoppierte los. Als er vor den Rebellen angekommen war, brach er aus dem Unterholz und schnitt den Rebellen den Weg ab. Die weiße Stute an der Spitze des Trupps scheute und der rabenschwarze Hengst legte die Ohren and senkte drohend den Kopf. Er scharrte auf dem boden und schnaubte. Schnell erkannte Stodelat, dass er nicht zögern würde, Derin anzugreifen, wenn nicht der Reiter des Schwarzen gewesen wäre. „Wer seid Ihr?“ fragte der Krieger auf dem Wüstenjägerhengst. „Ein Taogi, nicht wahr? Wieso versperrt Ihr uns den Weg? Wir wollen nichts von Euch. König Sandro gebührt unsere Rache.“ „Dies ist mir bekannt.“ antwortete Stodelat. „Mein Name lautet Stodelat del Sorones und auch ich habe eine Rechnung mit dem König offen.“ Er ballte die Faust. „Niemand wirft ungestraft den Vater eines Sturmreiters in den Kerker!“ „Ihr könnt sicherlich gern hier bleiben, solange es keinen Ärger gibt.“ rief nun die Frau in weißer Rüstung, die auf der gleichfarbigen Stute saß. „Saja, bitte.“ Der Schwarzgewandete hob die Hand. „Ich bin der Befehlshaber, aber auch ich kann das nicht einfach so bestimmen. Ich muss mich erst mit Luk und König Ramond besprechen.“ Das wird nicht nötig sein. meldete sich Schattenseher telepatisch zu Wort. Ich habe den Drachenritter und den heiganischen König bereits über den Taogi in Kenntnis gesetzt. Sie haben zugestimmt, ihn bei uns aufzunehmen. „Aha.“ Kai seufzte. „Danke, Schattenseher.* Er wandte sich wieder an Stodelat. „Wie es aussieht, spricht nichts dagegen, dass Ihr uns begleitet. Sowohl der Oberbefehlshaber der Drachenritter, wie auch Seine Hoheit König Ramond haben zugestimmt.“ So schloss sich auch der Sturmreiter den Rebellen an. Nach drei Stunden erreichten sie mit Stodelats und Lays Hilfe den taogischen Königssitz. Nun standen sie dem versammelten, taogischen Heer gegenüber. Es war riesig. Mehr als 2900 Mann. Kai hatte gehofft, dass er die Drachenritter nicht einsetzen brauchte, doch nun war er froh, dass sie da waren. Ohne die Ritter und ihre Drachen, hätten die Rebellen keine Chance gehabt. Der Wolfslord zog Drachenzahn hervor, sein schwarzer Hengst scharrte erwartungsvoll auf dem Boden, die Drachen schrieen voller Vorfreude, die beiden Nachtwölfe sprangen zwischen den nervösen Pferden umher und die Männer hielten ihre Waffen griffbereit. „Also dann“, sagte Kai ernst, „Attacke!“ Er presste Fremder die Fersen in die Flanken und der Hengst preschte vorwärts. Kai hörte das Kampfgebrüll der anderen Krieger und das stampfen der Pferdehufe. Drachenzahn pulsierte in seiner Hand. Doch es ergriff nicht von Kai besitz, denn er hatte gelernt, den Zorn des Schwertes zu beherrschen. Das Schwert traf den ersten Taogi – einen Sturmreiter – gerade oberhalb des Beckens und warf ihn vom Pferd. Er versuchte sich zum Burgtor durchzukämpfen, um ins Innere einzudringen und sich König Sandro zu stellen. Irgendwo am Rand rief jemand seinen Namen, doch Kai achtete nicht darauf. Sein Schwert suchte sich im Getöse der Schlacht das nächste Opfer. Über ihm erklang der belustige Ruf eines Drachen. Flammen zügelten am Rand von Kais Blickfeld empor. Doch auch dies interessierte Kai nicht. Der orangene Schein des Feuers spiegelte sich auf Drachenzahns Klinge. Alle Geräusche in seiner Umgebung schienen zu verstummen. Nur das Rauschen des Kampfes war noch zu hören. Wenn er getroffen wurde, spürte er keinen Schmerz, keine Wut und keine Angst. Nur die Ekstase des Kampfes und das belebende Gefühl des pulsierenden Schwertes. Er bemerkte das Sinken der Sonne erst, als das Drachenfeuer erlosch und der Schein der Flam-men durch das blutrote Licht des untergehenden Gestirns ersetzt wurde. Sicher, er könnte sich bei Nacht und Nebel in die Burg schleichen, doch dies war für ihn unter seiner Würde. So wendete er sein Pferd