Die Chronicen von Draconia1 von Silmarille (ungewollter Ruhm) ================================================================================ Kapitel 8: Unendliches Warten ----------------------------- Spike hatte beschlossen noch einen weiteren Tag mit der Abreise zu warten, damit sich seine Männer erholen konnten. Sie waren nun bereits eine Woche im Rückstand und die Rebellen hatten höchst wahrscheinlich bereits einen uneinholbaren Vorsprung. Das Schiff, das sie genommen hatten, schwankte bedrohlich in der Strömung, des tosenden Meeres. Aus diesem Grund hatte Spike größte Mühe sich auf den Beinen zu halten. Immer wieder drohte er über Bord zu gehen, wie es schon vielen seiner Männer wiederfahren war. Jester trat zu seinem Vorgesetzten. Auch der Leutnant schwankte bei jedem Schritt und hatte scheinbar sogar noch größere Mühe sich auf den Beinen zu halten wie Spike. Die See war selbst für das Meer der 1000 Tode ungewöhnlich stürmisch und meterhohe Wellen warfen das Schiff wie einen Spielball hin und her. „Seid Ihr Euch wirklich sicher, dass sie nach Hellsoul gesegelt sind, General?“ fragte Jester. „Sicher bin ich mir nicht.“ erwidere Spike ernst. „Sie könnten ebenso gut nach Wolfsfels übergesetzt haben.“ „Aber wir können nicht in zwei Städten zur gleichen Zeit sein, Herr. Dazu ist unsere Zahl bereits zu gering.“ „Das weiß ich auch, Leutnant!“ Spikes Stimme war nun so laut vor Zorn, dass es ihm keine Mühe machte, gegen den Sturm anzuschreien. „Doch wir haben keine andere Wahl. Wir müssen es einfach riskieren. Doch sollten sie sich doch in Wolfsfels befinden, werden wir dorthin reiten – auch wenn uns dies einen weiteren Tag kostet.“ Nach diesen Worten wandte sich Spike um und ging ungewöhnlich aufrecht an dem verdutzten Leutnant vorbei. Die Hände auf dem Rücken gefaltet ging Luk durch die Straßen von Wolfsfels zurück zum Hafen und erzählte einem Mann von etwa 22 Jahren mit blauen Augen, blonden Haaren und einem stoppeligen Dreitagebart, was auf dem Meer der 1000 Tode vorgefallen war.. Der Junge trug ein hirschbraunes Lederwams und eine blaugefärbte Leinenhose. „Du verstehst also, was ich meine, oder Jaime?“ fragte Luk. „Ich verstehe.“ erwiderte der junge Heigani. „Dein Freund war also voller Zorn und hat diese Bestie mit einem einzigen Schwerthieb getötet.“ „Ja. Und seitdem ist er ohne Bewusstsein.“ „Ich werde schauen, was ich tun kann, aber ich kann nichts versprechen. Ich bin ein Arzt, aber ich bin nicht sonderlich geübt darin.“ „Aber du bist der Einzige, der sich bereit erklärt hat uns zu helfen.“ „Ich weiß. Die Alten sind zu verbohrt in ihre komische Weltanschauung.“ Jaime grinste. „Sie bezeichnen mein Bestreben nach Wissen als jugendliche Neugierde oder Torheit. Sie denken, dass es nicht unser Bestreben sein kann, Schlachten zu schlagen und die Welt zu bereisen. Na ja mit den Schlachten haben sie vermutlich Recht, denn in meinem Beruf heißt es wunden zu heilen und nicht zu verursachen, aber ich will die Welt sehen und das werde ich.“ Er blickte Luk direkt an. „Ich werde mich euch anschließen – das heißt, wenn ich darf.“ „Tut mir leid, aber das kann ich nicht entscheiden.“ Luk blieb stehen und sah nun Jaime in die Augen. „Ich bin nicht der Anführer sondern Saro. Wer weiß, ob er dich dabei haben will.