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Das Buch der Zeit

Ein Leben, jenseits von Eden (Highlander im Crossover mit gaaaaaaanz viel anderem)
von

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Der Brief

Ich bin nun etliche Zyklen alt und habe so viel gesehen, gefühlt und erlebt das es selbst für unsereins schon beinahe für ein zweites Leben reichen würde. Mir wurde der Name Selen gegeben, den ich mit Stolz trage, denn er bedeutet Treue. Ich hatte eine Zwillingsschwester, Seren, ihr Name bedeutet Hoffnung doch genau diese gab sie selber auf. Aber davon werde ich euch später erzählen.

Stellt euch vor die Erde hätte eine Seele. Nun, ein Planet kann seine Seele kaum selbst bewahren. Darum wird in jeder Generation ein Kind geboren, dass es zur Lebensaufgabe hat diese Kostbarkeit mit dem Planeten zu teilen und sie mit allen Mitteln zu verteidigen. Solch ein Schicksalskind bin ich.

Dereinst waren alle neun Planeten und sogar einige der Monde und Planetoiden von blühenden Hochzivilisationen bewohnt. Der kulturelle und politische Mittelpunkt war meine Heimat, Lyuna, Luna oder wie es euch wahrscheinlich geläufiger ist, der Mond. In manchen Zeiten hätte man sich das nicht mal vorstellen können, aber ich bin der festen Überzeugung, dass ihr soweit seid wenigstens ein Stückchen Wahrheit zu erfahren und es vor allem auch zu verstehen.

Ich habe euch das Buch der Zeit hinterlegt, auf dass ihr mit dem, was ihr darin finden werdet meiner Worte ihre ihnen zustehende Bedeutung erkennen mögt. Meine Tagebücher wollte ich euch nicht preisgeben, wären sie doch viel zu subjektiv gewesen, als dass ihr ihrem Inhalt Glauben schenken würdet. Wie ihr vielleicht bemerkt, haben Bücher viel Macht für mich. Es gibt so viele, so mächtige Bücher, deren Zauber nicht nur auf den Inhalten ihrer Geschichten beruhen. Viel mehr ist ihnen eine Magie zu eigen, die das Weltgeschehen zu verändern vermag. Zumindest scheint es so bisher. So wie ‚das Buch der Antworten‘ oder auch ‚Buch der Prophezeiungen‘ genannt, es ist sehr nah mit dem Buch der Zeit verwandt, doch wohnt in seinem Inneren ein so gewaltiges Zerstörungspotential, dass man es wohl kaum euch Menschen überlassen kann. Versteht mich bitte nicht falsch, aber bisher traf ich keinen Menschen, der auch nur annähernd so viel Stärke besessen hätte, als dass er mit diesem einen Buch fertig geworden wäre. Selbst mir, mit nicht minderen Kräften, fällt es mehr als schwer seiner Herr zu werden. ‚Das Buch der Seelen‘ ist leider seit meiner Jugend verschollen. Ich wurde ihm nur eines kurzen Augenblicks gewahr. Aber seit jenen Tagen ist vieles verschollen, selbst einige der mächtigen Wächterinnen.

Im ‚Buch der Zeit‘ werdet ihr viel über mich und die Wächterinnen erfahren, so wundert euch nicht, wenn von vielen Aufgaben die Rede ist, schließlich wächst man an seinen Aufgaben.
 

Dies soll mein Vermächtnis sein, um der Zukunft die Vergangenheit nahe zubringen. Lernt aus den Fehlern eurer vorangegangenen Generationen, und wiederholt sie nicht so töricht, wie wir es taten.
 

Gehabt euch wohl, und vergesst uns nicht, denn Vergessen ist der schlimmste Frevel, den wir je begangen.
 

Selen
 

Ein neuer Anfang

An jenem Morgen nahm ihr Leben eine entscheidende Wendung, wieder mal. Für sie gab es mehrere Gründe die vereinigten Staaten zu verlassen. Zum einen fiel ihr hier mittlerweile die Decke auf den Kopf und zum anderen hatte sie hier - für ihren Geschmack - im Moment zu viele Feinde. Es war ein kühler Morgen - kein Wunder - denn es war ja noch früh, es war 5:32 Uhr als sie auf ihre Armbanduhr sah. Sie war gerade in einem Taxi unterwegs zum Flughafen um auf ihr Flugzeug zu warten, das sie wieder nach Europa bringen sollte.

Eine Woche zuvor hatte sie einen Brief abgeschickt. Vielleicht hat da ja die Wendung ihres Lebens bereits angefangen, - wenn man es sich recht überlegt, wäre das auch schon irgendwie logisch. Der Brief war an Bruder Darius in Paris gerichtet. Sie waren alte Freunde, wirklich alte Freunde und in letzter Zeit vermißte sie ihn so sehr, dass es ihr schon irgendwie unheimlich vorkam.

Ihr gehörte eine Villa außerhalb von Los Angeles, etwas entlegen mit viel Land. Unterwegs von ihrer Villa in die Stadt hielten sie auf dem Berg, der über Hollywood thront. Sie stieg aus und genoß die Stille, den Ausblick auf die, zum Teil noch schlafende Stadt während die Sonne im Inbegriff war aufzugehen. Der Anblick kam ihr so neu vor, obwohl sie ihn nicht nur tausend, sondern bestimmt schon Millionen Mal zuvor gesehen hatte, aber nur dieses Mal berührte es ihr Herz, so wie damals. Damals, in grauer Vorzeit möchte man meinen, doch so lange war es dann doch nicht her. Erinnerungen waren ihr größter Reichtum, obgleich sie nicht arm war - ganz im Gegenteil - aber sie waren auch ihre größte Qual. Die Erinnerungen, die gerade in diesem Moment in ihr aufstiegen waren allerdings einige ihrer liebsten. Sie dachte daran, was es ihr damals bedeutet hatte und was es ihr noch immer bedeutete. Auf Einmal war es als würde sie eine Trauer ergreifen, dass sie diesen Augenblick alleine, ganz alleine hier oben auf dem Berg erleben musste. Jetzt war an ihrem Entschluß nach Paris zugehen nicht mehr zu rütteln.

Sie stieg wieder in das Taxi ein und der Fahrer fuhr los. Die Fahrt über musste sie mit einem Schmunzeln über ihren Brief nachdenken. Sie hatte ihm, Darius, keinen Brief in dem Sinne geschickt, nicht wie sie normalerweise einen Brief geschrieben hätte, einen langen Text oder der gleichen, auf so etwas hat sie bewußt verzichtet. Heutzutage ist so etwas schon fast gefährlich, deshalb waren ihre Überlegungen dazu übergegangen etwas zuschicken, das nur sie beide verstehen. Sie hatte ihm ein Bild im DIN A 4 Format geschickt - kein Foto. Es war eine Fotokopie einer mittelalterlichen Engelsdarstellung und auf die Rückseite hatte sie in lateinischer Schrift und lateinischer Sprache "mox venio ad tibi" geschrieben, was bedeuten sollte, dass sie bald zu ihm käme. Obwohl sie wußte, dass es "te" hätte heißen müssen, hatte sie "tibi" geschrieben. Sie war sich sicher, dass es ihn wenigstens ein klitzekleines bißchen aufregen würde und das wollte sie ja schließlich. Sie haßte die lateinische Sprache - was wahrscheinlich auch von den Leuten abhing die sie ursprünglich gesprochen haben - und Darius wusste es. Es hatte sie einiges an Konzentration gekostet, so wie es ihr einiges an Selbstüberwindung abverlangt hatte. Sie tat normalerweise nie mehr als unbedingt notwendig, schon gar nicht, wenn sie es nicht mochte oder gar haßte, aber was man für einen Freund nicht alles tut, sogar so etwas!

Das Fluchen des Fahrers riß sie aus ihren Gedanken " So Was! So 'n Scheiß Man! Kaum wird Mal wieder 'n Cop kalt gemacht wird kontrolliert was das Zeug hält. Bringt aber irgendwer einen Taxifahrer um, wird mal kurz gefahndet, ist der Fahrer schwarz, tut jeder so, als sei nix passiert. Oh Mann!...." Sie waren schon fast am Flughafen und mussten dummerweise in einen Stau geraten. Es waren mittlerweile schon 6:17 Uhr, in nicht ganz 50 Minuten würde die letzte Aufforderung einzusteigen sein und sie musste vorher noch einchecken und das ganze Drumherum - sie war genervt. "Miss, soll ich das Radio anmachen?" Es war ein junger, netter, zuvorkommender, schwarzer Mann der sie da fragte und obwohl er bis eben noch so geflucht hatte, fragte er ganz freundlich, da musste sie ihn einfach anlächeln " Ja, das wäre sehr nett, danke." ".....Gestern Abend gegen 9 Uhr muss es passiert sein. Wir fanden seine Leiche heute Morgen im Hinterhof des Departements, sein Kopf lag abgetrennt neben ihm. Er hatte einige Schürf- und vereinzelt auch oberflächliche Schnittwunden, aber die Todesursache ist wohl das Abtrennen des Kopfes gewesen. Er hatte noch alle Wertsachen bei sich und so schließen wir einen Raubmord aus......" Das ließ sie hellhörig werden. "....Das war der erste Bericht zum Todes Fall des Detektivs Carlos Fumentera, der wohl im Einsatz ums Leben gekommen ist. ..." Carlos Fumentera! Der?! Im Einsatz ums Leben gekommen?!! Für sie klang das wie ein schlechter Scherz, aber heutzutage ist ja alles möglich. Sie kannte Carlos Fumentera von früher her und sie wusste, wie er in den letzten Monaten oder sogar Jahren hier in Los Angeles gewirkt hat. Er war korrupt, ließ sich von allen Seiten bestechen, er dealte mit beschlagnahmten Beweisstücken, vorzugsweise mit Drogen, aber auch mit Waffen und Schmuck. Er war ein Mörder und es gab kein Verbrechen, dass er nicht verübt hatte. Aber wie das so ist, so jemand wie Carlos agiert nicht alleine, er hatte schon immer Partner. Hier in Los Angeles war es Dylan Langley, auch ein korrupter Cop, fast das gleiche Kalieber wie Carlos, nur hatte Carlos immer das Sagen. Sie hatte sie zweimal erlebt, einmal im Polizeieinsatz, ihrem ,normalen' Job, da kommandierte Carlos Dylan durch die Gegend und ließ ihn die ganze Drecksarbeit erledigen und später heimste er auch noch die Lorbeeren ein. Und das zweite Mal bei ihrem ,Nebenjob', obgleich dieser den größeren Profit abzuwerfen versprach. Sie sah, wie sie eine etwa fünfzehn Jährigen zusammenschlugen, weil er nicht bezahlen konnte für das halbe Gramm Kokain. Sie stifteten ihn an, ach was, sie zwangen ihn, irgendeiner alten Dame augenblicklich die Handtasche zu stehlen. Sie hatten sich das schon gut überlegt, der Junge klaute die Handtasche, rannte wieder zurück, sie holten das Bargeld raus, schmissen das Portemonnaie weg, der junge sollte weiter laufen, mit der Handtasche. Die beiden Polizisten fasten ihn, die Handtasche kam wieder zu der Besitzerin, die stellte fest, dass das Portemonnaie fehlt, sie fragten ihn, wo es sei, er antwortete, dass er es nicht mehr habe, sie gingen mit ihm das Portemonnaie suchen, hinter der nächsten Ecke gaben sie ihm das Kokain und damit ging jeder seines Weges. Sie hätte ja eingegriffen, aber zwei Unsterbliche, sind zwei Unsterbliche zuviel und die sind auch noch gefährlich. Vor allem Carlos, der tötet jeden Unsterblichen, bei dem er glaubt, er habe ihn nicht vollständig unter Kontrolle und genau zu diesen würde sie auch zählen, wie gesagt, sie tat nichts, was nicht unbedingt notwendig ist. Ein Kampf mit zwei Unsterblichen ist nicht notwendig, sonders lebensmüde.

Aber nur so betrachtet, wie Carlos Dylan behandelt hatte, ja wie einen kleinen Idioten, der gerade gut genug war, um die Drecksarbeit zu erledigen, eben wie seinen persönlichen Sklaven, würde es sie nicht wundern, wenn Dylan ihn getötet hätte. Und wenn nicht, naja, Dylan war loyal und irgendwie schien es so, als hätte er Carlos sogar gemocht, wie einen Bruder oder so; er würde sich vielleicht rächen wollen. Oder noch schlimmer, irgendein Unsterblicher ist auf Kopfjagd! Also war es richtig gerade jetzt zu verschwinden. So viele Gedanken waren ihr durch den Kopf gejagt, das ihr die paar Minuten wie eine Ewigkeit erschienen. Mittlerweile waren sie schon bis zur Einfahrt des Parkplatzes vorgedrungen und wurden kontrolliert. Zu ihrem Pech war Dylan dabei, nicht dass er sie gesehen hätte, aber als sie seine Gegenwart spürte musste ihr Gesicht sehr bedrückt und sorgenvoll ausgesehen haben, der kontrollierende Polizist sah zu ihrem Glück gerade auf die Ausweise und sah nur die letzten Züge ihres Gesichtes bevor sie sich wieder gefangen hatte. Aber leider vermied er es nicht sie zu fragen "Miss, wohin wollen sie?" - "Ich? Ich wollte nach Paris," wieder vollends Herr der Lage und mit fester, bestimmter Stimme, aber auch mit einem gewissen, gespielten Schwanken antwortete sie ihm "bei dieser Kriminalität kann ich nicht bleiben. Meine Tante wollte ja schon immer, dass ich hier aus Los Angeles wegziehen sollte, aber es fiel mir schwer diese Entscheidung zu treffen, aber was man so im Radio hört! - Da fällt der Entschluß doch schon leichter. Meinen sie, dass der Flughafen sicher ist? Ich war noch nie auf einem Flughafen, wissen sie." Sie hatte ihn bewußt gelangweilt, auch damit er sich ihren Ausweis nicht allzulang ansah, er war zwar gut, aber Fälschung bleibt Fälschung und wird niemals echt. Er ließ sie weiter fahren. Unterdessen war es schon 6:29 Uhr, sie war so in Eile und dankte Gott dafür, dass sie auf großes Gepäck verzichtet hatte, auch wenn sie nicht an Gott oder so was glaubte. Beim Ausladen half ihr der nette Taxifahrer und meinte noch "Sie wissen wohl wie man lästige Polizisten los wird, wie?" - "Ähem" sie antwortete nur beiläufig, da sie vollkommen mit ihren Sachen beschäftigt war. Sie musste sich beeilen, als sie den Taxifahrer bezahlte und gab ihm deshalb ein großzügiges Trinkgeld, da man normalerweise eine Stunde vorher eincheckte und sie gerade mal 40 Minuten hatte. Zudem musste sie sich noch durch die Menschenmasse schlagen. Für einen Moment verschwendete sie einen Gedanken daran wie viele Menschen um diese Zeit hier waren. In dem Moment, indem sie das Flughafengebäude betrat, spürt sie die Anwesenheit eines Unsterblichen, einem der ihr unbekannt war. Es war ein Schwindelgefühl, als ob sich alles drehte. Ein Geräusch, undefinierbar zwischen Ton und einem ohrenbetäubendem Rauschen. Plötzlich packte sie eine Hast. Sie wußte genau, dass gerade das das Falscheste war, was sie in diesem Moment tun konnte, aber bei solchen Überraschungen reagiert sogar sie ein wenig emotional. Das war aber nur eine kurzweilige Schockreaktion, da sie sich doch schnell selber klar machen konnte, dass die Art, wie sie reagierte unlogisch war und vielleicht auch gefährlich für sie werden könnte. Ihr gelang es trotz intensivster Suche nicht herauszufinden, wen sie da eigentlich gespürt hatte. Ihre Koffer waren aufgegeben, naja es war viel mehr eine große marineblaue Sporttasche und ein kleiner grauer Segeltuchkoffer. Es war schon 6:56 Uhr und ihr Flug sollte um 7:05 Uhr gehen. Schon hörte sie den Aufruf "Letzter Aufruf für die Passagiere des Fluges 2 - 6 - 0 nach Paris. Flugsteig C" Sie lief mit ihrem etwas sperrigem Handgepäck und stieg in die Maschine. Gerade als sie sich hingesetzt hatte, spürte sie wieder die Gegenwart des unbekannten Unsterblichen, dass er es war merkte sie schon, aber sie wusste trotzdem nicht wer er - oder vielleicht sie - sein könnte. Sie wusste nur, dass er beziehungsweise sie mit dieser Maschine nach Paris flog, was sie beunruhigte. Die Flugzeit zog sich hin und ihr kamen die elf Stunden schon fast wie elf Tage vor. Sie wollte nicht schlafen, obwohl ihr die Augen immer wieder zufielen. Sie hatte Angst, Angst vor dem unbekannten Unsterblichen. Sie wusste zwar, dass er oder sie ihr gewiß nichts tun würde, nicht in dieser Menschenmasse, aber das beruhigte sie kein Stück. Andererseits hatte sie auch Angst so weit oben zu sein, dem Himmel so nah zu sein, das, was sie eigentlich vermeiden wollte. Der Himmel, das was sich die meisten Menschen darunter vorstellen, im bildlichen Sinne, war absurd, sie war sich sicher, dass sie da nur einem beruhigendem Hirngespinst nach liefen. Der Flug verlief so ruhig, dass sie sich schon fast schämte, sich so kindisch benommen zu haben.

