Die Chronicen von Draconia1 von Silmarille (ungewollter Ruhm) ================================================================================ Kapitel 11: Ein ungewöhnliches Urteil und der Hinterhalt -------------------------------------------------------- Shiva trug sie nun über die Vulkane von Wildes Land und verlor immer mehr an Höhe. „Wir sind da.“ erklärte Luk leise. „Da unten ist die Burg der Drachenritter.“ Kiddi sah nach unten. Zwischen den Vulkanen war der Schwarze Marmor einer Burg deutlich zu erkennen. „Hier ist es?“ Kiddi sah das Bauwerk ehrfürchtig an. „Wie kann man eine Burg nur zwischen Vulkanen errichten?“ „Weil wir hier nahezu unangreifbar sind.“ erklärte Luk mit leiser Stimme. „Und weil man die zum Tode verurteilten hie leicht loswerden kann.“ „Oh Luk, ich lass nicht zu, dass sie dir was antun.“ Luk sagte nichts. Er ließ Shiva landen und stieg von ihrem Rücken. Danach half er Kiddi hinunter. Ein Junger Ritter von etwa 25 Jahren kam herbeigelaufen. Auf seinem Gesicht zeichnete sich eine Mischung aus Enttäuschung und Wiedersehensfreude ab. Er hatte Hellbraune Haare und dunkle Augen, war etwas kleiner als Luk und trug eine rote Drachenschuppenrüstung. „Luk Severanz, dass du dich mal vor dem Rat verantworten musst, hätte ich nie gedacht.“ rief der Ritter. „Ich hatte meine Gründe, für diese Tat.“ erwiderte Luk gleichgültig. „Was für Gründe rechtfertigen Befehlsverweigerung?“ Der andere sah Luk fragend an, dann bemerkte er Kiddi und verbeugte sich. „Vergebt meine ungehobelte Art, Mylady. Ser Kilithon Soriman ist mein Name und mit wem habe ich die Ehre?“ „Kiddi.“ erwiderte die Zauberin. „Kilithon, bring mich zum Rat.“ verlangte Luk. „Natürlich.“ Ser Kilithon drehte sich um. „Folgt mir.“ Ser Soriman führte Kiddi und Luk in eine große, runde Halle, in der sich alle Ritter versammelt hatten. An einem Runden Tisch saß der Oberste des Ordens, Ser Garamir von Gera. Er war ein Mann von gut 45 Jahren mit schwarzen, graumelierten Haaren, einem kurzen Schnurrbart und braunen Augen. Er trug eine Rüstung aus goldenen Schuppen, auf deren Brust der Umriss eines Drachenkopfes abgebildet war. „Kriegsritter Severanz tretet vor!“ befahl der Oberste. Luk gehorchte und trat einen Schritt vor. „Ich wisst weshalb Ihr hier seid?“ fragte Ser Garamir. „Ja, Herr.“ antwortete Luk und schnallte sich seinen Schwertgurt ab. „Ich bin hier, um mich vor dem Rat zu verantworten.“ „Genau.“ Ser Garamir zupfte sich am Bart. „Nehmt Euer Schwert aus der Scheide und legt es vor mich auf den Tisch.“ Wieder gehorchte Luk anstandslos. Dann trat er wieder zurück. „Darf ich erfahren, wer mein Ankläger ist?“ fragte Luk. „Ja dürft Ihr.“ Der alte Ritter wirkte wenig begeistert über diese Forderung. „Eure Schwester, Ser Severanz. Die Drachenfürstin Kaine Severanz ist die Anklägerin.“ „Seit wann ist es Außenstehenden erlaubt, anklagen vor den Rat zu bringen?“ „Kaine Severanz ist keine Außenstehende und das wisst Ihr sehr genau. Sie ist berechtigt Anklagen vorzubringen.“ „Vergebt mir, Herr.“ Luk senkte den Blick. „War sie es, die mir den Befehl zum Rückzug gab?“ „Ja.“ warf eine Frauenstimme aus dem Schatten ein. „Ich gab dir diesen Befehl, Bruderherz.“ Luk blieb ungerührt stehen. „Fürstin Kaine, bitte bringt dem Rat Eure Anklage vor.“ verlangte Garamir. „Natürlich. Vorrausgesetzt mein Bruder ist Manns genug sie um zu ertragen.“ „Sprich, Schwester, ich werde es ertragen.