Die Chronicen von Draconia1 von Silmarille (ungewollter Ruhm) ================================================================================ Kapitel 9: Schmerzhafte Wahrheit -------------------------------- Endlich konnten die Rebellen weiterreiten und die Taogi hatten sie auch noch nicht eingeholt. Saro und Barun führten den Trupp der Rebellen an. hinter ihnen ritten Kai und Saja, gefolgt von ihren Nachtwölfen und dem Rest der Krieger. Luk und Shiva zogen ihre Kreise über der Gruppe und flog ab und zu ein Stück voraus, um nach eventuellen Feinden Ausschau zu halten. Kai hingegen blickte sich nervös in der Umgebung um. Es schien als erwartete er jederzeit einen Hinterhalt der Heigani oder der Taogi. „Was hast du, Kai?“ fragte Saja besorgt. „Es ist nichts…“ erwiderte Kai unsicher. „Ich musste mich nur grade an das letzte Mal dass ich hier war erinnern.““ „Kai, was damals passiert ist war nicht deine Schuld. Es war nur ein Unfall.“ „Ich weiß, aber dennoch fühle ich mich daran schuldig. Immerhin bin ich der einzige, der den Flammen entkommen ist. Robert von Heigan hatte weniger Glück und dies nur, weil ich mit ihm reden wollte.“ „Du hast mir nie erzählt, was damals im Schloss wirklich passiert ist, Liebster.“ „Und das werde ich auch jetzt nicht, darauf kannst du dich verlassen.“ Nach diesen Worten trieb er Fremder die Fersen in die Flanken, ritt an Saro und Barun vorüber und brachte einigen Abstand zwischen sich und die Rebellen. Schadow folgte wenige Schritte hinter seinem Herrn. „Was hat er?“ fragte Kiddi, die nun Kais Platz neben Saja eingenommen hatte. „Es ist das, was vor 10 Jahren geschehen ist und der Ort, der unser Ziel ist.“ „Wieso? Wo reiten wir denn hin?“ „Richhall.“ antwortete Saja kurz angebunden. „Richhall?“ Kiddi sah die Mondenkriegerin fragend an. „Aber wieso ist Kai dann so komisch? Welche Erinnerungen verbindet er mit dieser Stadt?“ „Vor zehn Jahren gab es einen schrecklichen Unfall im Schloss unseres alten Königs Robert von Heigan, bei dem der König ums leben kam und den Kai nur knapp unverletzt überlebte.“ „Was ist den geschehen?“ „Das weiß ich nicht, denn ich hielt außerhalb des Schlosses Wache, während sich Kai drinnen mit Robert unterhielt. Ich weiß nur, dass plötzlich das Solar des Schlosses in Flammen stand und Kai herausgerannt kam. Er lief in den Stall, der auch Feuer gefangen hatte und kam wenig später mit einem kleinen, schwarzen Wüstenjägerfohlen, das er Fremder nannte, wieder heraus. Ich fragte ihn, was passiert sei, aber er antwortete mir nicht. bis heute hat er mir nie verraten was damals vorgefallen ist.“ „Und was hat das mit Richhall zu tun?“ „Nun, unser neuer König, Ser Ramond Gentor, war die rechte Hand von Robert und seine Heimat ist nun mal Richhall.“ „Verstehe. Also hat Kai Angst.“ „Angst?“ Saja lachte. „Ich weiß nicht ob dieser Dickkopf so was wie Angst empfinden kann, aber er ist sicherlich ziemlich nervös.