“ „Ich glaube, dies ist nun ohnehin nebensächlich, oder Luk? Ich meine: Du hast mich immerhin um deines Freundes Willen gesucht.“ „Du hast Recht. wir müssen uns beeilen – um Kais Willen.“ Luk ging weiter, bald beschleunigte er seinen Schritt, bis er rannte. Seine Drachenschuppen-rüstung klapperte und sein Schwert schlug heftig gegen seine Wade. Weil der Ritter durch seine Panzerung behindert wurde, war es für Jaime ein Leichtes mit ihm Schritt zu halten. Schon nach einer Viertelstunde hatten sie das Schiff erreicht und gingen durch eine Klappe im Rumpf des Schiffes in den Laderaum. Es war warm und roch stark nach Pferden. zusätzlich war es Feucht und stickig. Im hinteren Teil des Laderaumes war das rötlich Glimmen eines merkwürdigen Lichtes zu sehen. Luk schlich darauf zu – Jaime folgte ihm. Als der Ritter das Licht erreichte, erblickte er Kiddi, die an der Box von Kai Pferd Stand und den großen Hengst eingehend betrachtete als könnte sie seine Gedanken lesen. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Stab aus Drachenbaumholz an dessen spitze eine Kugel aus Rubin befestigt war. Von eben dieser Kugel kam das seltsame Leuchten. Im Schein des Rubins sah es aus als ob der Laderaum Feuergefangen hätte und Kiddi ein Todesengel wäre, der die Seelen der in den Flammen eingeschlossenen in dem Edelstein bannte. Luk wollte aus dem Schatten treten, aber noch bevor dies tun konnte, spürte er eine feste Hand auf seinem Arm. „Was hast du vor, Luk?“ fragte Jaime besorgt. „Wer ist diese Frau? Sie ist nicht normal.“ „Ich weiß.“ erwiderte der Drachenritter sanft. „Sie ist etwas ganz Besonderes.“ Luk befreite sich aus dem Griff des Heigani und trat in das Licht des Rubins. „Kiddi?“ fragte er sanft. „Was machst du hier?“ „Ich… ich… ich wollte nur wissen“, stotterte die Zauberin, „was Fremder über den Zustand seines Herrn weiß.“ „Magie?“ Luk sah sie vorwurfsvoll an. „Devin hat dir verboten, unter Deck zu Zaubern.“ „Ich weiß. Und ehrlich gesagt, war es auch kein wirklicher Zauber. Kein Magier kann die Gedanken eines Tieres lesen. Ich wollte nur sehen, wie er sich benimmt“ – sie senkte ihren Blick gen Boden – „aber er ist wie immer – nervös und aggressiv.“ „Ich weiß, Geliebte.“ Er ergriff ihre Schultern und zog sie an sich. „Du wirst schon sehen, alles wird wieder in Ordnung kommen.“ „Aber wann, Liebster?“ Sie drückte ihre Wange an den kalten Brustpanzer des Ritters. „Wann?“ „Bald, mein Herz. Bald.“ Hinter Luk räusperte sich Jaime verlegen. „Ich will euch wahrhaftig nicht stören“, sagte er entschuldigend, „aber ich hörte, dass sich hier ein Verwundeter befände.“ „Ja, natürlich.“ Luks Gesicht lief vor Verlegenheit rot an. „Ich vergaß, dass du noch da bist, verzeih.“ Er schob Kiddi von sich weg. „Folge mir, bitte.