“ erwiderte Luk trocken. „Gut“ Kaine machte eine wegwerfende Handbewegung. „Als Drachenfürstin, ist mir erlaubt, einem Ritter Befehle zu geben, die dieser unverzüglich auszuführen hat. Ser Luk Severanz erhielt vor einigen Monaten den Befehl sich aus Draconia zurückzuziehen. Doch er zog es vor sich zu widersetzen und dem Befehl nicht folge zu leisten. Er blieb in Draconia. Ich klage Ser Luk Severanz daher der grundlosen Befehlsverweigerung an.“ „Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung vorzubringen, Ser?“ fragte Ser Garamir an Luk gewandt. „Ihr habt mich unterrichtet, Herr.“ Luk sah niemanden im Raum an. „Ihr wisst, dass ich einen Befehl niemals grundlos verweigern würde.“ Nun warf er einen Seitenblick auf Kaine. „Im Kodex des Drachenordens ist klar festgelegt, welche Gründe Befehlsverweigerung rechtfertigen: Verletzung der Ehre, Feigheit vorm Feind, Ehrenschulden, Schwüre, die einen Ritter binden, und Unmenschlichkeit.“ Er winkte Kiddi an seine Seite. „Der Grund für meine Verweigerung waren eine Ehrenschuld gegenüber dem Wolfslord und die Liebe.“ „Eine Ehrenschuld gegenüber einem Toten?“ Ser Garamir sah Luk vorwurfsvoll an. „Seid Ihr noch ganz bei Trost, Ritter?“ „Ja, Herr.“ Er legte Kiddi einen Arm um die Schultern. „Der Wolfslord ist keinesfalls tot. Er lebt und führt die Überlebenden des draconischen Brandes gegen Taog. Doch ihre Reihen sind schwach und dem Taogischen Heer weit unterlegen.“ „Habt Ihr Zeugen dafür?“ Er sah Kiddi an. „Kann diese Lady uns mehr dazu sagen?“ „Ja, Herr, das kann ich.“ Kiddi trat vor. „Luk hat Recht. Kai vom Nadelwald ist am Leben. Ich selbst kämpfe mit in der Armee – falls man das so nennen kann. Er hat sogar König Ramond Gentor von seiner Sache überzeugt.“ „Na und?“ fauchte Kaine. „Ist der Rat nun schon so tief gesunken, dass er auf die Aussagen einer einfachen Frau hört, die nichts mit den Rittern zu schaffen hat?“ „Kaine, Kiddi ist erstens keine einfache Frau und zweitens ist sie sehr wohl berechtigt für mich zu sprechen.“ entgegnete Luk tonlos. „Sie ist einer der Gründe, weshalb ich deinen Befehl verweigerte.“ „Und wer genau ist sie, dass sie sich erdreistet vor dem hohen Rat der Drachenritter zu sprechen, Bruder?“ „Sie ist die Frau, der mein Herz gehört, Schwester.“ „Und was soll mir dieser Umstand sagen? berechtigt sie das etwa hier zu Sprechen? Was ist so besonders an ihr?“ „Kiddi ist… sie ist eine Zauberin.“ Ein ungehaltenes Gemurmel erhob sich unter den Rittern, deren das Einsetzen von Magie unter allen Umständen untersagt ist. Doch Ser Garamir brachte sie schnell mit einer Handbewegung wieder zum Schweigen. „Verstehe.“ Er stand auf, legte eine Hand auf das Schwert und drehte die Klinge mit der Spitze in Luks Richtung. „Ser Luk Severanz, seid Ihr bereit das Urteil zu hören?“ „Ja, Herr.“ erwiderte Luk mit fester Stimme. „Ich verurteile Euch dazu, den Orden der Drachenritter in die Schlacht zu führen.“ Ein Grinsen zeichnete sich auf dem Gesicht des alten Ritters ab. „Wir werden uns den Truppen des Wolfslords anschließen. Was die Anklage angeht“ – Er sah Kaine streng an – „so wird sie fallengelassen.“ Aus den Reihen der Ritter drang Jubel. Doch Luk bekam davon nichts mit. Er war wie gelähmt. Das war das erste Mal, dass ein Ritter dazu verurteilt wurde, eine Truppe in die Schlacht zu führen. Erst als sich Kiddi um seinen Hals warf, erkannte er, dass dies durchaus der Ernst des alten Ritters gewesen war. „Ich danke Euch, Herr.“ Luk senkte den Blick. „Ich werde Euch nicht enttäuschen.“ „Davon werde ich mich selbst überzeugen. Ich werde mitkommen.