Sie besaß mehrere Häuser, die immer außerhalb gelegen waren und mit viel Gelände drum herum. Sie liebte Tiere, vor allem Pferde, deshalb war das Gelände um ihre Häuser auch für ihre Pferdeherden gedacht. Es waren alle samt Wildpferdherden, aber einige ritt sie ein, damit sie noch Kontakt zu ihnen hatte und weil sie gerne ritt. In Frankreich besaß sie zwei Anwesen. Eines lag geräumig außerhalb Paris' und eines zwischen Avignon und Marseille. Aber sie dachte schon länger darüber nach, das Anwesen zwischen Avignon und Marseille zu verkaufen. Mit diesem Gedanken versucht sie sich abzulenken. Ihr ,Problem' war nur, dass sie sich nicht sicher war, wie man die Pferdeherden verladen sollte, es waren ja Wildpferde und einige ließen sich nicht einmal von ihr anfassen. Als das Flugzeug mit ein wenig Verspätung um 18:24 Uhr, nach ihrer Uhr und 3:20 Uhr Ortszeit, aufsetzte, durchfuhr sie dieser Ruck und ihre Entscheidung war damit getroffen, sie würde das Haus verkaufen, nicht aber ihre Pferde, an denen hing sie sehr. Das Hauptargument war wohl, das sie sowieso so selten dort war und auch in Zukunft nicht sehr oft dort sein würde. Dieses Mal merkte sie beim Aussteigen wie sperrig ihre Umhängetasche doch als Handgepäck war und beschloß beim nächsten Mal etwas praktischeres zu benutzen. Sie sammelte ihre Koffer ein und wollte das Flughafengebäude gerade verlassen um sich ein Taxi zu besorgen, als sie ihn wieder spürte, nur einen Augenblick Da sie aber viel zu müde und beschäftigt war um sich da noch rein zu steigern, ging sie raus. Sie stand nun da, sah in den Himmel, zu den Sternen und fühlte sich, wie überall, als Fremde, was sie im Grunde genommen ja auch war. Ich bin hier, wieder Mal, dachte sie und stieg ins Taxi ein, ihre Taschen waren bereits eingeladen und sie fuhren los. "Madame, wohin möchten Sie?"- "Rue de Bretagne." - "Madame, da ist doch nichts! Was..." - "Doch, doch. Ich möchte zum alten Landhaus, außerhalb von Paris." - "Wie Madame wünschen." Bei Nacht ist Paris noch schöner als bei Tag, dachte sie sich und wäre trotzdem fast auf dem Rücksitz eingeschlafen. Es war fast 10 nach 4 als sie ankamen und sie war gerade eingenickt, als der Fahrer etwas ruckartig anhielt. "Oh, pardon! Madame wir sind, glaube ich, da." Sie richtete sich auf und sah sich um. " Ja, wir sind da." Sie bezahlte ihn etwas schläfrig und stolperte aus dem Wagen. Man konnte es dem Fahrer ansehen, dass es ihm hier draußen gruselig vorkam. Kein Wunder, über dieses Haus gab es schon vor gut 500 Jahren genügend Gruselgeschichten, von denen auch heute noch ein paar erzählt wurden. Sie stand mit ihren Taschen davor und hörte im Hintergrund, wie der Fahrer sie noch fragte "Madame, möchten Sie wirklich bleiben? Soll ich Sie nicht lieber wieder mit in die Stadt nehmen?"- "Nein, nein ich bleibe." Sie beschäftigte mehr der Gedanke, dass sie jetzt auch noch ihr Bett herrichten musste. Der Taxifahrer war inzwischen in sein Auto gesprungen und mit quietschenden Reifen davon gefahren, als sie sich umdrehte, sah sie nur noch seine Rücklichter. Ganz alleine stand sie da und suchte den Haustürschlüssel, den sie dann auch bald fand. " Trautes Heim, Glück allein." summte sie vor sich hin, als sie die Tür aufschloß. Sie ging rein, stellte die Taschen ab und schloß die Tür wieder zu. Die Taschen ließ sie mitten im Flur stehen und ging gleich hoch in ihr Schlafzimmer, zog das verstaubte Schutzlaken von ihrem Bett, ließ sich mit Klamotten hinein fallen und schlief sogleich ein.

Getrübtes Wiedersehen

"Auf so eine Idee kann auch nur Selen kommen!" Sagte Darius zu sich selbst, nachdem er ihren Brief eingehend studiert hatte. Er saß alleine in seinem Pfarrhaus, das er nun etwa seit nicht ganz 500 Jahren bewohnte. Vor 1400 Jahren war er vom Feldherrn zum Priester geworden, ein ungewöhnlicher Werdegang, wie sie zugeben musste. "Wann kommst du, wann?" nuschelte er in seinen nicht vorhandenen Bart. Er hatte in diesem Moment eigentlich genügend Probleme, da Grayson, einer seiner früheren Offiziere und bester Freund, einen Rachefeldzug gegen ihn führte. Grayson wollte alle Schüler und Freunde von Darius töten, bis er es nicht mehr aushielt und seine heilige Stätte verlassen würde, um mit ihm zu kämpfen. Etwa 4 Tage, nachdem Darius sich mit ihrem Brief befaßt hatte, kam sie in Paris an.

Als sie aufwachte, war es auf ihrer Uhr 3: 46 Uhr und das erste, was sie tat, war nach unten zum Telefon zu laufen um Darius an zu rufen. Als sie gerade wählen wollte, fiel ihr ein, dass sie ihre Uhr noch umstellen musste. Es musste schon 12:46 Uhr gewesen sein.

Das es eigentlich bald Zeit für das Mittagessen gewesen wäre, störte sie gar nicht. Da ihr die Telefonnummer nicht gleich einfiel und sie sie sich bedauerlicherweise nirgends notiert hatte, war sie gezwungen die Auskunft anzurufen. " Ehm, ja hier spricht Jennifer Montroes, ich wollte eine Telefonnummer in Erfahrung bringen.... Ja, Bruder Darius..... Ehm nein....Ja, Saint Josèf, in Paris. ...Ja, genau....... 0 4 - 3 7 - 4 5 - 0 9 - 1 8. Danke." Sie war guter Laune, zwar immer noch nicht ausgeschlafen, aber da sie mit guter Laune ein echtes Energiebündel ist, machte ihr das nichts aus, und rief Darius gleich an. "Dum - die - dum, 0 4, ahm 3 7 - öh - 4 5 - 0....9 da - dim - da, ehm - 1 8. Nah - na - na..." - "Tut - tut - tut - tut - klock. Pfarrei Saint Josèf, Bruder Darius." - "Guten Tag. Mein Name ist Jennifer Montroes. Ich starte im Moment eine einmalige Umfrage, in der ich Unsterbliche nach ihrem Befinden frage, - was sagen sie dazu?" - "Wie?!" - "Hallo Darius." - "Selen! Was treibst du für Spielchen mit mir?!" - "Was meinst du mit Spielchen? Ich musste die Staaten verlassen und hab' mich für Paris entschieden. Jetzt bin ich hier und wollte dich eigentlich besuchen. Ich hab mich total darauf gefreut dich wiederzusehen und habe doch tatsächlich geglaubt, du würdest dich auch freuen und nun?" Sie hatte sich tatsächlich ein wenig aufgeregt und merkte gerade in dem Moment, als sie fertig war mit Reden, dass sie sich dich schon irgendwie idiotisch aufführte. "Ist ja gut. Ich freue mich doch. Du bist schon in Paris?" " Ja, heute Nacht angekommen." Man konnte förmlich hören, wie es knisterte und Darius sich den Kopf zerbrach. Nachdem er nichts mehr von sich gab, fing sie wieder an zu reden. "Darius, hallo? Noch da?" - "Wie? Ehm, ja..." - "Es ist Montagmittag, heute Abend hast du doch nicht etwa schon was vor, oder?!" " Ehm, weißt du,...." - "Moment Mal, jetzt zieh dich nicht so aus der Affäre, ich komme dich heute besuchen. Um sechs?" - "Aber Selen, ...." - " Kedann?" "Hä? Ach, ja. Aber du solltest nicht....." - "Willst du nicht, dass ich dich besuchen komme?" - "Im Moment ist's nicht so gelegen, weißt du." - "Wieso?" Es tat ihr doch mehr weh, als sie sich eingestehen wollte, und das hörte man auch. " Weil..., weil...., oh Selen, ich...., ich kann nicht." - "Warum?" - "Es ist besser so... . Klock... Töööööööhhhht." Er hatte auf gelegt und sie legte auch auf. Für sie war das unbegreiflich, was zum Henker ist los mit Darius? Da ihr das Kopfzerbrechen nichts als Kopfschmerzen brachte, beschloß sie trotzdem zu ihm zu gehen , um sechs Uhr würde sie da sein. Darius kannte sie schon lange und sie glaubte, dass er sich dessen bewußt war, dass sie kommen würde, egal was auch passieren mochte. Da sie gestern erst angekommen war, nichts eingekauft hatte und der Kühlschrank leer war, musste sie wohl etwas gesunder frühstücken. Sie ging raus, kletterte über ihre Taschen, noch immer in den Anziehsachen des vorherigen Tages, streckte sich und trat in ihren verwilderten Garten. Mit der Zeit hatte sie schließlich gelernt zu überleben, dafür braucht man keinen Kühlschrank. Ihr kleines Gemüsebeet war schließlich voll von Eßbarem und es war auch erstaunlich wenig Unkraut darin gewachsen, sehr erfreulich.

Sie sah auf ihre Uhr, die ,sagte', dass es 10 nach 1 war, sie das Frühstück also eigentlich überspringen konnte und gleich mit dem Mittagessen anfangen konnte. Sie pflückte sich einen Salatkopf, Tomaten, ' ne Gurke, ein Paar wilde Kräuter und Zwiebeln. Ihr erstes Essen in Frankreich sollte ein Salat sein. Manch einer würde das bestimmt komisch finden. Das Körbchen war voll und sie fragte sich, wie sie das alles nur essen sollte, aber die Zivilisation hat ja Kühlschränke hervorgebracht, manchmal sind Menschen doch zu was zu nütze, dachte sie und musste lachen, dass gerade sie diesen Gedanken hatte. Sie hörte sich ja schon an wie sonst wer, lächerlich und vorallem erbärmlich.