“ Luk ging – noch immer rot im Gesicht – auf die Treppe zum ersten Unterdeck zu. Er stieß sie auf und hastete die Stufen hinauf. Jaime war ziemlich überrascht darüber, dass der Ritter in seiner schweren Rüstung dieses Tempo bis zu Kais Kajüte beibehalten konnte. schließlich blieb der Drachenritter vor einer Eichentür stehen, legte eine behandschuhte Hand auf den Türknopf und drückte sie auf. Im Raum dahinter war es Stockdunkel. Nur der gleichmäßige Atem von Kai und ein heiseres, kehliges Knurren waren zu hören. Luk griff in einen kleinen Lederrucksack, der neben der Tür an der Wand lehnte und förderte eine dünne, weiße Kerze hervor. Diese entzündete er an einer der wenigen Fackeln, die die Gänge im Schiffsinneren beleuchteten, ging mit der Kerze in der Hand in den düsteren Raum und zündete dort die Kerzen auf einem fünfarmigen Kerzenständer, der auf einem schäbigen Schreibtisch aus Ebenholz stand, und eine Fackel in einer Wandhalterung neben der Tür an. Dann kam Luk wieder durch die Tür und bedeutete Jaime hereinzukommen. Sicherlich folgte der Arzt ihm ohne Fragen zu stellen. Doch als der Heigani durch die Tür trat, wurde das Knurren lauter und schwoll bald zu eine, wahrhaft bedrohlichen Laut an. Nervös sah sich der Arzt im Raum an. sein Blick fiel auf einen schwarzen Wolf, der mit angelegten Ohren in der Ecke neben dem Schreibtisch stand und den Neuankömmling wütend anknurrte. Jaime schluckte und ging vorsichtig an dem Tier vorüber. Er wagte nicht zu atmen, denn der Wolf hatte seinen gelben Blick noch immer fest auf den Heigani gerichtet und ließ ihn auch nicht aus dem Auge. Vielmehr verfolgte das schwarze Tier jede Bewegung des Fremden mit übermäßigem Argwohn. „Schadow, es ist alles in Ordnung.“ Versuchte Luk den Wolf zu beruhigen. „Niemand wird Kai etwas zu leide tun.“ Durch die ruhige Stimme des Ritters besänftigt, hörte der Wolf auf zu knurren. Schnell ging Jaime zu Kais Hängematte hinüber und untersuchte den großen Schwertkämpfer eingehend. Bald fiel ihm die Schwellung an der rechten Schulter des Kriegers auf. „Weißt du, wie er sich die Schulter verletzt hat?“ fragte Jaime Luk. „Ja, weiß ich.“ erwiderte der Ritter. „Ein Bolzen hat sie durchschlagen.“ „Aha… aber dies ist nicht der Grund für seinen Zustand, nicht wahr.“ „Ich… ich glaube nicht.“ Der Blick des Heigani wanderte erst zu Luk und dann zu den beiden Schwertern, die auf dem kleinen Nachttisch lagen. „Weshalb, besitzt er zwei Langschwerter?“ wollte er wissen. „Ich meine: eines wäre doch wohl genug, oder?“ „Nun, das schwarze – Jero ist sein Name – gehörte einst seinem Vater und das andere, das er selbst Drachenzahn nennt, ist eigentlich sein Schwert. Es ist eine ganz besondere Waffe, musst du wissen, denn es wurde aus Drachenzähnen geschmiedet.“ „Drachenzähne?“ wiederholte Jaime nachdenklich. „Das erklärt so einiges.“ „Wieso?“ „Nun, es heißt, dass eine Waffe aus Drachenzähnen einen eigenen Willen besitzt und dass wenn ein Krieger mit einem solchen Schwert eine immense Wut verspürt, sich das Schwert seines Besitzers bedient in dem es ihm eine unbändige Macht schenkt. Dies tut es allerdings nur verübergehend und hinterher ist der Besitzer so erschöpft, dass er beinahe sofort in einen tiefen Schlaf verfällt, der ungefähr zwei bis drei Tage anhält. Dieser Krieger braucht also lediglich etwas Schlaf und Ruhe.“ Jaime dachte kurz nach. „Woher hat er dieses Schwert, weißt du das?“ „Nein. Doch weshalb fragst du mich das?“ „Ganz einfach. Meines Wissens nach gab es nur ein einziges Volk, das die Zähne von Drachen zu Waffen schmieden konnte.“ „Und welches Volk war das?“ „Du stellst viele Fragen, Ritter.