“ Kiddi erwiderte nichts mehr. Sie und Saja starrten nun auf den schwarzen Fleck, der sich langsam von ihnen entfernte. Spät am Abend sammelten sich die Rebellen um fünf Feuer. Nur zwei der 26 Krieger fehlten, denn Kai und Yakim waren in der Dunkelheit verschwunden, um zu trainieren und der Lärm ihrer Schwerter hallte bis ins Lager herüber. Doch das störte die Draconiar nicht. sie feierten ausgelassen mit Bier, Wein, Trockenfleisch und Fisch. Warum sie das taten wusste allerdings niemand. Auch Saro trank eine ganze Menge Alkohol und war bald so betrunken, dass er nicht mal mehr grade stehen konnte. Kiddi und Saja hingegen hielten sich zurück. Sie saßen nebeneinander und unterhielten sich über Kai und Luk. Der Drachenritter hatte sich – nachdem er mehrere Krüge Bier und Wein hinuntergestürzt hatte – zu seinem Drachen zurückgezogen und war nun wahrscheinlich bereits eingeschlafen. Auch Saro wurde nun von Barun und einem jungen Krieger, der eine Rüstung aus roten Drachenschuppen, rote Armschienen, Stahlbeschlagene Handschuhe, Schuhe mit Stahlkappen und keine Waffe trug, der pechschwarzen Haare und Augen hatte, die so Grau waren wie der Himmel eines regennassen Tages, in sein Zelt getragen. Doch hätten die Rebellen gewusst, was in dieser Nacht noch geschehen sollte, hätte sicherlich niemand mehr als ein oder zwei Krüge Bier oder auch Wein getrunken. Kai und Yakim standen sich schwer atmend gegenüber. Sie trainierten jetzt schon seit zwei Stunden und noch keiner hatte aufgegeben. So lange hatten ihre Zweikämpfe bisher noch nie gedauert. Entschlossen dem Kampf nun endlich ein Ende zu bereiten griffen bei Kämpfer gleichzeitig wieder an. immer wieder traf Stahl auf Stahl – denn Kai kämpfte entgegen seiner Gewohnheit nicht mit Drachenzahn sondern mit Jero – oder auf metallbeschlagenes Holz. Immer wieder donnerten die Schwerter auf Kettenhemden und immer wieder fiel einer der beiden in den Staub, um dann gleich wieder zu stehen. Als die Waffen schließlich zum zwölften Mal aufeinander klirrten, glitt Kai Jeros Heft aus den Händen. Durch die Wucht des Aufpralls flog die Klinge dem Waldwolf entgegen und schlitzte ihm die Wange auf. „Ich glaube, wir sollten es für heute gut sein lassen.“ keuchte Kai. „Du hast dich gebessert, Yakim.“ „Danke“, erwiderte der fewallische General, „aber du bist Auch nicht schlecht.“ Er hob Kais Schwert auf und reichte es dem jungen Krieger. „Das war das erste Mal, das ich dich besiegt habe, mein Freund.“ Kai lächelte. „Und es wird das letzte Mal sein.“ erklärte er schalkhaft. Yakim stieß ein fröhliches Gelächter aus doch dann verfinsterte sich seine Miene wieder. „Saja hat mir erzählt, warum du so nervös bist, Kai.“ erklärte er ernst. „Ach ja hat sie das?“ fragte Kai gleichgültig. „Ja und ich will mit dir darüber reden.“ „Es gibt nichts zu bereden.“ Kai nahm sein Schwert, ließ es in die Scheide gleiten und drehte sich zum gehen um. „Warte, Kai.“ rief Yakim ruhig. „Bist du dir sicher, dass der Tod deines Onkels nichts ist, über das man nicht reden sollte?“ „Was hast du gesagt?“ Kai wirbelte herum. „Wieso der Tod meines Onkels?“ „Weil Robert von Heigan der Bruder deines Vaters war.“ Erst war Kai erschüttert über die Tatsache, dass der Mann, der vor 10 Jahren durch seine Schuld umgekommen war, sein Onkel gewesen ist. Doch dann schüttelte er den Kopf und sein Gesicht nahm wieder die Ausdruckslosen Züge, die man von dem jungen Krieger bereits gewohnt war. „Na und?“ schnaubte er und drehte sich um. „König Robert starb durch einen Unfall. Ich trage vielleicht eine gewisse Schuld an seinem Tod aber deshalb mache ich mir keine Vorwürfe und werde auch nicht darüber sprechen.