“ Er setzte sich wieder und wandte sich an einen jüngeren Ritter. „Simarin soll bereit gemacht werden. genauso wie die anderen Drachen.“ Dann sah er wider Luk an. „Kommt her und nehmt Euer Schwert wieder an Euch. Wir treffen uns im Himmel.“ „Ja, Herr.“ Luk ging zum Tisch, nahm sein Schwert und verbeugte sich. „Ich danke Euch nochmals, Herr.“ Dann drehte er sich um und lächelte Kiddi an. „Lass uns gehen, Liebste.“ „Ja.“ Kiddi folgte Luk ohne Umschweife. Draußen erwartete sie bereits ein Bataillon von gut 470 Rittern mit Drachen, die allesamt am Himmel kreisten. Ein Steppendrache mit goldenen Schuppen landete direkt neben Shiva. Auf seinem Rücken saß Ser Kilithon. Er grinste Luk fröhlich an. „Ehrenschuld wie?“ lachte er. „Das glaubt dir doch niemand. Ich glaube eher, dass du deine Freundin da nicht verlassen wolltest.“ Er bemerkte Luks wütenden Blick. „Tut mir Leid, Luk. Ich wollt dich nicht beleidigen. Nemesis und ich wollen einfach in den Kampf. Wir können es kaum noch erwarten, wann gibst du also das Zeichen zum Aufbruch?“ „Sobald Ser Garamir zu uns gestoßen ist.“ erwiderte Luk und half Kiddi auf seinen Drachen. „Garamir? sag bloß der kommt mit!“ „Ja er kommt mit.“ Luk setze sich auf Shivas breite Schultern. „Ach und Kilithon, für wen hältst du mich eigentlich, dass du mir vorwirfst, vor dem Rat gelogen zu haben? Die Ehrenschuld besteht durchaus.“ „Ist ja gut.“ Der junge Ritter duckte sich hinter den Kopf von Nemesis. „Tut mir ehrlich leid. Wollte nur die Stimmung heben.“ „Die Stimmung heben.“ Luk funkelte ihn wütend an. „Die Stimmung heben? Und das in dieser Situation? Wir fliegen in den Krieg, Mann!!! Ist dir das etwa noch nicht klar?“ „Doch… natürlich…“ Ser Kilithon schaute seinen Vorgesetzten nervös an. „Ich… äh… Ich wollte den Ernst der Lage nicht verkennen, Herr. Vergebt mir.“ „Dieses eine Mal vergebe ich Euch noch, aber Sorgt dafür, dass das nie wieder vorkommt.“ „Ja, Herr.“ Luk saß angespannt im Sattel und betrachtete den Himmel. Er wartete darauf, dass sich der kleine, rote Feuerdrache von Ser Garamir zeigte und sie endlich losfliegen konnten. „Luk, beruhige dich.“ flüsterte ihm Kiddi ins Ohr und legte ihre Arme um seinen Hals. „Wir alle sind angespannt und nervös. Du hingegen musst einen kühlen Kopf bewahren. Vergiss nicht, dass du jetzt ein Heer in den Kampf führst. Du bist der Befehlshaber der Drachenritter.“ „Das ist es ja gerade, weshalb ich so angespannt bin, Kiddi.“ entgegnete Luk. „Jetzt verstehe ich, wie Kai sich fühlen muss, welche Last auf seinen Schultern liegt. Nur das er eine weit größere Streitmacht anführt.“ Endlich erschien Simarin am Himmel. Die Drachin war ungewöhnlich groß für ihre Rasse und auch klug. Manche Ritter mutmaßten sogar, dass sie eine Göttin war, doch Luk hielt das für Unfug. Shiva war auch klug und gewitzt, aber deshalb war sie noch lange keine Göttin. Luk seufzte erleichtert. Endlich ging es los. Er gab Shiva einen kurzen Befehl, der die Drachin abheben ließ – das Zeichen für den Aufbruch der Ritter. Am Morgen nach Kais Erwachen, ging er mit Saja durch das Dorf. Er hatte ihr nach mehrmaligem Anfragen endlich alles erzählt, was vorgefallen war seit er Heigan vor 10 Jahren verlassen hatte. Nicht mal um die Geschichte mit Nogi machte er einen Bogen. Als sie schließlich das Haus von Diego Einaug erreichten, hörten sie von drinnen einen erstickten Schrei. Kai warf Saja einen bedeutungsvollen Blick zu, zog Drachenzahn hervor und ging auf die Tür zu. Er stieß die Tür auf und als er eintrat, um sich auf den Angreifer zu stürzen, erstarrte er. Schadow und Erista, standen da und knurrten eine Gestalt im grauen Kaninchenfellmantel an, die Diego in die Ecke getrieben hatte und ihm die scharfe, glänzende Klinge einer Handaxt an die Kehle hielt. „Wo ist mein Bruder, Mann?