“ Jaime lächelte ihn schalkhaft an. „Es war das große, mächtige Volk der Freder, die wir Menschen auch Baumspringer nennen.“ „Aber meines Wissens nach, kennt Kai keinen Baumspringer.“ „Es scheint, dass dein Freund dir nicht alles gesagt hat, was er weiß.“ „Kai hat viele Geheimnisse, das stimmt, aber ich bin mir sicher, dass er so etwas erwähnt hätte.“ „Wie gut kennst du denn deinen Freund?“ „Gut genug.“ „Bist du dir dessen sicher?“ „Wessen kann man sich schon sicher sein – vor allem, wenn es um Kai geht?“ „Du kennst ihn wirklich gut, oder?“ „Nun ja. Gut genug, so hoffe ich.“ „Verstehe.“ Saro, der gerade die Stufen hinunter kam und die beiden Männer reden hörte, fragte plötzlich: „Und? Wie geht es ihm?“ fragte der Rebellenführer. „Soweit ganz gut.“ erwiderte Jaime. „Er muss sich nur ausruhen.“ Saro antwortete nicht, sondern nickte lediglich. Er betrachtete erst Luk, dann Kai und schließlich den jungen Heigani mit einer Mischung aus Sorge und Zufriedenheit. Letztendlich zuckte er die Schultern und wandte sich um, um zu gehen. Doch dann hielt er noch einmal inne. „Wie lange wird seine Genesung in Anspruch nehmen?“ fragte er über die Schulter. „Meinem Ermessen nach wird es zwei bis drei Tage dauern.“ antwortete Jaime. „Das wirft unsere Pläne um einiges zurück.“ nachdenklich kratzte sich Saro am Kinn. „Doch da kann man wohl nichts machen. Ich habe keine andere Wahl. Wir werden warten.“ Nach diesen Worten verschwand der Rebellenführer durch die Tür. Als Saro gegangen war, schüttelte Luk den Kopf. „Es tut mir Leid.“ sagte er mehr zu sich selbst. „Was tut dir Leid, Luk?“ fragte Jaime verwirrt. „Ich hätte Kai besser schützen sollen.“ „Aber du kannst doch nichts für seine Wunden.“ „Ich weiß, ich weiß. Dennoch fühle ich mich schrecklich.“ „Ist das nicht normal in einer solchen Situation?“ Luk zuckte die Schultern. Dann ging auch er durch die Tür, schloss sie hinter sich und lief zum Laderaum. Wie er gehofft hatte, stand Kiddi immer noch vor Fremders Box und starrte den Hengst an. Luk ging zu ihr, fasste sie an dem linken Handgelenk und drehte sie zu sich um. „Hallo, Geliebter.“ hauchte sie. „Was wünschst du von mir?“ „Komm mit mir, Liebste.“ flüsterte er ihr zu und strich ihr sanft durch das Haar. „Lass uns etwas ausreiten.“ „Du willst in so einer Situation ausreiten?“ Sie sah ihn entgeistert an. „Wie kannst du das tun?“ „Ich muss mich einfach ablenken.“ Er hörte auf mit seiner Hand durch ihr Haar zu fahren und strich ihr stattdessen über die Wange. „Wenn ich noch länger an ihn denken muss, werde ich noch verrückt.“ „Aber das bist du doch jetzt schon, Geliebter.“ Sie lächelte. „Verrückt vor Liebe.“ „Bitte, mach dich nicht lustig über mich.“ Er sah ihr mit von Tränen getrübtem in die grünen Augen. „Lass uns gehen. Nur ein Stück, nur bis zum Fluss.“ „Na gut, aber wirklich nur bis zum Fluss.“ Luk nickte. Er holte Kiddis graue Stute und einen roten Wallach, der weder einen Namen noch einen Besitzer hatte – da außer Kiddis, Saros, Kais und Yakims Pferde ständig den Reiter wechselten, hatten viele der Tiere keinen Namen – und sattelte sie. danach führte er die beiden Pferde aus dem Laderaum, half Kiddi auf den Rücken ihrer Stute, gab ihr ihren Stab und stieg selbst auf. Lange Zeit ritten sie schweigend nebeneinander her. Doch als sie beireist die fernen Umrisse, des im fahlen Mondlicht glitzernden Flusses mit dem Namen Dadman sahen, sagte Kiddi plötzlich: „Du trägst keine Schuld an Kais Unglück.