und gab das Zeichen zum Rückzug. Auch die Taogi zogen sich hinter die Burgmauern zurück. Die Toten blieben einfach auf dem Schlachtfeld liegen. Niemand wagte sich dorthin – die Draconiar befürchteten den Angriff von Bogen und Armbrustschützen auf den Palisaden und die Taogi befürchteten, dass sie sich, wenn sie sich rauswagten, plötzlich dem schwarzen Krieger mit dem gleichfarbigen, riesigen Jagdross und dem verfluchten Schwert aus einem Material härter als Stahl gegenübersahen. Nur ein einzelner Mann wagte sich zwischen Leichen und den Raben, die hier ein Festmahl fanden, aufs Schlachtfeld. In seine schwarze Kutte gekleidet, auf dem Rücken des riesigen, pechschwarzen Pferdes, den ungewöhnlich großen, dunklen Wolf mit den gelben, leuchtenden Augen an seiner Seite und dem blitzenden Schwert in der Hand wirkte er wie der Tod selbst. Asche stieg unter den Hufen des Jagdrosses auf. Mit ängstlichem Blick beobachteten einige Taogi, wie selbst die Raben flohen, als sich der in ihren Augen verfluchte Reiter ihnen näherte, neben dem Leichnam eines verbrannten Mannes abstieg und sich darüber beugte. Er sah den Toten kurz an und berührte ihn schließlich mit seinem Schwert. Das Gleiche tat er noch bei zwei weiteren Toten – einem Jungen Draconiar und einem Heigani. Danach ritt er wieder in die Finsternis der Nacht. Der Wolf aber blieb kurz stehen und sah zu den Palisaden, bevor er seinem Herrn folgte. „Siehst du, Eisschwert?“ flüsterte ein junger Taogi mit grünen Augen und dunkelblonden Haaren zu dem, der recht neben ihm hinter den Palisaden hockte. „Ich hab es dir gesagt. Er ist ein Dämon. Er hat ihre Seelen mit sich genommen.“ „Red keinen Unsinn, Greifenschwinge.“ knurrte der andere – ein etwa 30-jähriger, langer Soldat mit braunen Augen und schwarzen Haaren. „Er ist ein ganz normaler Mensch wie du und ich.“ „Das glaubst du doch selber nicht, Belimar. Ich war dabei, als der König ihn foltern ließ. Er ist kein normaler Mensch. Er hat rötliche Augen, eine leicht goldene Haut und spitze Ohren. Nennst du das etwa normal, Belimar Eisschwert?“ „Na gut, vielleicht ist er nicht normal, aber er ist kein Dämon. Merk dir das, Kimos.“ „Ja, Eisschwert.“ „Gut. Und nun komm. solltest langsam mal ins Bett gehen. Ist schon Spät und die Schlacht morgen wird hart.“ Der Jüngere nickte und ging davon. Kurze Zeit später folgte ihm der Ältere. Kai kehrte als noch entschlossenerer Mann ins Rebellenlager zurück. „Und?“ fragte Ramond. „Wisst Ihr, wer gefallen ist?“ Wort los stieg Kai ab. Er schüttelte den Kopf. „Ich habe nur drei gefunden.“ erklärte er. „Die anderen zwölf sind wahrscheinlich im Feuer verbrannt.“ „Keine überlebenden?“ Ramond sah ihn fragend an. „Wen habt Ihr gefunden?“ „Euren Bruder Tyrion, Laylayo und den jungen Karowa.“ „Das ist sehr bedauerlich.“ Der König blickte betrübt zu Boden. „Möge die Göttin meinen armen Bruder sicher geleiten.“ „Mögen die Götter der alten und der neuen Welt die Seelen aller Gefallenen sicher geleiten, Euer Hoheit.“ Mit dem nächsten Morgen kehrte der Krieg zurück. Kai wies Sir Kilithon und Nemesis an, das Haupttor niederzubrennen, was diese auch ohne Umschweife taten. Als das riesige Eichentor glühend zu Boden gefallen war, gab Kai Stodelat ein Zeichen und trieb Fremder darauf zu. Auf dem Weg zum Tor übersprang das schwarze Jagdross mehrere Leichname von Draconiarn, Taogi und Heigani. Ein todbringend verletzter Taogi streckte die Hand nach den Hufen des Pferdes aus, doch Kai ritt unbeirrt weiter. Der linke Hinterhuf des schwarzen Reittieres traf den Kopf des Verletzten und zermalmte ihn. Erst als Kai und Stodelat im unbewachten Burghof anhielten, fiel dem Wolfslord auf, dass ihm noch zwei weitere Personen gefolgt waren. Dravo und Kiddi. „Kiddi, Bruder, was im Namen meiner Ahnen tut ihr hier?