Nobody's hell like mine von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Teil 1 ----------------- Thema: Visual Kei, Dir en Grey Genre: Drama, Shonen- Ai Titel: Nobody's hell like mine Warnungen: sad, depri, sap, OOC Altersfreigabe: ab 14 Typ: Mehrteiler Status: nicht abgeschlossen Inhalt: Als Kyo, Die, Shinya und Kaoru vor dem Aus von La:Sadie's stehen taucht Kyo plötzlich mit einem neuen Bassisten auf. Wird es dem Neuen gelingen, sich in die Band einzuleben? Und wieso verhält sich Kaoru dem Neuen gegenüber so böswillig?... Disclaimer: Dir en Grey gehört nicht mir, ich leihe mir die Charaktere nur aus. Die anderen Charas wurden von mir erdacht, also sinds meine *g*. This is only fanfiktion und somit nicht real. Ich will niemandem irgendwas anhängen, verdiene kein Geld hiermit und bla und blubb... ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ~* Nobody's hell like mine *~ Teil 1 "Wie stellst du dir das vor, Kyo? Wir sollen allein weitermachen?! Bist du blöd?! Ohne Bassisten geht es nicht, logisch, oder?! Und von uns kann das auch keiner übernehmen, wir brauchen zwei Gitarren, sonst klingt es schlicht scheiße!", argumentierte Kaoru barsch und vertrat somit seinen Standpunkt der Angelegenheit. Er war schlecht gelaunt. Und wie schlecht gelaunt... er sah aus, als würde er jeden Moment explodieren und einem seiner Bandkollegen an die Gurgel gehen... "Jetzt beruhig dich mal wieder! War ja nur so ne Idee, du musst mich nicht gleich so ankeifen...", verteidigte sich der kleine Sänger und zog eine beleidigte Schnute. Eigentlich hatte er seinen Kollegen und Freund nur irgendwie aufheitern wollen, seine schlechte Laune heben, doch dieser Versuch war wie es schien kläglich gescheitert... Zwar regte sich Kaoru ständig auf, dass sie keinen Bassisten mehr hatten, doch auf die Idee, einen neuen zu engagieren war er bis jetzt noch nicht gekommen... auch nach fast drei Wochen sinnlosen Proben nicht, die die Jungs kein Stück vorwärts brachten... Seit Tetsuro vor drei Wochen die Band "La:Sadie's" verlassen hatte, waren Kaoru, Die, Kyo, und Shinya nur noch zu viert, zwei Gitarristen, ein Sänger und ein Drummer. Für eine richtig gute Band nach Kaorus Meinung definitiv zu wenig... Doch Kyo war sich nicht sicher, ob Kaoru wirklich nur deswegen seit Tetsus Ausstieg unausstehlich, gereizt bis zum Geht-nich-mehr und mit nichts zufrieden war, oder ob vielleicht Tetsuro der Grund dafür war. Eigentlich wusste er sogar, dass Tetsuro der Grund dafür war. Und er konnte verstehen, wieso. Dieser war mit seinen Eltern weggezogen, ins Ausland, wo sein Vater einen gut bezahlten Job bekommen hatte. Und da der Bassist noch nicht volljährig war, hatte er keine andere Wahl gehabt, als seine Eltern zu begleiten, die natürlich darauf bestanden hatten, ihren Sohn und dessen zwei jüngere Schwestern mitzunehmen. Somit war Tetsuro dazu gezwungen, aus seiner Band auszusteigen. Er hatte sich bestimmt an die tausend Mal bei den anderen entschuldigt, ihnen beteuert, wie leid es ihm tat und wie gerne er doch bei ihnen geblieben wäre. Gerade jetzt, wo die Band langsam bekannter wurde und auch hin und wieder einen kleinen Auftritt in einem Club oder bei einer Veranstaltung ergattern konnte, war es ihm sehr unangenehm, die anderen im Stich lassen zu müssen. Doch das Schicksal hatte für ihn einen anderen Weg vorgesehen. Und dieser führte ihn nun mitsamt seiner Familie nach Europa, weit weit weg, nach Deutschland... Tetsuro war seit der Mittelschule Kaorus bester Freund gewesen. Die beiden hatten sich auf Anhieb prächtig verstanden und waren somit schnell zu einem unschlagbaren Duo zusammengewachsen. Und nun war Kaoru alleine zurückgeblieben. Sein seit Jahren bester Freund hatte das Land verlassen, er hatte IHN verlassen... Kaoru fühlte sich schrecklich, seit er erfahren hatte, dass Tetsuro wegziehen musste. Er hatte Nächte lang nicht schlafen können, hing Erinnerungen nach und war seit Tetsus Abschied nur noch schlecht drauf. Bei seinem Abschied am Flughafen hatte er so viel geheult wie schon lange nicht mehr. Gelacht hatte er seitdem nicht mehr. Er fühlte sich schrecklich verlassen und einsam, er fühlte sich von seinem besten Freund im Stich gelassen, auch wenn er wusste, dass Tetsuro nichts dafür konnte. Dennoch war er enttäuscht... die Aussichten auf lediglichen Brief- bzw. E-Mailkontakt konnte ihn da auch nicht mehr aufheitern. Mit wem sollte er denn nun die Nächte durchmachen, wenn ein Rockfesitval in der Nähe stattfand, mit wem sollte er sich den Bauch mit Chips und Süßigkeiten vollschaufeln, ins Kino gehen, sein Bento in der Schule teilen, über das Leben philosofieren... bei wem sollte er sich über seine Eltern aufregen, sich ausheulen, wenn es ihm schlecht ging? Wen konnte er jetzt volljammern, wenn ihm irgendwas nicht passte, und wen sollte er nun als erstes anrufen, wenn ihm etwas gutes widerfahren war? Natürlich hatte er noch die anderen... Kyo, Die und Shinya... doch war er mit den dreien nie so eng befreundet gewesen wie mit Tetsuro. Die kannte er noch von früher, sie hatten den gleichen Kindergarten besucht, jetzt besuchte er Kaorus Parallelklasse, Shinya, in dessen Keller sich auch der Bandprobenraum befand, wohnte in seiner Nachbarschaft und Kyo war ein Kumpel, den er vor zwei Jahren bei einer Saufpartie aufgegabelt hatte. Nachdem Kaoru mit Tetsuro ihre Band "La:Sadie's" gegründet hatte, waren die anderen drei eingestiegen und sie lernten sich besser kennen. Doch an seine Beziehung zu Tetsuro reichte keine einzige der Freundschaften heran, nicht mal die zwischen ihm und Kyo... Genervt seufzend ließ sich Kaoru auf die Couch die im Probenraum der vier stand sinken und zog die Beine an. Er kauerte sich zusammen und versteckte sein Gesicht in seinen Armen und murmelte irgendetwas unverständlich vor sich her. Sein dunkles Haar verteilte sich über seinen Knien und er seufzte erneut. Er wusste ja selbst, dass er gereizt war und leicht überreagierte, doch er konnte sich einfach nicht noch mehr zusammenreißen. Am Liebsten hätte er auf der Stelle wieder losgeheult. Immer und immer wieder erinnerte er sich an den Abschied von Tetsuro. Er konnte sich genauestens an Tetsus Wortlaut erinnern, an jedes einzelne Wort, das sein bester Freund ihm ins Ohr geflüstert hatte, als er Kaoru in seinen Armen gehalten und sich von ihm verabschiedet hatte. Er hatte gemeint, Kaoru solle nicht so ein trauriges Gesicht machen, er wäre ja nicht aus der Welt, doch der Gitarrist hatte sich nur an ihm festgekrallt und war keine Sekunde später in herzerweichendes Schluchzen ausgebrochen. Tränen waren über seine Wangen gerollt und sein gesamter Brustkorb hatte sich schmerzhaft zusammengezogen. Er hatte seinen besten Freund nicht gehen lassen wollen. Nie... doch er konnte nichts daran ändern, dass er nun fort war. Er durfte Tetsuro keine Vorwürfe machen, er war dafür nicht verantwortlich... es war nicht seine Entscheidung gewesen, Japan zu verlassen... Plötzlich klingelte ein Handy und Kaoru zuckte etwas erschrocken zusammen. Die stellte seine Gitarre beiseite und setzte sich auf einen der Stühle der bei dem Tisch in der Ecke stand, auf dem die vier Jungs ihre Schulrucksäcke abgelagert hatten. Er kramte in seinem rot-schwarzen Rucksack nach seinem Mobiltelefon und nahm den Anruf entgegen, redete kurz mit der Person am anderen Ende der Leitung und verstaute das kleine Telefon anschließend wieder in einem der zahlreichen mit Reißverschluss versehenen Fächer seines Rucksacks. Shinya und Kyo starrten den Rothaarigen gespannt an, während Kaoru das Ganze einfach ignorierte, sich wieder in seine Gedanken flüchtete und wieder in Selbstmitleid und dem Gefühl von Einsamkeit versank. "Tut mir leid, Leute... ich muss los... meine Mutter braucht zu Hause bei irgendwas meinen Hilfe...", meinte Die und machte sich daran, seine Gitarre in seinem Gitarrenkoffer zu verstauen, "Also, morgen wieder um die gleiche Zeit?" Diese Frage galt Kaoru, der jedoch immer noch ungerührt auf der Couch kauerte und nichts erwiderte. Kyo trat vorsichtig an ihn heran und legte seine Hand auf Kaorus Schulter, sodass dieser aufgeschreckt hochfuhr. Verwirrt starrte er Kyo und die anderen an. Sie alle blickten nur betroffen zurück. Sie wussten, wie mies sich Kaoru fühlte... und auch, wenn sie unter seiner miesen Laune mehr als einmal pro Tag zu leiden hatten, er tat ihnen dennoch leid. Sie wussten, wie emotional Kaoru sein konnte und konnten gut verstehen, dass ihn der Umzug seines besten Freundes in ein weiß-Gott-wie-viel Kilometer entferntes Land fertig machte. Doch es hatte keinen Sinn. Es brachte nichts, wenn er die ganze Zeit nur rumnörgelte und seinen Kummer somit nur noch verschlimmerte... "Tut mir leid, was ist los?", fragte Kaoru etwas desorientiert. Kyo seufzte und setzte sich neben seinen Kumpel auf das Sofa. Kaoru sah nicht gut aus, ganz und gar nicht... dunkle Augenringe lagen unter seinen leicht verquollenen Augen auf seiner blassen Haut und Kyo wusste auch, wieso. Der Gitarrist schlief zu wenig. Viel zu wenig... wenn überhaupt... Langsam aber sicher begann Kyo, sich große Sorgen um seinen Freund zu machen. Allmählich fragte er sich, ob das noch normal war. Tetsuro war nun schon seit fast drei Wochen weg, klar konnte er verstehen, wie schlimm das für Kaoru, der immerhin Tetsuros bester Freund gewesen war, sein musste, auch er vermisste den stets gutgelaunten Jungen. Doch er heulte sich nicht nachts die Augen aus... und er sah auch keinen Grund, wieso Kaoru das machen sollte. Er war zwar sehr emotional, allerdings auch für seinen stetigen Optimismus und seine Lebensfreude bekannt. Doch von all dem konnte man im Moment nicht das kleinste Bisschen erkennen. Kaoru hatte sich verändert... "Die geht nach Hause, seine Mutter braucht ihn. Und ich glaube, es ist das beste, wenn wir jetzt auch nach Hause gehen, du könntest ein Bett vertragen, mein Guter...", meinte Kyo und versuchte zu lächeln, was ihm nicht unbedingt leicht viel. Kaorus schlechte Laune war ansteckend und somit waren auch die anderen drei lange nicht mehr so fröhlich wie noch vor etwa einem Monat. "Hm...", grummelte Kaoru nur, konnte sich schließlich dazu aufraffen von der mit dunkelblauen Stoff bezogenen Couch aufzustehen und packte ebenfalls sein Instrument und seinen Notizblock zusammen. Es hatte heute sowieso keinen Sinn mehr, weiterzumachen. Die vier brachten nichts zu Stande, die kräftigen Basslinien, die ihr Spiel normalerweise untermalten und in einem gewissen Ramen hielten fehlten, mit ihnen ein Stück des Herzes der Band, wie Die das ganz gerne beschrieb. Vornab aufnehmen und vom Band spielen wollten sie nicht, das kam ihnen zu billig vor. Ihre gute Laune und somit auch das Vorhandensein von Motivation zum Spielen und Songsschreiben waren wie weggeflogen und blöd rumlungern und ein wenig vor sich hinklimpern, -klopfen oder -trällern konnte auch jeder ganz gut alleine zu Hause machen... Shinya räumte die benutzen Saftgläser der vier zusammen und stellte sie auf das Tablett, mit dem er die Erfrischungsgetränke zu Anfang der Probe vor nur einer halben Stunde, in den Keller gebracht hatte. Kaoru, Die und Kyo schnappten sich ihre Rucksäcke und Instrumente und folgten Shinya aus dem Raum, die Treppen nach oben. Hastig verschwand Shinya in der Küche des kleinen Einfamilienhauses und stellte das Tablett neben dem Abwasch ab, dann trat er in den Gang, wo Die, Kyo und Kaoru bereits damit beschäftigt waren, sich die Schuhe zu schnüren und die Jacken anzuziehen. "Bis morgen dann!", meinte der Jüngste schließlich freundlich und winkte den anderen dreien noch zu, als sie bei der Tür hinaus verschwanden. Kalte Luft schlug ihnen entgegen und der Himmel wirkte finster und bedrohlich nahe. Dunkle Wolken hingen am Himmel, es war vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis es wieder zu regnen beginnen würde. Die schlug sofort seinen Nachhauseweg ein, er wohnte in der entgegengesetzten Richtung von Kyo und Kaoru, verabschiedete sich noch schnell und verschwand, Kyo schwang sich auf sein Fahrrad, das er am Gartenzaun von Shinyas Haus angelehnt hatte und fuhr langsam neben Kaoru her, der mit seiner Gitarre unterm Arm und mit immer noch schlecht gelaunten Gesichtszügen ebenfalls den Heimweg antrat. "Soll ich dich nach Hause begleiten?", fragte Kyo leise und drosselte das Tempo seines Fahrrades noch ein wenig, sodass es beinahe still stand. Kaoru blieb abrupt stehen und blickte ihn verdattert an. Kyo bremste. Ein leichter Wind kam auf und zerzauste Kyos kurzes, blondgefärbtes Haar, blies den beiden Jungen um die Ohren, sodass Kaoru zu frösteln begann. Kyo starrte Kaoru entschlossen und mit ernstem Gesicht an. Dieser wandte seinen Blick ab und setzte sich wieder in Bewegung, schlug seine Jacke enger um seinen schmalen Körper um sich damit Wärme zu geben und vergrub seine Hände in seinen Jackentaschen. "Ne, musst du nicht machen, ist eh nicht mehr weit von hier...", murmelte Kaoru, ohne Kyo dabei anzusehen. Ein leises Quietschen verriet, dass Kyo sich ebenfalls wieder von der Stelle gerührt hatte. "Gut... wie du meinst...", meinte Kyo leicht schnippisch. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand seine gutgemeinten Angebote, die er ja nicht unbedingt jedem stellte, einfach so in den Wind schlug. Und Kaorus gleichgültiger Tonfall hatte ihm auch nicht gefallen. "Also dann fahr ich jetzt. Bis morgen.", meinte Kyo noch eintönig und trat in die Pedale, steuerte sein Fahrrad über die Straße und verschwand um die Ecke, ohne Kaoru noch einmal anzusehen. Dieser ging einfach weiter, blickte dem blonden Jungen nur kurz nach, bevor er seinen Blick wieder auf den Gehweg vor seinen Füßen richtete. Wieder schlug ihm kalter Herbstwind um die Ohren und jagte braune Herbstblätter vor sich her über die zur Zeit wie leergefegten Straßen und durch die Luft. Kaoru konnte eine streunende Katze aufgebracht miauen hören, die sich bei den Mülltonnen um die Ecke auf die Suche nach essbaren begeben und dabei unangenehme Bekanntschaft mit einer Krähe, die dort ihr Lager aufgeschlagen hatte, gemacht hatte. Von weit her drang das bedrohliche Kläffen eines Wachhundes. Seine Schritte auf dem grauen Asphalt klangen stumpf und träge, Kaoru bewegte sich nur langsam vorwärts. Er fragte sich ohnehin, wieso er eigentlich noch weiterginge. Er könne genauso gut einfach hier stehen bleiben. Er hatte noch massenhaft Zeit, bis seine Eltern von der Arbeit kamen also wartete zu Hause niemand auf ihn. Und auf Hausaufgaben hatte er auch keine Lust, auch wenn er es dringend nötig hätte, sich wieder etwas mehr um seine schulischen Leistungen zu kümmern, die dieses Jahr sowieso nicht die besten waren, sich aber seit Tetsuros Umzug nur noch gen Keller bewegten. Mießgelaunt trat Kaoru gegen einen Stein, der vor ihm auf der Straße aufgetaucht war und traf mit diesem die Laterne ein paar Meter vor sich, die am Wegrand stand. Er hob den Kopf und stellte fest, dass es nur noch ein paar Schritte bis zu seiner Haustüre waren. Die sieben Minuten Fußweg von Shinya zu sich nach Hause waren ihm gar nicht so lang vorgekommen... Verärgert vor sich hinmurrend kurvte Kyo gedankenverloren in der engen Gasse herum, die er eben durchquerte. Erschrocken musste er einem Laternenpfahl ausweichen um nicht unangenehme Bekanntschaft mit der Stahlstange zu machen und so entschloss er sich, wieder einen weniger riskanteren Fahrstil anzuwenden. Wieso nur war Kaoru immer so? Egal, was der Blonde versuchte, sein Kumpel lies ihn einfach nicht mehr an sich ran. Er hatte schon alles mögliche versucht um den Gitarristen aufzuheitern, er kümmerte sich noch mehr um ihn seit Tetsuro weg war, versuchte ihn immer öfter einmal dazu zu überreden, doch einen Sprung bei ihm vorbeizuschauen oder mit ihm in die Stadt oder ins Kino zu gehen... irgendetwas zu unternehmen, das Kaoru vom vielen Nachdenken ablenkte. Doch dieser wollte das nicht. Telefonate, die Kyo öfters zu Kaoru tätigte unterbrach dieser immer schon nach kurzer Zeit mit irgendwelchen Ausreden wie, er müsse noch lernen oder Hausaufgabe machen. Kyos Versuche, ihn aufzuheitern schien er nicht zu würdigen... oder vielleicht gar nicht erst wahrzunehmen... Vorhin war es wieder dasselbe gewesen. Kyo wollte ihn doch nur nach Hause begleiten, wieso hatte Kaoru abgelehnt? Wollte er ihn nicht in seiner Nähe haben? Klar, es war wirklich nicht mehr weit gewesen bis zu Kaoru und Kyo hätte ein paar Minuten Umweg gemacht, aber das wäre es ihm wert gewesen. Er vermisste Kaoru so wie er früher war. Er hatte so gut mit ihm herumalbern und quatschen können, doch jetzt wollte er nur noch seine Ruhe, bis auf die Proben und die paar Telefongespräche herrschte zwischen Kaoru und den anderen Funkstille. Zwar trafen Kaoru und Die, der die Parallelklasse besuchte in der Schule unweigerlich öfter mal aufeinander, doch Kaoru wich auch Gesprächen mit seinem rothaarigen Kumpel bestimmt aus. .. Kyo seufzte, hielt kurz an, um den Reißverschluss seiner Jacke weiter hoch zuziehen um nicht zu frieren und setzte sich anschließend wieder in Bewegung. Warum nur schottete sich Kaoru so vor den anderen ab? Gut, er hatte seinen besten Freund streng genommen verloren, doch er hatte auch andere Freunde. Waren diese ihm denn nichts wert? Kaoru war immer ein fröhlicher Mensch gewesen, hatte gute Laune verbreitet, seine Witze gerissen und immer viel mit den anderen gelacht. Doch jetzt? Jetzt redete er kaum noch, verkroch sich zu Hause in seinem Zimmer oder unternahm stundenlange, ziellose Spaziergänge um Nachzudenken... allein... "Mist...", fluchte Kyo leise. Er hätte Kaoru doch nach Hause begleiten sollen... auch wenn dieser das nicht gewollt hatte... Wie er ihn kannte, war Kaoru vermutlich nicht sofort nach Hause gegangen... diese Möglichkeit bestand. Am Ende streunte der Gitarrist noch irgendwo in der Stadt rum, wieder einmal, stundenlang... und dann würden seine Eltern wieder bei Kyo und den anderen anrufen und fragen, ob Kaoru noch bei ihnen wäre. Und wie immer würde Kyo mit "Nein" antworten müssen, seine Stimme würde ihm wieder fast versagen, vor Sorge um seinen Bandkollegen. Als Kaoru das erste Mal einfach so unterwegsgewesen war ohne jemandem Bescheid zu sagen, woraufhin seine Eltern vor Sorge fast durchgedreht waren, ging es Kyo nicht viel anders. Als Kaorus Mutter weinend auf seinem Handy angerufen hatte und ihn gefragt hatte, ob er wusste, wo Kaoru war, erlitt Kyo beinahe einen Schock. Er hatte keine Ahnung gehabt, wo der Gitarrist hin verschwunden sein könnte, ihm hatte er gesagt, er würde sofort nach Hause gehen, und er begann sich riesige Sorgen zu machen, ihm könnte etwas passiert sein. Als eine halbe Stunde später noch einmal das Telefon klingelte und Kaorus Mutter Entwarnung gab, weil Kaoru gerade bei der Wohnungstür hereingeschneit war, fiel Kyo ein Stein vom Herzen. Er war kurz davor gewesen, aufzuspringen und nach seinem Kumpel zu suchen, auch wenn er keine Ahnung hatte, wo er hätte anfangen sollen... Solche Aktionen waren untypisch für Kaoru. Oder besser, untypisch gewesen. Denn sie wurden immer häufiger. Mittlerweile hatte sich seine Umwelt daran gewöhnt, die Sorge um ihn war verbleicht, jedoch bei weitem nicht verschwunden. Zumindest bei Kaorus Mutter und Kyo nicht. Schließlich lenkte der Blonde sein Fahrrad durch die nächste Straße und bog in eine Tiefgaragenunterführung ab, fuhr zwischen den parkenden Autos hindurch, bis er an der Kellertüre ankam. Er öffnete diese und schob sein Fahrrad neben sich her durch einen schmalen Gang, hielt vor einem vergitterten Kellerabteil. In seinen Hosentaschen kramte er nach einem kleinen Schlüssel, mit dem er das kleine, silberne Vorhängeschloss aufschloss und die stählernen Gitterstäbe beiseite schob. Er schob sein Fahrrad in den kleinen Raum und schloss es noch sorgfältig mit seinem