“ „Ich weiß, ich weiß…“ antwortete Luk nachdenklich. „Dennoch fühle ich mich schrecklich.“ „Ich tue das auch, aber ich gebe mir nicht die Schuld daran. Sicherlich, ich hätte es verhindern können, wenn ich nur getroffen hätte.“ „Ich glaube, keiner hätte etwas ändern können.“ Er blickte auf den Sattelknopf. „Weißt du, was Jaime mir erzählt hat? Er sagte, dass es an Kais Schwert läge.“ „An seinem Schwert? Ich fürchte ich verstehe nicht.“ „Um ehrlich zu sein“ – er versuchte zu lächeln – „ich verstehe es auch nicht. Jaime sagte, dass eine solche Waffe dem Besitzer verübergehend eine riesige Kraft verleihen könne, dass dieses aber auch einen enormen Preis habe. Der Besitzer sei hinterher so ausgelaugt, dass er zwei bis drei Tage schlafe. Er sagte auch, dass es nur ein Volk gebe, das eine solche Waffe herstellen könne.“ „Und welches Volk soll das sein?“ „Die Baumspringer, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Aber so viel ich weiß, kennt Kai keines dieser Geschöpfe.“ „Doch er kennt einen Baumspringer.“ flüsterte Kiddi. „Wie?“ „Kai kennt einen Freder.“ „Ist das dein Ernst, Liebste?“ „Ja.“ Wieder verfiel Luk in Schweigen. Er blickte einfach nur geradeaus und ritt weiter. Nach wenigen Minuten hatten sie den Fluss erreicht und zügelten die Pferde. „Kennst du den Namen des Baumspringers, den Kai kennt?“ fragte Luk plötzlich. Kiddi antwortete nicht. Sie holte lediglich erschrocken Luft. „Was ist?“ fragte Luk und drehte sich zum ersten Mal, seit sie die Weißstern verlassen hatten, zu ihr um. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet und mit ihrem Stab deutete sie über den Fluss einen Hügel hinauf. Er blickte zu der angedeuteten Stelle und als er sah, was dort war, stöhnte er beunruhigt auf. Auf dem Hügel stand ein weißes Pferd auf dessen Rücken ein Krieger in strahlendweißer Rüstung saß und um die Beine des kräftigen Streitrosses schlich ein schneeweißer Nachtwolf. Der Krieger hielt ein blitzendes Schwert in Händen. Die Blicke aller Drei waren auf Luk und Kiddi gerichtet. Plötzlich ließ der Reiter sein Pferd angaloppieren und ritt – gefolgt von dem Wolf – des Hang hinab. Das Ross machte einen Satz über den Fluss und stand nur einen Augenblick später direkt neben Luks Wallach. Luk wollte etwas sagen, doch noch bevor er einen Ton herausbrachte, spürte er kalten Stahl an seiner Kehle. Dann hörte er, wie Kiddi einige Worte eines Zaubers murmelte. Mit einer Handbewegung ließ er sie verstummen. Als er von Kiddi nichts mehr hörte, sah er dem Krieger ins Gesicht. Erschrocken zog er die Luft ein, denn unter dem visierlosen Helm war das Gesicht einer Frau zu erkennen. Ihre Augen waren Grün wie Baumwipfel im Frühling und ihr langes Haar, das unter dem Helm hervorquoll, sah aus wie flüssiges Gold. „Luk, wir müssen zurück!“ rief Kiddi, als könnte sie so die Klinge von seinem Hals verschwinden lassen. „Ich weiß, ich weiß.“ erwiderte Luk ungehalten. „Nur wie du vielleicht siehst, ist es nicht so einfach hier abzuhauen.