“ fauchte Kai. „Ich wollte dir den ganzen Spaß nicht allein überlassen, Kleiner.“ erwiderte Dravo. „Luk hat mich hinterhergeschickt.“ erklärte Kiddi. „Ich soll mit meiner Magie auf dich achten.“ „Mit Verlaub, aber wir haben keine Zeit Maulaffenfeil zu halten.“ knurrte Stodelat. „Ich weiß, Euer Vater wartet und meine Rache ist auch nicht mehr weit.“ seufzte Kai. „Nun gut. Kiddi, Dravo, da ihr schon mal hier seid. Ihr beide geht zum Ostturm. Haltet uns die dortigen Soldaten vom Hals.“ Kiddi und Dravo nickten, stiegen ab und liefen über den Hof zum Ostturm. Dravo stieß die kleine Eibenholztür auf und ließ Kiddi ein. Er drehte sich noch einmal um und sah wie Kai um eine Ecke bog und hinter der Mauer verschwand. „Pass auf dich auf, Kleiner.“ flüsterte der Drachentöter und schlüpfte durch die Tür. Im Inneren erwartete sie bereits eine kleine Gruppe von Sturmreitern. Kiddi benutzte verschiedenste Zaubersprüche, um sie auf Abstand zu halten, während Dravo handfestere Argumente bevorzugte. Er zog seine beiden Handäxte. Mit einer wehrte er die Schläge seiner Gegner ab. Mit der anderen Spaltete er ihnen Helm und Schädel, Brustpanzer oder hieb auf den Unterleib und Bauch. Der Kampf dauerte etliche Stunden. Dann ertönte Plötzlich ein gewaltiges Krachen vom oberen Ende des Turms. Steine fielen herunter. Einer traf Kiddi am Kopf, ein weiterer traf Dravos Schläfe und schließlich wurden beide von den herabfallenden Steinen begraben. Stodelat schaute in jeder Zelle einzeln nach. Schließlich erreichten sie die, in der man Spike eingesperrt hatte. Als nun der Sturmreiter dort hineinspähte, stieß er ein erleichtertes Lachen aus, zog einen Schlüssel hervor, schloss die Tür auf und öffnete sie. „Wer ist dort?“ fragte eine raue Männerstimme aus der Dunkelheit der Zelle. „Ist mein Tod besiegelt? Kommt Ihr, um mich meinem Henker zu bringen?“ „aber mit Nichten, Vater.“ grinste Stodelat. „Eigentlich hatte ich vor dich rauszuholen, aber wenn du unbedingt verrecken willst.“ „Nein, warte, Junge!“ Spike stürzte aus der Zelle. „Ich komme ja schon mit.“ „Gut.“ Kai sah Stodelat erwartungsvoll an. „Bring mich zum Thronsaal.“ Stodelat nickte und hastete an Kai vorbei. Dieser folgte ihm ohne Umschweife. Sandro von Taog erwartete sie bereits. Er hielt seine beiden Kurzschwerter bereit. Jester stand an seiner Seite. Kai, Spike und Stodelat waren ebenfalls bereit. Hinter ihnen ertönte ein helles Wolfsheulen und plötzlich stand Schadow – ohne dass Kai ihn gerufen hatte – an der Seite seines Herrn. „Schadow, eren!“ befahl Kai, aber der Wolf gehorchte nicht. „Ah! Euer Schoßhund scheint sein gehör verloren zu haben.“ höhnte Jester. „Dann halt anders.“ sinnierte Kai und hob die Stimme. „Schadow, mestai Jester!“ Auf diesen Befehl hörte der Wolf – ohne sich zu sträuben. Er warf den General zu Boden und biss immer wieder in seinen Hals und sein Gesicht. Kai hob Drachenzahn hoch und deutete mit der Spitze auf Sandro. „Kämpft ihr lieber mit einem, oder mit zwei Schwertern?“ fragte er. „Mir ist es egal.“ Sandro antwortete nicht. Mit tödlicher Genauigkeit griff er Kai an. Dieser parierte den Schlag ohne Probleme. „Eure Freunde und diese beiden Verräter sind des Todes.“ grinste der König. Kai sah aus dem Augenwinkel, wie taogische Soldaten in den Thronsaal stürmten. Spike und Stodelat stellten sich ihnen entgegen. „Mit solchen Drohungen zwingt Ihr mich nicht in die Knie.“ knurrte Kai und stieß den König zurück. So kämpften sie über Stunden. Einer stieß vor, um dann wieder zurückzuweichen. Kai kriegte nur am Rand mit, wie Spike von einem feindlichen Schwert durchbohrt zu Boden ging und Schadow sich ins Getümmel warf. Plötzlich ertönte ein Krachen lauter als Donnergrollen. Simarin war gegen den Ostturm geflogen und hatte diesen zum Einsturz gebracht. Durch den Laut abgelenkt macht Kai einen falschen Schritt und stolperte. Sandro nutzte dies aus und trieb eines seiner Schwerter bis ans Heft in Kais Schulter. Danach stürzte er an dem gefallenen Krieger vorbei aus dem Thronsaal. Kai merkte wie ihm jemand aufhalf. Als er aufsah, erblickte er das Gesicht des Sturmreiters. „Wo ist Sandro?