Nachdem sie gegessen, sich geduscht, umgezogen und auch ein wenig gestylt hatte - wovon sie eigentlich nichts hielt - fuhr sie mit ihrem Fahrrad in die Stadt, zum Markt, kaufte Lebensmittel ein, fuhr wieder zurück und fuhr wieder in die Stadt, sie wollte Darius ja besuchen, auch wenn er's nicht wollte, wovon sie wiederum nicht ganz überzeugt war. Als sie in der Innenstadt ankam, war es noch ein Weilchen bis sechs und so sah sie sich noch ein bißchen um. Ihr Fahrrad kettete sie an einem Aufgang einer Metro - Station an, nur ein paar Straßen von Darius' kleiner Kirche entfernt und machte sich auf den Weg. Als sie nur noch die Straße hätte überqueren müssen, um bei Darius zu sein, spürte sie einen Unsterblichen, dieses Gefühl kam ihr bekannt vor, doch konnte sie es nicht sofort einem Gesicht zuordnen. Es war bereits dunkel und die Straße war leer, was sie beunruhigte. Sie wollte die Straße schnell überqueren. Hinter dem Zaun wäre ich auf heiligem Boden, dachte sie, dann ist es egal wer er ist, da bin ich sicher. Sie hörte Schritte, und sah im blassen Laternenschein eine Person die Straße herunterkommen. Sie hatte erst zwei Schritte auf die Straße getan, in der rechten Hand hielt sie ihren baumelnden Rucksack, als sie der Mann ansprach "Ist es nicht schon spät? Ein frommes Mädchen oder eine Verführerin, wer wird diese Kirche wohl betreten?" - "Wie meinen?" Ihre Antwort hielt sie so knapp wie möglich, denn die Stimme kam ihr bekannt vor, aber es fiel ihr nicht ein, wer das sein konnte. Die Laterne war nur schwach und gleich weit von ihnen entfernt, er konnte ihr Gesicht also genauso wenig erkennen, wie sie seines. Sie versuchte so ruhig wie möglich die Straße zu überqueren, bloß keine Schwäche zeigen. Als sie sich mitten auf der Straße befand spürte sie Darius. Er kam gerade aus der Tür und trat auf den Weg, der zur Straße führte. Sie lächelte als sie ihn sah. Er riß die Augen auf, vor Schreck, Angst, Zorn, warum wusste sie nicht. "Selen, du solltest nicht herkommen...." - "Genau Selen." Der Mann stand nun im Laternenschein. Sie drehte sich zu ihm, sie wollte wissen, wer er war. In dem Moment, in dem sie ihn erkannte, spürte sie einen Ruck in ihrer Brust und vor Schreck ließ sie ihren Rucksack fallen. Der Schmerz kam erst Sekunden später. Sie sah an sich runter, das Blut lief aus einer Wunde, in der ein verzierter Wurfdolch steckte, er hatte ihr Herz getroffen. Langsam wurde ihr schwindelig, Mit etwas Mühe konnte sie den Dolch raus ziehen und drückte ihre Hände auf die Wunde, damit sie nicht noch mehr Blut verlor. Der Schwindel überkam sie wie in Wellen, Wellen, die sie zu Boden zu drücken versuchten. Das Gleichgewicht zu halten fiel ihr schwer und sie taumelte zum Zaunpfeiler um sich etwas Halt zu verschaffen. Sie lehnte sich mit dem Rücken an und musste nachgeben, als ihre Knie weich wurden und schließlich einknickten, saß sie da und versuchte den Schmerz, der langsam betäubend wirkten, zu ertragen. Der Mann im Lichtkranz der Laterne lachte und verspottete Darius, der verzweifelt neben ihr kniete und versuchte ihr zu helfen. Er konnte es nur schwer ertragen, sie dort langsam sterben zu sehen, nur weil sie von Natur aus eine Kämpferin war - also nicht einfach aufgab - brüllte er ihn fast an "Grayson, wie kannst du soetwas nur tun? Wofür? Du hast an mich geglaubt, jetzt willst du mich vernichten, aber was haben meine Freunde damit zu tun?" Grayson strahlte, Darius so am Boden zu sehen, fast den Tränen nahe, war für ihn schon sehr befriedigend und doch, er wollte mehr, er wollte Darius' Kopf. "Ist es nicht seltsam, wie sie so dahin siecht, dem Tod in die Arme? - Deine Freunde, einst zählte ich auch dazu, zu deinen Freunden. Du hättest ihr Leben retten können, du musst nur raus kommen und gegen mich kämpfen, damit hat alles ein Ende." Er grinste, er wusste, Darius war aus der Übung und besaß kein Schwert mehr, mit dem er sich hätte verteidigen, geschweige denn angreifen können. Sie hörte all dies nur noch sehr schwach und letztendlich starb sie und ihr Körper begann sich sofort zu regenerieren. Woran sie eigentlich gestorben war, wusste sie nicht. Ob es der hohe Blutverlust war oder vielleicht der daraus folgenden Sauerstoffmangel im Gehirn, oder einfach nur Herzstillstand, aber im Grunde genommen interessierte es sie nicht. Sie hatte viel Blut verloren und genügend Blut, beziehungsweise Blutkörperchen zu produzieren war für ihren Körper eine große Anstrengung, erst recht, wenn es so schnell sein musste. Sie wollte die beiden nicht all zulange alleine lassen, denn das Letzte, was sie gehört hatte klang nicht besonders verheißungsvoll. Sie lag quer durch den Durchgang vom Fußgängerweg zum Kirchengelände, versperrte also das Tor, das immer offen stand. Ihr Kopf lag vorn übergeneigt und ihre Hände waren aus Kraftlosigkeit runter gesunken. Als sie wieder erwachte schreckte sie tief einatmend auf und stieß sich gleich den Kopf am Zaunpfeiler. Benommen wie sie war saß sie da und sagte in ihrer ersten Verwirrung nur " Isset hetor em." und stöhnte. Grayson sah sie fassungslos und verständnislos mit weit aufgerissenen Augen an, dann brachte er nur das langgezogene "Waaaass?" raus. Darius wollte für sie antworten, doch sie war langsam wieder bei Sinnen und leierte gleichzeitig mit Darius "Mir ist heiß." Er hatte natürlich nicht ,Mir' gesagt, sondern ,Ihr'. Er legte ihr die Hand auf die Stirn und konnte ihren Ausspruch durchaus nachvollziehen. Grayson war nicht ganz genauso alt wie Darius, aber sehr nah dran, doch an so eine Sprache konnte er sich nicht erinnern. Um so mehr wunderte er sich, dass Darius sie so selbstverständlich und auch unter diesen Bedingungen so schnell übersetzte. Doch für viel Verwunderung ließ sie ihm keine Zeit. Sie versuchte ihn mit einem Tritt vors Schienbein aus dem Gleichgewicht bringen, indem sie sich seitlich nach rechts drehte, was allerdings nichts brachte, da dieser auswich. Er stand verdattert da, zog sein Schwert und hätte ihr da, auf der Schwelle zu heiligem Boden, doch fast den Kopf abgeschlagen, wenn Darius sie nicht weggezogen hätte. Ein wenig säuerlich gestimmt sprang sie auf ihre Füße, spürte noch ein leichtes Stechen in der Brust und musste sich noch ein wenig zurückhalten, weil sie nicht gerne aufgeschlitzt werden wollte. Sie stand da, im Eingangstor zum Kirchengelände, guckte Grayson gleichgültig an, er aber kochte vor Wut. "Du Hexe, du bist Schuld! Du und deinesgleichen, ihr habt Darius doch damals verführt, ihn bekehrt." Bekehrt, das hatte er sarkastisch betont. Er hatte sie wiedererkannt. Sie und ihresgleichen waren in seinen Augen dafür verantwortlich, dass Darius nicht zum größten Feldherrn, Herrscher aller Zeiten geworden war. Mit ihresgleichen meinte er En, die er selbst heute noch für eine Hexe hielt, Selen anscheinend auch. Das Darius gerade wegen En diese ,Kariere' aufgegeben hatte, konnte er wohl nicht überwinden und machte Anstalten seinen Rachegelüsten nachzugeben. Vor etwa 1400 Jahren hatte Darius nach einer langen, siegreichen Periode ein Heer gegen Paris geführt. Am Beginn dieses Feldzuges hatte er geschworen vom Gebirge des Urals bis zur atlantischen See zu ziehen und alles zu erobern. Indem er Paris verschonte, hatte er diesen Schwur gebrochen und sie war sich sicher, dass das mit ein Grund dafür war für Graysons Aggressionen gegen ihn war. Es mag sich vielleicht raffgierig anhören, Europa zu erobern, alles und jeden, der sich einem in den Weg stellt niederzuschlagen, aber die Zeiten waren eben so verrückt. Darius war immer schon ein guter Mensch, nicht erst seitdem er hier als Priester sitzt und im Stillen versucht die Welt zu verbessern, das wusste sie. Sie konnte leider nicht behaupten, dass sie das schon immer wusste. Damals, in den Zeiten, als Darius noch als Feldherr agierte, hatte En es ihr beigebracht, es ihr klar vor Augen geführt. Sie hatte ihr das schon in früheren Zeiten beigebracht, aber sie hat es wieder vergessen. Das man Menschen nicht nur nach ihrem Äußeren beurteilen soll, wusste sie. Das war ja klar und einfach, das erlebt man jeden Tag, auch wenn man es nicht beachtet. En aber war sich sicher, dass man den Menschen auch damit Unrecht täte, indem man sie nur nach ihren Taten beurteilt. Sie war ein Mensch mit einer warmen Ausstrahlung, wie ihr es ihr Heimatstern in die Wiege gelegt hat. In ihrer Gegenwart erfüllte Selen immer das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Nie hat sie auch nur ein böses Wort aus ihrem Mund gehört. Darius hatte auch so eine Ausstrahlung, Das war ein merkwürdiges Gefühl, wenn man im Kampf sein bitteres und entschlossenes Gesicht mit diesen harten Zügen sah, aber dann diese Ausstrahlung wahrnahm. Nicht jeder spürt so etwas. Normalerweise spüren Menschen so etwas überhaupt nicht und auch Unsterbliche nahmen es nur äußerst selten wahr. Grayson war in dieser Beziehung ein echter Bauern - Trampel, ihm war alles egal. Über seinen Eifer, mit dem er seinen Rachefeldzug verfolgte, war sie ein wenig erstaunt, weil sie dachte, dass es schwer sei noch nachtragender als sie zu sein. Manchmal ist sie auch rachsüchtig, aber nur ein bißchen. In ihren Augen war Grayson ehrlich gesagt ein Verrückter, ein Fanatiker. Nach einem Moment antwortete sie ihm sogar: "Du Dummkopf, du weißt überhaupt nicht, was eine Hexe ist. Also schmeiß' nicht mit Worten um dich, die du nicht verstehst." Über ihren hitzigen Ton war sie selber erstaunt. Darius und Grayson starrten sie beide fragend an. Sie seufzte "Him, ich erklär' s dir später noch mal Darius." Sie trat auf die Straße, wich Graysons Schwerhieben aus und zog ihr eigenes Schwert. Eigentlich kann man es so nicht direkt sagen, obwohl sie keine Waffe bei sich trägt ist sie trotzdem nicht unbewaffnet. So kommt sie an jeder Kontrolle vorbei, hat nicht das lästige Problem, es unauffällig zu transportieren und ist beweglicher. Er griff an, sie wehrte ab. Solche Zweikämpfe betrachtete sie als Spiel, was nach Darius' Meinung nicht sonderlich gesund ist. Sie glaubte, dass Darius bei jedem kleinen Kratzer den Grayson ihr zugefügt hatte mehr litt als sie selber. Die Schwerter klirrten und es flogen Funken. Ihr Hemd hatte schon unzählige Löcher und ihre Hose sah aus wie eine ,Designerjeans'. Das Grayson nicht besser aussah befriedigte sie schon ungemein. Jedesmal wenn ihre Schwerter sich kreuzten, bei jedem Klirren zuckte Darius zusammen. Sie fand es total süß von ihm, dass er sich so um sie sorgte. "Hattest wohl viel Übung in den letzten Jahren, hm?" Eigentlich meinte sie es ernst, aber die Verlockung der Angriffslust war einfach zu groß, als dass sie es in dem gebührenden Ton hätte sagen können. " Ich wollte den alten Traum verwirklichen." Jeder Anwesende wusste, was er meinte und unwillkürlich musst sie etwas darauf erwidern. "Den Traum verwirklichen? Du hältst ihn nur fest. Jeder braucht Träume, aber man muss auch erkennen können, welchen Träume man leben kann und welche einfach nur das bleiben, was sie sind, Träume!" Langsam schämte Darius sich, dass sie für ihn kämpfte, obwohl er sie doch da raus halten wollte. Sie wunderte es, dass die Nachbarn nicht aus Neugierde an die Fenster kamen oder aus den Häusern, aber es kam ihr recht so. "Scher dich weg hier. Hier ist kein Platz für Spinner, die einer längst toten Idiotie hinterher trauern. Verstehen wir uns?!" In seinen Augen war sie eine Heranwachsende, die den Mund zu voll nahm gegenüber einem erwachsenen Mann. Aber er wusste auch, dass sie mindestens so alt war wie er oder Darius. Und bis jetzt hatte sie sich gegen ihn gut geschlagen. "Wir sehen uns wieder, pah," er biß sich auf die Unterlippe "Von einem Kind geschlagen, schon wieder," - " Ich bin noch weniger Kind als du. Denk darüber nach." Er nahm sein Schwert und verstaute es unter seinem Mantel, während er sich umdrehte und von Dannen zog. Sie überlegte sich, wenn es andersherum gewesen wäre, er wäre mir sicherlich in den Rücken gefallen. "Du hast ein Gottvertrauen, Selen." - " Gerade DAS habe ich nicht." Sie suchte ihren Krempel zusammen und folgte Darius in seine ,Wohnräume', wie er es nannte. Sie würde es ja eher spartanisch eingerichtetes, völkerdurchwandertes Zimmer nennen, aber gut. Es war ja nicht häßlich eingerichtet, ein altes Himmelbett aus dunklem Holz, einem ebenso alten wie dunklen Schreibtisch, verschiedene Schränke, Bücherregale, Stühle, einen Tisch mit Schachbrett und einen, der allerdings zu der Zeit noch leer war, aber alles schön passend und etwa gleich alt. Das Bett gefiel ihr besonders gut, es war weich, bequem und es roch so gut, nach Darius. Sie setzte sich demonstrativ auf die Bettkante und Darius warf ihr einen tadelnden Blick zu, der nicht nur so gemeint war, dass er sich nur Sorgen darum machte, dass sie - so blutverschmiert wie sie war - sein Bettzeug beschmutzen könnte. Mit einer abfallenden Handbewegung winkte sie ab. "Wegen ,DEM' sollte ich nicht kommen?" Er nickte, es war keine Verlegenheit zu erkennen. "Ja" - Wieder eine Pause - " Wegen dem. Eigentlich wollte ich dich ja da raus halten, aber du musstest ja unbedingt deinen Dickschädel durchsetzen und einmischen musst du dich auch gleich überall." - "Fertig?" Sie legte ihren Kopf schief und hatte ihren liebsten, sanftesten und ruhigsten Tonfall benutzt um ihn zu besänftigen. "Ja" Bei seiner Antwort lächelte er schon wieder und hatte längst eingesehen, dass sie ihm zwar zugehört hatte, aber ihr Verhalten deshalb trotzdem nicht ändern würde, dafür hatte er es zu oft probiert. Sie war sich eben sicher bei allem - sagen wir bei fast allem - was sie tat. Sie machte sich nicht weiter Gedanken um Grayson. "Freust du dich, dass ich da bin?" - "Ja schon, im Moment könnte ich Freunde zwar gut gebrauchen, aber sie leben meist nicht mehr lange oder zumindest sehr gefährlich." - "Das ist nichts neues für mich, das weißt du. Das Leben ist nun mal mit Risiken verbunden. Wäre das nicht so, dann wärst du ja schon tot." Er dachte darüber nach , das gab ihr Zeit sich mal richtig umzusehen. "Du veränderst wohl nie etwas in deiner ,Wohn - höhle' - oder selten, wie?" Sie hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen. "Hm?" - "Schon gut." Er nuschelte irgend etwas vor sich hin, er sah so bedrückt aus. Das sie nichts für ihn tun konnte, machte sie ebenso bedrückt. "Ich halte das so nicht mehr lange aus Selen. Ich weiß, ich kann nicht von dir verlangen, dass du dich dieser Sache annimmst." Er sprach zwar mit ruhiger Stimme, wie sonst auch, aber es bedurfte keiner besonderer Fähigkeiten die Verzweiflung , mit der er das sagte zu spüren. "Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder ein Schwert benutzen würde. ..." Sie sah ihn an und als sie endlich begriffen hatte was er ihr damit sagen wollte, riß sie die Augen weit auf. "Was hast du vor?!" Es war eigentlich keine Frage, sie wollte bloß feststellen, ob er sich selbst im Klaren darüber war, was er gerade gesagt hatte. "Irgendwas muss passieren, wie es aussieht, muss ich selbst...." - " Du selbst, was? Dich abschlachten lassen?" - "Grayson ist ein Problem, oder doch vielleicht ich? Ich sitze hier und die Welt um mich herum verändert sich, während ich immerzu der gleiche bleibe. Vielleicht sollte ich meine Zuflucht wieder verlassen." - "Darius, du weißt, du bist mein bester Freund und deshalb sage ich dir: Du bist wohl verrückt geworden! Du hast jetzt über 1000 Jahre kein Schwert angerührt, überhaupt kein Training gehabt und obendrein besitzt du nicht einmal mehr ein Schwert. Darius, das ist tödlich. Ich weiß das, du weißt das und das Schlimmste ist, Grayson weiß es mit Gewißheit auch. Außerdem ist er sicherlich die ganze Zeit über im Training gewesen. Sind das nicht genügend Gründe?" Sie diskutierten über dieses Problem und wie man ihm Abhilfe schaffen könnte. Sie wollte ihm ja helfen, aber mit einer endgültigen Lösung des Problems konnte sie nicht dienen. Um besagtes Problem zu beseitigen, hätte man Grayson töten müssen, aber das konnte sie gerade nicht tun, ihn töten. Sie unterlag von Geburt an speziellen Gesetzen, zu deren Einhaltung sie unter Androhung der Todesstrafe verpflichtet war. Die Einhaltung dieser Gesetze, vor allem dem des nicht Tötens, sicherten ihr in erster Linie das Recht zu leben. Auch wenn sie es manchmal müde war zu leben, aber es gibt nicht nur gute Zeiten, mit den Schlechten muss man auch leben können. Darius half ihr dabei immer sehr, mehr als er es sich Vorstellen konnte, mehr als er ahnte. "Was willst du jetzt genau tun?" Er sah sie an. Über ihre Frage schien er noch nachzudenken deshalb schob sie den Rest gleich hinterher. " Ich mein' du hast wohl Recht, so kann es nicht weiter gehen. Ich glaube nicht, dass es sich so einfach geschlagen gibt. Du hast viele Freunde, viele Ziele, an denen er dich noch empfindlich treffen könnte und auch treffen wird. - Vorausgesetzt, man läßt ihn machen was und wie er will." Sie war sich nicht sicher, ob er sie nicht verstanden hatte, ob er ihr nicht zugehört hatte, ihr nicht antworten wollte oder sie schlichtweg ignorierte, aber er antwortet nicht und für diesen Abend war ihre Geduld ein wenig überstrapaziert "Zum Teufel! Verstehst du überhaupt was, was ich meine?" Er sah zu ihr auf von seinem Schreibtisch, an dem er saß. Sie stand vor dem Schreibtisch, beide Hände mit den Handflächen nach unten auf den Schreibtisch gestützt und beugte sich zu ihm rüber. " Ich muss McLeod benachrichtigen." Er murmelte wieder so vor sich hin, in seinen nicht vorhandenen Bart. " Kedann? Eh, was?" Sie überlegte, der Name sagte ihr schon was, doch sie war sich nicht ganz im Klaren was. "McLeod, McLeod. .... Connor oder Dunkan?" Sie war sogar von selbst darauf gekommen. Voll beschäftigt damit kleine, quadratische Speckstein - Steinchen zu suchen, antwortet er ihr " Dunkan McLeod. Würdest du die Auskunft bitte für mich anrufen? Er müsste im Moment in den Staaten sein." - "Ja, sicher." Weil sie ein netter Mensch ist, hat sie es dann auch gemacht, an diesem Tag hatte sie ja schon geübt wie das mit der französischen Auskunft funktioniert. "Warum ausgerechnet Dunkan?" - "Hm?" Er sah auf. Er war damit beschäftigt die Steinchen mit Runen zu versehen. Sie saß wieder auf seiner Bettkante und sah zu ihm rüber. " Wir sind befreundet." - "Ja und?" - "Ich muss ihn warnen, verstehst du?" Sie überlegte sich wie man so einem netten, fürsorglichen Mann nur ans Leder wollen konnte und ertappte sich selber dabei, wie sie ihn anhimmelte. Er hatte so ein liebevolles Wesen und seine Art mit Menschen umzugehen ließen seine harten Gesichtszüge schwinden und weich erscheinen. Jedes mal, wenn sie ihm in seine klaren blauen Augen schaute, konnte sie in ihnen einfach versinken, weil sie einfach nicht anders konnte.