“ „Ich sehe es, aber wir müssen zurück. Wegen Kai, du weißt doch. Vielleicht ist er…“ „Kai?“ unterbrach die Kriegerin. „Kai vom Nadelwald? Ist er hier? Ist er in Wolfsfels?“ „Bevor ich diese Frage beantworte, bitte ich Euch dieses Ding da“ – er deutete auf das Schwert – „wegzunehmen und mir Euren Namen zu nennen.“ „Natürlich.“ Sie ließ ihr Schwert wieder in die Scheide gleiten. „Man nennt mich Saja die Kriegerin des Mondes und wer seid Ihr?“ „Mein Name lautet Ser Luk Severanz und dies hier“ – er deutete auf Kiddi – „ist Kiddi die Zauberin.“ „Es freut mich Euch kennen zu lernen. Doch bitte beantwortet mir nun meine Frage, Ritter. Befindet sich Kai vom Nadelwald in Wolfsfels?“ „Ja er befindet sich dort.“ „Dann bitte ich Euch, bringt mich zu ihm.“ „Und was wollt Ihr von ihm, Kriegerin?“ „Das…“ – ihre blassen Wangen wurden rot – „das hat Euch nicht zu interessieren.“ „Nun gut.“ Er kratzte sich am Kinn. „Aber denkt daran: Ich werde Euch im Auge behalten.“ Saja erwiderte nichts sondern nickte lediglich. Nach wenigen Augenblicken führten der Ritter und die Hexe die Mondenkriegerin zur Weißstern. Dort angekommen stiegen alle drei von den Pferden. Saja Band ihre Stute Carmie in der Nähe des Schiffes an und folgte danach Luk und Kiddi ins Innere des Kahns. Während der Drachenritter die beiden anderen Pferde in ihre Boxen brachte und absattelte, führte Kiddi die Kriegerin die Treppen hinauf zum ersten Unterdeck und danach zu Kais Kabine. Als Saja hinter der Zauberin eintrat und Kai bewusstlos in seiner Hängematte liegen sah, riss sie sich ihren Helm vom Kopf und die Handschuhe von ihren Händen, schleuderte alles n eine Ecke des Zimmers und rannte zu dem jungen Schwermeister. „Mein Geliebter!“ flüsterte sie, umklammerte mit ihrer linken Kais Hand und strich mit der anderen Hand durch sein kurzes, dunkles Haar. „Was ist geschehen, Liebster?“ „Es war sein Schwert.“ sagte Jaime, der auf einem schäbigen Hocker in einer dunklen Ecke des Raumes saß. „Sein Schwert?“ fragte Saja verständnislos. „Wie meint Ihr das, Jaime?“ „Wie ich es sage, Mylady. Er besitzt ein Schwert aus Drachenzähnen.“ „Ich verstehe.“ Saja stand auf, zog sich den Stuhl, der neben dem Schreibtisch stand heran und setzte sich darauf. „Doch wo hat er diese Waffe her? Als er das letzte Mal hier in Heigan war besaß er noch kein solches Schwert.“ „Es scheint, dass niemand, außer er selbst, diese Frage zu beantworten vermag, Kriegerin.“ „Nein, nicht nur er kann diese Frage beantworten.“ wandte Kiddi leise ein. Saja fuhr herum. „Wie meint Ihr das, Zauberin?“ fragte sie scharf. „Sprecht!“ „Ich meine, dass ich vielleicht, die Person kenne, von der Kai das Schwert Drachenzahn hat.“ erwiderte Kiddi. „Und von wem?“ Eine kräftige Hand legte sich auf Sajas Schulter. „Das brauchst du nicht zu wissen.“ flüsterte Kai und setzte sich auf. Die Mondenkriegerin drehte sich zu ihm um und starrte den jungen Krieger ungläubig an. „K-Kai!“ stotterte sie. „Aber… aber wie…?“ Sie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken wieder in eine grade Bahn zu lenken. „Normalerweise dauert der Schlaf desjenigen, der ein Schwert wie das deine mit solcher Kraft – wie du es laut deinen Freunden getan hast – führt, mindestens zwei Tage. Und doch bist du nun schon wieder bei Bewusstsein, obschon noch nicht mal ein einziger Tag vergangen ist. Wie ist das möglich.