“ fragte Kai. „Geflohen.“ erwiderte Stodelat. „Keine Angst, er kommt nicht weit.“ „Euer Vater?“ „Tot. Und Euer Wolf?“ „Schadow, wuren.“ Der Wolf kam um die Ecke. Blut tropfte von seinen Kiefern. „Gehen wir?“ fragte Stodelat. Kai nickte. Die Schlacht war geschlagen. Der Lärm verstummt. Das Feuer erloschen. Nun waren die Augen aller auf die Palisaden gerichtet, denn dort oben stand König Sandro von Taog. „Wo ist Kai?“ rief Luk fordernd. „Sagt uns, was Ihr mit ihm gemacht habt.“ „Euer Freund lebt nicht mehr.“ erwiderte Sandro höhnisch. „Ihr werdet…“ Er sollte den Satz nie zu Ende bringen. Ein Pfeil flog durch die Luft, drang in seinen Rücken ein und kam aus der Brust wieder heraus. Der König stürzte tot von den Palisaden. „Guter Schuss, Sturmreiter.“ lobte eine Stimme. „Danke, Herr.“ erwiderte eine andere. „Musste auch lange dafür trainieren.“ Kurz darauf kamen zwei Gestalten durch das versenkte Burgtor geritten. Einer von den beiden Männern hatte eine tiefe, blutende Wunde in der Schulter. „Seine Majestät, König Kai vom Nadelwald Lebt noch.“ rief Barun erfreut. „König?“ Der verwundete Mann sah fragend auf. „Seit wann bin ich König?“ „Wir Draconiar haben einstimmig beschlossen, dass unser Reich einen König braucht“, erklärte Barun, „und da du ohnehin ein Nachfahre des Priesterkönigs bist, beginnt die Linie der draconischen Könige mit dir von neuem.“ „Kai!“ rief Luk von Shivas Rücken herab. „Wo ist Kiddi?“ Kai senkte den Blick. „Ich schickte sie zum Ostturm.“ erklärte Kai. Luk sah ihn entsetzt an. Er sprang ab und rannte zu den Trümmern des Turms. Bald darauf begann er die Steine wegzuräumen. Als Dravo aufwachte, wusste er erst nicht, was geschehen war. Dann entsann er sich des Einsturzes wieder. „Herrin, lebt Ihr noch?“ fragte er eine von seinem Arm geschützte Frau. „Lady Kiddi, könnt Ihr mich hören?“ Keine Antwort. „Verdammt.“ Er versuchte sich aufzusetzen, doch sein linker Arm war unter einem Stein eingeklemmt. „So geht das nicht… und wegräumen kann ich ihn nicht…Verdammt!“ Er schluckte. „Da gibt es nur eins.“ Seine rechte Hand hielt noch immer die Axt und diese konnte er auch frei bewegen. ER hob die Axt, zielte und schlug seinen eigenen Arm knapp oberhalb des Ellenbogens durch. Danach riss er sich ein langes Stück seines Hemdes ab und band es fest um den Stumpf. Kurz darauf stemmte er sich mit aller Kraft gegen die Steine. Sie gaben nach und Dravo stand im Freien. Neben ihm stand Luk und blickte ihn verdutzt an. „Wo… wo ist Kiddi?“ fragte er besorgt. Dravo hockte sich hin, griff in die Trümmer und zog die bewusstlose Frau hervor. „Sie… lebt noch.“ hustete er. „Ich… habe mein… Versprechen… dir gegen… über… gehalten, Severanz. Ich… habe sie… beschützt.“ „Und deinen Arm dabei verloren.“ ergänzte der Drachenritter. „Das kann ich nicht wieder gutmachen.“ „Schon… in… Ordnung.“ Ein älterer Mann kam auf die beiden zu. „Vergebt mir, aber wer ist der Anführer der Drachenritter?“ fragte er. „In diesem Kampfe, war ich es.“ erwiderte Luk. „Dann darf ich Euch sagen, dass Ihr unser neuer König seid.“ Luk war verdutzt. Nahm aber schließlich an. Noch im selben Jahr heiratete er Kiddi. Genauso wie Kai Saja zur Frau nahm. Der Wolfskönig ernannte seinen Bruder zum Oberbefehlshaber der königlichen Garde und den Sturmreiter Stodelat del Sorones zum General der Armee. Keiner von ihnen konnte wissen welches Unheil der Welt noch blühen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)