Zahlenschloss ab, nachdem er es abgestellt hatte. Zwar war dies nicht nötig, doch er dachte sich immer, wenn schon, denn schon. Sicher ist Sicher. Dann verschloss er die Türe wieder und rannte schließlich die Stufen im Treppenhaus nach oben, bis in den dritten Stock, sich seelisch schon mal darauf vorbereitend, dass sein Handy oder das Haustelefon jeden Augenblick klingeln konnte... Tatsächlich hatte sich Kaoru dagegen entschieden, sofort zurück in die Wohnung zu gehen. Er hatte vor dem grauen Betonklotz, der sich Wohnhaus nannte gestanden und in den trüben Himmel gestarrt, der sich von der Farbe der Hausmauer nur minimal unterschied. Der Wind hatte ihm die Haare in die Stirn geweht und seinen Blick verschleiert, kalte Luft hatte seine Wangen umspielt, seine Beine unter den dünnen Jeans zum Zittern gebracht. Doch er wollte nicht da rauf. Er hatte keine Lust, nach Hause zu gehen. Für Abendessen war es noch zu früh, im Fernsehen lief auch nichts, das seinen Ansprüchen genügte und vom Lernen hatte er ohnehin die Nase gestrichen voll. Er könnte etwas Gitarre spielen... doch dazu hatte er auch keine Lust. Kaoru seufzte leise, senkte den Kopf und musterte seine Schuhe, an denen immer wieder vereinzelte Herbstblätter vorbeitänzelten... Mit Tetsuro schien auch ein Stück seiner Begeisterung für das Gitarrespielen verschwunden zu sein. Ganz so, als hätte er sie mitgenommen. Kaoru hatte es geliebt, mit seinem besten Freund in einer Band zu spielen und Musik zu machen, sie hatten Spaß, konnten ihre Lieblingssongs nachspielen oder neues ausprobieren. Alle waren voll Eifer mit dabei gewesen, jeder brachte seine Ideen ein und die fünf Jungs bekamen nicht selten Strafpredigten von ihren Eltern zu hören, wenn sie wieder einmal stundenlang überzogen und gar nicht mehr von den Proben nach Hause gehen wollten. Doch von dieser Begeisterung spürte Kaoru im Moment nichts. Rein gar nichts. Mit Tetsuro hatte ihn auch sein Wille, seine Motivation verlassen... er wollte einfach nicht... nicht ohne Tetsuro... Schweigend drehte sich Kaoru um und ging Richtung Stadtmitte, ohne jedoch ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Er ging einfach darauf los. Seine Gitarre und seinen Rucksack nahm er mit, es war ihm egal, dass er vom Schweren Tragen nach einer Weile bestimmt wieder Rückenschmerzen bekommen würde und es war ihm egal, dass er bereits jetzt fror, als würde am nächsten Tag der Winter Einzug ins Land nehmen. Eigentlich war ihm so ziemlich alles egal... TBC Kapitel 2: Teil 2 ----------------- Teil 2 "Kaoru? Du gehst schon? Bist du heute nicht etwas früh dran?", erschrocken fuhr Kaoru hoch, als er die leise Stimme seiner Mutter vernahm, die im Türramen zum Flur stand und ihren Sohn überrascht ansah. Tatsächlich war es noch etwas früh, um das Haus schon zu verlassen, dass wusste Kaoru, er brauchte nicht einmal einen Blick auf die Wanduhr über dem Kommodenspiegel werfen. Normalerweise ging er nicht so früh aus dem Haus, allerdings nahm er normalerweise auch ein ausgiebiges Frühstück zu sich, das an diesem Tag jedoch irgendwie auf der Strecke geblieben war... "Willst du denn garnichts essen? Du kriegst sicher Hunger!", meinte Frau Niikura mit einem Lächeln auf den Lippen und blickte ihren Sohn freundlich an, der sie nur mit ausdrucksloser Miene musterte. "Kannst du mir vielleicht was einpacken? Ich ess es dann unterwegs...", meinte Kaoru schließlich, als er sich bückte, um sich die Schnürsenkel seiner Turnschuhe zuzuschnüren. Er hatte zwar absolut keinen Hunger, doch er wollte seine Mutter nicht zu sehr beunruhigen. Sie war in letzter Zeit sehr empfindlich geworden und machte sich was Kaoru betraf beinahe nur noch Sorgen. Frau Niikura war nicht entgangen, dass ihr Sohn sich die letzten Wochen verändert hatte. Sehr stark verändert. Auf einen Schlag war er nicht mehr ihr fröhlicher und lebhafter Kaoru, er lachte nicht mehr, redete nur noch sehr wenig und wirkte viel verschlossener, als er es bisher jemals getan hatte. Eine unübersehbare Traurigkeit hatte sich über ihn gelegt und schien seinen Charakter zu beeinflussen. "Ach so, ja, natürlich, warte einen Moment, mein Schatz!", antwortete Frau Niikura sichtlich etwas erleichtert und drehte sich sofort um, um in Richtung Küche zu verschwinden, wo sie schnell zwei Marmeladebrötchen in Papier einwickelte und mitsamt einer Kleinigkeit zu trinken in eine Papiertüte steckte. So schnell wie sie verschwunden war, tauchte sie auch wieder auf und übergab ihrem Sohn die Tüte, der sich artig dafür bedankte und die braune Tüte in seinen Rucksack packte. Als er sich seinen Schulrucksack umschnallte, fiel sein Blick in den Spiegel über der Kommode und er erschrak selbst ein wenig vor seinem Erscheinungsbild. Er war blass und durch sein dunkles Haar wirkte sein Gesicht, als wäre es weiß wie Schnee. Er sah so müde aus, kein Wunder, er hatte die letzte Nacht wieder kaum geschlafen, und seine Haare könnten auch wieder einmal eine Bearbeitung mit einem Kamm vertragen. Doch Kaoru hatte keine Lust, sich um sein Äußeres zu kümmern. So konnte er immerhin ausdrücken, was er empfand. Er sah aus, wie er sich in seinem Innersten fühlte- schrecklich, so zumindest seine Meinung. "Also dann... ich bin jetzt weg...", meinte er und drehte sich in Richtung Wohnungstüre, sein Blick haftete am seinem Spiegelbild so lange wie möglich. War dieses blasse Gespenst mit diesen traurigen Augen und dem verloren gegangenen Lächeln wirklich er? Manchmal konnte er selbst nicht glauben, was aus ihm geworden war... und das alles nur wegen Tetsuro... Er griff nach der Türklinke und öffnete die Türe hinaus auf den Flur. "Kaoru?", rasch drehte er sich noch einmal zu seiner Mutter um, die ihn mit sorgenvoller Miene musterte, "Sei so gut und komm nicht zu spät zum Abendessen, ja? Und wenn du mittags nach Hause kommst kannst du dir etwas Aufwärmen, ich bereite etwas für dich vor. Ich wünsch dir einen schönen Tag und grüß deine Freunde von mir, ja?", meinte die besorgte Frau und sah ihrem Sohn tief in die Augen. Er wusste, was sie damit sagen wollte. Er solle wenn möglich vermeiden, sich wieder abends im Dunkeln irgendwo rumzutreiben. Sie sorgte sich einfach zu sehr um ihn. Er war doch kein kleines Kind mehr, was sollte schon passieren? Schließlich antwortete er doch zu ihrer Zufriedenheit, schenkte ihr zum Abschied noch ein gequältes Lächeln und verließ dann die Wohnung, stieg die Treppen nach unten und trat seinen Weg an. Anders als sonst steuerte er aber nicht sofort die Oberschule an, er hatte heute noch etwas anderes vor, weswegen er auch absichtlich früher das Haus verlassen hatte. Sein Weg führte ihn ein paar Straßen weiter zu einem bestimmten Gebäude. Es handelte sich um ein kleines Einfamilienhaus. Er blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und starrte das Haus an. Es sah beinahe unverändert aus, noch fast genauso wie vor drei Wochen. Es hatte sich nicht viel verändert, doch es hatte sich verändert. Das Auto, das in der Einfahrt geparkt war, war ein anderes, anderer Türschmuck hing am Eingang und im Garten war eine Hundehütte aufgestellt worden, an der ein großes Schild mit dem Namen "Moko" hing. Gerade ging die Türe auf und ein kleines Mädchen im Grundschulalter verließ das Haus, nicht ohne sich vorher noch fröhlich von seiner Mutter zu verabschieden, die ihrer Tochter noch einen Kuss auf die Wange drückte und sich liebevoll verabschiedete. Das kleine Mädchen mit den schulterlangen, pechschwarzen Haaren, die mit einer hübschen Haarspange geschmückt waren, schulterte ihre Schultasche und strich ihren Faltenrock zurecht, der perfekt zu ihrer roten Herbstjacke und ihrem bunten Schal passte. Sie verließ die Einfahrt und ging die Straße entlang, verbeugte sich kurz, als sie Kaoru bemerkte, der sie anstarrte und lief schleunigst weiter. Der Oberschüler mit dem grimmigen Gesicht schien ihr nicht ganz geheuer zu sein. Ein paar Häuser weiter blieb das kleine Mädchen stehen, klingelte und kurz darauf setzte sie ihren Weg zusammen mit einem zweiten Mädchen, vermutlich ihrer besten Freundin, fort, wobei sich die beiden Mädchen tuschelnd unterhielten und Kaoru dabei nicht entging, dass sie sich mehr als einmal misstrauisch in seine Richtung umblickten. Als die beiden um die nächste Ecke bogen richtete Kaoru seinen Blick wieder auf das Einfamilienhaus, vor dem er stand. Er konnte es immer noch nicht fassen. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er nicht mehr hier war, dass er einfach so nicht mehr hier war, nicht mehr hier lebte, nicht mehr mit ihm zusammen zur Schule ging. Nichts an diesem Haus deutete darauf hin, dass er zuvor hier gelebt hatte. Rein gar nichts. Vermutlich hatten schon alle vergessen, dass er überhaupt hier gelebt hatte, nur Kaoru konnte und wollte es einfach nicht vergessen, das Zuhause von Tetsuro. Für Kaoru war es schwer, zu akzeptieren, dass dieses Haus hier nicht mehr das Zuhause seines besten Freundes war. Lange Zeit war es das gewesen, doch das gehörte nun der Vergangenheit an. Ein Blick auf das obere Stockwerk zeigte das nur zu deutlich. Verschwunden waren die blau-grau gestreiften Vorhänge, die Tetsuros Zimmerfenster geziehrt hatten. Anstatt ihrer hingen dort nun rot-rosa gemusterte Vorhänge mit gelben Blumenmotiven. Tetsuros Zimmer war nun das Zimmer des kleinen Mädchens, das vorhin das Haus verlassen hatte, an seiner Stelle. Nie wieder würde Kaoru seinen Freund aus diesem Haus kommen sehen. Das wusste er. Er hatte es von Anfang an gewusst, seit diese neue Familie dort eingezogen war, nur wenige Tage, nachdem Tetsuros Familie das Land verlassen hatte, doch erst jetzt, Wochen später, als er davor stand, begriff Kaoru diese Realität erst richtig und sie schmerzte... Etwas erschrocken hob Kaoru die Hand, als er bemerkte, dass sich leise ein paar Tränen ihren Weg über seine Wangen zu bahnen schienen und wischte sie sofort weg. Er wollte doch nicht schon wieder heulen, nicht jetzt. Das würde alles nur wieder schlimmer machen, das wusste er... Doch er konnte seine Tränen nicht aufhalten, immer wieder traten neue in seine Augen, verschleierten seinen Blick und liefen über sein Gesicht. Verzweifelt schluchzte Kaoru auf. Er vermisste Tetsuro. Er vermisste ihn unglaublich, so sehr, dass es im Herzen wehtat. Warum hatte ausgerechnet er von hier wegziehen müssen, warum hatte ausgerechnet er aus seinem Leben verschwinden müssen? Vor schluchzen zitternd stolperte Kaoru ein paar Schritte nach hinten, bis er mit seinem Rücken an die Mauer neben dem Gehweg stieß. Er lehnte sich an die aus dunkelgrauen Beton gefertigte Wand, suchte Halt. Langsam ließ er sich an der Mauer herabsinken, bis er sein Gesicht in seinen Knien vergraben konnte. Schluchzend kauerte er sich zusammen und ließ seinen Tränen erstmal freien Lauf. Mit Gewalt konnte er sie ohnehin nicht zurückhalten, es tat ihm nur gut, seine sich immer wieder aufstauenden Emotionen heraus zu lassen... Nachdem Kaoru sich wieder beruhigt hatte und seine Tränen wieder hinter seiner traurigen Miene verschwunden waren, hatte er sich wieder auf den Weg gemacht, er befand sich nur noch ein paar Straßen von seiner Oberschule entfernt. Gerade als ihm der kalte Herbstwind ein paar braune Herbstblätter vor die Füße wehte, hörte er plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihm, die seinen Namen rief. Als er seinen Kopf zur Seite drehte, sah er gerade Kyo mit seinem Fahrrad neben ihm abbremsen. "Ohayou, Kaoru!", meinte der blonde Junge und lächelte seinen Kumpel freundlich an, der ihn nur anstarrte, bevor er seinen Blick wieder nach vorn richtete, als er fast über eine herumliegende alte Blechdose gestolpert wäre. "Morgen, Kyo. Was machst du denn hier?", fragte der junge Gitarrist und versuchte, überrascht zu klingen, was ihm nicht besonders gut gelang. Zwar kam es eher selten vor, dass er und sein Bandkollege sich auf dem Schulweg trafen, da Kyo eigentlich eine andere Schule besuchte, dennoch war es Kaoru eigentlich egal. In Gedanken war er immer noch mit alten Erinnerungen an Tetsuro beschäftigt. Augenblicklich war die gute Laune des blonden Sängers um einiges geschrumpft, hatte er zwar damit gerechnet, dass Kaoru nicht besonders begeistert von seinem Erscheinen schon am frühen Morgen war, hatte er es zumindest doch ein klein wenig gehofft. Immerhin hatte er extra um nach dem Gitarristen sehen zu können einen Umweg gemacht. Kyo besuchte eine dieser Elite-Privatschulen. Eigentlich war er kein übermäßig begabter Schüler und er hätte alles dafür gegeben, auch auf eine "normale" und weniger spießigere Schule gehen zu können als diese Privatschule, an der er so gut wie keine Freunde hatte, doch seine Eltern wollten unbedingt, dass ihr Sohn diese Schule besuchte, die einen sehr guten Ruf hatte und von der aus man in der Regel spielend leicht an eine angesehene Universität kommen konnte ohne große Aufnahmeprüfungen machen zu müssen. Die Schule befand sich ein paar Straßen weiter und von Kyos Zuhause aus war der Weg dorthin nicht sehr lange und führte eigentlich auch nicht an der staatlichen Oberschule, auf die Die und Kaoru gingen, und der nur einen Katzensprung davon entfernten Mittelschule, in der Shinya die Schulbank drückte, vorbei. Nur weil er sich Sorgen um seinen Bandkollegen gemacht hatte, war er hier vorbeigefahren, in der Hoffnung, ihn zu treffen, was schließlich auch so eingetroffen war. "Ich dachte, ich seh mal nach dir. Alles klar?", meinte Kyo und zwang sich, seine Enttäuschung über Kaorus Gleichgültigkeit, die er eigentlich sogar erwartet hatte, zu verbergen. Er hatte nicht gedacht, dass Kaoru ihm um den Hals fallen würde oder so, seine Kälte und Distanziertheit ließ den Blonden dann aber doch nicht so ganz kalt. "Hm...", mehr bekam er von Kaoru nicht zu hören, verträumt, nicht bei der Sache und unkonzentriert schlenderte der Gitarrist vor sich her, sein Blick trübe in die Ferne gerichtet, als wäre er kurz davor, einzuschlafen. Er sah müde aus. "Wo warst du gestern noch? Bist du gleich nach Hause gegangen?", fragte Kyo. Er hatte gestern keinen Anruf von einer aufgewühlten und nervösen Fraus Niikura bekommen, die sich nach ihrem Sohn erkundigt hatte, der nach der Bandprobe noch nicht wieder zu Hause aufgetaucht war, dennoch hatte ihn den ganzen gestrigen Abend über das Gefühl nicht losgelassen, Kaoru würde sich noch irgendwo herumtreiben, ohne, dass jemand darüber Bescheid wusste... Kaoru antwortete nicht, starrte nur weiterhin vor sich her. Und Kyo verstand. Leise seufzend verdrehte er die Augen, Kaoru bemerkte zum Glück nichts davon. Also war er wieder unterwegs gewesen. Waren Kyos Sorgen wohl doch begründet gewesen, immerhin konnte er sich auf seine Intuition verlassen, auch wenn das gerade in dem Moment kein besonders guter Trost war. Er hasste es, sich Sorgen um seinen Kumpel zu machen, doch in letzter Zeit gab genau dieser ihm jede Menge Gründe dafür. Wenn er doch darüber reden würde... Kyo und die anderen wussten doch, wieso Kaoru so schlecht gelaunt und deprimiert war, sie konnten doch verstehen, dass man am Boden zerstört war, wenn sein bester Freund plötzlich ins Ausland ziehen musste, doch Kaoru weigerte sich, darüber mit den anderen zu sprechen. Lieber fraß er seinen ganzen Kummer in sich hinein und heulte sich heimlich, still und leise die Augen aus, wenn keiner der anderen dabei war. Sie hatten nicht übersehen, dass Kao nicht selten mit verquollenen Augen bei den Bandproben auftauchte oder dass er am Telefon eindeutig klang, als hätte er kurz zuvor noch geweint. Die hatte zu Kyo gemeint, er solle sich nicht so viele Sorgen um den Gitarristen machen, jeder Mensch hatte seine ganz eigene Art zu trauern, und doch ließ Kyo die Sorge um seinen Kollegen einfach nicht los. Er hatte das dumpfe Gefühl, Kaoru würde mit der ganzen Sache alleine nicht klarkommen. Was, wenn er sich nie mehr richtig von diesem Schock erholte? Wenn er nun auf ewig so bleiben würde, wie er jetzt war, traurig, depressiv, gereizt und verzweifelt? Erstens konnte Kyo es nicht mitansehen, wenn es einem seiner Freunde schlecht ging, das konnte er einfach nicht ertragen. Und Zweitens würde sich dieser Zustand bestimmt negativ auf die Band auswirken, wenn Kaoru sich nicht zusammenriss und sie alle deswegen genauso demotiviert waren, würde es La:Sadie's nicht mehr lange geben... "Du bist nicht gleich nach Hause gegangen, hab ich recht?", fragte Kyo leise nach, mittlerweile war er von seinem Rad abgestiegen und schob es neben sich her um mit Kaoru auf gleichem Fuß zu gehen. Wieder bekam er nur ein Schweigen zur Antwort und wusste auch dieses richtig als Zustimmung zu deuten, wenn sie ihm auch nicht gerne gegeben wurde. "Wann hört das endlich auf, Kaoru, das bringt doch nichts! Du schleichst im Dunkeln rum, stundenlang! Es ist eiskalt abends und außerdem, weißt du, was alles passieren kann, wenn man alleine in der Stadt unterwegs ist, um diese Uhrzeit?! Ich will nicht wissen, welche zwielichtigen Typen sich da überall in den Gassen rumtreiben, hast du denn gar keine Angst, dass dich irgendein Besoffener anlabern würde oder sonst irgendetwas vorfallen könnte?!", sprudelte Kyo drauflos, formulierte seinen Kummer erstmals, seit Kaoru diese nächtlichen Streifzüge unternahm, in Worte und trug sie seinem Bandkollegen vor. Wärend der kleine Sänger sprach, entgegnete Kaoru kein einziges Wort. Er ließ seinen Kumpel einfach reden, hörte sich an, was er zu sagen hatte. Kyo war sich nicht einmal sicher, ob Kaoru ihm wirklich zuhörte, doch das tat er. Inzwischen war Kyo stehen geblieben, so sehr hatte er sich in seine Rede hineingesteigert, er konnte sich nicht mehr vom Fleck bewegen, stand nur da, die Hände mit so festem Griff um die eiserne Lenkstange seines Fahrrades, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, sein Blick ernst auf Kaoru gerichtet, grausame Vorstellungen, was ihm nicht alles zustoßen könnte, im Kopf. Kyo hatte Angst. Er hatte wirklich Angst um Kaoru... Der Blonde holte tief Luft bevor er weitersprach, seine Stimme klang von der kalten Luft etwas trocken, "Du weißt doch genau, dass so was gefährlich sein kann! Ich will mir gar nicht erst ausmalen, was alles passieren könnte, wirklich nicht! Ich finde wirklich, du solltest damit aufhören..." "Das geht dich überhaupt nichts an!", meinte Kaoru plötzich leise aber bestimmt, auch er war stehen geblieben, stand jedoch immer noch mit dem Rücken zu Kyo. Dieser schluckte schwer und atmete tief durch, seine Miene wurde noch ernster, seine dunklen Augen starrten auf Kaorus Hinterkopf, als könne er ihn damit hypnotisieren, sich umzudrehen. Kyo öffnete den Mund wieder und meinte mit leiserer Stimme, "Ich... ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Kaoru..." "Ich brauche niemanden, der sich Sorgen um mich macht!!", ruckartig hatte Kaoru sich umgedreht und warf Kyo nun einen wütenden Blick zu, schrie ihm diese Worte fast schon ins Gesicht, mit garantierter Treffsicherheit mitten ins Herz, dem jungen Sänger verschlug es fast die Sprache. Selten hatte er seinen Bandkollegen so wütend gesehen... Kyo glaubte sogar, Tränen in seinen Augen erkennen zu können, Tränen der Wut? Was war denn in ihn gefahren? Tatsächlich spürte Kyo einen kleinen Stich in seinem Herzen. Er fühlte sich, als hätte ihm Kaoru ein "Ich brauche dich nicht!" an den Kopf geworfen und das tat weh... sehr weh... Wieso sagte er so was? "Du musst mich wirklich nicht so ankeifen, ich bin nicht taub! Und entschuldige bitte, wenn ich mir Sorgen um dich mache!", konterte Kyo schließlich, kontrollierte zwar die Lautstärke seiner Stimme, wirkte jedoch deswegen nicht minder wütend als sein Gesprächspartner, Kaorus ablässige Reaktion hatte ihn verletzt. Wieso musste Kaoru gerade jetzt wieder dieses unausstehliche Ekel heraushängen lassen, zu dem er in den letzten Wochen mutiert war? Wieso musste er so gemeine Dinge sagen? Er meinte es doch nur gut mit ihm! Wo war nur der alte Kaoru geblieben, wo hatte er sich verkrochen, würde er jemals wieder aus der zutiefst verzweifelten Seele Kaorus auftauchen? "Ich hab dich nicht darum gebeten!!! Ich sagte doch, das geht dich nichts an, verdammt, wieso mischt du dich da überhaupt ein?!", Kaorus Stimme zitterte, als er diese Worte seine Lippen verließen, Verzweiflung sprach aus seinen Augen und sofort nahm Mitleid den Platz von Kyos Enttäuschung ein, ließ ihn vergessen, dass Kaoru ihn mit seinen Worten verletzt hatte. Doch wieso sagte Kaoru dann so etwas? Etwas, das genau das Gegenteil seines Blickes vermuten ließ, der eindeutig zu sagen schien, dass er jemanden brauchte? Mit zittrigem Atem atmete der junge Gitarrist immer wieder ein und aus, tatsächlich standen Tränen in seinen Augen, doch wirkten sie auf Kyo nun mehr wie Tränen der Verzweiflung als denn der Wut... langsam versuchte Kaoru sich zu beruhigen und seine außer Takt geratene Atmung wieder zu normalisieren... Kyo biss sich kurz auf die Lippen, dann ging er langsam auf Kaoru zu, der ihn nur verwundert anblickte, lehnte sein Fahrrad an die Mauer neben der Straße und schlang schließlich seine Arme um den verdutzt dreinblickenden Gitarristen, nahm in ihn den Arm und drückte ihn leicht an sich. Kyo hob eine Hand, legte sie auf Kaorus Hinterkopf und zog ihn so näher an ihn, bettete Kaorus Stirn auf seine Schulter. Kaoru wagte nicht zu atmen, damit hatte er jetzt wirklich nicht gerechnet. Er hatte schon gedacht, Kyo würde ihm jetzt wütend eine runterhauen, nachdem was er gesagt hatte... Er hatte ihn angeschrien, dabei meinte er das doch alles nicht so... Und Kyo war einfach auf ihn zugegangen und hatte ihn in den Arm genommen... Woher wusste der Sänger bloß so genau, was Kaoru gerade brauchte? Woher nahm er so viel Feingefühl... Kaoru war gerührt von der freundschaftlichen Geste seines Bandmembers, so sehr, dass sich leise Tränen von seinen Augen lösten und seine Wange herabflossen. Kaoru blieb eine Weile lang einfach so stehen, in Kyos Umarmung, der ihm ein leises "Shh...ist ja schon gut...", ins Ohr flüsterte, bis er aufhörte zu schluchzen, ihm zärtlich durch die Haare fuhr. Kaoru stand einfach nur so da, sein Kopf an Kyos Schulter, seine Arme schlaff neben seinem Körper herunterhängend. Stand einfach nur so da und wartete, bis seine stummen Tränen wieder versiegt waren... Es dauerte nicht lange und der Junge hatte sich wieder gefangen, vorsichtig löste er sich aus Kyos Umarmung, der ihn besorgt ansah. "Alles OK?", fragte Kyo, Kaoru nickte nur stumm, sein Blick haftete am Boden. Er hatte sich doch vorgenommen, vor den anderen bezüglich des Themas Tetsuro nicht zu heulen, er wollte sie nicht mit ihrem Kummer belasten und nun hatte Kyo doch als Tröster herhalten müssen, Kaoru bekam fast schon wieder ein schlechtes Gewissen deswegen... "Kyo...", meinte er schließlich und hob doch den Blick ein wenig, gerade genug, um Kyo in die Augen sehen zu können, "Was ich gesagt habe tut mir leid... ich... ich hab's nicht so gemeint...", stammelte er mit flüsternder Stimme. Im Nachhinein kam ihm sein Verhalten kindisch und unfair vor. Kyo machte sich nur Sorgen um ihn, er sorgte sich doch nur um einen Freund, wieso sollte Kaoru etwas dagegen haben? Natürlich ging es ihm auch auf den Geist, wenn seine Mutter sich permanent Sorgen machte, aber zeigte nicht genau das, dass es immer noch auch andere Menschen gab, denen er etwas bedeutete, dass Tetsurou nicht der Einzige gewesen war? "Ist schon gut... mir tut's leid... ich wollte dir nicht zu nahe treten...", entgegnete Kyo und lächelte seinen Kumpel freundlich an. Er konnte sein Verhalten doch irgendwie auch nachvollziehen. Bestimmt war er immer noch verwirrt, weil Tetsuro nun nicht mehr hier war. Auch, wenn es etwas seltsam war, dass Kaoru auch nach über drei Wochen noch so fertig war... er musste Tetsuro wirklich unheimlich vermissen... "Bist du nicht, ist schon OK!", antwortete Kaoru und wischte sich mit dem Jackenärmel das Gesicht restlos trocken. Er wollte nicht unbedingt wie ein verheultes Kind aussehen, wenn er in die erste Stunde kam. Wieder einigermaßen annehmbar richtete sich Kaoru schließlich wieder richtig auf, blickte Kyo an und nickte noch einmal auf die Frage, ob es ihm gut ginge. Doch im nächsten Augenblick verdunkelte sich Kaorus Miene wieder und er ließ seinen Blick wieder verlegen zu Boden schwanken. "Was ist denn los, stimmt was nicht?", fragte der blonde Sänger besorgt, als er gerade sein Fahrrad wieder an der Lenkstange packen und neben sich ziehen wollte. Kaoru wirklich plötzlich wieder so bedrückt, als hätte er noch irgendetwas anderes auf dem Herzen. Doch was? Durchdringend sah Kyo seinen Bandkollegen an, als dessen Blick kurz in seine dunklen Augen traf. Es schien dem Gitarristen schwer zu fallen, sich auszudrücken, nach ein paar Sekunden schaffte er es allerdings doch, einen Satzt zu formen... "Kyo... ich hab nachgedacht, weißt du...", murmelte der Dunkelhaarige und senkte seinen Blick augenblicklich wieder um den Boden zu seinen Füßen zu mustern. Es schien ihm nicht leicht zu fallen, das zu sagen, was er scheinbar noch so dringend loswerden wollte. Neugierig und etwas verwirrt sah Kyo seinen Gegenüber an, sein Rad lehnte noch immer an der Straßenmauer, das konnte auch noch warten... "Was meinst du?", fragte Kyo schließlich etwas unruhig nach. Er hatte ein ungutes Gefühl, was die Sache anging. "Ich meine... das mit der Band... ich... ich bin total schlecht in letzter Zeit...", find Kaoru an, wieder wirkte er traurig und verzweifelt, unterstützte sein Reden mit ein paar unbeholfenen Handbewegungen, nur schwer fand er die rechten Worte, "... ich spiele sowas von schlecht und neue Ideen hab ich zur Zeit auch nicht... ich hab in den letzten Wochen keinen einzigen brauchbaren Song geschrieben... nicht mal einen Refrain oder auch nur ein Intro...ich mach alles kaputt, ich halte euch doch alle nur auf...", Kaorus Stimme klang immer mehr verzweifelt, nahm wieder diese verzweifelte Farbe an. "Was willst du damit sagen?", langsam aber sicher wurde Kyo unruhig. Auch seine Miene war düsterer geworden, er ahnte jetzt schon, was er als nächstes hören würde, konnte wohl nur hoffen, dass er sich irrte... Ernst sah er Kaoru an, der immer noch mit den Worten rang. "Ich... Ich meine, wenn ich so weitermache, dann werdet ihr wie ich anfangen auf der Stelle zu treten... ich ziehe euch nur mit hinunter, das bringt doch nichts... zur Zeit hab ich's einfach nicht drauf, verstehst du?...", setzte der Gitarrist fort, wieder unterstützde er seine Feststellung mit verweifelten Gesten, wusste wohl nicht so recht wohin mit seinen Armen. Er wirkte nervös, etwas zerstreut und dennoch so, als würde er es volkommen ernst meinen. Nach einer längeren Pause hielt es Kyo schließlich nicht mehr länger aus. Er musste unbedingt wissen, ob Kaoru tatsächlich eine solche Maßnahme erfreifen wollte, oder ob es noch Chancen gab... was also wollte er genau? "Kaoru, hör endlich auf, um den heißen Brei herum zu reden und sag mir, was du damit meinst!", fing der Blonde schließlich an zu drängen, seine Stimme nahm einen nervösen Ton an, er schluckte schwer. Er wollte gar nicht daran denken, dass seine Vermutung richtig sein könne... hoffentlich irrte er sich... vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, wie er annahmt? Doch wieso hatte er dann dieses ungute Gefühl? Kaoru biss sich auf die Lippen, hob schließlich den Kopf und sah Kyo ernst an. Er holte noch einmal tief Luft, bevor er sich vollends auf Kyos dunkle Augen konzentrierte, ihn anstarrte, als wolle er ihm per Gedankenübertragung mitteilen, was er sagen wollte. Als er schließlich den Mund wieder öffnete, sprach er nur leise, doch Kyo verstand jedes einzelne Wort... "Ich... ich überlege... ob ich nicht lieber... aus der Band aussteigen soll..." TBC Kapitel 3: Teil 3 ----------------- Tag, hier bin ich wieder, los geht’s! Wie geht es jetzt wohl weiter, wird Kaoru die Band verlassen? Oder kann Kyo ihn noch einmal daran hindern? Findet es selbst heraus und lest es, immerhin hab ich mir trotz permanenten Schulstress’ und gehörigen Schlafdefizits die Mühe gemacht, das hier zu tipseln! ^^; Ich hoffe, es gefällt, Meinungen werden immer gern gehört ^^, bis dann, hIKAri (Entstehung: 2.12.2005- 4.12.2005 ) A/N: Sorry, dass ich den Teil erst jetzt hochlad, dabei hatte ich den schon so lange am PC... -_- Wie dem auch sei. Viel Spaß damit! ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ~* Nobody’s hell like mine *~ Teil 3 In der Zwischenzeit leutete bereits die Schulglocke. Die noch auf den Gängen herumlungernden Oberschüler, die sich über den vergangenen Tag oder ihre Pläne für das bevorstehende Wochenende unterhielten, schlenderten langsam Richtung Klassenzimmer. Eine Gruppe Schulmädchen konnte sich gar nicht mehr voneinander trennen und unterhielt sich noch weiter angeregt und ihre Entzückung quietschend äußernd über die zur Zeit angesagteste Daily-Soap im japanischen Fernsehen, der Schauspieler des Kunststudenten „Taishi Minamura“ aus der vor kurzem angelaufenden Serie war ja auch zu anbetungswürdig... und hoffentlich noch nicht vergeben, was man aus dem neuesten Jugendmagazin, das den Jungschauspieler interviewt hatte, leider nicht herauslesen konnte... Schnell wurde der nächste Termin vereinbart, um diese äußerst wichtige Unterhaltung fortzusetzen- die große Pause- und gerade noch rechtzeitig, bevor der Klassenlehrer zur ersten Stunde kam, teilte sich die Gruppe in drei Teile und die schwatzenden Mädchen verschwanden in ihren Klassenräumen. Während Sakurada-sensei, Klassenvorstand der 1.3 sich danach erkundigte, ob irgendjemand wüsste, wo Niimura-kun war und wieso er sich nicht abgemeldet hatte, wenn er scheinbar gedachte, dem Unterricht diesmal fernzubleiben -aus welchem Grunde auch immer- hatte der schwarzhaarige Junge in der letzten Reihe am Fenster nichts besseres zu tun, als mit überschlagenen Beinen und hinter dem Kopf verschränkten Händen aus demselbigen hinaus auf den Schulhof zu blicken. Mit fasziniertem Blick beobachtete er die durch den aufkommenden Wind herumwirbelnden Herbstblätter, die sich stolz in den verschiedensten Rot-, Braun- und Orangetönen präsentierten und war mit seinen Gedanken wie so oft ganz wo anders. Gedankenverloren fuhr er sich kurz durch die Haare, dabei fielen ein paar seiner etwas längeren Stirnfransen über sein linkes Auge und verdeckten somit einen Teil seines hübschen, zur Zeit aber auch sehr nachdenklichen Gesichts. Ihm spukte dieser eine Song im Kopf herum, den er beim heutigen Frühstück noch im Radio gehört hatte, doch ihm wollte partout der Titel nicht einfallen und das machte ihn beinahe wahnsinnig... Die Band kannte er, sie war zur Zeit eine der angesagtesten in der Visual Kei- Szene, doch der verdammte Songtitel wollte und wollte ihm einfach nicht einfallen... Plötzlich zischte es aus der Reihe neben ihm und er wurde aus seinen Gedanken gerissen, drehte sich fragend zur Seite. Einer seiner Mitschüler beugte sich langsam zu ihm und flüsterte ihm etwas zu. „Hast du auch keine Ahnung, wo Niimura ist? Der ist doch sonst nie krank und zu spät kommt er auch nie, wohnt ja soweit ich weiß ganz in der Nähe...“, meinte der Junge und sah seinen Sitznachbarn neugierig an. Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern und machte eine ahnungslose Geste. „Ach, Kyo ist nicht da? Hab ich noch gar nicht bemerkt....“, tatsächlich hatte er es nicht mitbekommen, seit er sich vor etwa einer Viertelstunde auf seinen Platz in der Klasse gesetzt hatte, hatte er sich keinen Zentimeter davon wegbewegt, nur aus dem Fenster gesehen und gerätselt, wie dieser Song denn nun hieß, „...Woher sollte ich denn überhaupt wissen, wo sich der rumtreibt?“, fragte der schwarzhaarige Junge weiter nach. Der Fragesteller zuckte beiläufig mit den Schultern und lächelte den Jungen entschuldigend an, „Ach, ich dachte nur, da ihr euch etwas besser kennt...“ „Ich hab nicht mal seine Handynummer, so gut kennen wir uns dann auch wieder nicht...“, hingegnete der Junge wieder. Zwar kannte er Kyo vermutlich besser als der Rest der Klasse, der generell nicht viel mit dem „kleinen Spinner“ zu tun hatte und auch nicht haben wollte, doch befreundet waren sie nicht. Höchstens miteinander bekannt. Kannten sich eben aus der Schule und trafen sich an dem einen oder anderen Wochenende zufällig immer wieder in den selben Clubs und Lokalen, wo sie sich dann gemeinsam an einen Tisch setzten, viel tranken und sich über die Schule, Musik oder Kyos Band, „La:Sadie’s“ unterhielten. Ein vielleicht nicht gerade brauchbarer Nebeneffekt erwähnter Saufkampagnen war jedoch, dass man am Tag darauf so in etwa 80% des Gesagten und Gehörten wieder vergessen hatte... von „besser kennen“ konnte also nicht wirklich die Rede sein... Gerade wollte der Schwarzhaarige wieder fortfahren, aus dem Fenster hinauszuträumen und sich so dem für ihn sowieso garantiert wieder langweiligen Unterricht zu entziehen, um vielleicht noch ein wenig Zeit damit zu verbringen, zu versuchen, den Titel des Songs aus seinem Gedächtnis zu kramen, als plötzlich Sakurada-sensei vor ihm stand und ihn böse anfunkelte. „Hara! Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du anstatt zu schwätzen und aus dem Fenster zu schauen mehr aufpassen würdest! Nur weil du ein so guter Schüler bist, heißt das noch lange nicht, dass du hier die bequeme Nummer schieben kannst, ist das klar?“, meinte der Lehrer grimmig und sah den Jungen drohend an, welcher nur etwas giftig zurückfunkelte. Hätte er einen Kaugummi im Mund gehabt, hätte er jetzt mit Absicht eine riesen Blase geformt und sie dann laut zerplatzen lassen, nur um dem aufgeblasenen Erwachsenen vor ihm zu vermitteln, als wie uninteressant er dessen Moralpredigten wieder einmal empfand. Doch da der Junge aus gutem Hause war- und heute einfach keinen Kaugummi dabei hatte- ließ er es bleiben, stimmte zu, setzte sich wieder ordentlich hin und versuchte von da an den Anschein zu erwecken, die Stunde würde ihn interessieren. Die Frage, wo Kyo abgeblieben war stellte er sich nicht mehr. Was interessierte ihn das... der würde schon wieder auftauchen und wenn nicht, war er eben mal krank, das passierte doch jedem einmal... Dass die Lehrer aber auch immer gleich das Schlimmste von ihren Schülern erwarteten. Der Junge hätte seine halbe CD-Sammlung verwettet, dass Sakurada-sensei bestimmt gerade dachte, dass Kyo schwänzen würde, ob nun aus Faulheit oder der Tatsache wegen, seine Hausaufgaben mal wieder vernachlässigt zu haben... irgendwie nahmen die meisten Leute hier an dieser Schule den Kleinen nicht wirklich ernst... „Das... das meinst du doch jetzt nicht so... oder?“, fragte Kyo, obwohl er eigentlich erwartet hatte, dass Kaoru genau das sagen würde, versuchte, das leichte, aufgeregte Zittern in seiner Stimme zu vertuschen, „Sag mir, dass du nicht ernsthaft darüber nachdenkst, aufzuhören! Los!“, meinte er etwas verzweifelt, starrte seinen Gegenüber ernst an. Immer noch standen die beiden mitten auf dem Weg, nur ein paar Straßen von der Schule entfernt. Kaoru versuchte, Kyos Blicken auszuweichen. Es war ihm unangenehm, so hier vor dem Blonden zu stehen, unsicher, unentschlossen und voller Zweifel, ob er die richtige Wahl getroffen hatte, ob er tatsächlich aus der Band aussteigen sollte... „Du... das kannst du doch nicht machen!“, protestierte Kyo schließlich lauthals, versuchte immer wieder, Blickkontakt zu dem deprimierten Jungen vor ihm aufzubauen um ihn überzeugen zu können... Kaoru seufzte, senkte den Blick und hob eine Hand an seine Stirn. Was sollte er denn sonst machen? Wenn er nicht aus der Band ausstieg, würden die anderen nie mehr voran kommen, zumindest so lange nicht, wie er sich in diesem bemitleidenswerten Zustand befand und er hatte keine Ahnung, wie lange das noch andauern würde. Das konnte er doch nicht verantworten, er konnte doch nicht die Zukunft der Band an seinem Kummer scheitern lassen! „Überleg doch mal“, fuhr Kyo fort, dem nicht entgangen war, dass Kaoru scheinbar innerlich noch mit sich zu kämpfen hatte und auf Grund dieser Tatsache von seinem Vorhaben vielleicht doch noch abzubringen war, welches ansonsten mit Sicherheit fatal für die Band wäre, „Du bist unser Frontman! Du bist einer der beiden Gründer unserer Band, schon vergessen? Du bist unser Songwriter und nur Dank dir verbessert sich langsam mein Gespür für eigene Lyriks, du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du einfach so aussteigen kannst?! Noch dazu aus so einem lächerlichen Grund!“, Kyo gestikulierte aufgeregt und mit ernstem Blick in der Gegend herum, schaffte es somit letztendlich doch noch Kaorus Aufmerksamkeit aus sich zu lenken, „Du bist unser Leadgitarrist, unser kreativster Kopf... wir... wir sind ohne dich doch aufgeschmissen!!“ „Was redest du da, ihr seid doch auch ohne mich gut genug! Was soll das Gefasel?!“, entgegnete Kaoru, schüttelte immer wieder den Kopf, seine Hand immer noch an der Stirn, so als wolle er das alles nicht wahr haben. Immer wieder trat er vom einem Fuß auf den anderen, drehte sich dabei mehrfach von Kyo weg und wieder zu ihm, schien nervös einer scheinbar unsichtbaren aber dennoch festgelegten Linie am Boden zu folgen. Kyo trat einen Schritt auf seinen Kumpel zu, packte ihn an den Schultern und zwang ihn somit, sich genau ihm gegenüberzustellen, still zu halten und ihn anzusehen. Überrascht über Kyos entschlossenen Blick ließ Kaoru seine Hand sinken und starrte seinem Bandmember etwas perplex in die Augen. „Hör mir zu, ohne dich geht es einfach nicht, verstanden? Es hat keinen Sinn, ohne dich weiter zumachen, wir brauchen dich! Du willst doch nicht, dass wir alles hinschmeißen, oder? Komm schon, sag was, Kaoru!“, der Blick des blonden Jungen verwandelte sich langsam von entschlossen in verzweifelt und besorgt. Was konnte er nur tun um Kaoru bei ihnen halten zu können? Was wäre denn La:Sadie’s ohne Kaoru? Sie hatten schon einen guten Musiker verloren, der Verlust ihres Leadgitarristen käme da nicht gerade gelegen... Kaoru biss sich auf die Lippen. Was, wenn Kyo recht hatte? Wenn es der Band nur noch mehr schaden würde, wenn auch noch er sie verlassen würde? Was würde aus La:Sadies werden? Aus seinem Traum... „Du liebst doch die Musik, oder? Du liebst es, Musik zu machen, nicht wahr? Komm schon, das ist nur so eine schlechte Phase, das kriegst du wieder hin!“, argumentierte Kyo weiter, Kaoru wollte lieber nicht darüber nachdenken, was genau sein Kollege damit meinte, sein Gitarrenspiel oder seine Verfassung wegen Tetsuro... Das ganze als Phase zu bezeichnen, schien ihm ein bisschen gewagt, doch er ignorierte es lieber. Viel wichtiger war, dass Kyo nun anfing, genau seine Gedanken auszusprechen, genau das aufzuzeigen, was ihm im Kopf herumschwirrte, Gründe, wieso er die Band nicht verlassen sollte... „Du hast doch immer gesagt, die Band ist dein Traum, du würdest nie etwas anderes machen wollen, hast du das schon vergessen?“, nein... vergessen hatte Kaoru das nicht... aber war es richtig, so egoistisch zu sein und die anderen am Aufstieg zu hindern, wärend er immer noch nicht in Form war? „Du willst doch zusammen mit uns Karriere machen, oder?...“, fragte Kyo vorsichtig nach, seine Stimme war wieder leiser geworden, er hatte seine allgemein agressive Haltung etwas zurückgestellt. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Wie konnte er es schaffen, Kaoru davon zu überzeugen, dass er nicht aussteigen sollte, war er machtlos? Konnte er nichts mehr tun? Kaoru sah den blonden Jungen nur verunsichert von unten herauf an. Dachte er bereits darüber nach, seine Entscheidung wieder zu ändern? „Ich... ich weiß nicht... ja, schon... aber...