“ fragte die raue Stimme des Unbekannten. „Wo ist er?“ Kai konnte zwar das Gesicht des Mannes nicht sehen, aber die Stimme und die Waffe hätte der junge Schwertmeister unter Tausenden wiedererkannt. „Nein das kann nicht sein.“ Kais Hand lockerte sich um Drachenzahns Griff und das Schwert fiel klappernd zu Boden. „Das kann nicht sein. Er ist in White Castle, hat sich von Draconia abgewandt. Er kann nicht hier sein.“ Der Fremde dreht sich um. Es war tatsächlich Kais Bruder Dravo. Dem Wolfslord hingegen klappte die Kinnlade herunter. Er sah Dravo Drachentod einfach nur ungläubig an. Saja trat neben Kai und sah den Drachentöter verwirrt an. „Wer ist das, Liebster?“ fragte sie. „Das, Saja, ist mein Bruder.“ erwiderte Kai. „Das ist Dravo vom Nadelwald.“ „Hallo, Kai.“ Dravo verbeugte sich. „Es ist lange her, Bruder. Ach und mein Name ist nicht länger Dravo vom Nadelwald. Man nennt mich nun Dravo Drachentod.“ „Ja, es ist lange her.“ erwiderte Kai abfällig. „Wieso bist du hier, Dravo?“ „Darf ich etwa nicht hier sein? Ich bin wegen dir hier. Ich bin hier, weil ich dich in Gefahr glaube.“ „Ach und wo bitte warst du vor 16 Jahren, als ich dich wirklich gebraucht hätte?“ „Ich war verhindert.“ Dravo streifte seinen Mantel und das darrunterliegende Hemd ab und zeigte Kai seinen Oberkörper, den von der Schulter bis zur Hüfte eine riesige Narbe in Form eines Drachenkiefers zierte. „Ischuja hat mich leider davon abgehalten, zu euch zu kommen, um dir und Vater zu helfen.“ „Oh, Dravo…“ Kai senkte den Blick. „Ich… es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht mit meinen Worten verletzen, Bruder… Es… es ist nur, dass ich dachte, dass… dass du Vater und mir einfach nicht helfen wolltest.“ „Ach es ist schongut. Was denkst du wie oft ich mir selbst Vorwürfe gemacht habe, weil ich nicht bei euch war. Vater könnte noch leben, wenn ich mich nicht auf diese alberne Reise begeben hätte.“ Er streifte seinen Mantel wieder über. „Weiß du, Ischuja hätte mich fast getötet. Er hielt mich für besiegt, nur deshalb hat er mich nicht zermalmt. Als ich nach dem Kampf wieder zu Bewusstsein kam, war ich in White Castle und starrte einem alten Mann, der sich mir als Cadrach vorstellte, ins Gesicht. Er erzählte mir davon, dass Draconia gefallen sei und niemand überlebt habe. Ich wollte ihm nicht glauben. Ritt selbst nach Draconia zurück und fand schließlich nur noch Schutt und Asche vor. Von Wut und Trauer zerfressen kehrte ich nach White Castle zurück, wo ich seither die Zeit verbrachte – in einem Raum, der durch die Aura des Todes für die Schneewandler verboten ist. Ich nahm Aufträge als Drachentöter an und machte mir so einen Namen. Das alles nur, weil ich meine Wut irgendwo lassen musste.“ „Und wie kamst du auf die Idee, dass ich noch lebe?“ Kai sah Dravo fragend an. „Woher wusstest du, wo du mich suchen musst.“ „Na ja, Kai, sagen wir mal so: Die Taten vom Schwert des Zorns sind legendär. Jetzt guck nicht so verwirrt, Bruder. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich es nicht mitkriege, wenn du mal kurz nach Heigan reist und den dortigen König auf einen Krieg einlädst.