“ Nach diesen Worten verschmolz Kai mit der Dunkelheit. Yakim starrte ihm noch eine ganze Weile nach, dann schüttelte er den Kopf und folgte seinem Freund. Die Sonne war schon vor zwei Stunden aufgegangen und alle Rebellen waren schon seit langem zum Aufbruch bereit. Doch Saro war noch immer nicht aus seinem Zelt hervorgekommen. Kai blickte fragend zu Saja hinüber, aber sie würdigte ihn keines Blickes. Als er gestern vom Training zurückgekommen war und sie die Verletzung an seiner Wange gesehen hatte, hatte sie nur den Kopf geschüttelt und irgendwas von „typisch Mann“ und „irgendwann schneidet der sich noch mal den Arm ab“ gesagt. Kai hatte über diese Worte gelächelt, merkte aber nun, dass dies genau die falsche Reaktion gewesen war, denn mit seiner sorglosen Geste hatte er ihr nur noch mehr Grund zur Sorge gegeben. Kai schüttelte den Kopf. Es gab jetzt wichtigeres als seine Beziehung zu Saja. Warum kam Saro nicht hervor? Auch wenn er sich bewusstlos getrunken hatte, war er immer der erste gewesen, der wach war. Was war also mit ihm? „Jetzt reicht es!“ knurrte Barun. „“Ich gehe da hinein und hole ihn raus – mit Gewalt, wenn es sein muss.“ Er stampfte in Saros Zelt und verschwand hinter der Zeltplane. Doch nur wenige Sekunden später war von drinnen ein erstickter Fluch zu hören und Barun kam Rückwärts wieder herausgestolpert. „Barun!“ rief Kai und lief an Baruns Seite. „Was ist? Was hast du?“ Saros Vertrauter antwortete nicht. Mit aufgerissenen Augen starrte er ins Zelt. Kai stand auf, zog Drachenzahn hervor und betrat vorsichtig das Zelt des Rebellenführers. Doch dann weiteten sich seine Augen vor Schreck und das Schwert der Freder viel klappernd zu Boden, denn dort auf seinem Nachtlager lag Saro mit durchgeschnittener Kehle und aufgerissenen Augen. Kai senkte den Blick und sprach: „Mögen die Götter der neuen und der alten Welt sowie unser aller Ahnen mit dir sein und dich auf deinem letzten Weg begleiten, Saro – Rebellenführer.“ Dach diesen Worten ging er nach draußen und wandte sich an die Rebellen, die gleichermaßen neugierig und besorgt draußen warteten. Er baute sich vor dem Eingang zu Saros Zelt auf und rief: „Hört mir zu, meine Freunde!“ Als Kai sicher war, dass er die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, fuhr er fort: „Saro ist tot. Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten. Dadurch werfen sich nun für uns zwei Fragen auf. Erstens: Wer hat Saro ermordet? Und Zweitens: Wer soll uns nun führen?“ „Wenn ich dazu etwas sagen dürfte.“ Rief eine Stimme vom anderen Ende der Rebellen-Ansammlung. Wenige Augenblicke später bildeten die draconischen Krieger eine Gasse und der Draconiar, der gestern zusammen mit Barun Saro in sein Zelt getragen hatte. Kai kannte ihn und deshalb kramte er in seinen Gedanken nach dem Namen des Mannes. Dann viel er ihm ein, wer dieser Krieger war. Er hörte auf den Namen Tschachfsü – war also Laylayos älterer Bruder – war 25 Jahre alt und somit 9 Jahre älter als sein Halbbruder. Zudem galt Tschach, wie er von allen genannt wurde, als Außenseiter und eigenwillig. „Was willst du, Tschach?“ „Meiner Meinung nach, wärst du als Anführer perfekt geeignet, Kai vom Nadelwald.“ erklärte Tschach mit seiner rauen Stimme. „Was? Wieso ich? Das kann ich nicht. Das ist eine zu große Verantwortung. Ich bin so was nicht gewohnt.