“, murmelte der dunkelhaarige Junge leise vor sich hin, gerade so laut, dass Kyo seine Worte verstehen konnte. Schließlich holte der Kleinere tief Luft, anscheinend musste er wohl seine Trumpfkarte ausspielen... hoffentlich erzielte sie auch die erhoffte Wirkung... „Kaoru, ich liebe es einfach, mit der Band zusammen zu proben, unsere Proben sind das Größte für mich, den ganzen Tag freue ich mich auf die Proben, wenn ich in der Schule sitze, wenn sie mal ausfallen werd ich sauer. Ich liebe es, zu Singen! Auf der Bühne zu stehen und zu Singen ist mein Traum, doch ich will es nicht ohne den Rest meiner Band, verstehst du?“, etwas verwirrt sah Kaoru den Jüngeren an, worauf wollte er hinaus?, „Wenn...“, fuhr Kyo fort, er schien nervös zu sein, „Wenn du nicht mehr mitmachst... dann hör ich auch auf, dann hör ich mit dem Singen auf!! Ich mein’s ernst!“ Damit hatte Kaoru jetzt nicht gerechnet. Verdattert blickte er in die entschlossenen Augen seines Gegenübers. Er meinte es wirklich ernst, todernst. Doch was bezweckter er damit? Glaubte er, somit ein Ultimatum stellen zu können? Wusste er so genau, was Kaoru dachte, dass er gerade das sagte? Kaoru wollte auf keinen Fall, dass Kyo sein Sängerdasein an den Nagel hing. Was für eine Verschendung wäre das! Er liebte Kyos Stimme, war felsenfest davon überzeugt, dass der Kleine ein begnadeter Sänger war, wie nur sehr wenige. Sein Talent zu Singen würde auch für 10 Personen reichen, seine außergewöhnliche Stimme war einzigartig. Man könnte etliche Kyo-Verschnitte mit dem Rest von La:Sadie’s auf die Bühne stellen, niemand würde auch nur ansatzweise so gut sein wie er. Niemand! „Das kannst du nicht machen!“, protestierte Kaoru bestimmt, funkelte Kyo an, „Du kannst nicht einfach mit dem Singen aufhören! Das... das wäre Wahnsinn! Das wäre ein Fehler, glaub mir!!“ „Und du kannst nicht einfach aus der Band aussteigen, das wäre genauso ein Fehler, so sieht’s aus, mein Freund!“, Kyo schien nicht locker zu lassen... Mittlerweile hatte Kaoru ja mitgekriegt, dass Kyo ihn anscheinend unter keinen Umständen gehen lassen wollte, doch musste er jetzt auch noch zu solch krassen Mitteln wie Erpressung greifen? Denn das war es, Erpressung! Wollte Kaoru nicht den Rest seines Lebens damit verbringen, sich Vorwürfe zu machen, Kyos Karriere vielleicht ruiniert zu haben, musste er etwas tun. Würde Kyo aufhören, das würde Kaoru sich selbst nie verzeihen. Das konnte er einfach nicht. Dieses Talent durfte der Welt nicht genommen werden... „Aber... aber wir... wir haben zur Zeit nicht mal einen Bassisten...“, setzte der Ältere nochmal zum Konter an, kam jedoch mit dieser Aussage nicht wirklich überzeugend rüber. Tief in seinem Inneren hatte er sich zwar bereits entschieden, doch sträubte sich sein Wille doch noch ein wenig... ob das Argument mit dem Bassisten wohl reichen würde? Vermutlich nicht... war auch ein lausiger Vorwand... „Gut! Wenn das dein einziges Problem ist, bitte! Das ist kein Problem! Ich finde einen Bassisten, wetten?! Ich werde einen neuen Bassisten anheuern, wenn du willst noch bis übermorgen, wenn das bedeutet, dass du bleibst! Also?“, entschlossen starrte Kyo Kaoru in die Augen, was diesem nun fast schon unheimlich war. Was genau hatte Kyo gerade eigentlich mit ihm gemacht? Hatte er es tatsächlich geschafft, ihn zu überzeugen? „Hey!! Was... macht... ihr denn... noch hier... draußen?!“, hörten die beiden auf einmal eine bekannte Stimme hinter sich. Verdattert drehten sich beide um und ihnen kam Die entgegengerannt, die Jacke schlampig übergeworfen, das rote Haar zerzaust und mit einem offenen Schuh. Keuchend blieb der Junge neben ihnen stehen, er schien nicht mitbekommen zu haben, wovon die beiden bis eben noch gesprochen hatten. Erschöpft und verzweifelt nach Luft ringend stemmte der Junge seine Hände auf die Knie und ließ den Kopf hängen. Sein Rucksack fiel mit einem lauten Poltern zu Boden. Kaoru und Kyo starrten Die nur verwundert an. Was war denn mit dem los? Nach ein paar Sekunden hatte sich der Rothaarige wieder erholt und erhob sich langsam wieder in aufrechte Position, seinen Rucksack hiefte er vom Boden auf seine rechte Schulter. Er atmete noch einmal tief durch und fuhr sich durch das wirre Haar. „Ich... hab den Bus verpasst und da bin ich gelaufen...“, beantwortete er die offensichtliche Frage in den Gesichtern seiner Bandkollegen. „Warum hast du nicht einfach den nächsten genommen?“, fragte Kyo direkt vornweg und sah seinen Kumpel und Bandkollegen neugierig an. Er zumindest hätte das so gemacht, anstatt dem Bus wie ein Irrer nachzuhetzen. Die starrte ihn konfus an. „Scheiße, verdammt, wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen...“, fluchte er schließlich und schlug sich die flache Hand an die Stirn. Doch um sich zu ärgern hatte er keine Zeit, schnell war sein Missgeschick vergessen und er fuhr fort, „Aber jetzt mal im Ernst, habt ihr mal auf die Uhr gesehen?! Es hat bereits vor 20 Minuten geläutet!! Kao, wir kommen gewaltig zu spät!! Bei mir kommt das ja manchmal vor, aber von dir hatte ich das ehrlich nicht erwartet! Und Kyo, du kommst sowieso zu spät, was machst du denn überhaupt hier, deine Schule ist doch ganz wo anders!“, wo er Recht hatte, hatte er Recht... Kyo warf flüchtig einen Blick auf seine Armbanduhr und fluchte leise. Das war doch nicht möglich! Wie lange hatte er mit Kaoru hier rumgestanden und sich unterhalten? Kaoru schien das ganze weniger zu beeindrucken. Was war schon einmal zu spät kommen, es gab schlimmeres im Leben... „Na hopp, wir müssen los! Ich für meinen Teil möchte zumindest nicht noch später kommen! Also, ich bin dann weg, Kao, wir sehen uns in der Schule, Kyo, bis heute Nachmittag zur Probe! Komm nicht zu spät!“, entgegnete Die hektisch, ohne die anderen auch noch mal zu Wort kommen zu lassen und lief wieder los. „Die! Dein linkes Schuhband ist offen!“, rief Kyo ihm schließlich noch hinterher, tatsächlich stolperte der Rothaarige im nächsten Augenblick beinahe darüber, sodass er sich doch dazu entschloss, kurz leise fluchend stehen zu bleiben, sich flüchtig zu bücken und die Sache somit wieder in Ordnung zu bringen. Und schon war er wieder aufgestanden, bog um die nächste Ecke und war verschwunden. Die beiden anderen blickten ihm nach, dann drehte sich Kyo wieder zu Kaoru. „Die hat recht, wir sollten uns beeilen... Also, wir sehen uns bei der Probe, nicht wahr Kaoru?“, der fast schon drohende Unterton blieb dem Dunkelhaarigen nicht verborgen, Kyo sah ihm durchdringend in die Augen, sein Blick sprach Bände. So entschlossen hatte er den Kleinen noch nie zuvor gesehen, „Ich werde einen Bassisten finden, darauf kannst du dich verlassen!!“ Mit diesen Worten lies er Kaoru schließlich verdutzt stehen, schnappte sich sein Fahrrad, schwang sich darauf und fuhr mit einem Affenzahn davon. Es kam auch zum denkbar ungünstigsten Augenblick, dass er ausgerechnet jetzt so spät dran war, wo die Lehrer es ohnehin auf ihn abgesehen hatten... an einer privaten Oberschule sah man es eben nicht besonders gerne, wenn sich ein mittelmäßiger Schüler, der sich dann auch noch gegen die Schulordnung die Haare blond färben hatte lassen, verspätete... seine Noten waren zur Zeit auch nicht besser als der Durchschnitt, seine Eltern würden austicken, wenn sie erfuhren, dass ihr Sohn auch noch zu spät zum Unterricht kam... warum konnten sie ihn auch nicht einfach an eine ganz normale Oberschule schicken? Er könnte sogar die gleiche Schule wie Die und Kaoru besuchen, aber nein, für seine Eltern musste es natürlich diese eine besondere Schule sein, nur damit sie bei Familientreffen damit angeben konnten, auch, wenn sie Kyos Notendurchschnitt dann doch lieber für sich behielten... Kaoru blickte seinem Kollegen hinterher, bis auch er hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Kyo war zur Zeit irgendwie etwas merkwürdig... also noch merkwürdiger als sonst... als „normal“ konnte man den Jungen ohnehin nicht bezeichnen, wobei aber zu erwähnen war, dass auch die anderen Mitglieder von La:Sadie’s prinzipiell meilenweit von so etwas wie Nomalität entfernt waren. Doch das mit Kyo in letzter Zeit war etwas anderes... er verhielt sich so merkwürdig Kaoru gegenüber... Wieso machte er ihm Vorschläge, wie, dass er ihn nach Hause begleiten könne, warum rief er ihn hin und wieder einfach so ohne Grund an, sodass die beiden sich letztendlich minutenlang anschwiegen, bis einem von ihnen entweder ein Gesprächsthema oder ein plausibler Grund Aufzulegen einfiel? Wieso machte Kyo extra einen Umweg um Kaoru noch vor Unterrichtbeginn auszuquetschen, wo dieser nach der letzten Probe noch hingegangen war? Das konnte ihm doch egal sein, das war allein seine Sache... und das mit der Band... wie er Kyo kannte, würde dieser es hundertprozentig schaffen, einen neuen Bassisten für die Band aufzutreiben, das war sicher. Also konnte er das mit dem Aussteigen ohnehin vergessen... vielleicht war es aber sogar besser so... Nachdenklich machte der Oberschüler sich schließlich wieder auf den Weg, eilte jedoch nicht. Er kam ohnehin zu spät, ob nun zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten war dann auch nicht mehr wichtig... In letzter Zeit fragte sich Kaoru häufig, ob es denn überhaupt noch etwas gab, das „wichtig“ für ihn war... Kyo wäre beinahe das Kinn aus dem Gesicht gefallen, als er seine Klassentüre etwa zehn Minuten später aufschob und sich sein Klassenlehrer Sakurada-sensei vor ihm aufbaute und ihm sofort eine Moralprädigt ins Gesicht schleuderte... „Na sowas, wenn das nicht unser lieber Niimura-kun ist! Wie gütig, dass du dich doch noch dazu entschieden hast, dich zu uns zu bequemen! Wo hast du dich rumgetrieben, häh?! Du glaubst wohl, du kannst dir alles erlauben, was?“, fing der etwas ältere Lehrer an, scheinbar hatte er heute nicht unbedingt die beste Laune, stellte Kyo nüchtern fest. Und schon fuhr der Lehrer fort, seine Rede zu halten, Kyo konnte ihn nur geschockt anstarren, war unfähig, irgendetwas dagegen zu sagen, geschweige denn, sich zu wehren, „Das ist doch mal wieder typisch! Immer das gleiche mit euch... Visual Kei- freaks!“, bei dem letzten Wort drehte sich der Lehrer kurz zur Klasse um, sein Blick fiel zielgenau auf den schwarzhaarigen Jungen in der letzen Reihe, Toshimasa Hara, kurz Toshiya genannt, „Kaum habt ihr in irgendeiner Weiße eine ausgeflippte Frisur oder ein Piercing oder was weiß ich, denkt ihr, ihr könntet tun und lassen, was ihr wollt, was?“, dass Toshiya und Kyo sich, zwar als die Einzigen in der Klasse, Visual Kei-mäßig stylten mochte zwar stimmen... aber waren sie deswegen schon Verbrecher?!, „Ich vermisse die alten Schulregeln... einheitliche Frisuren, ordentliche Normen, nach denen man sich richten konnte... ich möchte nur zu gerne wissen, was für euch Jugendliche heutzutage Ideale wie diese überhaupt noch wert sind...“, Kyo wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie er wohl mit einem Borstenschnitt oder gar einer Glatze aussehen würde... er mochte seine Haare... Der Sänger hatte aber auch wirklich Pech, dass gerade Sakurada-sensei sein Klassenlehrer war. Eigentlich fand dieser Kerl ja an alles und jedem irgendetwas auszusetzen. Der eine Schüler war ihm zu dumm, der andere war in seinen Augen ein lächerlicher Streber, der eine war zu laut, der andere zu schüchtern, das Mädchen in der dritten Bank hatte seiner Meinung nach die falsche Augenfarbe und Kyos Banknachbar Satoshi wurde kritisiert, weil er Brillenträger war. Sakurada-sensei war eine wandelnde Katastrophe, wie sie im Buche stand. Er schikanierte jeden Schüler, seine „Lieblinsopfer“ waren jedoch immer noch diese, wie er sie abwertend nannte, „Visual Kei- freaks“, sprich: Kyo und Toshiya. Diese beiden hatte er am meisten auf den Kieker. Ansonsten regte er sich auch über alles auf, und wenn es nur das Wetter war und war generell nicht leicht zufrieden zu stellen. Gute Noten zu bekommen war bei ihm so gut wie unmöglich. Er war schlichtweg ein Alptraum von Klassenlehrer. Um nicht Kiloweise Wut über den Lehrer in sich anzusammeln versuchte Kyo immer, sich einzureden, der Gute wäre einfach nur alt und verbittert, das Leben hatte ihn wohl nicht fair behandelt, oder so etwas in der Art... „Ich will, dass du heute nach der Schule nachsitzt, haben wir uns verstanden?!“, lautete die Strafe für Kyos Zuspätkommen. Dieser öffnete empört den Mund und wollte sich wehren, „Aber... ich hab heute nach der Schule schon was vor! Ich kann nicht länger bleiben, ich habe einen Termin!“, protestierte er lauthals. Sein Herz hatte angefangen zu klopfen, in seinem Kopf flogen wirre Gedankenfetzen umher, Panik machte sich in ihm breit. Er wusste nur eines, er durfte das nicht... Allein der Gedanke daran, er würde die Bandprobe verpassen verdrehte ihm den Magen. Was würde Kaoru denken, wenn er nicht rechtzeitig auftauchen würde? Oder wenn er so lange nachsitzen musste, dass er heute überhaupt nicht mehr zur Probe gehen konnte? „Das hättest du dir früher überlegen sollen! Der werte Herr glaubt wohl, sich einbilden zu können, nur weil er einen Termin hat müsse er nicht nachsitzen, oder was? Wo kämen wir denn da hin, wenn ihr euch auch noch aussuchen könntet, wann es euch genehm ist, nachzusitzen?!“, donnerte der Lehrer und schnauzte Kyo mit hochrotem Kopf an. Was für eine Unverschämtheit war das in seinen Augen! So etwas konnte und wollte er sich nicht bieten lassen, nicht von dieser halben Protion mit blondierten Haaren! Der Kleine glaubte wohl, auch noch frech werden zu müssen?! „Aber es geht nicht...“, versuchte Kyo weiter, seine Strafe abzuwenden, er konnte doch nicht einfach nicht zur Probe kommen... Kaoru würde wieder gehen oder sauere auf ihn werden oder sonst irgendwas... er würde einfach wieder gehen, vielleicht würde er sich wieder irgendwo herumtreiben... und in dem Zustand, in dem sich der Gitarrist zur Zeit befand, würde es Kyo nicht wundern, wenn ihm tatsächlich einmal etwas zustoßen würde... er wollte sich nicht schon wieder Sorgen um seinen Kollegen machen müssen, er wollte nicht schon wieder um ihn Angst haben... „Du kannst auch gerne noch zusätzlich den Putzdienst übernehmen, Freundchen! Ich habe keine Lust, mir von dir vorschreiben zu lassen, was geht und was nicht, haben wir uns verstanden?!“, Sakurada-senseis Kopf wurde immer röter und röter, der kleine Widersacher vor ihm schien ihn langsam aber sicher in den Wahnsinn zu treiben. In Kyos Blick konnte man Verzweiflung erkennen. Er konnte nicht nachsitzen, er musste doch zur Probe!! Er musste zu Kaoru und den anderen! Er konnte nicht einfach hier bleiben... und er wollte das auch gar nicht... „Aber...“, fing er wieder leise an, doch allein Sakurada-seinseis Blick brachte den sonst nie um eine Antwort verlegenen Kyo dann doch wieder zum Schweigen, zerknirscht biss sich der Kleine auf die Lippe, in seinem Inneren tobte beinahe ein Vulkan. Was würde er dafür geben, dem Lehrer nur ein einziges Mal eine zu verpassen, gerade jetzt wäre der Zeitpunkt dafür ideal... Wut staute sich in Kyo auf, Wut und Verzweiflung und er glaubte langsam, dies nicht mehr lange unterdrücken zu können... Sakurada-sensei sprach weiter, hielt weiter seine Predigten und las Kyo die Leviten, was dem Bengel denn einfiele, wer er glaubte zu sein, sich eine solche Widersetzung erlauben zu können. Nicht mehr lange und Kyo würde austicken, wenn er dem Lehrer nicht eine herunterschlug zertrümmerte er eben irgendetwas anderes... „Sensei!“, unterbrach plötzlich eine Stimme aus dem hinteren Teil der Klasse den Lehrer, der sich darauf hin empört über diesen unangebrachten Zwischenruf umdrehte. Toshiya war aufgestanden und stemmte seine Hände auf sein Pult. Entschlossen sah er den Lehrer an. Wieso musste dieser nur immer so ein Theater machen, wenn mal jemand zu spät kam? Wieso musste er aus jeder noch so kleinen Mücke einen riesigen Elefanten machen? Konnte er nicht wie jeder andere einen Klassenbucheintrag tätigen und für den Rest der Stunde Gras darüber wachsen lassen? Sein ewiges Geschwafel über Respekt, Anstand, Moral und weiteren Dingen von denen er, Toshiyas Meinung zu folge, nicht einmal unbedingt etwas verstand, gingen dem Schwarzhaarigen jedes Mal gehörig auf die Nerven. Er hasste es. Dieses Rumbrüllen störte seine Tagträumereien, er wollte doch nur seine Ruhe haben! Jetzt wurde bei ihm zu Hause schon ständig Lärm gemacht, dann konnte er sich nicht einmal in der Schule davon erholen? „Warum verlegen sie das Nachsitzen nicht einfach auf morgen? Dann wäre das Problem doch gelöst und Sie könnten mit dem Unterricht fortfahren!“, meinte Toshiya, sein genervter Unterton war nicht zu überhören. Kyo warf dem Jungen einen erstaunten Blick zu. Dass der sonst so ruhige Toshiya gerade Sakurada-sensei die Stirn bot war auch nicht gerade alltäglich! Das hätte er ihm gar nicht zugetraut... Vermutlich hätte der Junge auch besser daran getan, seine Meinung nicht so offen kund zu geben... jemandem, der von sich selbst so sehr überzeugt war wie ihr Klassenlehrer, sollte man eigentlich keine Besserungsvorschläge entgegenbringen, zumindest nicht, wenn man sich damit geradewegs in die Gefahrenzone katapultierte... „Weißt du was, Hara? Was hälst du davon, wenn du Niimura heute beim Nachsitzen Gesellschaft leistest? Dann ist der Arme nicht so ganz alleine! So, und jetzt will ich nichts mehr hören, verstanden? Schlag eure Bücher auf! Und wehe, ich höre auch nur einen Mucks!!“, mit diesen Worten drehte sich Sakurada-sensei noch einmal zu Kyo um ihm einen gehässigen Blick entgegenzubringen und ihn anzuschnauzen, er solle sich gefälligst an seinen Platz setzen, und schon war das Geschrei zu Ende. Die Schüler gehorchten, niemand sprach auch nur ein Wort, obwohl jeder von ihnen der Meinung war, dass es unfair war, Toshiya Nachsitzen aufzubrummen, der ja nun wirklich nichts getan hatte, doch vorsichtshalber hielten alle lieber den Mund. Und so wurden ein unfair behandelter Toshiya, dem ungläubig wohl oder übel nichts anderes übrig blieb, als sich mit dem Urteil des Lehrers abzufinden, und ein gerade deswegen von Schuldgefühlen geplagter Kyo, dem das Nachsitzen immer noch nicht in den Kram passte, ihren Problemen alleine überlassen. TBC Kapitel 4: Teil 4 ----------------- ~* Nobody’s hell like mine *~ Teil 4 „Tut mir leid, dass ich zu spät bin, Minami-sensei...“ „Kaoru-kun! Da bist du ja!“, Minami-sensei kam hinter ihrem Pult hervor und ging Kaoru entgegen, als dieser die Türe zu seinem Klassenzimmer aufgeschoben hatte und eingetreten war. Er blickte auf und in das Gesicht seiner Klassenlehrerin, die vor ihm stand und ihn bosorgt ansah, „Ich hab dich im Klassenbuch schon als fehlend eingetragen, ich dachte, du wärst krank weil du nicht da warst, ist alles in Ordnung?“ Kaoru sah seine Lehrerin nur schweigend an. Ein paar Sekunden später nickte er einfach nur leicht mit den Kopf und senkte seinen Blick zu Boden. Im Augenblick war er ziemlich verwirrt, seine Gedanken waren ganz wo anders... er musste an die Unterhaltung mit Kyo vor ein paar Minuten denken, an Die, dessen größtes Problem zur Zeit anscheinend sein sich häufendes Zuspätkommen war und an Tetsuro. Natürlich. Er musste immer an ihn denken. Tagsüber und Nachts sogar noch mehr. Wenn er alleine war, nicht schlafen konnte und seinen Gedanken freien Lauf lies, fanden sie immer einen Weg zu ihm. Und dort blieben sie dann hängen. Liesen sich nicht beirren... Oft konnte Kaoru an nichts anderes denken und es tat weh. Sehr weh... Der Junge bemerkte nicht, dass die ganze Klasse ihn neugierig anstarrte, einige hatten angefangen, ihre Köpfe zusammenzustecken und sich hinter vorgehaltener Hand über Kaoru zu unterhalten. Er sähe blass aus, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. Vielleicht hatte er Kummer oder Probleme zu Hause... Fest stand, dass mit ihm irgendwas nicht stimmte. Warum sonst sollte er seit ein paar Wochen so von Grund auf anders sein? Ihnen war nicht entgangen, dass sich ihr Mitschüler um nahezu 180° gedreht hatte. Er hatte sich verändert, war zurückhaltener, ruhiger und verschlossener geworden. Er unterhielt sich mit niemandem mehr, nicht mal seinen Banknachbarn, er meldete sich nicht mehr im Unterricht, nicht wenn er die Antwort auf eine Frage der Lehrer wusste und auch nicht mehr, wenn er etwas nicht verstanden hatte und noch einmal nachfragen musste... er war so anders geworden... irgendetwas stimmte definitiv nicht mit ihm... Kaoru, der das Ganze nicht bemerkt hatte blickte nur wie erstarrt zu Boden. In Gedanken ging er das Gespräch mit Kyo noch einmal durch, dachte daran, wie entschlossen sein Kollege gewesen war, einen neuen Bassisten aufzutreiben damit er nicht aus der Band ausstieg. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter, zuckte leicht zusammen und blickte etwas überrascht wieder hoch. „Komm mal mit nach draußen, Kaoru, ich würde gerne mit dir reden...“, meinte seine Lehrerin leise, drehte den Jungen um und schob ihn sanft an den Schultern durch die Tür nach draußen. „Und ihr seid in der Zwischenzeit bitte leise! Wiederholt noch einmal die vorherige Aufgabe!“, meinte sie zu den anderen Schülern und schob die Türe wieder hinter sich zu. „Was ist denn nur los mit dir? Du siehst gar nicht gut aus, bist du sicher, dass du nicht krank bist?“, fragte Minami-sensei leise als sie mit Kaoru auf dem Gang vor dem Klassenzimmer stand, eine Hand auf Kaorus Schulter um ihm zu zeigen, dass er ihre volle Aufmerksamkeit hatte. Kaoru stand nur da, den Kopf gesenkt. „Nein, ich bin nicht krank. Es geht mir gut... ich bin nur etwas müde...“, meinte er leise, schüttelte zur Bestätigung leicht den Kopf, sein Blick haftete weiterhin am Boden. Na toll. Jetzt wollte sogar noch seine Lehrerin wissen, was los war... „Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Du hast dich in letzter Zeit so verändert, so kenne ich dich gar nicht! Du bist so still und zurückhaltend geworden und du wirkst ständig so traurig und deprimiert... das ist nicht nur mir aufgefallen, auch deine anderen Lehrer machen sich langsam Sorgen!“, meinte die junge Frau besorgt und ihre Stimme wurde langsam aber sicher etwas lauter, „Hast du Probleme zu Hause, Streit mit den Eltern oder mit deinen Freunden? Ist irgendwas passiert? Ist jemand krank oder gestorben?“ Warum musste sie ihn nur so mit solchen Fragen löchern? Es ging die junge Frau im Grunde doch überhaupt nichts an! Wieso musste jetzt auch noch sie anfangen, sich Sorgen zu machen? Damit verschwendete sich doch nur ihre kostbare Zeit. Und es reichte Kaoru doch schon, wenn seine Freunde und seine Mutter ihm in den Ohren hingen oder sich um ihn sorgten und jetzt auch noch Minami-sensei? Warum konnten ihn nicht einfach alle in Ruhe lassen? Dass er nichts sagte musste ihnen doch zu verstehen geben, dass er schlicht und einfach nicht darüber reden wollte, oder? Nicht einmal mit Kyo redete er darüber... Wieder schüttelte der Junge den Kopf. Minami-sensei strich sich nervös eine Haarsträhne, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte hinters Ohr zurück und blickte weiterhin besorgt ihren Schüler an. Nie hätte sie gedacht, dass sich gerade Kaoru Niikura einmal zu einem ihrer Sorgenkinder entwickeln würde. Nicht nur, was seine derzeitigen schulischen Leistungen, die in den letzten paar Wochen rapide abgenommen hatten, anging. Auch so machte sie sich riesige Sorgen um ihn. Er wirkte wirklich, als hätte er gravierende Probleme. Sie konnte sich vorstellen, dass diese Probleme vielleicht mit seinem Zuhause zu tun hatten. Es kam nicht selten vor, dass Schüler ihre schulischen Leistungen vernachlässigten, wenn es vielleicht in der Familie krieselte. Sie kannte Kaorus Eltern nicht, nur seine Mutter flüchtig auf Grund der Elternsprechtage, somit wusste sie auch nichts genaueres über seine Familienverhältnisse und das familiäre Klima zu Hause. Vielleicht ging dort etwas vor, von dem niemand etwas ahnte... oder sollte der Jugendliche vielleicht Probleme mit anderen seines Alters haben? Vielleicht war er ein Mobbingopfer, wurde erpresst oder so etwas in der Art, er könne es ihr ruhig anvertrauen, wenn seine Probleme in eine solche Richtung gingen... Das zumindest sagte sie ihm alles. Sie redete und redete und Kaoru hörte nur mit einem Ohr zu. Langsam wurde ihm das alles zu viel... Die junge Frau wusste doch gar nicht, wovon sie da redete... Seine Probleme hatten nichts mit seinem Zuhause zu tun. Und erpresst wurde er auch nicht... Immer wieder schüttelte Kaoru den Kopf, murmelte ständig „Nein, nein, nein...“ vor sich her, was jedoch nicht wie erhofft die Fragerei und Rederei der Lehrerin beendete, sondern sie anscheinend noch mehr dazu veranlasste sich Sorgen zu machen. Natürlich hatte er ein Problem... sonst wäre er wohl kaum so drauf wie im Moment. Das wusste Kaoru auch... Aber er konnte ihr von seinem Problem nicht erzählen. Nein, das konnte er einfach nicht. Sie würde es nicht verstehen. Ebenso wenig, wie Kyo oder die anderen oder gar seine Familie es verstehen würden... er konnte es niemandem sagen... „Ich brauche keine Hilfe, verstehen Sie das denn nicht?!“, entgegnete der Junge schließlich forsch als seine Lehrerin sogar den Vorschlag aufscheinen lies, ihn zum Schulpsycholgen zu bringen, wenn er jemanden brauchte, der mit ihm redete. „Ich brauche niemanden, der mit mir redet oder mir zuhört oder sonst was tut und ich brauche auch niemanden, der sich Sorgen um mich macht oder mich bemitleidet, okay?! Das hab ich ihm auch schon gesagt... warum versteht das denn keiner?!“, meinte der Junge verärgert und dennoch sichtlich verzweifelt. Er schien aufgewühlt, holte tief Luft, strich sich nervös die Haare aus dem Gesicht und ging unruhig ein paar Schritte hin und her, drehte sich hin und wieder von seiner Lehrerin weg und wieder zu ihr. Eine seiner Angewohnheiten... herumgehen, wenn er nervös war. Genauso, wie er herumstreunte, wenn er nachdenken musste... Die Lehrerin sah ihn verwundert an, diesen forschen Tonfall war sie von dem sonst immer fröhlichen und höflichen Kaoru nicht gewohnt, „Wem hast du das auch schon gesagt?“ „Ach, einem Freund von mir...“, meinte Kaoru gereizt. Er musste daran denken, wie Kyo ihm gesagt hatte, er würde sich Sorgen um ihn machen. Und er hatte es irgendwie lächerlich gefunden. Wieso sollten andere ihre Zeit damit verschwenden, sich um ihn Sorgen zu machen? Hatten sie keine eigenen Probleme? Warum sahen sie nicht zu, dass sie ihe eigenen Angelegenheiten richtig auf die Reihe kriegten und mischten sich stattdessen in sein Leben ein? Kaoru wusste, dass Kyo es auch nicht gerade einfach hatte. Seine Eltern setzten hohe Erwartungen in ihn, machten ihm gehörigen Druck wenn es um die Schule ging. Die Schule und seine Zukunft, das waren die einzigen Gesprächsthemen im Hause Niimura. Und Kyos Band, La:Sadies, von der seine Eltern nicht unbedingt sehr begeistert waren. In ihren Augen war es eine Schande, sich mit ein paar anderen durchgeknallten Jugendlichen, die sich anzogen wie die „Hottentotten“ auf eine Bühne zu stellen und „solch furchtbare Musik“ zu machen. Kyo sollte sich lieber auf’s Lernen konzentrieren, was ihm ja nicht schaden konnte... Kyo hatte seine eigenen Probleme. Kaoru wollte nicht, dass er sich dann auch noch um ihn sorgte... Er wollte das einfach nicht... er wollte niemanden mit seinen Problemen belasten... niemanden... „Ich möchte einfach nicht darüber reden, okay? Ich will alleine damit fertig werden, ich will niemandem zur Last fallen...“, murmelte Karou diesmal darauf bedacht, etwas freundlicher zu klingen. Immerhin meinte Minami-sensei es doch nur gut mit ihm... wie es alle immer nur „gut mit ihm meinten“... „Aber du fällst doch niemandem zur Last...“, meinte die junge Frau mitleidig... „Ach, das sagen sie alle. Und am Ende bin ich dann schuld, wenn Sie Depressionen kriegen oder irgendwer agressiv wird, weil er sich von meiner schlechten Laune hat anstecken lassen...“, meinte Kaoru etwas abfällig, wusste dabei aber selbst nicht so genau, was er da redete. Er wollte doch nur seine Ruhe haben, er wollte doch nur, dass ihn alle in Ruhe liesen, war das so schwer zu verstehen?! „Ich weiß, dass meine schulischen Leistungen zur Zeit nicht so toll sind“, fuhr er fort, „Und wenn es sie beruhigt, werde ich mir eben wieder etwas mehr Mühe geben... aber hören Sie auf, sich Sorgen um mich zu machen... Bitte...“, meinte er und blickte die junge Lehrerin mit einem etwas gezwungenem Lächeln an, sah ihr etwas unsicher in die Augen, „Mir kann sowieso keiner helfen..“, fügte er fast flüsternd mit trauriger Stimme hinzu... eigentlich wollte er diesen Gedanken gar nicht aussprechen, als er sah, wie Minami-sensei wieder ansetzte, etwas dagegen zu sagen meinte er noch schnell und wieder lächelnd, „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich würde jetzt doch ganz gerne dem Unterricht beiwohnen, ja?“ Und mit diesen Worten trat er einen Schritt zurück, verbeugte sich kurz und trat schließlich entschlossen durch die Tür in sein Klassenzimmer, wo er sich, die neugierigen und teils auch besorgten Blicke der Anderen ignorierend, an seinen Platz in der vorletzten Reihe setzte. Er packte seine Sachen aus und setzte sich hin. Der verwunderten jungen Lehrerin blieb also nichts anderes übrig, als ihrem Schüler in die Klasse zu folgen und mit dem Unterricht fortzufahren. Wie es schien hatte sie es hier wirklich mit einem Problemkind zu tun, dessen Probleme wohl tiefer gingen, als Kaoru es sich selbst einstehen wollte... das würde ein harter Brocken werden, an ihn ran zu kommen würde bestimmt nicht einfach sein... und dennoch wollte die junge Pädagogin sich daran versuchen. Gerade Kaoru, der ein sonst so lebensfroher und gutgelaunter Junge war, wollte sie helfen. Auch, um seine Leistungen wieder zu steigern, damit er den Abschluss der Oberstufe auch seinen Fähigkeiten entsprechend absolvieren konnte. Es wäre wirklich eine Schande, wenn der sonst doch recht begabte Junge sich seine Zukunft anhand dieser depressiven Phase, die er zur Zeit anscheinend durchzustehen hatte, verbauen würde... Nach dem Unterricht räumte Kyo murrend seine Sachen zusammen und stapfte mißgelaunt aus seinem Klassenzimmer. Sakurada-sensei hatte ihm doch tatsächlich Nachsitzen aufgebrummt. Kyo wusste, was das bedeutete, immerhin war das nicht das erste Mal, dass er wegen irgendetwas nachsitzen musste, wenn der Klassenlehrer der 1.3 Nachsitzen erteilte, konnte man damit rechnen, dass man vor abends garantiert nicht zu Hause war. Warum musste ihm das auch ausgerechnet heute passieren? Nur, weil er etwas zu spät gekommen war? Er konnte doch streng genommen nicht einmal etwas dafür, er hatte einfach die Zeit vergessen während er mit Kaoru geredet hatte... Das bedeutete zwar nicht, dass er, wenn er die Uhrzeit gewusst hätte sich deshalb mehr beeilt hatte, immerhin war es ihm sehr wichtig gewesen, mit Kaoru zu reden, doch der Lehrer wusste das ja nicht. Bei dem war es aber ohnehin nicht von Bedeutung, was der Grund für einen Schüler war zu spät zu kommen. Nachsitzen gab’s sowieso... Also musste Kyo sich nun einen Stock tiefer begeben, wo in einem Klassenzimmer, das den ganzen Nachmittag über frei war, die Schüler nachsitzen mussten. Ein Lehrer der zur Zeit keinen Unterricht gab würde dort an dem Pult sitzen, Tests, Hausaufgaben oder Schularbeiten korrigieren und den Aufpasser für die „ungezogenen Rotzbengel“ spielen, von denen es an dieser Oberschule im Verhältnis zu der Anzahl der Schüler tatsächlich nur sehr wenige gab. Als Kyo einfiel, dass er nicht der Einzige war, der den heutigen Nachmittag unfreiwillig in der Schule verbrachte und dass Toshiya mehr oder weniger seinetwegen ebenfalls Nachsitzen verordnet bekommen hatte, beschloss der Blonde, vor der Klasse noch auf seinen Klassenkameraden zu warten. Er wollte sich wenigstens entschuldigen... gerade Toshiya Nachsitzen eingebracht zu haben passte ihm gar nicht in den Kram. Toshiya war so ziemlich der Einzige an dieser furchtbaren Schule, der sich nicht für zu gut hielt um sich mit dem kleinen Sänger zu unterhalten, die beiden wechselten immerhin hin und wieder ein paar Worte miteinander, hatten ähnliche Interessen und waren beide nicht gerade beliebt bei Sakurada-sensei. Außerdem trafen sie sich oft, wenn sie am Wochenende aus waren und führten hin und wieder ganz interessante Gespräche, auch wenn Kyo sich oft nur an die Hälfte oder so erinnern konnte. Mit Toshiya verstand er sich eigentlich ganz gut. Einer der wenigen, der diese Privatschule ebenfalls für spießig und doof hielt und sie nicht in den höchsten Tönen lobte... Der einzige Unterschied zwischen den beiden: Toshiya war ein überaus begabter Musterschüler. Obwohl er eigentlich noch das letzte Jahr die Schulbank der Mittelschule drücken sollte, hatte er im Frühjahr die Aufnahmeprüfung für diese Privateliteschule gemacht und ohne Probleme bestanden. In der Mittelschule wäre er unterfordert gewesen, hatten seine alten Lehrer gemeint und auch jetzt überlegte man, ob man ihn nicht einfach in eine Klasse des 2. Jahrgangs der Oberschule stecken sollte. Laut Sakurada-sensei langweilte sich der Schwarzhaarige nur im Unterricht. Seine Noten gehörten zu den Besten, an die kam Kyo im Traum nicht heran... Toshiya verlies als Letzter das Klassenzimmer, er hatte wieder in seinen Tagträumen gehangen und das Läuten nicht richtig mitbekommen. Eigentlich hatte er ja jetzt nicht unbedingt Lust, Nachzusitzen aber ihm war es eigentlich egal. Zu Hause würde er sich nur wieder diese ewigen Streitereien seiner Eltern anhören müssen oder unfreiwillig mitbekommen, wie das Hausmädchen von seiner Mutter, die aufgeladen wie nach jedem Streit mit seinem Vater, ihre Wut an irgendjemandem auslassen musste, angeschrieen und fertig gemacht wurde, bis sich die junge Frau wieder in ihr kleines Zimmer am Ende des Korridors im ersten Stock verkroch und sich die Augen ausheulte. Toshiya zog es vor, so wenig wie möglich zu Hause zu sein und verzog sich nach der Schule meistens in den Park um etwas zu lesen oder besuchte die Musikschule oder seinen Karate- und Computerkurs, dem er je zweimal die Woche am Abend beiwohnte. Freunde, zu denen er sich verziehen konnte hatte er nicht viele, sein älterer Cousin, der das zweite Jahr an der Toudai-universität studierte nahm ihn hin und wieder für eine Nacht bei sich im Wohnheim auf, sollte es mal zu heftig bei den Haras zugehen. Sein Cousin war es auch, der Toshiya wochenends oft auf eine Party oder mit seinen Kumpels mit auf Kneipentour nahm. „Oi, Toshiya!“, wurde der Schwarzhaarige aus seinen Gedanken gerissen. Er wirbelte herum, nachdem er die Klassenzimmertüre geschlossen hatte und erblickte einen kleinen blonden Jungen lässig neben der Tür an der Gangwand lehnen. „Oh, Kyo... was gibt’s?“, fragte der Größere verwundert. Kyo sah etwas verlegen drein und holte tief Luft. „Hör zu... tut mir echt leid, dass ich dir das heute eingebrockt hab...“, meinte der Blonde, „Zur Zeit geht alles drunter und drüber... ich weiß auch nicht...“, murmelte er und sah Toshiya interessiert dabei zu, wie dieser an seinem Rucksack herumfummelte um das Chaos, das seine zahlreichen Schlüsselanhänger an den zahlreichen Reißverschlüssen darstellten, zu entwirren und in eine halbwegsige Ordnung zurückzuführen. Diese Sammlerstücke zu bekannten Animeserien waren nur schwer zu bekommen gewesen, da wollte er sie auch voller Stolz herumtragen. „Ach... ist schon okay. Da kannst du ja nichts dafür. Ich hab’s ja auch nicht für dich getan... mir ging Sakurada-sensei nur mal wieder tierisch auf den Geist, du kennst das ja... wenn der nicht immer so viel reden würde...“, meinte Toshiya und rückte seinen Rucksack wieder gerade als er seine Schlüsselanhänger in die gewünschte Position zurückbefördert hatte. „Ja, aber wenn ich heute nicht zu spät gekommen wäre...“, setzte Kyo von neuem an. Er hatte wirklich Schuldgefühle, doch Toshiya schien seinen Ärger gut zu verbergen... oder es war ihm tatsächlich egal... „Ist schon okay, ehrlich! Ich hab sowieso nichts zu tun... so hab ich wenigstens jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann!“, meinte Toshiya und lächelte Kyo an. Er musste sich doch keine Vorwürfe deswegen machen. Wäre es nicht sein Zuspätkommen gewesen, hätte Sakurada-sensei vermutlich irgendetwas anderes zum Daranherummeckern gefunden, was dem Schwarzhaarigen dann ebenfalls nicht minder auf die Nerven gegangen wäre. Kyo nickte und schenkte seinem Mitschüler ein dankbares Lächeln. Wenigstens war er nicht sauer und irgendwie hatte er auch recht. Auch wenn Kyo seinen heutige Probe versäumen würde, so hatte er immerhin die Gelegenheit, sich mal wieder mit Toshiya zu unterhalten, was seiner Erfahrung nach zu urteilen nicht uninteressant werden konnte... „Also, gehen wir, oder? Nicht, dass wir wieder Nachsitzen aufgebrummt bekommen, weil wir zu spät zum Nachsitzen erscheinen!“, scherzte Toshiya herum und machte sich auf den Weg. Kyo folgte ihm schmunzelnd und keine fünf Minuten später saßen die beiden Oberschüler in der letzten und vorletzten Bank des Klassenzimmers ein Stock tiefer am Fenster, Kyo hatte seinen Sessel so umgedreht, dass er Toshiya ansehen konnte. Der Lehrer, der die Aufsicht hatte, hatte nichts dagegen, wenn die Jungs sich leise unterhielten, hatte er gemeint, er selbst musste nur ein paar Hausaufgaben kontrollieren und sich auf seine nächste Unterrichtsstunde vorbereiten. Was die beiden Jungs taten war ihm ziemlich egal. Nebenbei bemerkt waren Kyo und Toshiya heute scheinbar die Einzigen, die der Zorn eines Lehrers getroffen hatte. Außer ihnen schienen alle, die keinen Nachmittagsunterricht mehr hatten, bereits den Nachhauseweg anzutreten. Beneidenswert, dachte Kyo als er wieder an die Probe denken musste, die er heute verpassen würde... was würde er geben, dabei sein zu können... er hatte Kaoru heute noch gesagt, wie viel ihm die Proben bedeuteten und er hatte mit seinen Worten nicht übertrieben, doch einfach abhauen konnte er sich nicht leisten. Würden seine Eltern das herausfinden, würden sie ihm die Hölle heiß machen. Also hieß es dieses Mal wohl Augen zu und durch! Da fiel Kyo plötzlich ein, dass er den anderen noch nicht Bescheid gegeben hatte, dass er heute nicht auftauchen würde, schnell zog er sein Handy aus der Hosentasche, schaltete es an und suchte in seinem Telefonbuch schnell nach Kaorus Nummer. Toshiya warf einen neugierigen Blick auf das Handy seines Klassenkamereden und fragte wissbegierig, wen er denn anrufen wolle. Kyo musste grinsen. Toshiya war außerhalb des Unterrichts wie ausgewechselt. Viel offener und interessierter als während des Unterrichts... und er wirkte viel ausgeschlafener und nicht, als würde er jeden Augenblick vor Langeweile einschlafen... „Ich muss noch unseren Bandleader anrufen und ihm ausrichten, dass ich es heute leider nicht zur Probe schaffe... ich hoffe mal, er ist nicht böse auf mich...“, meinte Kyo und als sich wieder seine Befürchtungen, Kaoru könnte beleidigt einfach zu Hause bleiben oder den anderen sagen, er wolle die Band verlassen, wieder in seine Gedanken schlichen, spürte er wieder dieses leichte Stechen in seiner Brust. Er wollte das einfach nicht, er wollte nicht, dass Kaoru die Band verließ... hoffentlich hielt er sich an ihre Abmachung mit dem Bassisten den Kyo auftreiben wollte... „Du hättest heute Probe?“, fragte Toshiya interessiert nach, „Für La:Sadie’s, richtig?“, Kyo nickte und tätigte schließlich den Anruf zu Kaorus Handy, „Also das meintest du mit dass du schon was vor hast... Euer Leader heißt Niikura, oder?“, wieder nickte der Blonde und legte kurze Zeit später auf. „Komisch, er hat sein Handy nicht an... vielleicht ist der Akku leer...