“ Dravos Gesicht wurde ernst. „So etwas spricht sich sogar bis nach Iceworld herum. Außerdem hat mich eine gewisse Drachenfürstin darauf angesetzt einen bestimmten Schwarzwasserdrachen zu töten – oh ich hab das nicht getan, keine Bange. Ich habe dich gesehen, als ihr aus den Drachenbergen geritten kamt. Und wo ich suchen sollte, war auch nicht schwer zu erraten. Ich meine, wann findet man schon mal Heigani, Fewalli und Draconiar in großen Massen an einem Fleck versammelt? Ich muss ehrlich sagen, dass dich sogar ein Blinder gefunden hätte.“ „Aha und was willst du nun hier?“ „Na das liegt doch auf der Hand, Kleiner. Ich will dir helfen.“ „Dravo, die Zeiten in denen du mich >Kleiner< nennen konntest sind wohl vorüber.“ „Das stimmt, aber ist das nicht das Vorrecht eines älteren Bruders?“ Dravo ließ sich mit über-kreuzten Beinen auf den Boden fallen. „Wann wollt ihr weiter?“ „Morgenfrüh, durch den Steinwald.“ „Gut, ich und Mirua werden euch folgen.“ Kai nickte, hob Drachenzahn auf, drehte sich um und verließ abermals das Haus. Dravo hingegen legte seine Hände mit den Handflächen nach oben auf seine Knie und senkte den Kopf auf seine Brust. „So, Ihr seid also Kais älterer Bruder, wie?“ stellte Saja fest. „Bitte“ – Dravo hob eine Hand – „stört mich nicht, Mylady. Ich habe bei den Schneewandlern viel gelernt. Meine Gefühle bringen den Tod, wenn ich sie nicht unter Kontrolle halte. Bitte unterbrecht meine Konzentration nicht.“ Saja stieß ein höchst undamenhaftes Schnauben aus und folgte schließlich ihrem Geliebten nach draußen, da sie mit diesem Drachentöter nicht reden konnte. Jester, neuer General der Taogi, hatte seine Männer am Rande des Steinwaldes in Stellung gebracht, da er sich sicher war, dass der Wolfslord seine Truppen durch den Wald führen würde. Immerhin war dies der kürzeste Weg von Fewall nach Taog. Jester hatte zwar darauf bestanden, dass man Fewall möglichst schnell angreifen und unter taogische Gewalt bringen sollte, doch der König hatte dem mit der Begründung, dass dies höchst unklug war und wohlmöglich auch noch die starke, fewallische Armee sich dadurch zur Verbündung mit den Rebellen gezwungen fühlen könnte, widersprochen. „Nun gut“, rief er seinen Männern zu und erhob seine Lanze, „sollte der Wolfslord widererwahrten nicht durch diesen Wald kommen, müssen wir ihn auf jeden Fall und zu jedem Preis finden und aufhalten, bevor er Taog erreicht.“ „Sir!“ rief Laylayo, der aufgrund seines draconischen Blutes und der Tatsache, dass er mehr Zeit mit Kai verbracht hatte als jeder andere, zum Hauptmann der Armee und somit zu Jesters direktem Untergebenen befördert worden. „Ja, Hauptmann Laylayo? Was ist Euer Anliegen?“ fragte Jester ohne vom Pferde zu steigen oder sich auch nur umzudrehen. „Melde gehorsamst: Die Soldaten haben ihre Posten eingenommen.“ Obschon der General ihn nicht ansah, salutierte Laylayo vor seinem Vorgesetzten. „Sie erwarten Eure weiteren Befehle, Herr.“ „Das Zeichen werde ich geben, wenn ich es für angemessen halte, Hauptmann. Danke für die Nachricht. Nun geht wieder auf Euren Posten, Mann.“ „Sehrwohl, Sir!“ Wieder salutierte Laylayo, macht auf dem Absatz kehr und lief zu seiner Einheit zurück. „Also dann, lasst die Truppen antreten.“ sagte Kai zu Yakim, Barun und König Ramond. Alle drei reagierten sofort und liefen los, um die Truppen zu holen. So stand Kai und allein mir Saja vor der offenen Tür des Hauses in der kühlen Nacht des ersten Sebtuvermorgens. Just in diesem Moment beendete Dravo seine Trance und trat neben Kai. Der Drachentöter hatte die ganze Nacht auf dem Boden gesessen und weder geschlafen noch gegessen oder getrunken. „Wenn du willst, Bruder, hole ich die Pferde.