“ „Oh, ich bin überzeugt, dass du es kannst. Immerhin warst du es, der uns über das Meer der 1000 Tode gebracht hast. Außerdem bist du der mit Abstand beste Schwertkämpfer von uns. Ich meine, wenn du diesem Seeungeheuer damals nicht den Schädel gespalten hättest, wären wir jetzt alle nicht mehr hier.“ „Das war etwas anderes. Bei dem Kun-Ri ging es auch um mein Leben. Ich bin dennoch kein Anführer.“ Kiddi trat zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Du schaffst das schon.“ „Was tun wir nun, Kai?“ fragte Saja. „Als Erstes müssen wir Saro die letzte Ehre erweisen. Ist dies geschehen nehmen wir unseren Weg nach Richhall wieder auf.“ Der Scheiterhaufen brannte hell und erleuchtete den trüben, grauen Tag. Alle Rebellen hatten sich um ihn versammelt, um ihrem einstigen Anführer die letzte Ehre zu erweisen. Sie alle saßen bereits auf ihren Pferden. Nur einer stand neben seinem Pferd. Dieser junge Bursche war Karowa, Saros jüngerer Bruder. Er war das genaue Ebenbild seines 6 Jahre älteren Bruders. Er hatte nach dem Tod des Rebellenführers dessen Hengst Katonak übernommen. Nach einer Weile, die sie in die Flammen, die nun Saros Körper verzerrten, gestarrt hatten, erklang Baruns tiefe Stimme: „Geliebter Freund, du bist gegangen, denn so war es der Göttin Verlangen. Ich suchte dich ganz unverwandt, doch als ich dich dann endlich fand, warst du schon fort, gegangen an einen schöneren Ort. Du sagtest noch, ich soll nicht weinen, denn morgen würd die Sonne scheinen, würd dich endlich zu sich holen und hätt dir dann dein Leid gestohlen. Ich sollt nicht deiner Rückkehr harren, doch musst ich deinem Geist nachstarren. Ich sagt, so sei es wahrlich, nie gab’s einen Kämpfer, so wie dich. Du sagtest, du gingst zu unserem Herrn und wärst dann auch nur noch ein Stern. Dann deckte dich die Erde zu und bettete dich zur ewigen Ruh. Geliebter Freund du bist gegangen, denn so war es der Göttin Verlangen. Du sagtest noch, ich soll nicht weinen, denn morgen würd die Sonne scheinen. Ich sagt, so sei es wahrlich, nie gab’s einen Kämpfer, so wie dich.“ Nach einer kurzen Pause wiederholte die gesamte Armee das Totenlied, das schon ihre Ahnen sangen, wenn ein großer Anführer starb. Schließlich erloschen die Flammen und von Saro war nichts weiter als Asche übrig. Noch immer stand Karowa neben seinem Pferd und starrte auf den grauen Staub, der vom Feuer zurückgeblieben war. Doch dann schob sich die schwarze Flanke eines großen Jagdpferdes in sein Blickfeld. Der junge Draconiar blickte auf und erkannte den neuen Anführer der Rebellen, der von Fremders breitem Rücken zu ihm hinab sah. „Komm, Junge.“ Sagte Kai sanft. „Wir müssen weiter.“ „J-Ja, Herr.“ erwiderte Karowa. „Nenn mich doch bitte bei meinem Vornamen – wie alle anderen auch – und nicht >Herr<.“ Saros Bruder nickte, sagte aber nichts. Kai hingegen ritt wieder an die Spitze des Trupps und gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Rebellen waren bereits ein Stück vorausgeritten, als Karowa endlich aufstieg. Er Blickte auf die Asche hinunter und sagte mit trauriger Stimme: „Mach es gut, mein Bruder. Ich hoffe, du hast es dort, wo du nun bist besser.