“, murmelte Kyo und suchte nach der Nummer von Kaorus Haustelefon. Toshiya sah ihn gespannt an. Kyo ließ es ein paar Mal klingeln, doch dann sprang der Anrufbeantworter der Niikuras an und die sympathische Stimme von Kaorus Mutter gab Bescheid, dass sich zur Zeit niemand zu Hause befinden würde und man es doch bitte etwas später noch einmal versuchen oder seinen Namen und Telefonnummer hinterlassen solle um zurückgerufen werden zu können. Ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen legte Kyo auf. Er seufzte leise. Ein Blick auf die Uhrzeitanzeige seines Handys bestätigte seinen Gedanken, dass Kaoru eigentlich schon längst zu Hause sein sollte. An diesem Tag hatte Kaoru nicht lange Schule und saß für gewöhnlich um diese Zeit zu Hause und wärmte sich sein Mittagessen auf. Doch dieses Mal schien das nicht der Fall zu sein. Vielleicht verspätete er sich ja... Kyo beschloss, es in zehn Minuten noch einmal zu versuchen. „Ist er nicht zu Hause?“, fragte Toshiya nach, der sich inzwischen mit den Ellenbogen auf der Tischplatte des Schulpultes gelehnt hatte und nun seinen leicht schief gelegten Kopf auf seine Hände stützte. Kyo seufzte wieder unbewusst und hob den Blick um seinen Gegenüber anzusehen. „Sieht so aus... das ist seltsam...“, in Gedanken fragte er sich, ob Kaoru nun wohl auch noch anfing schon am hellichten Tage durch die Stadt zu streifen, verwarf diese Idee aber schnell wieder. Wieso sollte er? Er hatte keinen Grund dazu... nur denselben Grund, den er auch abends hatte herumzustreunen... Hoffentlich war er nicht einfach irgendwo... Unruhe überkam den Jungen und er zückte noch einmal sein Handy, ungeahnt dessen, dass noch nicht einmal zwei Minuten seit seinem letzten Anruf verstrichen waren... Als er es folgend noch viermal versucht hatte, seinen Bandkollegen zu erreichen, gab er schließlich auf. Weder an sein Handy, das immer noch ausgeschalten war, noch an das Haustelefon ging Kaoru ran. Entweder wollte er mit niemandem reden und seine Ruhe haben, was durchaus der Fall sein konnte, oder er war schlichtweg noch nicht zu Hause... Kyo fing schon wieder an, sich Sorgen zu machen. Schließlich hatte er noch Die angerufen, der jedoch auch keine Ahnung hatte, wo der Bandleader steckte, er habe ihn heute nicht mehr gesehen, und ihm Bescheid gesagt, dass er die Probe dieses Mal wohl nicht besuchen könne und den Rothaarigen gebeten, Kaoru das auszurichten, wenn dieser zur Probe bei Shinya zu Hause aufkreuzte. Und Kaoru sollte Kyo unbedingt zurückrufen, es wäre sehr wichtig... Die hatte zugestimmt und Kyo noch kurz blöd angemacht, was dessen Nachsitzen anging, entschuldigte sich aber sofort wieder als er merkte, dass der kleine Blonde nicht gerade zum Spaßen aufgelegt war, bevor er wieder auflegte. Wieder seufzte Kyo und verstaute sein Mobiltelefon wieder in seiner Hosentasche. Nun konnte er sich wieder Toshiya widmen, der ihm fasziniert beim Telefonieren zugesehen hatte. „Das ist echt doof, dass du heute deine Probe verpasst... ihr seid doch gar nicht so schlecht, oder? Ich glaub, ich hab euch in den letzten Sommerferien mal kurz wo gehört... zumindest kam mir der Name der Band bekannt vor, als du den mal erwähnt hast, aber da wusste ich noch nicht, dass ihr das seid... zu wievielt seid ihr? Zu fünft? Kannst du mir die Namen deiner Kollegen noch mal sagen, ich weiß nicht mehr alle, ich glaub das letzte Mal als du sie mir aufgezählt hast hatte ich mindestens eine Colarum zu viel...“, sprudelte der Schwarzhaarige plötzlich los und lächelte seinen Gegenüber etwas verlegen an, Kyo sah ihn fast schon überrascht an. Wie gesagt. Außerhalb der Unterrichtszeit war Toshiya wie ein anderer Mensch... „Ähm... also, zur Zeit sind wir zu viert... Tetsuro-san ist nach Deutschland gezogen weil sein Vater dort Arbeit gefunden hat und wir haben noch keinen Ersatz, also sind wir jetzt Kaoru, Die, Shinya und ich... Ich weiß auch nicht, aber zur Zeit läuft es leider nicht so gut... Kao hat voll den Durchhänger... er war sehr eng mit Tetsuro befreundet, weißt du... und naja... jetzt steckt er irgendwie in einer ziemlichen Depression oder so... Ich kann nur hoffen, dass sich das nicht auf die Band auswirkt und dass es ihm bald wieder besser geht... ich mach mir Sorgen um ihn...“, antworte Kyo leise und warf dabei einen traurigen Blick aus dem Fenster. Dass er Kaoru vorhin nicht erreicht hatte ließ ihn schon wieder grübeln... Toshiya sah Kyo ernst an, „Du machst dir Sorgen um ihn? Ist es denn so schlimm? Er... wird sich doch sicher bald wieder einkriegen, oder?“, versuchte er, den Blonden aufzuheitern, der offensichtlich gerade deswegen auch nicht gerade in Hochstimmung war. „Ich weiß nicht... das geht jetzt schon drei Wochen so... Ich hab echt Angst, er könnte irgendwelchen Blödsinn anstellen...“, murmelte Kyo... als er realisierte, dass er seinen letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte und Toshiya ihn deswegen beinahe schon geschockt ansah, versuchte er jedoch, das Thema zu wechseln... „Ähm... also... Ich meine, wir sind jetzt zu viert... und irgendwie brauch ich jetzt auf der Stelle einen neuen Bassisten... du kennst nicht zufällig einen halbwegs guten Bassisten, der Bock hätte, bei uns mit zu machen?“, fragte Kyo schließlich und sah den Schwarzhaarigen gespannt an. Er meinte zu wissen, dass Toshiya ihm mal was von einer Musikschule erzählt hatte, an der er irgendwas lernte... da gab es doch bestimmt auch Leute, die Bass lernten... „Ähm... doch, zufällig schon...“, meinte Toshiya nach einer kurzen Schweigepause, wofür er sofort Kyos erstaunten Blick erntete. Das konnte doch nicht wahr sein... sein erster Versuch und schon ein Treffer? Wen kannte Toshiya? Verlegen fuhr sich Toshiya mit der Hand durch die Haare, zwirbelte nervös wirkend an einer schwarzen Haarsträhne herum und senkte seinen Blick. Das Schulpult übte plötzlich eine solch faszinierende Wirkung auf ihn aus... „Ich... hab dir doch mal erzählt... –vermutlich hast du es vergessen, du hattest damals schon einiges intus-... naja, dass ich seit kurzem Bass lerne und... naja... Also, ich weiß, ich bin jetzt sicher nicht so gut und auch nicht so erfahren, wie euer voriger Bassist... ich weiß auch nicht, ob mein bisheriges Können reicht, aber...“ Kyo starrte den Schwarzhaarigen wie gebannt an. Nein, das konnte doch nicht wahr sein... Toshiya spielte Bass? Wie konnte er das nur vergessen haben?! Und dann wäre er auch noch dazu bereit... „... vielleicht... könnte ich es ja mal versuchen?...“, verlegen blickte er wieder hoch, geradewegs in die verdutzten Augen eines kleinen, blonden Sängers, indem sich gerade innerlich eine riesige Anspannung zusammenbraute... „Das ist jetzt nicht wahr... oder?“, fragte er schließlich noch mal nach, Toshiya wirkte etwas geknickt... hatte er etwas Falsches gesagt? Vermutlich wollte Kyo keinen blutigen Anfänger in seiner Band haben, Toshiyas Können würde vermutlich in 10 Jahren nicht reichen, er hätte es wissen müssen... „Ihr... könnt mich ja immer noch... rausschmeißen, wenn ich zu schlecht bin...“, fügte der Größere verlegen hinzu... die ganze Situation war ihm irgendwie etwas peinlich... Dann jedoch sah er ein Strahlen in Kyos Gesicht aufleuchten. „Machst du Witze?! Das werden wir ja sehen! Stell dich schon mal darauf ein, dass ich dich morgen Nachmittag zur Probe mitnehme, Toshiya! Der Zeitpunkt könnte echt nicht besser sein...“ TBC Kapitel 5: Teil 5 ----------------- ~* Nobody’s hell like mine *~ Teil 5 Lustlos stocherte Kaoru in seinem Mittagessen herum. Er hatte keinen Hunger... Schließlich wurde es ihm zu blöd, nur dazusitzen und mit dem Essen herumzuspielen. Er legte die Stäbchen beiseite, trank sein Glas Cola mit einem Zug leer und stellte seinen Teller in die ausgeschaltene Mikrowelle zurück. Vielleicht hatte er später mehr Apettit. Dann schnappte er sich seinen Schulrucksack, den er neben seinem Platz am Esstisch auf dem Boden abgestellt hatte und verschwand damit in sein Zimmer. Seufzend lies er sich auf sein Bett fallen, starrte gelangweilt die in Weiß gehaltene Decke über sich an. Er wusste nicht, was er tun sollte... Vielleicht sollte er sich mit Hausaufgaben ablenken... nein, schlechte Idee... darauf hatte er nun wirklich keine Lust... also hakte er diesen Gedanken ab. Fernsehen wollte er nicht... Seufzend setzte sich Kaoru in seinem Bett auf und sah sich in seinem Zimmer um. Vielleicht fiel ihm so ein, was er machen konnte um sich abzulenken... er wollte nicht schon wieder nur an Tetsuro denken... er würde nur wieder anfangen zu heulen und davon hatte er eigentlich langsam genug. Das war doch lächerlich... Tetsuro war seit drei Wochen außerhalb Japans. Die beiden hatten sich seitdem nicht gesprochen. Kaoru kam es bereits wie eine Ewigkeit vor... er vermisste seinen ehemaligen Bandkollegen. Er würde nichts lieber tun, als sich mit ihm zu unterhalten oder ihm einen Brief oder eine e-mail zu schreiben, doch er selbst hatte es so gewollt. Keinen e-mail Kontakt, keine Telefonate, gar nichts... Die beiden hatten darüber gesprochen und waren zu dem Schluss gekommen, dass es so besser war, für beide... sie mussten es vergessen... und das würde nur so funktonieren, auch wenn Kaoru langsam aber sicher an dieser Theorie zu zweifeln begann... Doch er hätte nicht einmal die Möglichkeit, wieder mit Tetsuro in Kontakt zu treten, er kannte weder seine neue Adresse, noch seine neue e-mailadresse oder seine Telefonnummer, hatte den „Zettel für Notfälle“, wie Tetsurou ihn genannt hatte entschlossen weggeworfen, in der Überzeugung, er würde ihn nur unglücklicher machen als er ohnehin schon war... er wusste rein gar nichts... Wenn, dann musste Tetsuro es sein, der den Kontakt wieder aufnahm, er hatte noch die Möglichkeit dazu, doch Kaoru zweifelte stark daran, dass er dies tun würde... es war so schon schwer genug gewesen, nun sollte das alles auch nicht umsonst gewesen sein... „Ich muss... ihn endlich vergessen...“, murmelte Kaoru wie von Sinnen, als sein Blick verträumt an den vorrüberziehenden Wolken draußen vor seinem Zimmerfenster hängen blieb. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, Tetsuro nachzutrauern, es würde ihn nur verrückt machen... doch er konnte gar nicht anders... Als Kaoru bewusst wurde, dass er wie versteinert nach draußen geblickt und scheinbar alles um sich herum vergessen hatte, riss er sich los, stand von seinem Bett auf und ging etwas unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Sein Blick blieb an seiner Gitarre hängen, die neben seinem Bett lehnte, doch reizte es ihn gerade nicht unbedingt, sich daran zu setzen und etwas zu spielen. Er konnte sich nicht helfen, aber er hatte einfach keine Lust dazu... nie hätte er sich träumen lassen, dass er einmal keine Lust haben würde, Gitarre zu spielen. Die Musik war sein Leben, hatte er immer geglaubt, seit er damit angefangen hatte. Und er spielte schon ewig Gitarre... Er konnte nur hoffen, dass diese Phase bald wieder vorüber ging, sonst würde ihm am Ende wirklich nichts anderes mehr übrigbleiben, als seine Band zu verlassen... er konnte die anderen doch nicht aufhalten... er konnte sich ihrer Karriere doch nicht in den Weg stellen, das wäre unfair... sie würden nicht vorankommen, wenn er sich weiterhin so gehen lassen würde... er musste etwas ändern oder seine Band war tatsächlich Vergangenheit, zumindest für ihn... Deprimiert setzte sich Kaoru an seinen Schreibtisch und fing an, lustlos eine Zeitschrift durchzublättern. Wieder musste der Dunkelhaarige daran denken, was Kyo zu ihm gesagt hatte. Dass sie ihn brauchen würden, dass er nicht einfach so aussteigen könne... dass er nicht ohne Kaoru weitermachen wolle... Das konnte doch nicht wirklich sein Ernst gewesen sein? Wieso sollte der kleine Blonde so etwas sagen? Er konnte es einfach nicht ernst gemeint haben, oder? Es wäre doch die reinste Verschwendung, sein Talent aufzugeben, nur weil Kaoru zur Zeit ein solcher Idiot war... das musste er doch einsehen... warum also hatte er sowas gesagt... vertraute er so drauf, dass Kaoru nicht aussteigen würde, dass er in seinen Worten kein Risiko erkannte? Wenn ja, kannte er Kaoru gut... Kaoru würde im Leben nicht zulassen, dass Kyo seine Karriere an den Nagel hing... und das dann auch noch wegen ihm... Plötzlich sprang Kaoru auf, warf die Zeitschrift, die er eben noch halbherzig überflogen hatte achtlos auf sein Bett und trat an seinen Kleiderschrank, den er kurz nach bequemeren Klamotten als seiner Schuluniform durchforstete. Er warf sich ein AC/DC- T-shirt und einen schwarzen Kapuzenpulli über und schlüpfte in ein paar hellblaue, ausgewaschene Jeans. Er sah kurz in den Spiegel, der sich an der Innenseite des Kleiderschranks befand, ein prüfender Blick und er stellte wieder einmal diese furchtbaren schwarzen Augenringe auf seiner blassen Haut und seine schlaffen Haare fest, die er zur Zeit einfach nur abscheulich fand. Seine Wangen wirkten eingefallen, sein Gesicht müde und erschöpft. Ohne lange zu fackeln griff er in die Schublade seines Nachtkästchens und zog einen schwarzen Kajalstift heraus, der sonst nur zu Auftritten Verwendung fand, mit dem er sich schließlich um die Augen herum schminkte. Wenn schon schwarz, dann richtig... Irgendwie hatte er gerade einfach Lust dazu. Und so unterstrich sein Auftreten noch mehr seinen inneren Seelenunfrieden. So fühlte er sich. Schwarz. Schwarz wie die Finsternis, die kalte Nacht, in der er nur zu gerne alleine auf Streifzug ging um seinem Schmerz und seinen melancholischen Gedanken nachzuhängen. Schwarz wie die wohlige Dunkelheit des Schlafs nach der er sich sehnte, wenn er wieder einmal stundenlang wach lag und einfach nicht einschlafen konnte... Gerade in diesem Moment empfand Kaoru wieder tiefe Trauer. Doch in diesem Augenblick konnte er nicht weinen. Seine Tränen blieben stumm. Sein Gesicht ausdruckslos, als wäre es taub... Schnell brachte Kaoru noch seine dunklen Haare zumindest ein bisschen in Ordnung, dann schnappte er sich seine Gitarre, die er in den dazugehörigen Gitarrenkoffer packte und stapfte damit aus seinem Zimmer. Die Türe hinter ihm fiel mit einem lauten Knall ins Schloss. Entschlossen trat Kaoru in den Flur, zog sich seine Schuhe an und warf sich seine Jacke über. Mit der Gitarre im Schlepptau machte er sich schließlich auf den Weg... Sein Handy, dessen Akku ohnehin schon den Geist aufgegeben hatte, ließ er in seinem Rucksack und als das Haustelefon ein paar Minuten später Sturm klingelte und der Anrufbeantworter, den seine Mutter mit ein paar freundlichen Sätzen besprochen hatte, ansprang, hatte Kaoru die Wohnung schon längst wieder verlassen... Kyo und Toshiya hatten sich im Laufe der letzten beiden Stunden ganz gut unterhalten und lachten gerade über einen Witz den Toshiya ausgegraben hatte. Es tat gut, mal wieder gute Laune zu haben, dachte sich Kyo, der in letzter Zeit fast nur noch schlecht gelaunt und deprimiert war, da er den größten Teil seiner Freizeit mit Kaoru verbrachte, der ja in den letzten Wochen zum Meister des Schlechte-Laune-habens geworden war. Und Kyo hatte recht behalten- Gespräche mit Toshiya wurden scheinbar nie langweilig. Der Schwarzhaarige war wie ausgewechselt, riss Witze, brachte freche und gewitzte Meldungen, war schlagfertig, neugierig, fragte viel und schwärmte Kyo von verschiedenen Anime-serien oder kürzlich für sich neu entdeckte J-Rock-bands vor, der zu fast allem ebenfalls seine Meinung kundzugeben wusste. Der Gedanke, Toshiya könnte, im Falle, dass er gut genug war, in Zukunft für La:Sadie’s spielen, gefiel Kyo. Er müsste lügen, wenn er behaupten würde, die Aussicht auf einen so lustigen Bandkollegen wie Toshiya würde ihm nicht gefallen. Er mochte den Jungen. In gewisser Weise erinnerte er ihn sogar ein bisschen an Kaoru, wie dieser vor ein paar Wochen noch gewesen war... nur redete Toshiya definitiv mehr... „Gott, ich sag’s dir! Mein Cousin ist vielleicht ausgetickt, das kannst du dir nicht vorstellen!! Dabei hatte ich ihm vorher doch Bescheid gesagt! Und er war einverstanden gewesen... naja, ich kann jetzt nicht 100%-ig garantieren, ob er nicht vielleicht high war von dem ganzen Zeugs, das er sich immer reinzieht, aber er war nicht dagegen...“, erklärte Toshiya, als er Kyo davon erzählte, wie sein Cousin ihn letzens in dessen Wohnheim-zimmer mit einem Mädchen herumknutschen erwischt hatte. Kyo lachte bei der Vorstellung, jedoch achtete er darauf, nicht zu laut zu sein um die Aufsichtsperson vorne am Pult nicht zu stören. Ein breites Grinsen machte sich auf Toshiyas Gesicht breit und der beugte sich nach vorne um Kyo noch etwas ins Ohr zu flüstern, woraufhin dieser sich den Bauch vor Lachen halten musste und der Lehrer im vorderen Teil der Klasse verwundert von seiner Arbeit aufblickte. Kyo musste sich zusammenreißen, nicht vom Stuhl zu fallen... Nach einer Weile hatte er sich wieder beruhigt und Toshiya schnitt wieder ein ernsteres Gesprächsthema an. Er fing an, sich bei Kyo über seine Familie zu beschweren, regte sich über die ständigen Streitereien seiner Eltern auf und seufzte laut. Scheinbar war auch er nicht immer gut gelaunt, dieses Verhalten sah seinem Erscheinungbild während des Unterrichts schon wesentlich ähnlicher: genervt, müde. Manchmal dachte er sogar, es wäre vielleicht besser, wenn sich seine Eltern scheiden lassen würden. Kyo erschrak über diese Äußerung. Konnte er seine Eltern zwar auch oft genug in Gedanken verfluchen, ein solcher Wunsch war ihm unbekannt und sollte jemand so etwas äußern, konnte das nur bedeuten, dass sein Zuhause tatsächlich der Hölle glich... Kyo stieg in das Gespräch ein und fing an, auch seinen Kummer der Familie wegen auszupacken. Er erzählte Toshiya von dem Erfolgsdruck, der zu Hause gemacht wurde, dass er es seinen Eltern nie recht machen konnte und das er seinen Vater scheinbar ständig nur maßlos enttäuschen würde... Ihr Gespräch artete aus bis die beiden anfingen über den Sinn und die Absurdität des Lebens und der Existenz, den Schmerz und den Tod zu philosofieren. Aussagen wie „Manchmal wünsche ich mir, jemand anders zu sein“ oder „Manchmal frage ich mich, welchen Sinn das Leben überhaupt noch hat“, waren dabei keine Seltenheit, ebenso, wie die schockierende Erkenntnis, in was für einer grausamen Welt sie doch zu leben schienen, in der sich bereits Jugendliche um so etwas sorgen mussten... Kyo erzählte von Kaoru und dessen derzeitiger Verfassung, seiner Angst, er könne vielleicht auf dumme Gedanken kommen und sich etwas antun oder Ähnliches... Zuzutrauen wäre es ihm ja, Kaoru war emotional, vielleicht oft sogar zu sehr, und lies sich oft von seinen Gefühlen beherrschen, die nicht selten schon seinen gesunden Menschenverstand Schachmatt gesetzt und ihn dazu verleitet hatten, Blödsinn zu machen, wenn bisher auch nicht mit lebensbedrohlichen Folgen... Kyo wollte gar nicht darand denken, auf was für Schnappsideen Kaoru kommen könnte, würde er sich noch länger in seiner Trauer um den Verlust seines besten Freundes einkerkern... Toshiya warf seufzend einen Blick aus dem Fenster. Er kannte das nur zu gut, die Verzweiflung, die Machtlosigkeit, die Unfähigkeit, etwas ändern zu können... Manchmal war auch er nur kurz davor, sich irgendwie von seinen Problemen ablenken zu wollen, seinen Schmerzen und seelischen Qualen, unter denen er seit früher Kindheit wegen der gegenseitigen Behandlung seiner Eltern zu leiden hatte, zu entfliehen, doch hatte er bisher immer noch rechtzeitig die Kurve gekriegt. Anstatt sich selbst in Gefahr zu bringen oder sich wie sein Cousin, der ebenfalls Probleme zu haben schien mit Drogen vollzustopfen, flüchtete er sich eben in seine Aktivitäten, Sport, Lesen, sowas eben... Er flüchtete sich in seine eigene Welt in der Musik und Kunst sowie Literatur eine große Rolle spielten, früher lernte er stundenlang, um sich von dem Geschrei seiner Eltern, wenn sie zu Hause waren, oder der Einsamkeit, wenn sie auf Reisen waren, abzulenken. Ihm war das Lernen immer schon leicht gefallen... Und am Wochenende betrank er sich, sodass er mindestens jeden zweiten Sonntag mit einem Mordkater aufwachte und sich verfluchte, wieso er nicht einmal die Finger vom letzten Glas Wodka hatte lassen können... „Sieh mal“, meinte der Schwarzhaarige schließlich und nickte Richtung Fenster, „der da unten sieht aus, als würde er uns verstehen... guckt drein wie sieben Tage Regenwetter... wetten, der hat auch an ein paar Problemen zu knabbern?