“ schlug er vor. „Tu das, Dravo.“ bestätigte Kai. So schob sich Dravo an seinem Bruder vorbei und begab sich zu den Stallungen. Als niemand mehr in sichtweite war, nahm Saja die Hand von Kai und zog ihn ins Haus. Sie schloss die Tür und umschlang seinen Hals mit ihren Armen. „Bald wird der Krieg vorbei sein, Liebste.“ sagte Kai und strich ihr durch das goldene Haar. „Ich habe Angst, Kai.“ flüsterte Saja und versuchte verzweifelt das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Ich habe Angst, dich zu verlieren.“ „Ich weiß, mein Engel, aber ich muss kämpfen, sonst sterben wir vielleicht noch beide.“ Auch seine Stimme bebte leicht. „Auch ich verspüre tiefe Trauer, wenn ich daran denke, dass ich dich vielleicht nie mehr sehen kann. Ein Krieg fordert nun mal immer auch Opfer. Alles was uns dann noch bleibt ist die Erinnerung an den, den wir verloren haben, Leider können wir das nicht ändern.“ „Sag so was nicht, mein Liebster. Ich will dich sonst nie mehr loslassen.“ „Du musst, Saja. Irgendwann muss ich auch noch ein paar Worte an die Männer richten und den Heeren ihre Einsatzbefehle geben.“ „Nein Freundchen, ich lass dich niemals mehr los.“ In diesem Moment schwang die Tür auf und Barun trat ein. „Die… die Truppen sind vollzählig angetreten, Kai.“ meldete er mit rotem Gesicht und nach kurzem Zögern. „Lass mich los, Saja. Es ist soweit.“ forderte Kai und schob die Mondenkriegern beiseite. „Nein, Kai!“ wehrte sich Saja und griff nach der Hand ihres Geliebten. Doch Kai war bereits durch die Tür gegangen. So blieb der Kriegerin nichts anderes übrig als ihm zu folgen. Kai saß auf Fremders Rücken und rief zu den Männern herunter: „In wenigen Minuten werden die Meisten von uns gen Taog reiten. Einige werden nicht mehr zurückkehren. Andere werden verletzt oder verstümmelt. Doch keiner wird vergebens fallen, denn unser Ziel ist ehrenhaft. Dennoch muss ich die Fewalli bitten, in ihrer Heimat zu bleiben, denn ich kann ein an Taog grenzendes Land nicht ohne Schutz lassen.“ Aus den reihen der Fewalli erklang ein wütendes Gemurmel. „Doch auch sie werden an unserem Sieg teilhaben, denn kein Krieg wurde je gewonnen, ohne, dass der siegreichen Partei der Rücken gestärkt wurde. Männer, denkt stets daran: Ihr kämpft nicht nur für Draconia und Fewall, sondern auch für die übrigen Reiche und eure Nachkommen!“ Diese Ansprache hatte die Kämpfer genau an der richtigen Stelle getroffen. Als Kai zum Abschluss Drachenzahn in die Höhe hielt, brachen die meisten in Jubel aus. Nur Yakim, Dravo, König Ramond, Ser Tyrion, Ser Jon und Saja standen ungerührt da. Nachdem der Jubel verstummt war, stiegen die Heigani und Draconiar auf ihre Pferde. Als alle saßen, gab Kai das Zeichen zum Aufbruch und die Armee schob sich durch die Straßen der Stadt Minter. Es dauerte wenige Stunden bis sie den Steinwald erreichten, da Kai einen Umweg gewählt hatte, um nicht zu durchschaubar zu wirken. Bis es Abend wurde hatten sie schon den Großteil des Waldes hinter sich gelassen und schlugen ihr Lager auf einer Lichtung auf. Kai und Saja saßen im Zelt des Rebellenführers, während sich die anderen draußen aufhielten. Der Waldwolf und die Mondenkriegerin schwiegen lange. „Kai, versprich mir eins.“ brach Saja endlich das Schweigen. „Versprich mir, dass du mich nie allein lässt.“ „Das kann ich nicht.“ sagte Kai leise. „Noch nicht.