“ Danach trieb er Katonak in den Galopp und folgte den restlichen Draconiarn. Die restlichen fünf Tagesritte bis Richhall lag die Trauer über Saros Verlust wie ein erstickender Nebel über der Gruppe der draconischen Krieger. Und Auch als sie endlich Richhall erreichten, wollte sich die Stimmung nicht heben. Vor einem großen, aber alten Gasthaus machten sie Halt. Gleichmütig versorgten die Rebellen ihre Pferde, um danach in den Schankraum zu schleichen. Nur Kai und Saja blieben draußen. Während die Mondenkriegerin ihre Stute bereits versorgt hatte, saß Kai immer noch auf dem Rücken seines Jagdpferdes. „Und ich soll wirklich nicht mitkommen?“ fragte Saja. „Nein.“ antwortete Kai entschieden. „Dies ist etwas, das ich allein klären muss. Vergib mir, aber ich kann dich da nicht mit hineinziehen, Liebste“ „So geh denn, aber wehe du kommst nicht zurück.“ „Wir treffen uns im Schankraum.“ Er wandte sich an seinen Wolf. „Schadow geton!“ Danach wendete er sein Pferd und ritt im Trab die Straße hinunter. Er ritt direkt zur Burg des neuen Königs. Dort angekommen stieg Kai ab und betrat die Burg. Die Tür zum Solar stand weit offen. Kai ging hindurch. Er war sichtlicht nervös, denn zum ersten Mal seit dem Tode des alten Königs würde er dem neuen Herrscher von Heigan gegenübertreten. Der Schwertmeister fand Ramond Gentor – ein braunhaariger, langer Mann mit graugrünen Augen und einem braunen Kinnbart von etwa 40 Jahren – und seine Brüder an einem langen Tisch, wo sie gerade über die Situation des Königreiches sprachen und somit nicht auf Kai achteten. Der Waldwolf schlenderte durch den Saal und blickte auf die Banner, die überall aufgehängt waren. Er war stets darauf bedacht, dass er weder von Ramond noch seinen Brüdern bemerkt wurde. Das Wappen von Ramond zeigte einen weißen Bären auf orangenem Grund. Auf dem seines jüngeren Bruders Jon war ein schwarzer Löwe auf rotem Grund und auf dem des jüngsten Bruders Tyrion ein roter Tiger auf orangenem Grund zu sehen. Kai schlich hinter Ramond und suchte sich die richtige Position für sein Vorhaben. Als er sicher war, dass er passend stand, riss er Drachenzahn aus der Scheide und drückte die Klinge Ramond an die Kehle. Der heiganische König fuhr zusammen. Seine Brüder sprangen auf und zogen ihre Schwerter. Doch Ramond brachte sie mit einem matten Kopfschütteln und einer Handbewegung wieder zur Ruhe. „Wer seid Ihr?“ stotterte Ramond. „Jetzt sagt nicht, dass Ihr mich vergessen habt, Hoheit.“ antwortete Kai mit gespielter Empörung. „Man nennt mich Kai vom Nadelwald – Sohn von Herzog Frederick vom Nadelwald, Neffe von König Robert von Heigan.“ „Verzeiht, aber ich kenne Euch nicht, obschon mir Euer Name geläufig ist.“ „Das Ihr Euch nicht an mich erinnert kommt wohl daher, dass ich das letzte Mal, das wir uns gesehen haben, einen anderen Namen verwendet habe. Nur lasst Euch gesagt sein, dass Ihr mich kennt.“ In Kais Stimme lag eine Spur von Hohn. „Ich war dabei, als mein Onkel diesen Unfall hatte.“ „Was meint Ihr damit? Welchen Unfall? Der König wurde ermordet.“ „Ach! Und von wem wurde mein Onkel ermordet, wenn ich fragen darf?“ „Von einem jungen Schwertkämpfer, der nicht älter als 10 Jahre war. Sein Name lautete Padrace.“ „Nun Herr, vielleicht erinnert Ihr Euch ja an mich, wenn Ihr mein Gesicht seht. Doch dieses zeige ich Euch nur unter einer Bedingung.“ „Und die wäre?“ „Ihr und Eure Brüder werdet weder die Wachen rufen, noch Eure Schwerter ziehen oder sonst in irgendeiner Form Hand an mich legen.“ „Nun gut. Ich gewähre Euch diese Bedingung – wenn auch nur widerwillig.“ „Gut.