Dunkan McLeod war ein ehrlicher Mann, der die Gerechtigkeit liebte und dementsprechend handelte. Darius und McLeod hatten sich vor gut 300 Jahren im Krieg kennen gelernt. Darius war damals umhergewandert um den Verletzten zu helfen. Dunkan sollte die zu schwer verletzten, die die man nicht mehr versorgen konnte, zu ihrem Sterbeort bringen. Auf diesem Weg haben sie sich getroffen. Die beiden waren mit Abstand die ehrlichsten und gerechtesten Unsterblichen, die ihr in ihrem doch nicht gerade kurzem Leben begegnet sind. Es freute sie, dass sie befreundet waren, weil es eine ,ehrliche Freundschaft' war und vielleicht weil ihr so etwas fehlte, eine ,ehrliche' Freundschaft. Ihr war wohl klar, dass McLeod zwar nicht die Lösung des Problems war, aber sie sozusagen mit sich brachte. Auf jeden Fall war Grayson ein Problem, jedoch eines von denen, den man Abhilfe schaffen kann. Hinter Darius' Schreibtisch, an der bunten Fensterscheibe, an der Rückwand des Raumes lehnte sie, schaute Darius über die Schulter und beobachtete genau, was er auf die kleinen Steinchen schrieb. Am nächsten Morgen brachte sie die beschrifteten Steinchen in einem, an Dunkan McLeod adressierten Umschlag für ihn zur Post. Es war schon ein komisches Gefühl einen Brief in Händen zu halten, der nach Amerika gehen sollte; wenn man selber erst vor knapp 2 Tagen von dort gekommen ist.

Mit McLeod sollte das Problem tatsächlich gelöst sein, auch wenn es etwas unerwartet für manch einen Beobachter gekommen sein mag. Denn man sollte nicht außer Acht lassen, dass Grayson gut 4 Mal älter war als Dunkan und somit wohl, wie man annehmen sollte, genügend Lebenserfahrung, Stärke und Wissen gehabt haben muss. Aber dieses spektakuläre Showdown war wirklich eine Leistung, die für McLeod sprach. Er hatte Grayson eine ganz neue Frisur verpaßt und eine gründliche Rasur gleich dazu. Damit brauchte dieser sich wohl nie wieder um sein Aussehen zu sorgen, weil Tote so etwas im allgemeinen nicht tun, heißt es jedenfalls .....

Marius, ein Unbekannter öffnet das Tor nach Atlantis

Auf jeden Fall lernte sie danach Richi kennen, Richard Rayen um genau zu sein. Er war ein süßes Kerlchen, um die 20 und hatte Anlagen ein Unsterblicher zu werden. Er war ein Freund von McLeod, außerdem bereits sein Schüler und war schon vorher mit McLeod's Freundin, Tessa, nach Paris gekommen, aus Gründen der ,Sicherheit'. Richi und Tessa waren bei Darius um auf McLeod zu warten, dieser schaute vorbei um die beiden abzuholen. Jennifer kam gerade aus einer Nebenstraße auf die Kirche zu, als Richi sein Leid über die Verständigungsprobleme mit den doch so umwerfenden, französischen Mädchen - wie er sich ausdrückte - beklagte. Ein breites Grinsen und den dazu passenden Kommentar konnte sie sich einfach nicht verkneifen. "Tja, das soll schon ganz anderen passiert sein. Ich meine, wenn man vom anderen Ende der Welt kommt, kann man wohl kaum erwarten, dass einem alles in den Schoß fliegt. Ist es denn noch nicht allgemein bekannt, dass jede Sache einen Haken hat?" Richi blickte sie an als hätte sie versucht ihn mit ihren Wortren umzuhauen, aber sein Blick wandelte sich, nachdem er sie einer genauen Musterung unterzogen hatte. "Eigentlich wollte ich einkaufen gehen, aber wo ich dich gesehen hab, dachte ich mir ich könnt' mich ja schon mal ,anmelden'." - "Anmelden, wolltest du mich schon wieder besuchen kommen?" - "Wenn ich darf." Darius nickte bloß mit einem Lächeln, dass man wahrscheinlich auch falsch verstehen konnte. Bisher war sie McLeod noch nicht begegnet, in früheren Zeiten ja, aber das war schon verdammt lange her und er erkannte sie nicht wieder. Er konnte sie aber auch nicht spüren. Für ihn war sie nur ein Mensch, eine Sterbliche von etwa 18 Jahren, die sich in ein Gespräch einmischte, das sie kaum etwas anging. Sie beobachtete Richi, seine Blick klebte förmlich an ihr und darin war mehr als nur Neugier oder Bewunderung. Jennifer wendete sich an Darius. "Ich geh' dann mal. Mein Magen knurrt schon. Bis die Tage, Darius." Denn es wurde ihr langsam unangenehm und sie verabschiedete sich schließlich.

Der Rest unterhielt sich noch eine Weile, aber dann verabschiedeten sich McLeod und Tessa ebenfalls. Darius hielt Richi noch zurück, damit die beiden ihre Ruhe als Pärchen den Himmel der Verliebten genießen konnten. Sie gingen in Richtung Eingangstür. Dann ging aber die Neugier mit Richi durch. "Wer,... wer war das Mädchen?" Darius blickte kurz vom Weg, den sie eingeschlagen hatten auf. "Wer war sie? Ich mein', wer ist sie? Wie heißt sie?" Richi war ganz aufgekratzt. Darius sah ihn schmunzelnd an, sah noch mal in die Richtung, in die sie verschwunden war, ehe er antwortete. "Eine Freundin." - "Freundin,... Freundin?! Inwiefern eine Freundin?" - "Eine Freundin. Sie hilft immer, wenn es nötig ist, eben wenn man einen ,Freund' braucht." Damit hatte er keineswegs auf Richis Frage geantwortet, aber dieser gab sich damit zufrieden. "So 'ne Freundin würde mir auch gefallen."

Ein paar Tage später, abends, nachdem sie gegessen hatte, wollte sie Darius wieder besuchen. Als sie unterwegs an den Boutiquen vorbei ging, packte es sie, sie konnte nicht widerstehen sich eine ganz neue Garderobe zu kaufen. Selbst in ihrem Alter muss man noch mit der Zeit gehen und sich dementsprechend kleiden. Auf dem Weg zur Kirche verdammte sie ich selbst, dass sie über tausend Francs ausgegeben hatte. Mit prall gefüllten Taschen und in Gedanken ganz woanders bemerkte sie, dass ein Unsterblicher unterwegs war. Kaum hatte sie diesen Gedanken klar gefaßt, hörte sie wie ein Schwert über die mit Kopfstein gepflasterte Straße gezogen wurde. Es war längst am dämmern und sie fragte sich, weshalb in dieser verdammten Stadt die Leute sowas einfach nicht mitbekamen. Sie drehte sich um und sah wie das Schwert Funken schlug, als er es über den Boden zog. Je näher er kam, desto lauter wurde dieses ekelige Geräusch. Es schlug ihr förmlich ins Trommelfell und ließ sie bei jedem Pflasterstein, den das Schwert streifte, zusammenzucken. Das Gefühl kam ihr bekannt vor und einen schier unendlich andauernden Augenblick versuchte sie, dieses Gefühl mit irgendetwas, das sie kannte in Einklang zu bekommen. Wie vom Blitz getroffen merkte sie, dass dies das selbe Gefühl wie auf dem Flughafen war. Sie glaubte dabei nicht mehr an einen Zufall. Ob er mir gefolgt ist? So ein Unsinn, das hätte ich doch bemerkt! Ihre Gedanken flossen im Einklang mit diesem monotonen, Nerven raubenden Geräusch. Ihr pochte das Blut in den Schläfen und sie fragte sich, wie sie reagieren sollte. Sie vermochte nicht zu sagen, ob er sich wirklich so langsam bewegte oder ob sie nur alles in Zeitlupe wahrnahm. So etwas sollte es eigentlich nicht geben. Sie stand still mitten auf der Straße und dieses kratzende, klirrende Geräusch lähmte sie. Sie war nicht fähig einen klaren Gedanken zu fassen, sie wusste absolut nicht was sie tun sollte. Sie kannte diesen Mann nicht, nur das Gefühl, die Vorbereitung - wie manche es nennen - , das hatte sie schon mal verspürt. Sie konnte sich nicht helfen, dieses Gefühl, das von ihm ausging war irgendwie kalt, so kalt, dass es sie frösteln ließ. Er war vielleicht noch drei Meter entfernt, als er plötzlich das Schwert erhob und auf sie zu stürmte. Sie stand einfach nur wie angewurzelt da, bis sie im letzten Moment realisierte, dass sie angegriffen wurde und haarscharf auswich. Sie wollte schnell auf heiligen Boden, egal wem er heilig war, doch der fremde Angreifer ließ sie nicht so einfach davon kommen. In seinen Hieben mit dem Schwert steckte eine Menge Zorn. Ja, das war schon Haß, was ihm diese unglaubliche Kraft gab. Um beweglicher zu sein schmiß sie die Einkaufstüten über den Zaun des Friedhofs. Er stellte sich zwischen sie und den Durchgang. Noch nicht schlüssig, ob sie flüchten oder Kämpfen sollte, wich sie weiter aus. Er war gut, er täuschte an und hieb dann genau auf die Seite, zu der sie auswich; Sie lief ihm sprichwörtlich ins Messer. Zu ihrem ,Glück' hielt er das Schwert so, dass ,nur' die flache Seite sie am Kopf traf. Er hatte den Hieb mit beiden Händen und mit Kraft ausgeführt. Er wollte sie erst noch ein bißchen quälen, bevor er sich ihren Kopf holte. Sie taumelte, sah schon alles doppelt und wäre fast der Länge nach einfach auf den Boden gefallen. Aber sie konnte sich gerade noch fangen, obwohl sie über das Kopfsteinpflaster stolperte. Das erste, was sie überhaupt von ihm hörte, war ein Lachen. Es war ein dreckiges, aufgesetztes Lachen. Er steckte das Schwert weg, weshalb sie gerade aufatmen wollte, als er anfing auf sie einzuprügeln. Sie hörte förmlich, wie ihre Knochen brachen und ihre Organe neu geordnet wurden. Ohne ihren Selbsterhaltungstrieb hätte sie es nicht gewagt sich zu bewegen, denn jede Bewegung schmerzte unheimlich. Langsam setzte sich die Kriegerin in ihr durch. Sie kniete auf der Straße - aus unzähligen Platzwunden tropfte Blut - und sie stützte sich auf ihre Arme um nicht umzufallen - wie er glaubte. Anfangs hätte er sogar Recht gehabt, aber dieser Moment war so schnell verflogen, dass er es nicht einmal bemerkte. Sie bereitete sich vor, um sich zu verteidigen, zurückzuschlagen, anzugreifen. Sie war sich noch nicht sicher. Wahrscheinlich würde sie sich erst mal verteidigen. Mein Leben besteht nun mal aus Kampf, dachte sie und es war eindeutig ein Gedanke der Kriegerin in ihr. Sie schob das rechte Bein nach hinten, bis es gestreckt war und hob ihr linkes Knie an, das es aussah, als würde sie in den Startblöcken stehen. Sie stützte sich jetzt nur noch auf ihren linken Arm. Währenddessen drehte er sich um, um sein Schwert zurückzuholen. Er war der Meinung, dass es jetzt genug sei und er es Zuende bringen konnte. Als er sich umdrehte, machte sie sich bereit. Alleine mit der Macht ihres Willens ließ sie in ihrer Hand ihr Schwert erscheinen. Auf den ersten Blick hin war er erstaunt, dass sie sich überhaupt noch bewegen konnte. Aber als er das Schwert in ihrer Hand sah glaubte er sich in seiner Meinung und Erinnerung bestätigt. Er hob sein Schwert mit beiden Händen und lief auf sie zu. Sie jedoch schnellte ebenfalls auf ihn zu, drehte sich seitlich und wehrte den Schlag ab. Ihre Klingen trafen sich mit Funkenregen. In einer schnellen Drehung zog sie ihr Schwert unter seinem entlang und hätte ihn ohne Weiteres enthaupten können. Das wäre für sie auf Grund ihrer scharfen Klinge viel leichter gewesen, doch wollte sie sein Leben nicht. Sie wollte viel lieber wissen, warum er sie angegriffen hatte. Statt dessen schlug sie ihn mit dem mit beiden Händen umgriffenen Griff ihres Schweres nieder. Sie zog ihn auf den Bürgersteig, hockte sich neben ihn und wartete darauf, dass er aufwachte, um ihn zu fragen. Langsam begann die Heilung bei ihr einzusetzen. Sie war tief in Gedanken und balancierte verträumt mit ihrem Schwert, als er sie unvermittelt ansprach, was sie aus ihren Gedanken riß. "Oh, Madame besitzen die große Güte mich am Leben zu lassen. Oder belieben Madame mich im wachen Zustand zu töten?" Der Sarkasmus war deutlich aus seiner Stimme zu hören. Sie sah ihn mit großen Augen an und ließ in ihrer Unachtsamkeit ihr Schwert fallen, er aber nahm sein Schwert in die Hand; sie hatte es ihm nicht weggenommen. Als sie sich vorbeugen wollte um ihr Schwert wieder aufzuheben, spürte sie schon seine Klinge an ihrer Kehle. Das Metall war kalt. Sein Grinsen wurde breiter und ihr wurde schlagartig klar, dass sie die Zeit, in der er bewußtlos gewesen ist, hätte nutzen sollen um zu fliehen. Mit einem sie erschreckenden Triumph in der Stimme tönte er über die ganze Straße "Zweieinhalb Jahrtausende habe ich darauf gewartet. Jetzt wird Gerechtigkeit durch meine Hand walten." Er wollte ausholen und zum finalen Schlag ansetzen, als sie aus ihrer Erstarrung aufwachte und ihr Erstaunen, ihre Neugier sie dazu brachten endlich zu fragen "Wie? Wovon redest du? Und wer bist du überhaupt? Was soll das?!" Und als sie ihm wieder in die Augen sah wusste sie, dass sie besser nicht gefragt hätte, denn sie sah einen kalten, abgrundtiefen Haß aufflammen. Jetzt wich seine Gefaßtheit einer Unruhe; er schien nachzudenken. Er musterte sie, dann platzte es aus ihm heraus. "Natürlich kannst du dich nicht ,erinnern'. Wahrscheinlich waren wir nicht deine einzigen Opfer. Aber auf welche hinterhältige Art du uns und vor allem mich für dich gewonnen hast..." Er war total aufgewühlt und sie verstand die Welt nicht mehr. "Wovon redest du?!" Das Wort ,Opfer' hallte in ihren Ohren nach. Er wollte auffahren, als sie in ruhigem Ton weiter fragte "Wie heißt du denn?" Er sah sie wie ein Kind an, weil ihn ihre begütigende Stimme irritierte. Mit einiger Verspätung stammelte er nur noch "Marius, mein Name ist Marius." Es blieb still. "Und weshalb sollte nach Zweieinhalb Jahrtausenden Gerechtigkeit durch deine Hand walten, wenn du mich köpfst?" Er überlegte sich, was er antworten sollte und ließ währenddessen sein Schwert sinken. Sie kannte diesen Marius nicht und wusste nicht, was er als nächstes tun würde. Deshalb beugte sie sich vor um ihr Schwert aufzuheben, ganz langsam. Als er das jedoch sah, flammten seine Augen auf, noch heftiger als zuvor. Er verpaßte ihr einen kräftigen Fußtritt in die Seite. Da wusste sie, dass sie schon wieder einen Fehler begangen hatte und dass dieser sich nicht so leicht ausbügeln ließ, dafür würde sie all ihre Erfahrung, Kraft und eine gehörige Portion Glück benötigen. Allerdings hatte sie sich schon so weit vorgebeugt, dass sie nur noch ihre Hand schließen musste, um das Schwert sicher in der Hand zu haben. Jetzt schmerzten ihr beide Seiten, die eine von dem unvermuteten Tritt, die andere aus der daraus resultierenden Bruchlandung auf dem Kopfsteinpflaster. Einen überraschten Schmerzenslaut konnte sie nicht unterdrücken. Sie fragte sich, ob hier überhaupt noch jemand wohnte oder ob Paris eine Geisterstadt war. Er brüllte vor Wut. "Hab' ich mir doch gedacht! Wie konnte ich nur ein zweites Mal auf dich reinfallen?!" Er setzte ihr nach. Sie hatte Mühe wieder auf die Füße zu kommen, da er sie mit Schlägen, Hieben und Stichen eindeckte.