“ „Du klingst ja nicht gerade erfreut darüber, Liebste.“ scherzte Kai. „Ich weiß auch nicht wie das möglich ist. Aber nun lass auch mich eine Frage stellen, mein Herz. Was suchst du hier auf der Weißstern?“ „Die beiden dort“ – sie deutete auf Luk und Kiddi – „haben mich hergeführt.“ Er nickte, dann blickte er seine beiden Freunde streng an. Das hättet ihr nicht tun dürfen. dachte er. Jester kam zu seinem General gerannt, um ihm die unerfreuliche Neuigkeit, die der Leutnant in Erfahrung gebracht hatte, mitzuteilen. Keuchend kam er bei Spike del Sorones an. „Sie sind nicht in Hellsoul, Herr.“ sagte er. „Wir haben 7 Tage nach ihnen abgelegt.“ erwiderte Spike gelassen. „Es ist demnach durchaus denkbar, dass sie bereits wieder abgereist sind.“ „Oder aber, sie befinden sich in Wolfsfels. Ich meine, wer hätte dieses verfluchte Meer ohne Probleme überfahren können? Ich habe von einem Schiffer gehört, der so etwas schaffen kann, aber ich denke, dass es dennoch nur Gerüchte waren, die ich vernahm, Herr.“ „Auch ich habe von ihm gehört. Mehr noch, Leutnant, ich habe ihn persönlich getroffen. Dieser Devin ist wahrlich kein gewöhnlicher Mann. Es heißt, dass einer seiner Vorfahren eine Nixe gewesen sein soll und dementsprechend gut sind seine Kenntnisse der See. Ich bin mir sicher, dass er ein Freund dieses Wolfslords ist.“ „Aber was macht Euch so sicher, dass eben dieser Schiffer sie übergesetzt hat, General?“ „Die Tatsache, dass lediglich ein Schiff vor unserem übergesetzt hat. Ich bin mir sicher, dass sie sich auf diesem Schiff befinden.“ „Und dennoch ist die Weißstern nicht in Hellsoul. Doch wo sind sie dann?“ Spike schnaubte verächtlich. „Das liegt doch auf der Hand, oder?“ Er grinste den Leutnant selbstgefällig an. „Ich fürchte, ich verstehe nicht, Herr.“ gab Jester zu. „Es ist doch ganz einfach. Hier in Hellsoul wären sie dem gesamten Reich ohne Schutz ausgeliefert, aber sie könnten auch wesentlich schneller fliehen, wenn sie angegriffen werden. Aus diesem Grund haben wir angenommen, dass sie hierher segeln“ – Er schüttelte den Kopf über seine eigene Torheit – „aber das sind sie nicht. Saro wusste, wie wir denken würden. Er hat alles genau geplant und nun können wir ihn kaum noch einholen. Sie sind nach Wolfsfels gesegelt. Bei der Göttin, sie sind uns ein weiteres Mal entkommen.“ Nach diesen Worten machte der taogische General Kehrt und stapfte zu der Gaststätte, in der sich seine verbliebenen Männer niedergelassen hatten. Von einst 200 waren nun nur noch 50 Mann übrig geblieben. 20 Mann hatten sie an die Drachen verloren, 90 waren später an ihren Wunden krepiert und 40 waren auf See überbord gegangen. Ein trauriger Schnitt. dachte Spike, als er auf seine Männer blickte. In Waterville hatten viele in den Ställen oder auf den Feldern schlafen müssen, doch nun würden alle Taogi im Gasthaus Platz finden. Ob die Rebellen auch so große Verluste erlitten haben? fragte sich der General. Er dachte nicht weiter darüber nach und beschloss sich an diesem Tage früher ins Bett zu begeben, um am nächsten Morgen ausgeruht zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)