“ Kai nahm Drachenzahn von Ramonds Kehle, ließ das Schwert in die Schwertscheide gleiten, trat neben den König und verbeugte sich. „Erinnert Ihr Euch nun an mich, Sire?“ Ramond musterte Kai aufmerksam von oben bis unter. Dann stieß er erschrocken die Luft aus. „Bei der Göttin!“ schnappte er. „Padrace! Ihr wagt es Euch hier nochmals blicken zu lassen, nachdem, was Ihr getan habt?“ „Der Tod meines Onkels mag vielleicht meine Schuld gewesen sein“, gab Kai zu, „aber es war dennoch ein bedauerlicher Unfall, den ich nicht beabsichtigte.“ „Können wir Euch das glauben, Padrace?“ fragte Ser Jon mit rauer Stimme. Er war ein großer Mann – fast so groß wie Kai selbst – mit pechschwarzen Haaren und eisblauen Augen. „So wahr ich hier stehe.“ erwiderte Kai. „Aber Ihr habt Euch schon mal als etwas ausgegeben, das Ihr nicht seid!“ rief Ser Tyrion streng. Der jüngst der drei Brüder war eher von gedrungener Statur, hatte ebenso braune Haare wie Ramond, blaugrüne Augen und trug einen kurzen Schnurrbart. „Hättet Ihr mich damals denn nicht an die Taogi ausgeliefert, wenn ich meinen wahren Namen preisgegeben hätte, wie Ihr es schon mit vielen meiner Landsleute getan habt?“ fuhr Kai den Ritter an. „Ruhe!“ rief Ramond. „Es ist nun auch egal. Selbst wenn dieser junge Krieger hier sich einst mit einem falschen Namen vorgestellt hat, ist er nun unter wahrem Namen und ich hoffe ohne schlechte Absichten hierher gekommen.“ „Wie auch an jenem Tage an dem mein Onkel den Tod fand, bin ich auch heute lediglich hier, um zu reden.“ bestätigte Kai. „Das heißt: Ich bin hier, um Euch um Hilfe zu bitten.“ „Wie kann ich dem Neffen meines engsten Freundes irgendeine Bitte abschlagen?“ Ramond fuhr sich nachdenklich durchs Haar. „Nur eine Frage hätte ich noch. Wie soll ich Euch nennen, Padrace oder bei Eurem richtigen Namen.“ „Wie es Euch beliebt, Hoheit.“ „Gut, dann nenne ich Euch Padrace, denn dieser Name ist mir geläufiger als Euer wahrer Name.“ Er holte kurz Luft. „Nun wobei braucht ihr meine Hilfe, Padrace?“ „Bei einem Krieg, um mein Volk zu befreien- dieser Krieg wird sicherlich das Leben vieler, tapferer Männer fordern, vielleicht werde Auch ich für Draconias Freiheit mein Leben geben, aber jeder, der in diesem ehrenvollen Kampf stirbt, wird wissen, dass es nicht umsonst war.“ „Gut ich werde Euch helfen.“ „Nun, dann folgt mir. Meine Männer warten schon auf mich.“ „Eure Männer?“ „Noch vor wenigen Tagen waren es Saros Rebellen, doch dann wurde unser alter Anführer ermordet und ich wurde zu ihrem neuen Befehlshaber.“ „Dann folge ich Euch selbstverständlich. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn meine Brüder uns begleiten, oder?“ „Aber mit Nichten.“ Nach diesem doch ziemlich kurzen Gespräch führte Kai die drei Heigani zum Gasthaus.# Fremder trottete, ohne dass Kai die Zügel nehmen musste, hinter ihnen her. „Ein beeindruckender Hengst.“ bemerkte Ser Jon bewundernd. „Ich weiß, was du meinst, Bruder.“ bestätigte Ser Tyrion. „Wenn ich nicht wüsste, dass es unmöglich ist und dieser Hengst weiß und nicht schwarz wäre, würde ich sagen, er sei König Roberts Hengst, Shiningstar.“ „Wenn Ihr es genau wissen wollt, ist Fremder der Sohn von Shiningstar.“ sagte Kai ruhig. Bald hatten sie das Gasthaus erreicht und betraten den Schankraum. „Heilige Göttin, das sind aber einige Rebellen!