“ „Warum nicht?“ Kai schwieg. Er drehte sich um und ging zu Bett. Wenige Minuten später gesellte sich Saja zu ihm. Am nächsten Morgen wurde Kai schon vor Sonnenaufgang von einem Jungen Rebellen geweckt. „Wacht auf, Herr.“ rief der Junge und rüttelte an Kais Schultern. Verschlafen blickte der Schwertmeister den Jungen Mann an. „Was ist, Karowa?“ fragte er schlafend. „Habe ich dir nicht gesagt, dass du mich nicht >Herr< nennen sollst?“ „Ja, Herr.“ Karowa wendete den Blick ab. „Nur, Euer Bruder und der Krieger mit dem Namen Tschachfsü sind fort.“ „Weißt du was sie vorhatten?“ fragte Kai und sprang auf. Da er seit er sich auf den Krieg vorbereitete immer fast vollständig angezogen schlief, brauchte er sich nun nur noch seine Schwertgurte umzuschnallen, den Dolch in seinen Gürtel zustecken und seinen Schwarzen Umhang überzuwerfen. „Nein, das ist mir nicht bekannt.“ antwortete Saros Bruder leise. „Immer die selben Probleme mit diesem Drachentöter.“ Kai legte eine Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Kann er denn nicht einmal da bleiben, wo er hingehört, und nicht einfach spurlos verschwinden? Wie ich so was hasse! Und nie sagt er, wo er hingeht.“ „Ich bin nicht spurlos verschwunden, Bruder.“ sagte eine Stimme am Zelteingang. „Mein Begehr war lediglich, sicherzugehen, dass uns niemand am anderen Ende des Steinwaldes erwartet.“ „Und was hast du herausgefunden, Dravo?“ fragte Kai. „Drei Taogi am östlichen Rand, davon einer beritten.“ genau nach diesen Worten betrat ein klatschnasser Tschachfsü den Raum und fluchte: „Was für ein Mistwetter. Da jagt man ja keinen Hund vor die Türe. was gäbe ich jetzt nicht alles für ein warmes Feuer in einem Kamin!“ „Nun, leider wird das mit dem Kamin wohl noch etwas warten müssen.“ sagte Kai lächelnd. Plötzlich setzte sich auch Saja auf. Auch sie hatte lediglich ihre Rüstung für de Nacht abgelegt. „Was ist los, Geliebter?“ gähnte sie. „Nichts.“ Kai wandte sich an Tschachfsü. „Was hast du mir zu melden?“ „Nichts.“ erwiderte Tschach. „Selbst dieser Shatan konnte keinen Hinterhalt entdecken. Nur, einer der drei, die auf uns warten, ist Lay.“ „Dein Halbbruder?“ Kai sah ihn verständnisvoll an. „Mir ist es auch zuwider gegen einen ehrbaren Mann wie Laylayo zu kämpfen.“ „Wann wollen wir weiterreiten?“ fragte Tschach, der so tat, als hätte er Kais Bemerkung nicht gehört und auf einer seiner seltsamen, dünnen Pergamentrollen, die mit Kräutern, die normalerweise in eine Pfeife gehören, gefüllt waren, herumkaute (er benutzte keine Pfeifen, da ihm diese äußerst unpraktisch erschienen). „Sofort.“ Kai zog seine Stiefel an. „Trommelt die Männer zusammen.“ Dravo, Tschach und Karowa nickten kurz und trotteten einer nach dem anderen hinaus. Kai half Saja noch dabei die Rüstung anzulegen und ging dann mit ihr zusammen ebenfalls hinaus. Dravo, Yakim und Ser Ramond mit seinen beiden Brüdern warteten bereits auf ihn. Der Drachenritter hielt die Zügel von seiner Stute in der einen, die von Fremder, an dessen Sattel man Carmie gebunden hatte, in der anderen Hand. „Direkter Weg nach Taog?“ fragte Ser Jon knapp. „Ja.“ bestätigte Kai. „Sind alle bereit?“ Yakim nickte, während Dravo seinem Bruder Fremders Zügel übergab und Saja den Knuten, der Carmie an den Sattel des schwarzen Hengstes band, löste. Sie stiegen auf und Kai und Saja setzten sich sofort an die Spitze des Trupps. Alles war ruhig, zu ruhig. Doch dann passierten sie die letzte Baumreihe des Steinwaldes. Was sie erwartete war mehr als nur eine simple Falle. 