Während sie sich verzweifelt gegen seine Attacken zur Wehr setzte, spielten Darius und Dunkan in aller Seelenruhe und Gemütlichkeit eine ihrer ewig andauernden Schachpartien. Die dicken Wände von Saint Josèf ließen keinen Laut durch.

Draußen auf der Straße hallte jedes Geräusch, und mochte es noch so leise gewesen sein, nach. Dieser Lärm schepperte in ihrem Kopf und bereitete ihr migräneartige Kopfschmerzen, die es ihr schwer machten sich genügend zu konzentrieren. In ihrer verzweifelten Lage trat sie ihm die Beine weg, indem sie sich drehte. Während er noch fiel, stand sie bereits auf beiden Füßen, wenngleich sie nicht die gewünschte Standfestigkeit hatte, sie taumelte einen Moment. Er schnaubte wütend. "Hinterhältig wie eh und je." Ihr reichten die - ihrer Meinung nach - unberechtigten Anschuldigungen langsam. Sie war sich keiner Schuld bewußt. "Erstens: Ich kenne dich nicht, sprich, ich habe dich noch nie zuvor gesehen." Er wollte laut lachen, aber sie sprach unbeeindruckt weiter. "Zweitens, weiß ich beim besten Willen nicht was vor zweieinhalb Jahrtausenden deiner Meinung nach geschehen sein soll und drittens: Ich bin mir keiner ,Schuld' bewußt." Er sah sie an, als wolle er sie auf die Knie zwingen, aber sie hielt dem zugleich musternden Blick stand, denn sie hatte aus ganzem Herzen die Wahrheit gesagt. Kaum gerührt fuhr er fort. "Du willst also sagen, dass du eine böse Zwillingsschwester hast, die unser Mitgefühl ausgenutzt hat und mit Hilfe dieses Barbaren mit der Narbe quer überm Auge - sehr ungewöhnlich für einen unserer Art - mein ganzes Volk in Angst und Schrecken versetzt, uns bis aufs letzte Hemd ausgeraubt und etliche zum Vergnügen getötet hat. Das willst du mir allen Ernstes weis machen?" Sie sah ihn an bereit auszuweichen, aber das, was er gerade gesagt hatte, traf sie härter, als jeder Schlag, den er hätte ausführen können. "Eine ,böse' Zwillingsschwester habe ich nicht, das ist wohl war, aber ich habe eine." Antwortete sie verstört. "Wie, .... wie war der Name dieses Barbaren? Der mit der Narbe überm Auge?" sie bebte innerlich. "Sein Name? Weißt du ihn nicht mehr?" - "Treib keine schrägen Späße mit mir! Ich habe dir bereits gesagt, dass ich dich nicht kenne und jetzt rück mit dem Namen raus!" Sie war gereizt und insgeheim wusste sie, wie der Name lauten würde "Kronos" Ihre Augen wurden größer. " .... und sie, hat sie auch ge..., getötet?" Sie überschlug sich geradezu und ihre innere Anspannung entwickelte sich zu einer Verspannung, es zerriß sie förmlich innerlich. "Sie? Redest du jetzt von dir selber in der dritten Person? Ist es dann für dich leichter zu ertragen?" Jedes seiner Worte war mit seinem sarkastischen Klang schärfer als jedes Schwert. Doch man sah, dass sie es ernst meinte. Sie würde ihm an den Hals gehen, wenn es sein musste, um von ihm zu erfahren, was sie im Moment so quälte. "SIE, sie hat auch getötet, vielleicht nicht so viele wie die anderen,... . Aber immerhin hat ,sie' es erst möglich gemacht, unser Vertrauen gewonnen." In ihm kamen Erinnerungen hoch und er schloß die Augen, als wolle er sich vor diesen Erinnerungen verschließen. Doch dann schienen sie so stark zu sein, dass er brüllend auf sie zu stürmte. Sie war so mit dem Gedanken beschäftigt, was ihre Schwester vielleicht getan hatte. "Sie hat getötet" Sagte sie mit tonloser Stimme vor sich her. "Dann ist sie sozusagen zum Abschuß freigegeben. Das überlebt sie nicht, das überlebt sie nicht!" Erst beim zweiten Mal wurde sie sich ihrer eigenen Worte bewußt. Während sie mit den Möglichkeiten des Schicksals haderte, haderte das Schicksal in Form von Marius mit ihr. Seiner Kraft, die von Wut verstärkt wurde, konnte sie in diesem Moment, auf Grund ihrer geistigen Verfassung, nichts entgegensetzen. Er hatte ihr ihr Schwert aus der Hand geschlagen, was sie sowieso nur reflexartig hochgerißen hatte. Es flog bis zur nächsten Hauswand der gegenüberliegenden Straßenseite und prallte klirrend ab. Sie hatte keine Chance es zu erreichen. Natürlich, sie konnte sich durchaus auch ohne Waffe verteidigen, aber wie gesagt, in ihrer jetzigen Verfassung hatte sie ihm nichts entgegenzusetzen. Sie tat das, was ihr als erstes durch den Kopf schoß. Dieser Gedanke war von der gerade laufenden Kampfszene völlig losgelöst. Sie wollte zu Darius, um sich bei ihm über das, was sie über ihre Schwester erfahren hatte, auszuweinen. Ungeachtet der Schnittverletzungen, die er ihr zufügte, lief sie auf den Eingang im Zaun zu. Es gestaltete sich allerdings schwierig, da ihr Marius im Weg stand. Ihre Verwirrtheit würde sie ihren Kopf kosten. Die Schnittwunden, die sie zusätzlich noch zu den noch nicht ganz verheilten Platzwunden und Knochenbrüchen hatte, schmerzten mittlerweile so sehr, dass sie mehr als betäubend wirkten. Ihr war schlecht und der Schwindel hatte sie in einer festen Umarmung, was sie an den Rand einer tiefen Ohnmacht trieb. Der Schmerz hielt sie aber auch wach, oder ist das Furcht? Furcht vor Marius? Vorm Tod? Völlig zerschunden überließ sie sich ihren Gedanken. Soll ich aufgeben? Finde ich dann Frieden? Aber was ist mit Seren? Ich kann sie doch nicht alleine lassen. Sie wird wahrscheinlich sowieso von diesen ,ENGELN' heimgesucht. Diese Seelendiebe! Allem voran dieser ,GABRIEL', der ist schlimmer als der Leibhaftige persönlich. Ja, mir ist der TEUFEL lieber als jeder Engel. Im Mittelalter - und auch noch Anfang der Neuzeit - hätten sie ihre ,Gedanken' als Gotteslästerung, Ketzerei oder Teufelsanbetung auf den Scheiterhaufen gebracht - wo sie auch mehr als ein Mal war. Dann kam ihr die rettende Idee. Warum sollte sie sich die Mühe machen an Marius vorbei zu gelangen, wobei sie doch eh nur noch weitere Verletzungen hinnehmen musste? Sie besaß ein gewaltiges Sprungvermögen, mit dem sie sogar so schwer verletzt noch über den Kirchenzaun springen konnte. Gut, ihr linker Oberschenkel war gebrochen und sie hatte aufgehört die Schmerzen zu spüren. Der Zaun mochte einsachtzig, vielleicht zwei Meter hoch sein, sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er auf jeden Fall höher war, als sie groß. Sie wich zurück, wollte Anlauf nehmen, um diesen Sprung zu wagen. Er wollte lachen, bis jetzt hatte sie ihn nicht von ihrer Unschuld überzeugen können. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken doch noch ihr Schwert zu holen, doch Marius schnitt ihr den Weg ab. Wäre das Kopfsteinpflaster nicht naß gewesen - was sie bei ihrer Vollbremsung ausrutschen ließ - dann hätte Marius gewiß ihren Kopf im Vorübergehen abgeschlagen. Natürlich wollte Marius wenigstens diese Möglichkeit nutzen, wie sie so dort vor ihm auf dem Boden lag. Er hatte genug und wollte nur noch ihren Kopf. Er holte aus, doch sie trat ihn mit aller ihr zu Verfügung stehenden Kraft vors Knie. Er jaulte. Sie konnte dieser Situation doch noch etwas abgewinnen. Der Weg zum Tor war zwar frei, doch würde Marius sie sicher erwischen. Trotzdem lief sie darauf zu. Obwohl sein Knie mit Sicherheit zertrümmert war, folgte er ihr. Wie sie es erwartet hatte, wollte er sie vom heiligen Boden fernhalten. Sie machte einen Handstandüberschlag zum Schwung holen und sprang dann kräftig ab, um mit einem weiteren Überschlag über den Zaun zu gelangen. Die Landung allerdings war ein einziges Fiasko. Es war stockfinster. Im Dunklen war sie mit einer Hand auf einem Grabstein gelandet mit der anderen in der Luft. Sie kippte haltlos rücklings auf die linke Seite, wobei sie mit ihrem eh schon gebrochenen linken Oberschenkel auf einen benachbarten Grabstein prallte. Aus dem sauberen Bruch wurde ein Trümmerbruch; sie jaulte vor Schmerz auf, verstummte fast im gleichen Moment wieder mit einem schmerzhaften Stöhnen - sie war mit dem Kopf auf die steinernde Einfassung eines Grabes aufgeschlagen. Sie verlor für einige Zeit das Bewußtsein. Marius sah das erst mit maßlosen Erstaunen, denn er wusste genau wie schwer er sie verletzt hatte. Dann, als er die Schmerzlaute vernommen hatte, packte ihn die Wut, dass er nichts unternommen hatte, dass sie einfach so über diesen Zaun hüpfen konnte. Er überlegte, was er tun könnte. Seine Rachegelüste kannten keine Grenzen. Er steigerte sich bis zur Raserei. In seinem Inneren wusste er, dass er eigentlich keinen Grund brauchte, um sie zu töten.

Sie hatte ihn versetzt. Sie war für ihn die große Liebe gewesen. Bis jetzt hatte er es immer noch nicht verstanden; Sie war nicht das Mädchen, die Frau, die er zu kennen glaubte, das ist ihre Schwester gewesen. Er hätte ihr die Welt zu Füßen gelegt. Alles hätte er für sie getan, wirklich alles, wenn sie nur ihm gehört hätte.

Er stürmte durch das Tor und musst schon suchen um überhaupt eine Ahnung davon zu haben wo sie möglicherweise gelandet sein könnte.