“ fuhr es Ramond heraus, als er die Männer sah. Von dem Ausruf des Königs alarmiert kam Saja hervorgestürmt und zog ihr Schwert. Doch als sie den König Heigans erkannte, steckte sie die Klinge wieder weg und fiel auf die Knie. „Vergebt mir, Hoheit.“ sagte sie leise. „Ich habe Euch nicht gleich erkannt.“ „Erhebt Euch, Mondenkriegerin.“ sagte Ramond ruhig und wandte sich danach wieder dem Waldwolf zu. „Wie ich sehe Habt Ihr sogar die Kriegerin des Mondes auf Eurer Seite, Padrace.“ „Saja ist mir die liebste Person, die ich kenne.“ erwiderte Kai. „Doch genug von meinem Privatleben. Folgt mir bitte.“ Kai führte den König in ein Zimmer des Gasthauses. Jon und Tyrion warteten unten. In dem Zimmer, in das Kai den König führte, lag Schadow zusammengerollt auf dem Teppich vor dem Bett und döste. Als Kai den Raum betrat, sprang der Wolf auf und fiepte freudig. Doch als er König Ramond erblickte, legte er die Ohren an, knurrte und fletschte die Zähne. „Schadow scheint Euch nicht sonderlich zu mögen, Hoheit.“ sagte Kai ruhig. „Das ist auch kein Wunder.“ erwiderte Ramond. „Normalerweise lasse ich Wölfe töten.“ „Das erklärt einiges.“ Kai wandte sich an seinen Wolf. „Schadow alem.“ Augenblicklich hörte der Wolf auf zu knurren und starrte seinen Herrn verständnislos an. „Nun gut.“ sagte Ramond kurz darauf. „Was habt Ihr nun vor, Padrace?“ „Ich habe vor in sechs Tagen nach Shining-Water überzusetzen.“ antwortete Kai. „Dann müsst Ihr über das verbotene Meer. Das ist eine gefährliche Angelegenheit – vor allem wenn man an all die Seeschlagen und Haie denkt, die sich dort herumtreiben.“ „Nun es gibt dort noch wesentlich größere Gefahren als Haie oder Schlangen, Herr. Ich denke da an Kun-Ris, Nosins oder auch die gefürchteten Gräbber.“ „Sicher, auch diese Wesen sind gefährliche Gegner. Doch auf Shining-Water leben nur noch die verhassten Eiswächter und mit denen lässt sich wohl kaum reden.“ „Es gibt noch jemanden, der auf der Burg Shining-Water lebt, Hoheit. Ich rede von Kaine Severanz.“ „Die Drachenfürstin? Wisst Ihr etwa nicht, dass sie einen Drachentöter auf ihren eigenen Bruder angelegt hat?“ Ramond sah Kai entsetzt an. „Sie hat jemanden auf ihren Bruder angesetzt, den Ihr nur zu gut kennt, Padrace.“ „Und wer, wenn ich fragen darf, soll das gewesen sein?“ Als Antwort begann Ramond ein Gedicht zu zitieren, dass Kai schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte: „In der mondlosen Nacht der Schatten, wenn Geister wandeln auf dem Erdengrund, wart ein Kind geboren, von edlem Blute, das Feuer der Drachen im Herzen, die Güte der Alten im Blicke. Und so fand seine Mutter, von ihrem Volke beseelt, den Namen des Knaben, in den Tiefen der Nacht, die einst auch ihren Namen barg. So bekam sie in jener Nacht, den Jungen im Arme, die Vision seines Lebens und entschied einen Namen und Dravo wart er gerufen fortan, ein Name, der eines alten Gottes würdig und doch unwürdig. Und Dravo erfuhr die Bedeutung des Namens als Knabe von zehn Jahren, als die Mutter seinen Bruder gebar, der in den Händen sollte halten das Schicksal der Welt. Und so wart sich Dravo der Bedeutung des Namens gewahr und Drachentod wart er gerufen sodann.“ Kai sah ihn eine Weile lang verständnislos an. dann schnaubte er. „Sie hat also meinen eigenen Bruder auf Luk angesetzt.“ knurrte Kai. „Nun gut. Ich hätte da noch eine Frage an Euch: Da ich mich ja scheinbar nicht auf die Drachenfürstin verlassen kann, wäre es vielleicht möglich, dass Ihr und Eure Armee sich der Sache von uns anschließen?