1100 taogische Bogenschützen und weitere 1000 Fußsoldaten standen dort und hielten ihre Waffen bereit. „Ergebt Euch, Wolfslord!“ rief der Mann, der als Einziger auf einem Pferd saß und einen Speer in Händen hielt. „Ich werde mich nicht ergeben ehe Taog gefallen ist!“ erwiderte Kai und hob Drachenzahn über seinen Kopf. „Dann, Euer Lordschaft, wählt Ihr den Weg des Todes!“ „Ich habe keine Angst vor dem Tod.“ Kai senkte das Schwert in einem schnellen Bogen nach vorn und galoppierte los. „Möge Eure Waffe in diesem Kampfe brechen!“ Die Rebellen folgten ihrem Anführer in die schlacht, doch nur allzu schnell war klar, dass sie keine Chance hatten. Gegen Bogenschützen waren Schwerter machtlos und zudem war der Feind in der Überzahl. Es war also kein ehrenvoller Kampf. Kai wendete seinen Hengst und gab damit auch das Zeichen zum Rückzug. Tausende von Pferdehufen prasselten auf den morastigen Boden und schleuderten Schlamm in die Luft. Sie hatten schon fast den Wald erreicht, als Kai hörte wie jemand seinen Namen rief. Er zog stak an einem Zügel. Fremder bäumte sich auf und drehte sich auf den Hinterbeinen, bist er mit dem Kopf wieder in Richtung der feindlichen Kompanie zeigte. Dann stand er wieder auf allen vier hufen. Kai starrte ungläubig aufs Schlachtfeld. Er sah wie Saja mitten in dem Pfeilhagel auf dem Boden kniete, sah, dass ein Pfeil aus der Hinterhand ihrer Stute ragte und sah wie sich das verängstigte Tier aufbäumte, konnte es aber nicht glauben. „Saja…“ flüsterte er, dann wurde sein Ruf lauter und er gab Fremder die Sporen. „Saja!“ Der Hengst riss den Kopf hoch und preschte vorwärts. kurz bevor er die Mondkriegerin erreichte, ließ Kai das schwarze Pferd in den Trab übergehen, beugte sich im Sattel vor und streckte die Hand aus. Saja ergriff sie und ließ sich von Kai vor ihn aufs Pferd ziehen. Wieder wendete er Fremder auf der Stelle, ließ ihn erneut angaloppieren und ergriff im Vorbeireiten Carmies Zügel. Als sie die Nähe des Jagdpferdes spürte beruhigte sich die Stute ein wenig und galoppierte neben ihm her. Doch noch waren sie nicht außer Gefahr, denn die Pfeile der Taogi prasselten immer noch auf sie herab. Fast wäre einer in Kais Rücken gelandet, Doch bevor das Geschoss sein Ziel erreichen konnte, stand plötzlich eine riesige, lebende, schwarze Mauer zwischen Kai und den Taogi und fing den Pfeil ab. Erschrocken ließ Kai Fremder anhalten und starrte erst auf den schwarzen Drachen mit den beiden Reitern und dann in den Himmel, der vom Geschrei der Drachen und ihren mächtigen Körpern verhängt war. „Kai, Saja, los jetzt!“ rief der Drachenritter von Shivas Rücken herab. „Shiva und ich schaffen das schon!“ „Gut.“ erwiderte der Waldwolf leicht verwirrt. „In… in Ordnung.“ Nach diesen Worten trieb Kai seinen Hengst in den Wald hinein. Luk blickte ihm hinterher und als das schwarze Pferd im Schatten des Waldes verschwunden war wandte er sich an seinen Drachen: „Und nun, Shiva, Lass Feuer sprechen.“ Aber gern. erwiderte die Drachin und holte Luft. Sie öffnete das Maul und ließ einen gigantischen Schwall Feuer heraus, der alles auf seinem Weg zu Asche verbrannte. Das Pferd des taogischen Generals scheute, brennende Schützen liefen schreiend umher, wälzten sich im Todeskampf auf dem Boden und Soldaten rannten davon. „Rückzug!“ schrie Jester überflüssiger Weise und ließ den weißen Wallach, der ja eigentlich Spike gehörte, angaloppieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)