Sie dagegen war im Traumland angelangt. Im nebeligen Schleier, der sie umfing, konnte sie nur schwach die Silhouette einer kleinen Person erkennen. "Hallo? Wer bist du? ...Haaallooooooo?" Ein kindliches Lachen war die Antwort. "Wer bist du?" Sie konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen, so dicht war der Nebel geworden. Sie hörte, dass sich die Gestalt bewegte, konnte sie aber nicht mehr sehen. "Wo bist du? Warum antwortest du nicht?" Obwohl sie so im ungewissen war - nichts sehen konnte, keine Ahnung hatte, wer noch hier war - fühlte sie sich nicht bedroht, im Gegenteil, eher geborgen. Marius hatte sie ganz vergessen, genauso wie ihre Schmerzen und Sorgen. Sie kannte diese Welt zwar, aber irgendwie war sie nicht vollständig. Es gab nur sie, den Nebel und die kleine Person. Diese Welt entstand nur aus Träumen, weshalb Normalsterbliche hier keinerlei Macht hatten, sie waren einfach zu selten hier. Nur einige wenige hatten die Möglichkeit diese Welt nach ihren Wünschen zu Formen. Sie hätte normalerweise die Ausbildung und die Willensstärke dazu gehabt, aber es gelang ihr nicht diesen Nebel zu durchdringen. Und mit dieser Erkenntnis hatte sie auch nicht mehr das Bedürfnis irgendetwas ändern zu wollen. Es war, als wäre sie nicht da, als befände sie sich in der Ruhe selbst. Das war etwas wonach man sich sehnen konnte, einfach eine Rast einzulegen. Dieser damals vermeintlich einzigartige Moment dort oben , auf dem Berg über Hollywood, dieser überwältigende Anblick war nicht annähernd so etwas angenehmes wie das jetzt. Es war warm, ohne dass sie sagen konnte woher. Im Nebel war es weder hell noch dunkel. Plötzlich zupfte jemand oder etwas an ihrem Bein. "Mama? Mama, du bist wieder da!" Es war die Stimme eines Mädchens. Eines sehr jungen Mädchens, das auch noch ihre Muttersprache sprach. "Nein, ich bin nicht deine Mutter." Sie sagte das in einem gütigen Ton, wie eine Mutter mit ihrem Kinde sprechen würde. Selbst wenn sie dieses Mädchen nicht sehen konnte, wußte sie, dass es nicht ihre Tochter war; sie hatte keine Tochter. "Doch, doch! Mama! Warum hast du mich solange alleine gelassen?" Scheinbar kontrollierte dieses kleine Mädchen diese Welt, ohne Kenntnisse über seine Möglichkeiten zu haben, denn es war wohl noch zu jung. Plötzlich lichtete sich der Nebel und das Mädchen nahm wieder Gestalt an. Es stand direkt vor ihr. Die äußeren Zeichen waren eindeutig: Es war eine Prinzessin. Das Kleid, geschnitten wie es sich für die Prinzessin des Mondreichs gehört. Das Armkettchen und selbst das Mahl auf ihrer Stirn wiesen sie als diese aus. Doch sie sah das alles nur schemenhaft, sie meinte es zu sehen, denn in so kurzer Zeit war es unmöglich etwas genaues zu erkennen. Im Traumland verging zwar kein Zeit, aber die rein Gewohnheit an die Zeit ließ diesen Eindruck entstehen. Inzwischen hatte Marius sich bis zu ihr durch gekämpft. Als er sie so da liegen sah, überkam ihn ein sentimentaler Schauer, dass er sich nicht mehr sicher war, was er eigentlich wollte. Trotzdem kam er zu dem Entschluß, dass er sie vom heiligen Boden runter bekommen musste, um ihren Kopf nehmen zu können. Da er sie sowieso töten wollte, war er nicht gerade zimperlich bei dem Versuch sie auf die Straße zu bekommen. Er zog sie an ihren langen Haaren über Grabeinfassungen und andere Hindernisse. Dabei wachte sie allerdings auf, wobei sie zuerst nicht wusste, wo sie sich befand. Benommen wurde ihr erst jetzt bewußt, was ihr alles weh tat. Sicher, in der Zeit in der sie dort auf dem Friedhof ,geruht' hat, waren wieder einige Verletzungen geheilt worden, oder hatten begonnen zu heilen, aber das war minimal. Sie spürte den Boden unter sich und wie entsetzlich ihr der Kopf weh tat. Sie brauchte lange um wieder einigermaßen klar im Kopf zu werden. Ebenso brauchte sie lange um zu begreifen, was Marius mit ihr vor hatte. Sie griff nach ihren Haaren, was allerdings nicht viel brachte, weil die Haare so lang waren, dass sie ihn zwar erreichen, aber trotzdem kaum die Kraft aufbringen konnte um irgend etwas auszurichten. Also versuchte sie sich anders zu wehren. Zuerst überlegte sie sich an einem Grabstein festzuhalten, wobei ihr dann doch selbst auffiel, dass das absolut schwachsinnig gewesen wäre. Schließlich entschloß sie sich auf die nächste Grabeinfassung zu warten. Dann würde sie sich mit beiden Händen dagegen stützen, sich mit einem Bein - dem rechten - abdrücken um ihm dann mit Gewalt ins Gesicht - oder wohin sie auch treffen mochte - zu treten. Tatsächlich traf sie ihn ins Gesicht, was auch sofort die gewünschte Wirkung hatte - er ließ ihre Haare los. Er taumelte, denn er hatte nicht mit so heftiger Gegenwehr gerechnet und in der Dunkelheit auch nichts gesehen. Mit einer nicht ganz so geschickten Rückwärtsrolle kam sie schließlich wieder auf ihre Knie. Jetzt hatte sie ihn verärgert. Er schlug blind um sich. Das Gesetz, dass man nicht auf heiligem Boden töten soll war noch nie gebrochen worden - wenigstens dachte er das - also wußte er nicht, was passieren würde, würde er sie jetzt treffen. Anfangs hatte er sich einen Spaß daraus gemacht sie hier ein wenig anzukratzen, da ein wenig aufzuschlitzen oder was auch immer. Sie konnte es nicht wagen sich ganz aufzurichten, da er sie dann mit Sicherheit einen Kopf kürzer gemacht hätte. Sie rollte sich auf dem Boden, um außerhalb seiner Reichweite auf die Füße zu kommen. Ihm waren alle Regeln egal, Hauptsache sie würde das Zeitliche segnen. Bevor er endlich merkte, dass sie gar nicht mehr irgendwo auf dem Boden war, sondern fast neben ihm stand, hatte er mit aller Wucht ausgeholt und dabei einen Grabstein so getroffen, dass Funken flogen. Sie sah übel aus, hätte sie in einen Spiegel gucken können, sie hätte sich selbst nicht erkannt. Ihr Gesicht war aufgequollen, aus mehr oder minder tiefen Wunden rann Blut, dass man kaum glauben konnte, dass sie ursprünglich mal eine weiße Bluse trug und hell - verwaschene Jeans. Aber es sah schlimmer aus, als es wirklich war. Bei dem Versuch Marius' weiteren Attacken auszuweichen stolperte sie rückwärts über alles, was höher als ein Zentimeter über der Erde stand. Unbewußt steuerte sie auf die Nebentür der Kirche zu. Als Marius das bemerkte, versuchte er gleich zwischen sie und die Tür zu gelangen. Sie hoffte inständig, dass Darius ihn spürte und wenigstens bis zu seiner Tür gehen würde. Laut genug waren sie ja, dass er sie von dort aus hören musste. Kurz entschlossen, kaum noch einer Gegenwehr fähig, nahm sie ihren Mut zusammen und ließ von einfachen Fluchtplänen ab. Er hatte lange, kräftige Arme und außerdem noch ein außergewöhnlich langes Schwert. Wenn sie an der Mauer ankäme, säße sie in der Falle. Also reagierte sie in einem Bruchteil einer Sekunde, stürmte auf ihn zu, während er gerade ausholte, trat ihn gegen die Hand, mit der er das Schwert hielt, schlug ihm erst von unten gegen die Nase, dann mit der Handkante seitlich gegen den Halsansatz. Das Gewicht des Schwertes tat sein Übriges dabei, dass er es fallen lassen musste. Die Schlagkombination würde ihn, wenigstens für den Moment, ein wenig benebeln. Wäre sie bei Kräften gewesen, hätte diese Kombination durchaus tödlich sein können. Bei Marius wäre der Zeitraum des Todes zwar sehr kurz bemessen gewesen, aber sie hätte trotzdem mehr Zeit gehabt. Sie wollte alsbald in die Kirche, Marius draußen aussperren, warten bis alle Wunden und Verletzungen geheilt waren. Ihr Schwert war längst wieder dort, wo es immer war - außer wenn sie damit kämpfte. Im Moment hielt nur der Selbsterhaltungstrieb sie noch auf den Beinen. Die Angst war so übermächtig geworden, dass sie an ihre Schmerzen keinen Gedanken mehr verschwendete, ja sie nicht einmal mehr wahr nahm. Sie lief los, doch Marius torkelte ihr hinterher. Trotz dem benebelten Zustand, in dem er sich befand, stellte er sich wesentlich geschickter an als sie, so dass er sie bald eingeholt hatte. Mit einem Satz wollte er sie erreichen, bekam allerdings nur einen ihrer Fußknöchel zu fassen, was sie immerhin zu Fall brachte. Sie schlug ohne Reaktion mit dem Kinn hart auf dem Boden auf, faßte einen Stein und warf ihn mit erstaunlicher Wucht auf die dicke Holztür.

Drinnen horchte Dunkan auf "Hat da jemand an die Tür geklopft?" - "Nein, das war bestimmt nur der Wind, der einen Ast gegen die Tür weht. Lenk nicht ab, du bist am Zug, du musst dich anstrengen." Darius hatte den Blick nicht vom Schachbrett gewendet, als er antwortete. "Bist du dir sicher?" - "Meine Tür steht jedem offen. Wer rein möchte darf eintreten." - "Und du erwartest auch keinen Besuch?" - "Wo du es sagst," er lächelte "Sel..., Jenny wollte mich besuchen, aber sie wird bestimmt nicht anklopfen."

Sie versuchte nach ihm zu treten, doch er umfaßte auch noch ihren zweiten Knöchel. Er umfaßte sie so fest, dass ihre Knöchel begannen weiß zu werden; sie jaulte, woraufhin Marius noch fester zu packte. Sie erlitt starke Quetschungen und in ihrem rechten Gelenk war wahrscheinlich bereits der eine oder andere Splitter entstanden. Sie schmiß erneut einen Stein gegen die Tür.

"War das wieder ein Ast?" - "Ehm" Plötzlich verspürten sie beide das Gefühl der Vorbereitung, beide blickten sie auf, als suchten sie jemanden, hier im Raum, obwohl sie wussten, dass sie alleine waren. "Dein Ast scheint alt zu sein." Darius verzog das Gesicht.

Marius hingegen ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er hatte wohl auch die Anwesenheit eines Unsterblichen wahrgenommen, aber er wusste, wohl auch, dass sich der- oder diejenige nicht einmischen durften, da der ,Kampf' bereits in vollem Gange war. Sie versuchte sich in seine Richtung zu drehen, um ihn zu schlagen oder sich sonst irgendwie zu wehren. Sie nahm an, dass er einen Schlag reaktionslos ausgesetzt war, da er ja beide Hände brauchte um sie festzuhalten. Das war allerdings ein grober Irrtum. Er hatte ihre Füße längst losgelassen, nur spürte sie nichts. Er war im Inbegriff aufzustehen, als sie sich umdrehte und ausholen wollte. Er schleuderte ihr jedoch seine Faust ins Gesicht, dass sie nicht nur umkippte, sondern auch noch ein paar Zentimeter weit rutschte. Sie war mehr als nur benommen, sehr stark benebelt traf es auch nicht. Sie war schon lange nicht mehr ganz klar im Kopf. Marius allerdings ging fast schon gemütlich sein Schwert holen, um sie für immer in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Er hatte im Moment nicht die Kraft, und Lust, sie noch bis auf die Straße zu schleppen, deshalb war er bereit dieses Gesetzt - das Verbot auf heiligem Boden zu kämpfen oder gar zu töten - zu brechen. Er hinkte bis zu der Stelle, an der Jenny es zu letzt gewagt hatte ihn anzugreifen. Währenddessen erhob sie sich unbewußt und versuchte bis zur Tür zu gelangen. Sie hatte sich bis zur Tür geschleppt, als Marius sich umdrehte. Er stürmte sofort auf sie zu, doch es gelang ihr noch schwach an die Tür zu klopfen. Kurz vor ihr ließ er sein Schwert fallen um sie packen zu können. Er zog sie Beiseite, hielt ihr den Mund zu und preßte sich mit ihr an die Wand.

Darius ging schließlich, von Dunkan gedrängt, zur Tür, öffnete sie und sah nichts, gar nichts. "Siehst du, da ist nichts." - "Du weißt, jemand ist da." Eigentlich wollte er es nicht wissen, deshalb war er froh,, dass er niemanden sehen konnte. Er schloß die Tür wieder, drehte sich um, um sich weiter dem Schachspiel zu widmen.

Marius stieß sie auf den Weg - vor die Tür -, in der Gewißheit, sie sei zu schwach, um sich weiter zu wehren oder auch nur zu fliehen, und er hob sein Schwer wieder auf. Wahrscheinlich war es Unachtsamkeit, dass er ihr so einen Schubs gab, dass sie mit Schulter und Arm gegen die Tür prallte. Bedrohlich kam er auf sie zu, das lange Schwert in der Hand. Ihre Augen nahmen nur noch einen Schemen war und ihre Pupillen weiteten sich unter dem Streßeinfluß. Instinktiv hob sie schützend ihren rechten Arm und klopfte unbewußt schwach mit dem anderen an die Tür.

Als Darius den Aufprall hörte, zuckte er zusammen. Er war noch nicht den halben Weg zurückgegangen, als er einen spöttischen Blick von Dunkan auffing. "Da ist nichts? Dann hat gerade nichts an die Tür geklopft, wie?" Es war lieb gemeinter Sarkasmus, der da mitschwang. Beide hatten noch im Hinterkopf, dass da ein Unsterblicher rum schlich. Und plötzlich fühlte Darius sich nicht mehr ganz so sicher in seiner Zuflucht. Er drehte sich um und lauschte. Anfangs war nichts zu hören und er hielt fast den Atem an, bis er schließlich in fast vollkommener Stille sein eigenes Herz schlagen hörte. Da war ein leises Scharren, es war zwar schwach, aber es war da. "Sollen wir gucken gehen?" fragte Dunkan mit gedämpfter Stimme. Darius nickte zur Antwort.

Das verschwommene Bild vor Jennys Augen verlor langsam an Farbe. Sie hatte nicht mehr die Kraft ihren Arm oben zu halten und ihr Wille zur Gegenwehr war vollends zusammengebrochen. Marius stand mit hocherhobenem Schwert über ihr und wollte gerade den allseits beliebten (Rechtfertigungs- ) Spruch sagen, als er jäh unterbrochen wurde. Seine Augen hatten sich vollkommen an die Dunkelheit gewöhnt, was das Dämmerlicht, das durch die geöffnete Tür fiel, als grell erscheinen ließ. Das ließ ihn innehalten.

Eine Schrecksekunde lang sahen sich Darius und Marius an. Dann blickte Darius runter zu seinen Füßen. Fast auf seinen Füßen lag Jennys Kopf. Aus ihrem Mund quoll Blut, ihr Blick ging ins Leere, ihr Körper war derart zerschunden, dass es sie völlig entstellte. Darius war über diesen Anblick zutiefst entsetzt. Er hätte sie fast nicht wiedererkannt. Er machte ein gequältes Gesicht, als sei er selbst so zugerichtet worden. Er sah Marius wieder in die Augen. In seinem Blick lag etwas bittendes, fast schon flehend. Doch Marius raffte sich zusammen. Der erste Schreck war vorüber und er hatte sich wieder gefangen. In Marius Blick lag kalter Zorn, aber vor allem Triumph, denn er wusste, dass sich niemand hätte einmischen dürfen. Allerdings befand er sich auf heiligem Boden, da sieht sie Sache nämlich schon wieder etwas anders aus. Eigentlich wäre es auch ihre Aufgebe gewesen solche Regelverstöße zu verfolgen und gegebenen Falls zu bestrafen. Aber sie hatte ehrlich gesagt nie damit gerechnet, dass es sie selbst mal treffen könnte. Zu ihrem Glück fühlte Dunkan sich dazu berufen einzugreifen.

Langsam senkten sich wieder die Nebel über ihren Geist. Doch diesmal war der Nebel irgendwie kalt und feucht, oder ist das vielleicht gar nicht das Traumland? Sterbe ich schon wieder? Sie fühlte sich wie in einer Seifenblase, gefangen in einem kleinen Raum, abgeschottet vom Rest der Welt. Sie merkte kaum etwas von dem, was um sie herum passierte. Marius richtete seine Augen wieder auf Jenny. Fest der Meinung, er sei im Recht, glaubte er, er könne diese Angelegenheit noch klären, sprich, sie einen Kopf kürzer zu machen, ehe er sich mit Darius auseinandersetzen musste. Doch Dunkan schlängelte sich an Darius vorbei, machte einen Satz auf Marius über Jennifer drüber, mit hoch erhobenem Schwert. Marius wie Darius, beide waren überrascht von Dunkans impulsiven Auftreten. Mit seiner Klinge drohte er Marius und hielt sie ihm an den Hals, woraufhin dieser große Augen machte "Du kämpfst auf heiligem Boden? Gegen ein unbewaffnetes Mädchen?" Marius antwortete nicht. Die Situation war keineswegs komisch, doch was Dunkan über Jenny gesagt hatte brachte ihn, wenn nicht zum Lachen, wenigstens zum Lächeln. Marius reagierte instinktiv; er versuchte sein Schwert abwehrend zwischen seinen Hals und das Schwert des Fremden zu halten, was ihm zwar gelang, aber nicht wirklich nutzte. "Wir sehen uns wieder du kleines Miststück. Denk daran! Dann hilft dir niemand mehr." Er lief davon. Dunkan setzte ihm nach, um ihn zur Rede zu stellen. Darius ging in die Hocke, begutachtete grob ihre Verletzungen und wollte sie rein tragen. Als er sie berührte zuckte sie heftig zusammen, hob ihren Kopf nur mit Mühe und versuchte irgendetwas zu erkennen. "Kolle anfest ie?" Sie war mehr als nur unruhig, sie war aufgelöst und hysterisch. Darius redete beruhigend auf sie ein, was kaum etwas zu bringen schien.

Ihr Verstand dämmerte vor sich hin in der unwirklichen Scheinwelt des Traumlandes. Das kleine Mädchen war bei ihr und spielte mit ihr Fangen, bis es in die undurchdringlichen Nebel lief und auf keinen Ruf mehr reagierte, es war verschwunden.

Ihr Unterbewußtsein ließ sie zappeln und zetern, weil sie Darius noch nicht erkannt hatte. Es arbeitet verletzungsbedingt sehr langsam, aber es arbeitete. Langsam aber stetig tastete es sich voran. "Selen, hör doch auf. Ich bin es, Darius. Hörst du nicht?!" So wie sie sich wehrte konnte er sie nicht davon tragen, denn er ging weitaus behutsamer mit ihr um, als Marius es getan hatte.

Als sie längst aufgegeben hatte nach dem Kind zu rufen, nahm sie wie von weither eine Stimme wahr, eine ihr bekannte Stimme, wenngleich sie sie nicht erkannte, aber sie beruhigte sie.