“, meinte er schließlich zu Kyo gewand und lächelte etwas gequält, „Vielleicht sollten wir eine Selbsthilfegruppe oder sowas in der Art gründen! Den da unten könnten wir sicher auch aufnehmen!“, Kyo schmunzelte, wie konnte Toshiya in einer solchen Situation nur Witze reißen? Der Kerl war ihm wirklich sympathisch... Neugierig warf Kyo schließlich ebenfalls einen Blick aus dem Fenster um zu sehen, von wem Toshiya eigentlich sprach. Und was er dann sah, verschlug ihm beinahe den Atem. Er sprang auf, sodass er fast seinen Stuhl umgestoßen hätte und stemmte seine Hände auf die Fensterbank. Ungläubig starrte er nach draußen, sah zur Sicherheit zweimal hin, doch es bestand kein Zweifel... er kannte die Person, die da unten am Schultor an der Wand lehnte und ein betrübtes Gesicht machte, er kannte sie nur zu gut... „Verdammte Scheiße...“, fluchte Kyo beinahe tonlos, stieß sich im nächsten Augenblick energisch von der Fensterbank ab, schnappte nach seinem Rucksack und stürmte zwischen den Tischreihen nach vorne. „Kyo?!“, zischte Toshiya hinter ihm, doch der Blonde hörte den Schwarzhaarigen schon nicht mehr. Kyo murmelte irgendwas von „auf Klo“, als die Aufsichtsperson am Lehrerpult neugierig ihren Kopf hob um zu sehen, wieso der Kleine es denn plötzlich so eilig hatte und verschwand schließlich aus dem Klassenzimmer so schnell es ging. Toshiya hatte das dumpfe Gefühl, dass er seinen Mitschüler heute wohl nicht wieder zu Gesicht bekommen würde... Tatsächlich hatte Kyo nicht vor, so schnell wieder in die Klasse zurückzukehren, er hatte definitiv Wichtigeres zu tun als Nachzusitzen... Er musste da raus, zum Schultor... Kyo rannte wie ein Irrer durch die Korridore der Schule und stürzte eilig die Treppen hinunter, sein Herz raste wie verrückt, nicht nur wegen der körperlichen Anstrengung... Das konnte doch alles nicht wahr sein, was bedeutete das? War irgendwas nicht in Ordnung? War vielleicht irgendetwas passiert? Er durchquerte die Aula und rannte über den Schulhof, bis er schließlich vor der traurig dreinblickenden Person, die am Schultor lehnte und sich gerade zu ihm umdrehte, stehen blieb. Keuchend stützte er sich kurz auf seinen Oberschenkeln ab um wieder richtig Luft holen zu können, seinen Blick hatte er nach oben gerichtet, geradewegs in die tiefbraunen, schwarz geschminkten Augen seines Bandkollegen Kaoru... Kyos Herz machte einen Sprung als er sich in den schir unendlichen Tiefen Kaorus Augen beinahe verlor, ob aus Freude oder Sorge wusste er in diesem Augenblick selbst nicht genau zu beschreiben... er biss sich leicht auf die Lippen und atmete anschließend tief durch. Darüber konnte er sich später immer noch Gedanken machen und viel wichtiger war ja nun wohl die Frage, was Kaoru hier machte, um diese Zeit und mit seiner Gitarre im Schlepptau, wie Kyo gerade auffiel... „Was... was machst du denn hier?“, fragte der Sänger schließlich verwundert, als er sich wieder aufgerichtet hatte und seinem Gegenüber einen fragenden Blick schenkte. Stumm blickte Kaoru zurück, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Kyo musterte ihn von oben bis unten. Er trug seine warme Jacke und Jeans, dass er seine Schuluniform nicht mehr anhatte konnte nur bedeuten, dass er bereits zu Hause gewesen war. Hatte er ihn mit seinen Anrufen verpasst? Was machte Kaoru hier an seiner Schule, wieso lehnte er hier am Schultor und starrte traurig vor sich hin, als wäre der graue Fleck auf der Mauer gegenüber, der ein wenig dunkler als der Rest der Fläche schien, interessant... Nach einer Weile des Schweigens und Anstarrens, seufzte Kaoru schließlich und sein Blick schweifte ab zu einem der mit braunen Herbstblättern behangenen Bäumen im Schulhof der Privatoberschule. „Ich dachte eigentlich, du hättest heute früher aus... hab ich mich da geirrt?“, meinte Kaoru leise. Seine Stimme klang ein wenig angeschlagen. Ob nun wegen seiner allgemein weniger blühenden Verfassung oder der kalten Herbstluft wegen konnte Kyo nicht einschätzen. Ihm ahnte weniger Erfreulicheres... „Wie lange bist du schon hier?“, fragte er leise, blickte Kaoru unsicher an. Dieser jedoch schwieg sich wieder aus, sagte kein Wort. Kyo trat etwas näher an seinen Bandkollegen. Im schlimmsten Fall hieß das, Kaoru würde seit Ende der sechsten Stunde hier stehen und auf Kyo warten... und das würde bedeuten, dass er bereits seit über zwei Stunden hier stand, wartete und fror. Denn er schien kalt zu haben, darauf wiesen zumindest seine leicht zitternden Schultern und seine leicht bläulich gefärbten Lippen hin. Kyo griff sich an die Stirn und seutzte. Was für eine Bescherung... er ärgerte sich innerlich. Was war er nur für ein Idiot... zwar hatte er Kaoru nicht erreicht und dafür konnte er streng genommen ja auch gar nichts, doch wieso hatte er nicht schon früher aus dem Fenster gesehen und den Dunkelhaarigen bemerkt? Er stand nun hier seit über zwei Stunden und Kyo war einfach nur zu blöd gewesen um aus dem Fenster zu blicken... „Ich... hatte gedacht, wir könnten gemeinsam zur Probe gehen oder so...“, murmelte Kaoru etwas unverständlich in seinen nicht vorhandenen Bart, wand seinen Blick wieder zu Kyo, der aufsah, und blickte ihm direkt in die Augen. Sein Gesicht verzog keine Miene. Er sah genauso versteinert und traurig aus wie vorhin. Kyo sah ihn an, sein Herz krampfte sich zusammen. Na toll... jetzt schien Kaoru einmal seit langem wieder etwas von sich aus zu tun, wie es schien wollte er sogar zur Probe und hatte sogar noch daran gedacht, Kyo auf seinem Weg dorthin mitzunehmen, und dann musste das so schief gehen... „Tut mir wirklich leid, Kao...“, meine Kyo etwas verzweifelt, sah seinen Bandkollegen entschuldigend an, „Ich musste heute Nachsitzen weil ich ja zu spät war... ich hab versucht, dich auf dem Handy und zu Hause zu erreichen, aber irgendwie hab ich dich nicht erreicht... dann hab ich Die gesagt, er solle dir Bescheid sagen wenn du bei der Probe auftauchst... ich hätte nicht damit gerechnet, dass du hier rumstehst und auf mich wartest, echt nicht!... Also... nicht, dass ich mich nicht freue... aber... du hättest doch nicht so lange auf mich warten müssen... das... wäre doch nicht notwendig gewesen...“ Kaoru sah seinen Gegenüber nur wortlos an, Kyo wirkte ein wenig verlegen, verzweifelt und ratlos. Er hatte es gründlich vermasselt... der Zufall schien es heute wirklich nicht gut mit ihm zu meinen... zwar hatte er Glück gehabt was die Sache mit Toshiya anging, doch ansonsten ließ ihn das Glück heute gehörig hängen... Und was sollte er jetzt machen? Er konnte doch nicht wieder zurückgehen und Kaoru hier noch länger warten lassen, sollte er ihn einfach schon vor zur Probe schicken? Doch das schien dem blonden Sänger auch nicht richtig. Jetzt hatte Kaoru schon extra gewartet um mit ihm zur Probe zu gehen, jetzt sollte er nicht umsonst hergekommen sein. Seinen Rucksack hatte er praktischerweise aus Reflex schon beim Verlassen des Klassenzimmers mitgenommen, also was überlegte er eigentlich noch herum? Zwar würde er wenn er Pech hatte und die Aufsichtsperson des heutigen Nachmittags eine Petze war Ärger mit Sakurada-sensei bekommen, aber das war ihm im Moment ziemlich egal. Er musste für Kaoru da sein, da nahm er diese Gefahren nur zu gerne in Kauf... Wenn er schon einmal etwas für seinen Freund tun konnte... „Na gut...“, meinte Kyo und seufzte leise. Er lächelte Kaoru freundlich an, versuchte, seine Stimmung etwas aufzulockern, was ihm jedoch leider nicht so recht gelang, „Wenn du schon hier bist, können wir auch gleich zur Probe gehen. Tut mir leid, dass du so lange warten musstest!“, meinte er noch und schulterte seinen Rucksack noch einmal richtig, sodass dieser ihm nicht von der linken Schulter rutschte. Zusammen mit Kaoru, der seine vor Kälte zitternden Hände aus seiner Jackentasche nahm und nach seiner Gitarre griff, die er neben sich abgestellt hatte, trat er durch das Schultor und verließ das Schulgelände, nachdem er sein Fahrrad geholt hatte, das er neben sich her schob. Er warf noch einen kurzen Blick zurück und entdeckte an einem Fenster Toshiya, der ihm kurz zuwinkte. Kyo winkte zurück. Der Schwarzhaarige schien verstanden zu haben, zumindest das Notwendigste. Er würde sich morgen bei ihm entschuldigen, dass er ihn beim Nachsitzen hatte hängen lassen und ihn noch einmal bitten, trotzdem mit zur Probe zu kommen. Kaoru würde er jedoch noch nichts von seinem Glücksgriff erzählen, es sollte eine Überraschung sein. Vielleicht freute sich der Gitarrist ja sogar ein bisschen über die neue Verstärkung in Form von Toshiya als Bassisten- vorausgesetzt natürlich, der Junge war gut genug für diesen Posten, weswegen sich Kyo jedoch keine all zu großen Sorgen machte... Schließlich waren die beiden bei Shinya zu Hause angekommen und Kyo betätigte den Klingelknopf neben der Haustüre. Es dauerte nicht lange, und Shinyas Mutter trat hinter die Tür, um den beiden Jungs zu öffnen. Sie trat einen Schritt zurück und ließ die beiden ins Haus, Kyo bedankte sich mit ein paar freundlichen Worten bei ihr, wärend Kaoru sich nur kurz verbeugte. Etwas verwirrt sah Frau Terachi den blassen Jungen an, als würde sie sich ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit machen, vielleicht kam er ihr aber auch nur ein wenig unheimlich vor auf Grund seines Auftretens. Auch ihr war, wie allen anderen, nicht entgangen, dass der Junge sich verändert hatte... und das leider nicht unbedingt im positiven Sinne... Die beiden Jungs zogen ihre Schuhe aus und legten ihre Jacken auf der Kommode am Gang ab, während Frau Terachi in die Küche ging und sie fragte, ob sie etwas zu Trinken haben wollten. Kyo lehnte dankend ab, ebenso Kaoru und so tauchte die Frau noch einmal kurz im Türramen auf und teilte ihnen mit einem freundlichen Lächeln mit, dass Die und Shinya bereits unten im Keller auf sie warten würden und mit den Proben bereits angefangen hätten. Sollten sie irgendetwas brauchen, sollten sie Shinya nach oben schicken und sie würde sehen, was sie für die Verpflegung der vier später sicherlich hungrigen Mäuler tun konnte. Kyo und Kaoru bedankten sich bei ihr und verschwanden schließlich die Treppen nach unten in den Keller, wo sich ihr Probenraum befand, Kaoru mit seiner Gitarre im Schlepptau. Als die beiden die Tür zum schalldichten Probenraum öffneten, verstummte Dies Gitarre, die dieser bis eben noch gestimmt hatte. Verdattert drehte sich der Rothaarige zur Tür um und erblickte freudestrahlend Kyo und Kaoru. „Da seid ihr ja! Klasse, dass du doch noch kommen konntest, Kyo!“, meinte der Gitarrist, stellte sein Instrument ab und trat den beiden entgegen. Shinya kam hinter seinen Drums hervor und nahm erstmal einen Schluck aus der Wasserflasche, die auf dem Tisch stand, bevor er zu den anderen drei kam und anfing, sich kurz mit ihnen zu unterhalten. Kyo schilderte kurz die Ereignisse des Tages- von seinem Zuspätkommen bis zum Nachsitzen und seinem überraschten Zusammentreffen mit Kaoru, doch erwähnte er mit keinem Wort Toshiya. Er wollte den anderen nicht schon jetzt alles verraten, der neue Bassist sollte eine Überraschung sein. Er würde später, bevor er nach Hause fuhr, noch ankündigen, dass er am nächsten Tag jemanden mitbringen würde, doch mehr würde er noch nicht preisgeben. Wärend Kyo erzählte, versuchte er immer wieder, Blickkontakt zu Kaoru herzustellen, doch dieser schien dem Blonden nicht wirklich zuzuhören. War mit seinen Gedanken vermutlich wieder einmal bei Tetsuro... Der Gedanke daran trübte Kyos mittlerweile wieder gute Stimmung um ein weiteres Mal. Er hatte kein gutes Gefühl, wenn er wusste, dass Kaoru ständig nur an Tetsuro dachte und ihm immer noch nachtrauerte. Die Sache kam ihm etwas seltsam vor, doch genauer wollte er darüber gar nicht nachdenken. Auch nicht über dieses unangehenme Gefühl, welches sich wegen seiner Befürchtungen in seiner Brust breit machte. Er wollte es ignorieren. Das alles konnte er jetzt nicht gebrauchen, nicht, solange noch alles so chaotisch war... Schließlich lachte Die Kyo noch mal aus, weil dieser so ein arrogantes Arschloch von Klassenlehrer erwischt hatte- Die hatte natürlich kein Nachsitzen erhalten, sein Lehrer war in dieser Hinsicht nicht so streng und da Die sonst in der Schule ganz annehmbare Noten hatte, nahm er ihm sein Zuspätkommen auch nicht all zu übel. Dann machten sich die Jungs wieder an die Arbeit. Kyo stellte sich den Mikrofonständer auf die richtige Größe ein, während Die wieder an seiner Gitarre herumschraubte, um sie richtig zu stimmen. Kaoru holte ebenso seine Gitarre aus ihrem Gitarrenkoffer und schloss sie mit einem Kabel an einer der Boxen an und Shinya setzte sich wieder hinter seine Drums, nachdem er noch den letzten Schluck aus seiner Wasserflasche genossen hatte. Es dauerte nicht lange, und die vier Jungs legten los. Zwar ohne Bassbegleitung, aber sie spielten. Und an diesem Tag klang es gar nicht einmal so schlecht, was bei allen vieren zu großer Verwunderung und schließlich auch Freude führte. Kyo blickte immer wieder zu Kaoru während er mit Leidenschaft seine Melodien und Texte in das Mikrofon schmetterte, der Gitarrist wirkte ruhig und gelassen, doch nicht gelangweilt oder genervt, wie bei den vorigen Proben. Manchmal wollte Kyo, er könne Kaorus Gedanken lesen. Er wusste einfach nicht, was in seinem Kopf vorging, doch würde er es zu gerne verstehen können... Heute schien Kaoru das Gitarrespielen wieder mehr Spaß zu machen, was Kyo sehr freute. So kannte er seinen Bandkollegen schon eher. Vielleicht war er wieder zur Vernunft gekommen und hatte endlich eingesehen, dass er ohne sein Gitarrenspiel, ohne seine Musik, ohne seine Band, ja doch nicht sein konnte... Dabei hatte das heute Morgen noch ganz anders geklungen... Kaoru würde die Band nicht verlassen, da war sich der Sänger sicher. Und er gab alles hinter dem Mikrofon, legte all sein Gefühl in die Lieder, die sie spielten, legte seine gesamte Leidenschaft in sein Singen und wandelte somit seinen Gesang gebündelt mit den atemberaubenden Rhythmen der Drums von Shinya und dem unglaublichen Gitarrenspiel Die und Kaorus um in geballte Kunst... J-Rock vom Feinsten... TBC Kapitel 6: Teil 6 ----------------- Teil 6 Am nächsten Tag klingelte Kyo etwa eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit bei den Terachis. Im Schlepptau hatte er einen leicht schüchtern wirkenden Jungen, den Shinya noch nie gesehen hatte. Folglich war dessen Reaktion erst einmal ein verwirrter Blick, der von Kyo zu dessen Begleitung und wieder zurück wanderte. Kyo hatte immer noch seine Schuluniform an, genauso wie der andere Junge. Sie gingen also auf dieselbe Schule… „Shinya, das ist Toshiya. Er wird uns heute mal probeweise auf dem Bass begleiten.“, meinte Kyo und deutete mit seiner Hand auf den Schwarzhaarigen hinter sich. Dieser verbeugte sich erst einmal höflich. „Mein Name ist Toshiya Hara, freut mich, dich kennen zu lernen.“, meinte er höflich. Shinya erwiderte die Verbeugung: „Shinya Terachi, ich spiele Drums, freut mich auch…“, dann wandte er sich an seinen kleinen, blonden Bandkollegen: „Ein neuer Bassist? Wow… Weiß Kaoru schon davon?“ Kyo wirkte etwas verlegen und raufte sich mit einer Hand die Haare, „Nein… also, ich hab ihm noch nichts davon gesagt, das sollte eine Überraschung werden. Aber er weiß, dass ich einen Bassisten für uns suche, also geht das schon in Ordnung!“, meinte er lächelnd und versuchte, Shinyas etwas kritischem Blick Stand zu halten. „Na gut, dann kommt mal rein, ihr zwei, es ist kalt draußen!“, entgegnete Shinya und schenkte Toshiya noch ein kleines Lächeln, um ihm zu verstehen zu geben, dass dieser auch tatsächlich hier willkommen war. Die beiden Jungs traten ein und Shinya ging sofort mit ihnen die Treppen nach unten in den Proberaum. „Du hast doch noch den Reservebass hier, oder Shinya? Wir kommen geradewegs von der Schule und Toshiya hat seinen nicht mit dabei gehabt…“, meinte Kyo und blickte sich fragend um, wartete jedoch nicht einmal auf Shinyas Antwort und startete sofort in die Ecke, in der er den E-Bass stehen sah. Ungeduldig zerrte er das Teil aus seiner Ecke und drückte es sofort Toshiya, der gerade mal seinen Rucksack ablegen konnte, in die Hand. „Und jetzt spiel! Ich will wissen, was du schon kannst!“, drängte Kyo seinen Klassenkameraden ungeduldig. Dieser wurde leicht rot, als er begriff, dass er sofort, aus dem Stehgreif etwas von seinem Können präsentieren sollte. Doch Kyos blickte ihn weiterhin ernst und erwartungsvoll an und wartete nur darauf, dass er endlich zu spielen anfing. „Also gut… dann versuch ich`s mal… aber erwartet euch nicht zu viel, ich bin zwar nicht schlecht, aber wie gesagt, ich hab erst vor Kurzem angefangen..“, meinte Toshiya leicht verlegen, bückte sich und schloss den E-Bass erst mal an einer Box an. Er ließ seine schlanken, langen Finger über die dicken Seiten des Basses gleiten und fing an, das Instrument erst einmal richtig zu stimmen. Ein paar einfache Griffe erleichterten ihm sein Vorhaben und gaben ihm das richtige Gespür für das Instrument. Es folgten kurze Tonübungen, wie die Tonleitern oder Dreiklänge, die Toshiya in einer rasanten Geschwindigkeit herunterspielte, sodass Kyo und Shinya erst einmal die Luft wegblieb. Anfänger, ja? Als nächstes versuchte er, ein paar bekannte Basslinien aus verschiedensten Songs so detailgenau wie möglich nachzuspielen. Kyo starrte erstaunt auf Toshiyas Hände, welche die richtigen Töne wie von selbst finden zu schienen und ihm genau verrieten, um welchen Song es sich handelte. Wie lang spielte Toshiya nun schon Bass? „Seit Kurzem“? Das, was der Schwarzhaarige da ablieferte, klang eigentlich eher nach jahrelanger Erfahrung, als nach „vor Kurzem angefangen“. Noch dazu machte Toshiya eine ganz gute Figur mit dem Bass in der Hand und auch sein äußeres Erscheinungsbild passte zu dieser Art von Musik. Plötzlich find Kyo unwillkürlich an, in den Song, den Toshiya eben spielte, einzusteigen. Erst begann er die Melodie nur leise mit zu summen, bis er glaubte, das gesamte Setup, von Gitarre, über Bass bis hin zu den Drums in seinen Ohren hören zu können, welche einladend darauf warteten, dass er sich doch nun endlich sein Mikrofon schnappen und sie begleiten würde. Kyo öffnete den Mund, die Lyrics und die Melodie verließen wie von selbst seinen Körper und obwohl er gerade kein Mikrofon in den Händen hielt, hatte er das Gefühl, als könne er einen gesamten Konzertsaal mit seiner Stimme und der Musikbegleitung ausfüllen. Genüsslich schloss er die Augen und sang mit Leib und Seele. Er legte all seine Gefühle in seine Stimme und vor seinen Augen entstanden, wie immer, wenn er Musik machte, die unterschiedlichsten Bilder, Geschichten, Szenen aus dem alltäglichen Leben… er erinnerte sich an Situationen aus kürzlich vergangener Zeit und immer wieder tauchten Bilder von Kaorus traurigem und abwesend dreinblickenden Gesicht vor seinem inneren Auge auf. War das die Chance? War das die Chance, Kaoru nicht zu verlieren? Konnte Kyo seinen Freund mithilfe Toshiyas dazu bewegen, die Band nicht im Stich zu lassen? Er hoffte es, er hoffte es inständig. Er wollte Kaoru nicht verlieren, auf gar keinen Fall! Nicht als Bandmitglied und auch nicht als Freund… Als Minuten später der Song zu Ende war, verstummte auch Toshiyas Bassspiel wieder und Kyo öffnete mit einem Mal wieder die Augen. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben, nur um ihm und seiner Band zuzuhören. Etwas verwirrt blickte der junge Sänger sich um, nachdem er erst mal seinen Kopf geschüttelt und seine Gedanken wieder in eine etwas klarere Reihenfolge gebracht hatte. Toshiya blickte auf seine eigenen Hände, dann hob er den Blick und sah Kyo etwas perplex in die Augen. Was war das eben gewesen? Die beiden hatten harmoniert, als hätte Toshiya Kyo schon sein Leben lang mit dem Bass begleitet. Seit Kyo mit seinem Gesang in das Lied eingestiegen war, waren die verschiedenen Riffs Toshiya noch leichter von der Hand gegangen, ganz so, als wäre er nicht er selbst gewesen. Shinya sah die beiden erstaunt an. Sein Mund war leicht geöffnet und man konnte ihm ansehen, dass es ihm für einen Moment die Sprache verschlagen hatte. Es dauerte jedoch nicht lange, bis der junge Blonde die Worte wieder fand. „Weißt du was, Toshiya? Das war Hammer…“, meinte er mit respektvoller Stimme, „Wie lang meintest du, spielst du jetzt schon Bass?“ „Ähm… also, ich spiel noch nicht so lange… aber mein Lehrer meinte, ich wäre nicht schlecht, ich hätte eine natürliche Begabung und ein gutes Rhythmusgefühl…“, meinte Toshiya etwas verlegen. Scheinbar hatte er den jungen Drummer überzeugt, „Aber Kyo war… unglaublich, diese Stimme, einfach toll… ich hatte das Gefühl, als würde alles passen… wisst ihr, was ich meine?“, Toshiya wusste nicht genau, wie er dieses Gefühl, das er vorhin gehabt hatte, richtig in Worte fassen sollte. Er kannte das gar nicht. Bisher hatte er nur Einzelunterricht gehabt und war von keinerlei anderen Instrumenten oder Stimme begleitet worden. Ausgenommen natürlich seiner eigenen, die er aber niemandem antun wollte. Singen gehörte nicht gerade zu seinen Stärken, auch wenn er musikalisch war und zwar die Töne richtig traf, so richtig Gefühl konnte er in seine Stimme nicht reinlegen, so sehr er es auch versuchte. Dafür konnte er traumhafte Bilder malen, in denen er stets sein inneres Seelenbefinden widerspiegelte. Und genau das tat Kyo mit seiner Stimme, er ließ seine Zuhörer einen Blick in sein inneres Chaos werfen, so schnell und unscheinbar, dass diese Blicke eben diese Gefühle in einem auslösten, welche Kyo tief in seinem Inneren empfand. Auch Toshiya war die Traurigkeit in Kyos Stimme nicht entgangen. Er hatte ganz genau gespürt, wie dem jungen Sänger gerade zu mute war. “Das ist nicht nur Begabung, das ist Wahnsinn! Dafür, dass du eigentlich Anfänger bist… Respekt! Ich hatte nicht übel Lust, mich ebenfalls an die Drums zu setzen und euch zu begleiten… aber ich war irgendwie zu überrascht…”, meinte Shinya und fing an zu lachen, “Also ich hätte nichts dagegen, wenn du bei uns einsteigen würdest, so nen Bassisten finden wir nicht überall. Was meinst du Kyo?” “Hai, das war toll! Toshiya, du bist klasse! Jetzt müssen wir nur noch die anderen überzeugen! Und ich denke, das wird kein Problem sein! Ich bin wirklich beeindruckt, Toshiya!”, antwortete Kyo begeistert. “Danke…”, meinte Toshiya und lächelte verlegen. Wer hätte gedacht, dass sein Spiel so gut ankommen würde? Jetzt konnte er nur noch hoffe, dass Kaoru das genauso sehen würde, immerhin war dieser der Leader der Band und das letzte Wort lag immer noch bei ihm. Kurze Zeit später kamen auch schon Die und Kaoru zur Tür reingeschneit. Kyo zuckte etwas nervös zusammen, als die Tür zum Keller auf ging und die beiden noch fehlenden Mitglieder von La:Sadie’s in den Proberaum der Band traten. Kaoru sah wie immer ziemlich blass und müde aus, dunkle Augenringe zierten sein Gesicht und ließen seine Erscheinung an das Auftreten eines Gespenstes erinnern. Kyo stand auf und ging schnurstracks ein paar Schritte auf seinen Freund zu, der ihn mit fragendem Blick ansah. Die ignorierte er mehr oder weniger, oder besser gesagt, er nahm ihn nicht einmal richtig wahr. „Kaoru? Wie geht`s dir, alles OK?“, fragte Kyo und sah den angesprochenen Gitarristen besorgt an. Seit gestern Abend hatte er ihn nicht mehr gesehen, nicht einmal heute morgen auf dem Weg zur Schule. Dabei hatte er extra wieder den Umweg genommen, um ihm zu begegnen, „Ich hab dich heute Morgen gar nicht gesehen, warst du nicht in der Schule?“ „Hatte kein Bock… ich bin ein wenig in der Stadt rum gelaufen. Nichts besonderes…“, antwortete Kaoru teilnahmslos. Kaoru seufzte. Nun fing Kaoru auch noch an, die Schule zu schwänzen? So kannte er ihn wirklich nicht. Kaoru war doch immer ein gewissenhafter Schüler gewesen. Gut, in den letzten Wochen waren seine Leistungen etwas gesunken, aber er hatte nicht einfach so die Schule geschwänzt oder so etwas in der Art. Kyo hoffte inständig, dass seine Überraschung, alias der neue Bassist Toshiya, Kaoru etwas aufheitern würde. Vielleicht ging es ihm dann wieder etwas besser, wenn er wusste, dass es mit der Band wieder bergauf ging, wenn sie einen neuen Bassisten hatten, der Tetsuro würdig vertreten würde. Und dazu war Toshiya durchaus in der Lage, dafür würde der Blonde seine Hand ins Feuer legen. „Ich… ich hab gute Neuigkeiten, Kaoru!“, meinte Kyo und versuchte zu lächeln, was ihm bei dem trübseligen Gesichtsausdruck vor ihm gar nicht so leicht fiel, „Weißt du noch, ich hab dir gesagt, dass ich uns einen neuen Bassisten auftreibe. Ich hab jemanden mitgebracht, der für uns Bass spielen könnte! Hör ihn dir bitte an, er ist wirklich gut!“, meinte Kyo etwas schüchtern. „Meinetwegen…“, meinte Kaoru, als wäre ihm das Ganze streng genommen ziemlich Schnuppe. „Wer ist das?“, fragte nun Die, der bisher noch kein einziges Wort geredet hatte und zeigte auf Toshiya. „Ich bin Toshiya Hara. Freut mich, euch kennen zu lernen!“, meinte der Junge mit dem Bass in der Hand und verbeugte sich ehrfürchtig vor Die und Kaoru, „Ich hab schon viel von euch gehört und es wäre mich eine Ehre, für euch spielen zu dürfen!“, fügte er noch hinzu und lächelte die beiden an. „Hi, ich bin Daisuke Andou, kannst mich Die nennen. Freut mich auch. Bin gespannt, wie du spielst, Toshiya-kun!“, meinte der Rothaarige mit einem freundlichen Lächeln und erwiderte die Verbeugung. Kaoru hingegen machte keinerlei Anstalten, sich vorzustellen, geschweigedenn, Toshiya überhaupt anzusehen. Er beschäftigte sich nur mit seiner Gitarre, die er aus seinem Gitarrenkoffer holte und an die Boxen anschloss. Seine Jacke hatte er mittlerweile abgelegt, ebenso den Rucksack, den er bei sich getragen hatte. Kyo fiel auf, dass Kaoru immer noch die Schuluniform anhatte. Also hatte er heute morgen wie gewohnt das Haus verlassen, sogar in Schuluniform, um vor seiner Mutter den Anschein zu erwecken, es wäre alles in Ordnung. Dennoch schien er zu Mittag nicht zu Hause gewesen zu sein. War er wieder nur ziellos in der Gegend rumgestreunt, wie eine ausgesetzte Katze, die nicht wusste, wo sie hingehörte? Der Gedanke stimmte den Blonden traurig und wieder kamen diese Sorgen in ihm hoch, die ihn mittlerweile schon Stunden seines nächtlichen Schlafes raubten. Er hasste es, wenn Kaoru einfach so für ein paar Stunden verschwand und er nicht wusste, wo er war. Jedes Mal machte er sich tierische Sorgen. Was, wenn Kaoru unterwegs einmal was zustoßen würde? Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich um so etwas Gedanken zu machen. Er wollte Kaoru aufheitern, mit Toshiyas Hilfe. Doch wider Erwarten schien Kaoru keinerlei Interesse an dem neuen Bassisten zu zeigen, er schien sich ihm ja nicht einmal vorstellen zu wollen… „Ähm… Toshiya, das ist übrigens Kaoru. Er ist einer der Mitbegründer der Band und sozusagen unser Chef.“, wenn Kaoru sich nicht vorstellte, musste Kyo das eben für ihn übernehmen. Er wollte immerhin dieses peinliche Schweigen, welches in der Zwischenzeit eingesetzt hatte irgendwie brechen und die eingefrorenen Gemüter ein wenig auftauen. „Freut mich, dich kennen zu lernen, Kaoru!“, meinte Toshiya noch einmal und wiederholte seine Verbeugung. Trotz alledem ließ Kaoru sich nicht dazu erweichen, den Schwarzhaarigen anzusehen. Kyo verstand die Welt nicht mehr. Was hatte der Gitarrist denn nun schon wieder? Passte ihm was nicht? Oder war er einfach nur mit seinen Gedanken ganz wo anders? Als niemand mehr etwas darauf zu sagen hatte, und Die und Shinya sich mittlerweile ebenfalls um ihre Instrumente kümmerten, nahm Kyo die ganze Sache in die Hand, trat an Toshiya heran und reichte ihm ein paar Blätter, die er zuvor aus seinem Rucksack gekramt hatte. „Wir proben dann also heute ganz normal und Toshiya, du versuchst einfach, irgendwie mit zu spielen. Ich geb dir ein paar Noten als Orientierungshilfe, du kannst aber natürlich auch improvisieren, wie du willst. Es liegt an dir. Nach der Probe werde ich mich mit den anderen beraten, einverstanden? Vielen Dank noch mal, dass du mitgekommen bist. Ich hoffe, wir können die anderen überzeugen, ich finde wirklich, dass du klasse spielst! Viel Glück!“, mit diesen Worten widmete sich Kyo anschließend seinem Mikro und besprach mit den restlichen Bandmitgliedern kurz die Reihenfolge, in der sie die Songs proben wollten. Die nächsten Stunden standen La:Sadies also mit ihrem „Probebassisten“ Toshiya im Proberaum der Band und spielten, was das Zeug hielt. Meistens lief es gleich ab. Gitarren und Schlagzeug begannen mit dem Intro und Kyo setzte mit dem Gesang ein. Toshiya hörte sich die Songs meist zuerst ein wenig an, bevor er dann ebenfalls einstieg. Er schlug sich wacker, machte zwar auch einige Fehler, im Großen und Ganzen konnte er jedoch die volle Bandbreite seines Könnens mit einbringen und hatte genügend Gelegenheiten, zu beweißen, dass er der Band ein würdiger Bassist wäre. Es gab keinerlei großartige Unterbrechungen, bis auf etwaige Kommentare von Die, der von Toshiyas Spiel begeistert war. „Das ist klasse, Toshiya! Nicht schlecht, Mann!“ und ähnliches schmeichelten Toshiya immer wieder und motivierten ihn vom Neuen, wenn ihm einmal ein Riff daneben ging. Er brachte sogar ein improvisiertes Basssolo mit ein, welches bei der gesamten Band gut ankam und ihm einigen Respekt einbrachte. Einzig und allein Kaoru ließ die Sache ziemlich kalt. Er zeigte keinerlei Gefühlsregungen, lobte nicht, kritisierte aber auch nicht. Er benahm sich überhaupt, als wäre er gar nicht richtig anwesend, als wäre er wieder einmal mit seinen Gedanken wo anders. Kyo warf dem Gitarristen immer wieder besorgte Blicke zu und langsam aber sicher wurde ihm ein wenig mulmig, als er daran dachte, bei wem Kaoru mit seinen Gedanken bestimmt wieder einmal war. Tetsuro… Langsam aber sicher glaubte Kyo zu verstehen, wieso Kaoru sich so merkwürdig benahm, wieso er so niedergeschlagen und deprimiert war. Klar, die ganze Sache hatte mit Tetsuro zu tun, das wussten alle. Doch Kyo glaubte nun, endlich erkannt zu haben, wie genau die Situation ausgesehen hatte, wieso genau Kaoru die Trennung von seinem besten Freund so zu schaffen machte. Sein Verdacht verankerte sich immer fester in seinem Kopf und ließ sich nicht mehr ignorieren, auch wenn Kyo immer darauf gehofft hatte, dass er sich eventuell irrte… „Also ich weiß nicht… haltet ihr es wirklich für eine gute Idee, ihn bei uns spielen zu lassen? Er ist doch noch Anfänger…“, das war das erste und auch so ziemlich das letzte, was Kaoru zu Toshiyas Leistung zu sagen hatte. Der junge Bassist war inzwischen nach oben in Shinyas Zimmer verfrachtet worden, wo er auf das Urteil der Band warten sollte. Die übrig gebliebenen Mitglieder saßen im Proberaum zusammen bei einer Schale Tee und berieten sich darüber, ob sie Toshiya nun als Bassist behalten sollten, oder nicht. „Anfänger hin oder her, mich hat er überzeugt! Zeig mir einen, der schon länger Bass spielt und besser ist, als Toshiya jetzt!“, warf Die entrüstet ein. Ihm hatte Toshiyas Spiel gefallen. Mit Bass hatte das Spielen gleich noch einmal soviel Spaß gemacht, das, was sie die letzten Wochen gemacht hatten war doch alles nur unvollkommene Musik gewesen. Ohne Bass oder mit vorn ab angespieltem Bass, den man anschließend nur vom Band hören konnte, aber auch ganz und gar nicht eine würdige Begleitung verkörperte. „Da bin ich Dies Meinung! Toshiya ist toll“ Und wenn er noch Anfänger ist… stell dir mal vor, was der dann in ein paar Jahren drauf hat…“, warf der sonst eher wortkarge Shinya überzeugt ein. „Bitte, Kaoru… ich hab gesagt, dass ich einen Bassisten besorge, ich hab einen mitgebracht. Toshiya ist wirklich gut! Mit ihm könnten wir Erfolg haben, wir könnten unseren Erfolg weiterführen…“, meinte nun auch Kyo, der seinen schwarzhaarigen Bandkollegen ernst anblickte. Außerdem, doch das wollte Kyo nicht unbedingt vor allen anderen laut aussprechen, würde sein Kollege, wenn sie einen Bassisten hätten, nicht mehr aus der Band aussteigen können, so lautete zumindest die Vereinbarung zwischen den Beiden. Kaoru erwiderte Kyos Blick nur Gleichgültigkeit. Vermutlich war ihm das alles egal… und Kyo konnte sich das auch denken. Doch er wollte es einfach nicht wahrhaben. Nicht einmal der neue Bassist hatte Kaoru aufheitern können, sollte das etwa bedeuten, dass der Junge letztendlich die seine ganze Freude am Musik machen verloren hatte? Kyo wollte das einfach nicht glauben… Kaoru lehnte sich zurück in die Couch und zog an seiner eben angezündeten Zigarette. Kyo sah es nicht gern, dass Kaoru wieder angefangen hatte, zu rauchen, wo er doch vor ein paar Monaten erst damit aufgehört und geschworen hatte, diese Krebsförderer nie wieder anzurühren. Das musste der ganze Kummer sein, den Kaoru mit sich herumschleppte. Doch anstatt sich Luft zu machen und die ganze Sache einem seiner Freunde zu erzählen, zündete er sich Zigaretten an und führte fort, seine Lunge langsam aber sicher in den Ruin zu treiben. Kaoru war ein wenig verwirrt. Scheinbar was es Kyo wirklich ernst damit, dass er ihn nicht als Mitglied dieser Band verlieren wollte, wenn er sogar scheinbar aus dem Ärmel einen Bassisten schütteln konnte, nur um ihn weiterhin in dieser Gemeinschaft festhalten zu können. Denn eines wusste der junge Gitarrist genau. Kyo hatte ihm letztens ein stummes Versprechen abgenommen. Das Versprechen, die Band nicht zu verlassen, sobald sie wieder vollzählig waren. Was sie nun auch wieder wären, sollte Toshiya wirklich einen fixen Posten ergattern können. Verdient hätte er es, er war wirklich überraschend gut gewesen, das musste sich selbst Kaoru eingestehen. Doch war er überhaupt bereit dafür, seine zur Zeit frei im Raum schwebende Frage, ob er es mit der Band lassen sollte oder nicht, wieder einzufangen und wegzusperren, wobei er auch noch Kyo den Schlüssel dazu übergeben hatte? In der Zwischenzeit hatte Shinya Toshiya in sein Zimmer geführt. Er sollte besser nicht dabei sein, wenn um seine Zukunft als in frage kommender Bassist von La:Sadie‘s entschieden wurde, da waren sich alle einig gewesen. Und somit konnte es sich der junge Schüler die Zeit über in Shinyas Zimmer gemütlich machen. Shinya selbst war vor ein paar Minuten wieder nach unten in den Proberaum verschwunden, um mit den anderen Kriesenrat zu halten. Toshiya wurde ganz nervös bei dem Gedanken. War er gut genug gewesen? Als Anfänger würde er es bestimmt nicht all zu leicht haben, da konnte er von Natur aus begabt sein, soviel er wollte. Und selbst wenn sein Können ausreichend war, lag die Entscheidung in erster Linie immer noch bei Kaoru. Diesem schwarzhaarigen Jungen mit den traurigen Augen und dem blassen Gesicht. Toshiya konnte sich an Erzählungen von Kyo erinnern, die Kaoru als einen liebenswürdigen und lebensfrohen Menschen bezeichneten. Als ein Energiebündel, welches für jeden Spaß zu haben war, als einen Menschen, der zwar auch mal weinen konnte, jedoch stets ein aufmunterndes Lächeln parat hatte, wenn es einem seiner Freunde schlecht ging. Wie war es nur möglich, dass sich der Kaoru, den Toshiya gestern bereits aus der Ferne betrachtet und heute kennen gelernt hatte, und der Kaoru, von dem Kyo immer freudestrahlend erzählt hatte, so ganz und gar nicht ähnlich waren? Kyo hatte seinem Klassenkameraden davon erzählt, wie dieser Tetsuro die Band verlies und dass die ganze Sache Kaoru ziemlich mitgenommen hatte, dass der junge Gitarrist seit der Trennung ihres ehemaligen Bassisten von Grund auf verändert hatte. Doch hätte er nicht geglaubt, dass Kyo mit seinen Übertreibungen so recht hatte. Mit dem fröhlichen Kaoru war dieser nicht zu vergleichen. Sollte der Grund dafür wirklich die Trennung von seinem besten Freund sein? Reagierte er da nicht ein wenig über? Klar, Toshiya konnte nachvollziehen, wie schlimm es sein musste, so jemanden zu verlieren, doch würde er nicht in so tiefer Trauer versinken, als ob der Mensch, von dem er getrennt worden war, gestorben war. Er würde sich an seine anderen Freunde klammern, über seinen Verlust klagen und nach einer Woche wieder lachen. Doch nicht Kaoru… er hatte das nicht getan. Seit Wochen blies er Trübsal und schien sich von nichts und niemandem aufheitern zu lassen… Neugierig, wie Toshiya nun einmal war, begann er sich in Shinyas Zimmer etwas genauer umzusehen. Er entdeckte eine Umfangreiche CD-Sammlung, die einige Gemeinsamkeiten mit seiner eigenen aufzuweisen hatte und auch ein paar Bücher, die er kannte, tummelten sich in Shinyas Regal neben dem mit Papier und Stiften übersäten Schreibtisch. Toshiyas Blick schweifte nachdenklich umher und während er in Gedanken über Kaoru nachdachte, lies er seine Augen über die mit Postern voll gekleisterten Wände von Shinyas Zimmer wandern, bis hin zu dessen Nachtkästchen, auf dem er ein in Glas gerahmtes Foto ausmachen konnte. Toshiya trat näher an das Foto heran und hob es schließlich auf. Er konnte eine Gruppe von Jungs darauf erkennen, die ihm ziemlich vertraut schien. Er erkannte in den strahlenden Gesichtern Kyo wieder, mit seinen blond gefärbten Haaren und seinem frechen Grinsen, sowie auch Shinya und Die. Und natürlich Kaoru, der auf dem Foto sogar fröhlich lächelte. So sah der Junge also aus, wenn er glücklich war… Toshiya musste schmunzeln. Wie hübsch Kaoru doch aussehen konnte… mit diesem Lächeln auf dem Gesicht sah er richtig sympathisch aus. Die fünfte Person auf dem Foto konnte Toshiya nicht identifizieren. Er hatte diesen Jungen noch nie gesehen. Er war ziemlich groß, hatte dunkles, etwa schulterlanges Haar und ein unwiderstehliches Lächeln. Der Junge hatte einen Arm um Kaoru geschlungen, seine Hand lag auf dessen linker Schulter und er schien den Jungen regelrecht an sich zu drücken. Kaoru schien sich diese Umarmung ohne weiters gefallen zu lassen, es schien sich sichtlich wohl zu fühlen, in den Armen des großen Jungen. War das etwa dieser Tetsuro? War die Gruppe, die Toshiya auf dem Foto sah etwa die ehemalige Formation von La:Sadies? Im nächsten Augenblick flog die Zimmertüre auf und Toshiya zuckte zusammen, als hätte es gerade unerwartet einen gewaltigen Donnerschlag zu hören gegeben. Leicht entsetzt drehte er sich um und erblickte Shinya, der in der Tür stand und ihn freundlich anlächelte. „Toshiya? Gomen, ich wollte dich nicht erschrecken… kommst du mit nach unten, wir verkünden dir dann unser… Urteil, wenn du es so haben willst…“, meinte Shinya und hielt Toshiya wegweisend die Türe auf. „Oh… Hai. Ich komme schon…“, meinte der Angesprochene, stellte hastig das Foto wieder zurück auf seinen ursprünglichen Platz und folgte dem Blonden aus dem Zimmer. Nun würde sich also entscheiden, ob er seine zukünftige Freizeit mit Kyo und den anderen verbringen konnte, oder ob er sich doch wieder auf die Suche nach einem anderen Hobby machen musste, dass ihm das Fernbleiben von seinem ihm so unerträglichen Zuhause ermöglichte. Langsam aber sicher wurde Toshiya wieder nervös… TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)