“ „Natürlich, Padrace.“ erwiderte Ramond. „Ich danke Euch, Hoheit.“ Kai verbeugte sich kurz und setzte sich danach an einen kleinen Tisch, auf dem er einige Karten verteilt hatte. König Ramond hingegen ging wieder nach unten und befahl seinen Brüdern die Heiganische Armee zu sammeln. „Was habt Ihr für Neuigkeiten, General?“ fragte Sandro nachdem Spike zurückgekehrt und sich in den Thronsaal des taogischen Königs begeben hatte. „Schlechte, Sire.“ erwiderte Spike. „Wir haben 150 Mann verloren und zu allem Überfluss hat sich der Feind mit dem Reich Heigan verbündet. Ihre Reihen sind stärker als je zuvor, mein König.“ „Wir werden ihn besiegen oder sterben.“ „Aber Hoheit, wir können nicht gewinnen! Ihr schickt hunderte Männer, Frauen und Kinder in den sicheren Tod, Sire. Ich kann das nicht billigen!“ „Wollt Ihr Euren König verraten, General?“ „Wenn es das Recht verlangt, ja.“ „Das ist Hochverrat!“ rief Sandro. „Wachen!“ „Ja, Sire?“ fragten zwei Junge Soldaten, die in den Thronsaal gestürmt kamen. „Bringt den General weg und werft ihn in den Kerker!“ befahl der König. „Er ist des Hochverrates an König und Vaterland angeklagt. Wenn der Krieg gewonnen ist, werde ich über ihn Gericht halten.“ Als die Männer Spike packten und auf die Beine zogen, rief er: „Hoheit, ich weiß, dass Ihr meinen Kopf wollt, aber ich bleibe bei meiner Meinung. Dieser Krieg ist bereits verloren und auch Ihr werdet daran nichts ändern! Ihr kämpft auf verlorenem Posten. Und dies nicht nur gegen Menschen. Ihr kämpft auch gegen eine Hexe und einen Drachen. Ihr könnt nicht gewinnen, auch wenn Ihr Tausende von Leuten habt und euer Gegner nur 500. Der Waldwolf wird Euch töten.“ Die Wachen schleiften ihn in die Kellergewölbe der Burg, nahmen ihm seine Waffen und Panzerung ab und warfen ihn in die enge, dunkele Zelle, in der sie damals den Waldwolf gefangen gehalten hatten und gefoltert hatten. Noch immer klebte Kais Blut auf dem Boden und an den Wänden. Er hat sich damals freikämpfen können. dachte Spike. Doch ich werde diese Chance wohl nicht erhalten. Der Tag war grau und regnerisch, als die Rebellen und Ramonds Heer Wolfsfels erreichten. „Auf Devins Schiff ist wohl Kaum Platz für so viele Männer, Sire.“ bemerkte Kai. „Ich habe meine eigenen Schiffe.“ erwiderte König Ramond grinsend. Sie hielten auf den Hafen zu und erreichten Bald die Weißstern. „Devin, bist du da?“ rief der junge Schwertmeister zum Deck hinauf. Eine Gestalt in braunem Ledermantel trat durch die Luke im zweiten Unterdeck, wo ursprünglich Ruderbänke gewesen waren, das aber nun zu einem zweiten Laderaum umgebaut worden war, ins Tageslicht. „Kai?“ fragte der Seemann verwirrt. „Haben wir uns nicht erst vor 12 Tagen getrennt?“ „Ja, haben wir.“ antwortete Kai sachlich. „Ich möchte dich noch ein letztes Mal darum bitten, uns über das Meer zu bringen.“ „Das tue ich doch gerne, aber sag nicht letztes Mal. Das klingt so endgültig und ich will meinen besten Freund nicht verlieren.“ Noch am selben Tag brachen sie auf. Dreizehn heiganische Schiffe – jedes mit 100 Soldaten besetzt – und ein draconisches Schiff, auf dem sich die nunmehr 25 Rebellen befanden, stachen in See, um Sandro von Taog zu stürzen und Draconia zu befreien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)