Sie sah nur einen Fleck, der sich über sie beugte. Äußerlich wirkte sie ruhig, doch machte sie sich steif und steifer, bei jedem Zentimeter, den Darius sich ihr näherte. Er berührte ihre Stirn, sie glühte; jetzt wunderte ihn gar nichts mehr - sie lag im Delirium. Ihre Augen waren immer noch weit aufgerissen, was es ihm erleichterte ihre Pupillen in Augenschein zu nehmen. Er beugte sich noch weiter runter, um ihren Atem zu kontrollieren. Sie sog unmerklich Luft durch die Nase ein. Der Geruch, der von dieser Gestalt ausging, kam ihr ebenfalls bekannt vor. Sie versuchte wahrzunehmen, ob da ein vertrautes Gefühl war, irgendetwas, das ihr helfen konnte - und da war etwas. Sie war viel zu verwirrt gewesen um es gleich zu bemerken und auch ihre panische Angst, die theoretisch unbegründet war hatte einiges dazu beigetragen. Als ihr endlich einfiel, wo sie war, kam sie auch darauf, wer da schon fast verzweifelte, weil es ihm nicht gelang sie rein zu tragen - es war Darius! Unbewußt nutzte sie wieder ihre Muttersprache "Darius? Bist du es?" - "Ja" Mit Freude darüber, dass sie ihn endlich erkannt hatte strich er ihr das verklebte Haar aus dem Gesicht. Sie atmete tief aus, als fiele ihr eine schwere Last vom Herzen. Sie begann sich zu entspannen, was Darius ungemein half. Vorsichtig griff er unter sie und hob sie an. Ihr entwich mit schmerzverzerrtem Gesicht ein dumpfes Stöhnen. Er hielt sie im Rücken auf Höhe der Schulter und in den Kniekehlen. Sie schloß die Augen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie ließ sich immer gerne rumtragen, von bestimmten Leuten. Obwohl sie in gewisser Weise unsterblich war, musste man ihre Verletzungen gewissenhaft versorgen. Bei ihr lag vieles im Argen. Oft konnte man nicht genau sagen, wann sie was war, sie wusste es meist selber nicht. Vorsichtig legte er sie auf sein Bett. Gerade als er dabei war ihr die blutigen und überaus dreckigen Anziehsachen auszuziehen, kam Dunkan wieder. Sein Schwert, so wie seine Kleidung wiesen keinerlei Spuren eines Kampfes auf. "Er ist mir entwischt. Was wollte er von ihr?" Die Frage war an niemand direkt gestellt. Dunkan beobachtete Darius genau. Das Mädchen war nicht unattraktiv.... Aber er ließ sich zu nichts unsittlichem hinreißen. In Gedanken dankte Darius Gott, dass er ihr nicht an die Unterwäsche musste, das wäre wahrscheinlich eine zu große Versuchung .... Dunkan bewunderte Darius' Disziplin, in so einer Situation seine Selbstbeherrschung zu wahren. Es kam ihm unvorstellbar vor solange in Abstinenz zu leben. Er wusch sie gründlich, um überhaupt erkennen zu können, wie schwerwiegend ihre Verletzungen waren. Sie überließ sich ganz seinen fachkundigen Händen.

Sie gab sich völlig ihren Gedanken hin, die sie wie auf Wellen ins Traumland trugen. Das ewige hin und her verwirrte sie, dass sie nicht mehr wusste, wo sie war. Sie hatte die Augen geschlossen und nahm auch keine anderen Sinneseindrücke in der ,realen Welt' wahr. Ihr inneres Auge war auch geschlossen. Es schützte ihren Verstand vor dieser teilweise überlastenden Menge an Bildern, die jedesmal auf der Reise ins Traumland auf sie einwirkten. Als sie endlich am Ziel angelangt war - sie wusste es rein aus dem Gefühl -, öffnete sie ihre Augen und blickte geradeaus in die Nebel. "Bist du da?" Sie rief nach dem Mädchen, doch es kam keine Antwort. Sie tat einen Schritt vorwärts, wobei jede Richtung vorne war, solange die Nase in diese zeigte. Als sie ein dumpfes Platschen hörte und kühles Wasser an ihren Füßen spürte, sah sie an sich hinunter. Sie konnte ihre Füße kaum sehen, weshalb sie in die Hocke ging. Sie hielt ihre Hand ins Wasser, holte ein wenig in der holen Hand bis auf Augenhöhe und ließ es langsam wieder runter tropfen. Mit jedem tropfen wich der Nebel weiter zurück. Schließlich konnte sie einen kleinen See erkennen, der im mondähnlichen Licht silbern schimmerte. Was mache ich hier? Sie richtete sich auf und blickte auf die feine Struktur des Grundes. Und wie von unsichtbarer Hand geführt, ging sie auf einem untiefen Weg durch den See, bis zur kleinen Insel in seiner Mitte. Dort angelangt erblickte sie den kleinen Wasserfall, der aus einem kleinen Vorsprung eines Hügels entsprang. Das Wasser fiel wie in silbernen Fäden in den kleinen Teich. Das Ufer des Teichs war mit blankpolierten Kieselsteinen gesäumt. Leichtfüßig stieg sie in den Teich und ließ sich vom kühlen Naß des Wasserfalls umspülen. Es kam ihr vor als würde sie schweben. Alles, was ihr schwer auf der Seele lag, wurde vom Wasser weggewaschen. Das Plätschern des Wasserfalls war das einzige, was zu hören war, ansonsten war da nur Ruhe. Als alle Sorgen von ihr abgefallen waren, schien sie von innen heraus zu leuchten, bis ihr Körper nicht mehr war. Man konnte ihr bis auf die Seele schauen, denn das Licht war ihre reinste Form des Seins. Das war für sie ein Moment der Erfüllung und absoluter Freiheit. Sie konnte ihre eigenen Grenzen nicht mehr spüren. Sie dehnte sich bis ins Unendliche aus und zog sich bis ins Nichts zusammen. Sie war das Alles und das Nichts. Und irgendwann, die Zeit spielte keine Rolle, nahm ihr Körper wieder Gestalt an. Sie trat unter dem Vorsprung hervor, aus dem Teich in das Schimmernde Dämmerlicht. Dieser Wasserfall war so anziehend, dass sie sich nur mit Mühe von ihm trennen konnte. Sie kniete sich ans Ufer des Teichs und blickte auf die unruhige Oberfläche. Ein leichter Windhauch glättete diese. Selen konnte ihr Spiegelbild sehen, was sich mit einem weiteren Windhauch veränderte. Es waren nur geringfügige Änderungen. Eigentlich blieb es fast gleich. Es waren nur leichte Farbänderungen und andere Schattierungen. Sie hatte die Hände in den Schoß gestützt und legte den Kopf schief. Sie erkannte das neue Gesicht, denn es war das ihrer Zwillingsschwester Seren. Die leicht rötlichen Haare, die etwas hellere Haut und diese unglaublich grünen Augen. Sie leuchteten derart, dass das Wasser, in dem sie sich spiegelten, geradezu stumpf wirkte. In diesen Anblick vertieft, bemerkte sich nicht, wie das Mädchen näher kam und ihr über die Schulter auf das Spiegelbild im Teich schaute. Es blickte mit Verzückung hin und wagte auch nicht zu sprechen, da es das scheinbare Glück damit nicht zerstörte. Selen selbst war mit ihren Blicken an dieses Bild geheftet, dass sie schon durch dieses hindurch sehen konnte und von Erinnerungen überschüttet wurde. Nicht alle waren schön, weshalb sie sich schließlich dagegen wehrte, weil sie das nicht alles noch einmal durch machen wollte. Ihr liefen schon die Tränen, die im Teich eintauchten, als wären sie von dort gekommen.

Zuletzt sah sie etwas, dass sie nicht selbst erlebt hatte. Eine Erinnerung Serens, genau diese Szene, die Marius ihr quasi eingegeben hatte. Seren lag auf der Straße, leicht bekleidet und mit Absicht verletzt. Seren war Kronos bis auf 's Blut ergeben und tat wirklich alles worum er sie bat; egal auf welche Art er es von ihr verlangte. Eben dies hatte er von ihr verlangt. "Seren, deiner lieblichen, zierlichen Gestalt in Not wird niemand mißtrauen. Du wirst uns bei diesen Toren die Türen öffnen." Sie hatte ohne Murren zugestimmt. Seit man befestigte Burgen oder auch nur Stadtmauern gebaut hatte, hatte Kronos seine Taktik ändern müssen. Es reichte nicht mehr die Siedlungen zu überfallen, indem man durch sie ritt und alles raubte, was man für wertvoll genug befand und den Rest zerstörte. Man musste mit List vorgehen, denn nirgends wurden fremde Truppen, in diesem Fall war es eher eine Horde, die auch noch bewaffnet waren, geduldet. Sein Ziel war es immer möglichst viel zu erbeuten und wenig Verlust dabei zu haben. Selen sah, wie Seren sich für Kronos verkaufte, sich vom König dieser Stadt begehren ließ, sogar mit ihm das Lager teilte und ihm schließlich von hinten erdolchte. Sie fühlte Serens Schrecken darüber, dass dieser König wieder zum Leben erwachte - er war zum Unsterblichen geworden - und ihr eigener Schrecken war noch viel größer als Serens, denn der König war Marius. Aber was noch folgen sollte war erst der Grund, weshalb sie vor Grauen kaum noch ihres eigenen Geistes mächtig war. Seren hatte Marius zuvor davon überzeugen können, dass Räuber es auf seine Stadt abgesehen hätten - was soweit auch stimmte - und er zum Schutz ein Heer oder wenigsten etwas, was einer Leibgarde gleich kam, benötigte. Mit viel Geschick hatte sie Kronos und seine Horde in eben so einer Institution untergebracht. Inkognito warteten sie auf einen geeigneten Zeitpunkt. Am besten erschien ihnen der Morgen nach dem Erntedankfest, da die Bevölkerung bis spät in die Nacht hinein feierten und mit Sicherheit dem hiesigen Weingott huldigte durch reichlichen Weinverzehr. Da sie sich keine besondere Mühe gaben mit Vorsicht vorzugehen, blieb es nicht aus, dass einige aus ihrem komatösen Zustand aufwachten. Als diese die Absicht erkannten, versuchten sie sich zu wehren, irgendetwas zu retten. Schließlich war fast die ganze Stadt wieder auf den Beinen, auch wenn niemand mehr nüchtern war. Das verschaffte Kronos' Horde einen Vorteil und trotzdem veranstalteten sie ein Blutbad. Sie verschonten niemand, es sei denn, er hätte sich sehr gut versteckt oder wäre unbemerkt aus der Stadt geflohen. Selen konnte in allen Einzelheiten sehen, wie Seren einen jungen Mann, der sich offensichtlich nur verteidigte, mit ungeahnter Brutalität tötete. Selen hatte gesehen, wie Seren Blut vergoß und damit die Sicherheit und Unversehrtheit ihres Lebens verwirkt hatte. Seren hielt einen Moment inne sah den Toten mit Neugierde an und dann ihre eigenen Hände, die ihn getötet hatten. Ehe sie selbst begriff, was sie gerade getan hatte, stürmten von allen Seiten Angreifer auf sie zu und sie konnte nur noch reagieren, nicht mehr darüber nachdenken. Bei so einer großen Menge Angreifer blieb es nicht aus, dass sie noch weitere tötete und noch mehr, denn es schien kein Ende mehr zu nehmen. Kronos nahm sich einen Moment Zeit um sie genau zu beobachten. Was er sah erfüllte ihn einerseits mit Stolz, andererseits ließ es ihn erschaudern. Was kann das nur geben, wenn sie einmal angefangen hat? Am Ende gab es keinen Stadtbewohner, der noch aus eigener Kraft gerade stehen konnte. Und das war für diese Stadt noch eine gute Bilanz. Dass es überhaupt noch jemanden gab, der einen Atemzug tun konnte, fast ein Wunder. Man zog sich ins nicht weit entfernte Reiterlager zurück, teilte die Beute auf und am Abend wurde der Erfolg gefeiert. Kronos feierte eigentlich Serens Einstand als vollwertiges Mitglied, denn sie hatte den entscheidenden Schritt getan: sie hatte getötet. Seren war zu berauscht um die Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen und ließ sich feiern. Selen war darüber zutiefst entsetzt, hatte sie Seren doch immer für besonnen gehalten. Aber mit den Jahren und Jahrhunderten hatten sie sich auseinandergelebt. Selen glaubte auf einmal ihre Schwester nicht mehr zu kennen, wobei Seren ihr doch eigentlich am nächsten stand. Jedenfalls war es mal so. Irgendwann ist dann Kronos zwischen sie getreten. Er hatte einen schlechten Einfluß auf Seren. Das mißbilligte Selen, weil sie schon damals das Ergebnis dieser Metamorphose ahnte. In ihr brodelte es, sie war zornig auf ihre Schwester, weil sie nicht auf sie gehört hatte. Aber sie trauerte auch um ihre Schwester als sei sie bereits tot, wie sie es in gewisser Weise auch war.

Es war schon lange vorhergesehen, noch weit vor ihrer Geburt, dass eine den Tod durch Ungnade erfährt. Jetzt, da Selen wusste, dass Seren diejenige war, fühlte sie sich keineswegs besser. Insgeheim hatte sie immer gehofft, dass sie selbst diejenige sein würde. Die damit verbundene Verantwortung war ihr einfach zu groß. Man war immer davon ausgegangen, dass die Königin nur eine Tochter haben kann, dass es nur eine Blutlinie geben würde. Die Prophezeiung der geteilten Mondseele war bewußt unter Verschluß gehalten worden, denn mit ihrer Erfüllung würde das Ende der Weltreiche eingeläutet. Aber im Grunde genommen spielte es keine große Rolle. Alles was ist, wird irgendwann aufhören zu sein, es ist nur eine Frage der Zeit, das wusste Selen. Sie war ganz wirr im Kopf von der Flut der Gedanken und Empfindungen. Sie glaubte, alles würde sich drehen, weshalb sie die Augen schloß, um ihren Geist zu reinigen. Von Zeit zu Zeit besann sie sich auf das, was sie alles war, wie sie es wurde, warum......

Als Novizin hatte man sie gelehrt, wie sie ihren Geist reinigen konnte. Später, als sie selbst Priesterin war, lehrte sie andere Frauen dies zu tun und weihte einige in geheime Mysterien ein. In solchen Zeiten machte ihr ihr Chezophrener Charakter schwer zu schaffen, sogar so sehr, dass sie aufgeben wollte. Sie konnte es aber nicht, dass wusste sie genau. Sie ging immer davon aus, dass sie nicht sterben konnte ehe sie nicht eine Tochter gebar, die ihre Nachfolge antreten konnte. In den Jahren, die sie alleine auf Erden lebte, hatte sich das Weltbild für sie stark verändert. Seit sie ihren eigenen Willen entdeckt hatte und ihn durchsetzen wollte, hatte sich sowieso alles für sie geändert. Sie wusste nicht mehr wem sie vertrauen konnte. Selbst den Wächterinnen wagte sie nicht zu vertrauen. Sie waren einst ihre Lehrmeisterinnen, Beschützerinnen und Freundinnen. Aber selbst das hatte sich geändert, da diese sie immer wieder angriffen, ohne dass Selen verstand weshalb. Wenn sie jetzt Seren verlor, war ihre Verbindung zur vergangenen Welt völlig gekappt. Einige Personen ausgenommen, vertraute sie niemandem. Die ausgenommenen weihte sie auch nicht in alles ein, nur Darius.....

Ehe sie einen Gedanken über Darius erfassen konnte, war er schon wieder weg. Schließlich, als sie ihren Geist gereinigt hatte, sah sie wieder in den Teich. Mit starrem Blick versuchte sie das Gesicht wieder herbei zu rufen, diesmal kontrollierter, aber es blieb ihr versagt. Das Bild im Teich wandelte sich wieder in ihr eigenes Spiegelbild, in dem sich jetzt auch das Mädchen widerspiegelte. Mit Entsetzen drehte Selen sich um, blickte das Mädchen an, doch das sah sie nur verwirrt an. "Du bist nicht Mama? ... Du bist nicht Mama." Irgendwann, als sie endlich begriff, dass sich alles nur in ihrem Kopf abgespielt hatte, antwortete sie dem Mädchen. "Nein, ich bin nicht deine Mutter." Mit dieser Antwort brachte sie das Kind ungewollt zum weinen. Es lief davon, tief in die Nebel, die wieder aufgezogen.
 

"Sie hat noch immer sehr hohes Fieber..... Aber ihre Verletzungen heilen zu langsam." - "Ist sie eine von uns?!" Dunkan konnte sich das nicht vorstellen, er spürte sie nicht. Darius war sich nicht sicher ob er antworten durfte. Er blickte Jenny an, wartete auf ein Zeichen, das nicht kommen würde. "Ja und Nein." Für diese Antwort erntete er nur fragende Blicke, aber Dunkan fragte nicht weiter. Darius war dankbar. Er kümmerte sich aufopfernd um sie. Nach einer Weile ging Dunkan "Tessa wartet sicher auf mich und helfen kann ich hier auch nicht mehr.... Bis dann." Er hob die rechte Hand zum Gruß, bekam aber nur ein angedeutetes Kopfnicken zur Antwort. Darius saß Stunde um Stunde an ihrer Seite, wartete auf ein Lebenszeichen und hoffte, dass sie nicht zu sehr litt. Er war buchstäblich am Ende mit seinem Latein und konnte nichts mehr für sie tun außer ihre Hand halten und für sie beten. Dann, in den Morgenstunden, als es schon am dämmern war, regte sie sich. Damit hatte sie Darius geweckt, der neben ihr eingenickt war. Alle lebensbedrohenden Verletzungen waren geheilt, doch war sie noch lange nicht in der Lage das Bett zu verlassen. Darius standen Freudentränen in den Augen. Jenny war gerührt, konnte aber nur müde lächeln. "Du hast dir Sorgen gemacht?" Liebevoll strich er ihr über die Wange und nickte. Sie schloß die Augen mit einem zufriedenem Lächeln, in der Gewißheit sich in guten Händen zu befinden. Darius beugte sich über sie und gab ihr eine Kuß auf die Stirn. Eine Träne fiel ihm aus dem Augenwinkel aufs Kissen und er hätte los schluchzen können, aber er tat es nicht. Er wollte sie nicht wieder wecken. Jenny war in einen traumlosen Schlaf gefallen.

Das Fieber stieg wieder, Darius sah besorgt rüber. Er wusste genau, dass er ihr nicht wirklich helfen konnte, aber er wollte es um jeden Preis. Teilweise fürchtete er, dass sie sich selbst verletzen könnte, da sie sich wild bewegte, um sich schlug, im Schlaf brabbelte und aus dem Bett zu stürzen drohte. Aus lauter Sorge wollte er sie ans Bett fesseln, bekam aber nur einen derben Tritt, der ihn fast zwei Meter zurücktaumeln ließ. Er stieß gegen einen Stuhl und landete gerade noch so auf der Sitzfläche was verhinderte, dass er sich möglicherweise den Kopf stieß. Aber er nahm es ihr nicht übel. Er wußte, dass Jenny - er nannte sie, wenn sie alleine waren, trotzdem sie ihn gebeten hatte es nicht zu tun, bei ihrem Geburtsnamen, Selen - , dass sie im Delirium lag und nicht wusste, was sie tat; folglich hatte sie ihren Körper nicht unter Kontrolle. Ihre Kraft mochte vielleicht unnatürlich wirken, aber das rührte von ihrer Herkunft, die noch nicht ganz geklärt war. Kein Sterblicher wusste etwas darüber und kein Unsterblicher dürfte es wissen. Nur En und Dileva wussten es, außer ihrer Mutter natürlich. Ihre Mutter und En waren nun aber nicht mehr am leben. Dileva war die einzige, die noch Bescheid wusste, allerdings lebte sie jenseits von Raum und Zeit in einer Dimensionsspalte und konnte somit keine Informationen weiter geben. Also würde ihre Herkunft wohl als ungeklärtes Geheimnis mit ihr ins Grab gehen...

Das Fieber schwächte sie. Irgendwann konnte sie sich nicht mehr gegen diese Visionen wehren. Der ganze Fieberkrampf - man sollte sagen Kampf - war nur ihr verzweifelter Versuch sich diesen Visionen zu verschließen. Vergangenheit und Zukunft wirbelten wild durch ihren Kopf. Immer und immer wieder... Visionen waren nie gute Zeichen. Sie hatte in ihrem doch nicht allzu kurzen Leben bereits zu oft die Erfahrung gemacht, dass alles, was sie tat, um die Erfüllung ihrer unheilvollen Visionen zu verhindern, gerade zu ihrer Vollendung beitrugen. Jede Vision quälte sie und ihre Seele. Am schlimmsten jedoch waren Visionen, in denen ihr ein persönlicher Verlust prophezeit wurde. Einmal hatte sie gesehen, wie Kronos sie tötete, aber jetzt war die Lage ja ganz anders. Ihr ging auf, dass Kronos nicht sie, sondern Seren tötete..... Diese Erkenntnis brannte tief in ihr mit vernichtender Gewalt. Sie wusste nie, wann diese bildhaften Schrecken Realität wurden. Mit dieser marternden Gewißheit begann sie sich noch wilder im Schlaf zu bewegen. Auch wenn Kronos brutal und rücksichtslos war, liebte er Seren doch auf seine rüpelhafte Art. Deshalb fragte sie sich, warum sollte Kronos Seren töten. Es ist absurd. Seren wäre ihm mit Gewißheit nicht fremdgegangen. Also, warum? Hatte er immer noch so einen Haß auf Selen und deshalb - im Halbdunkel - Seren für mich gehalten? Jahre zuvor, viele Jahre, als sie sich kennengelernt hatten, waren sie aneinander geraten. Damals war einiges schiefgegangen... Sie dachte an die langen Tage, in denen sie Kronos' Lager beobachtet haben - sie und Seren- aus ganz primitiven Gründen. Damals war es sowas wie Magie, diese Anziehung, dem weder Verstand noch Willen gewachsen waren. Sicher, sie waren schon aus dem Alter raus gewesen, in dem man sich gegenseitig beschleicht, weil man sich nicht traut den ersten Schritt zu machen.

Aber sie hatten schließlich noch keine Erfahrungen mit Männern gehabt, jedenfalls nicht solche. Sie hatten sich schon alleine Respekt für irgendeine Art andersartiger Wesen abringen müssen. Was aber nicht heißen soll, dass sie dazu nicht bereit waren. Bereit in dem Sinne, dass sie es nicht wollten, sie konnten einfach nicht. Die Beziehung zwischen Selen, Seren Kronos und seinem Bruder Methos war kompliziert. Jedenfalls hegte Kronos selbst nach fast 5000 Jahren immer noch einen Groll gegen Selen, da sie ihn sozusagen besiegt hatte, nachdem er sie herausgefordert hatte. Sie hatte ihm allerdings sein Leben gelassen. Erstens, weil sie selbst weiterleben wollte. Zweitens wegen Seren, sie war unsterblich in Kronos verliebt. Selen wollte ihrer Schwester nicht das Herz brechen, auch wenn sie völlig gegen eine Beziehung zu diesem Barbaren war. Außerdem war da ja noch Methos... er hatte es ihr wirklich angetan. Er ritt zwar mit Kronos, Kaspian und Silass - zusammen waren sie die Reiter der Apokalypse -, aber er war irgendwie anders als sie. Zwar irgendwie schwach, wenn man bedenkt, das er nur mitritt, weil er seinen Bruder fürchtete.....

Im Fiebertraum durchlebte sie noch mal alle Begegnungen mit Kronos. Sie mochte ihn nicht, nein es war mehr. Das war fast schon Haß, noch nicht ganz, aber es fehlte nicht mehr viel.

Das war der gefährlichste Moment, denn sie konnte den Verstand verlieren bei dieser Visions - Odyssee. Instinktiv tat Darius das richtige: er redete mit ihr. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn hörte, aber im Grunde tat er es auch mehr um sich selbst zu beruhigen. Die vertraute Stimme war alles, an dem sie sich festhalten konnte. Langsam kehrte sie mit Darius Hilfe in die Realität zurück. Schlagartig öffnete sie die Augen. Ihre Augen waren irgendwie trüb. Sie starrte den Baldachin des Himmelbettes an, während ihr langsam die Tränen über die Wangen bis aufs Kopfkissen rollten. Sie heulte sich die Trübe von den Augen, bis sie Darius schließlich erkannte. Er redete die ganze Zeit mit ihr, bis er wußte, dass sie wieder bei Bewußtsein war. Jetzt fing er wirklich an zu schluchzen. Jenny war gerührt.

Alex bringt Leben ins Spiel

Warum sie angefangen hatte zu weinen wusste sie nicht mehr. Sie musste stark sein, durfte sich keine Schwächen anmerken lassen - all die Jahre. Wahrscheinlich sammelte sich mit der Zeit genügend an, was sich irgendwann einen Weg nach draußen bahnen musste. Im Grunde war sie ja nicht mehr als ein Mensch. Da gab es zwar Unterschiede, bei denen viele einen eindeutige Artunterschied gemacht hätten, aber kaum jemand wusste, dass es diese Unterschiede überhaupt gab, was wiederum dafür sprach, dass es keine so offensichtlichen Unterschiede sein konnten. Dafür sorgte Jenny - Selen - schon. Jenny - besser gesagt Selen - wusste, Menschen fürchten alles, was sie nicht kennen oder verstehen. Allem, was sie fürchten, begegnen sie mit Hass und Zerstörung, bis sie es nicht mehr fürchten müssen. Es war früher so, es ist immer noch so und so wird es wohl auch bleiben, solange es noch Menschen gibt.
 

Nicht nur ihr Charakter war schizophren, auch Verstand, ihr Körper, ihre Seele. Womöglich litt sie am meisten unter sich selbst. Nicht unter Kriegen, Feinden, Katastrophen, Toden oder irgendwelchen anderen Problemen.
 

Im Laufe der Zeit wollte oder konnte sie sich selbst gegenüber keine Schwächen zeigen - geschweige denn eingestehen - wie sie es anderen gegenüber nicht vermochte. Das war selbstzerstörerisch. In einsamen Stunden - und solche waren nicht zu knapp - erfasste sie immer eine eiserne Melancholie. Mit der Zeit hielt sie es für erwiesen, je älter ich oder auch andere Unsterbliche werden, desto suizidgefährdeter sind wir. Vielleicht sind der menschliche Körper - und der Verstand vielleicht noch viel weniger - nicht für das ewige Leben geeignet.
 

Sie reizte ihren Verstand jedes Mal geradezu bis an das Äußerste. Es war schon fast eine Art Zwang. Sie hatte als Wächterin eine ausgeprägten Beschützerinstinkt, der sie dazu zwang sich gerade von den Menschen fernzuhalten, die ihr etwas bedeuteten. Sie lebte einfach zu gefährlich... Warum eigentlich? Es müsste mir doch möglich sein, das zu ändern. Gerade ich.... wo sich nie jemand an mich erinnert. Sie können es ja gar nicht. Sie machte es sich das jedes mal mit Wehmut klar. Ihr Herz wurde ihr schwer, da auch Methos sich nie an sie erinnern konnte. Nur Darius... er ist irgendwie anders...Oder ist unser Verhältnis nur anders? Er war mir immer ein guter Freund, eine Art großer Bruder, manchmal auch fast schon so etwas wie ein Vater - obwohl ich doch viel älter bin als er... Sie konnte es sich selbst nicht erklären. Aber er war wirklich anders, das stand außer Frage. Er vermochte genau wie sie mit Hilfe von Visionen in die Zukunft zu sehen. Darius war zwar als Medium bei weitem nicht so empfänglich wie Selen, aber es war trotzdem bemerkenswert. Er hatte die Visionen ausschließlich in seinen Träumen, wo die Menschen normalerweise auch am empfänglichsten für so etwas waren. Jedoch im Zuge der Neuzeit wurden sie immer beschäftigter und plagten sich mit Alltagsproblemen im Schlaf, was ihnen den Zugang zu dieser Fähigkeit verwehrte. Selen wäre dafür dankbar gewesen. Eine Weile konnte sie sich selbst vor den erschreckenden Visionen bewahren, jedoch bahnten sie sich im Laufe der Zeit immer wieder mit grausamer Gewalt einen Weg an die Oberfläche ihres Bewusstseins.
 

Ihren Geburtstag mochte sie am aller wenigsten. Kein Unsterblicher kennt seinen genauen Geburtstag.... ja das stimmt, aber woher wusste sie es? Weil sie keine Unsterbliche war? Nein gewiss nicht. Ein bisschen unsterblich musste sie ja sein. Kein Mensch würde so alt werden. Bei ihrem nächsten Geburtstag würde sie 11 998 Menschen Jahre zählen. Alt? Bei weitem nicht. Sie wurde von den Wächterinnen immer noch wie ein Kind behandelt. Ihre Mutter zählte 38 002 Menschenjahre bei ihrem Tod. Selen erschauderte schon bei dem Gedanken. Sie empfand ihr Leben bis jetzt schon als lang - zu lang - aber noch mal doppelt so alt zu werden, und dann noch SO zu sterben? Nein, das will ich auf gar keinen Fall. Und doch... was bleibt mir übrig? Ich kann nicht sterben, nicht einmal, wenn ich es wirklich wollte. Es ist, als müsste es so sein... Als müsste mir das Glück verwehrt bleiben... Bei diesen Gedanken zog sie die Beine an den Körper. Sie saß alleine auf dem Boden in dem kleinen Gästezimmer ihres Hauses, mit dem Rücken zur Wand und lauschte leise schluchzend dem prasselnden Regen.
 

Sie war ohne Grund einfach zusammengebrochen und mit diesem Beweis der Schwäche drangen noch mehr unliebsame Gedanken in ihr Bewusstsein. In diesem Dämmerzustand spielte Zeit keine Rolle mehr für sie. Irgendwann drehten sich ihre Gedanken nur noch im Kreis und sie hätte sich einfach nur jemandem in die Arme schmeißen wollen, doch dieser jemand war nicht da. Sie rief sich selbst wieder zur Ordnung und konzentrierte sich auf das monotone, aber trotzdem beruhigende Prasseln des Regens.

Mit nicht wenig Selbstironie musste sie bei diesem kindlichen Ausbruch an die 10 älteren Wächterinnen denken. Nein, es sind nur noch 8 Wächterinnen... Bei der Erinnerung an die beiden übrigen durchzuckte sie ein heftiger Schmerz. Kyra und En... Kyra wurde noch immer vermisst. Schon so lange, dass man die Hoffnung aufgegeben hatte. Aber En war unwiderruflich tot. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie Darius sie enthauptet hat... Darius... ob es daran liegt? Eigentlich - so sagte sie sich manchmal - müsste ich ihn doch hassen... Und immer halte das Wort ,hassen' in ihren Ohren nach. Meinen besten und vielleicht einzigen Freund hassen. Könnte ich das? Sie konnte es nicht.

Sie konnte nicht einmal Kronos hassen. Ihr ganzer Hass war für etwas anderes - eigentlich jemand anderes - aufgebraucht worden. Sie hasste diejenigen, die ihre Welt zerstört hatten. Sie hasste diejenigen, die ihre Mutter getötet hatten. Sie hasste diejenigen, die damit - ihrer Meinung nach - ihr Schicksal verbrochen hatten. Sie hasste sie, weil sie gnadenlos und grausam vorgegangen waren. Sie hasste sie, weil sie es taten im Namen ihres ,Herrn', um seiner Liebe Willen. Sie hasste sie, weil sie durch deren Hand ihren ersten Tod fand. Sie konnte sich noch genau an diesen Schmerz erinnern. Er war furchtbar. Sie hatte bis dahin nicht einmal erahnen können, was das Wort Schmerz wirklich bedeutete. Natürlich hatte sie wie jedes Kind mal ein aufgeschlagenes Knie gehabt oder sich bei den Übungen verletzt - bei der Ausbildung kam so etwas häufiger vor - aber das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den ein brutal geführtes Schwert verursachen konnte und rein gar nichts, zu dem Schmerz, der blieb. Das was blieb war Entsetzen, Einsamkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Im Geiste sah sie ihre zerstörte Heimat vor sich, auch wenn sie Tausende von Kilometern entfernt war.
 

Um ein Haar wäre sie dem blinden Hass erlegen. Sie hatte sich selbst nicht mehr unter Kontrolle und das machte sie wütend. Die Tränen, die zuerst aus Verzweiflung kamen, dann aus Trauer, kamen nun aus Wut. Dieses Gemisch aus Gefühlen kratzte an ihrer Substanz. In ihrem Inneren brodelte es, sie hasste es. Also hatte sie sich selbst bewiesen, dass es noch etwas gab, das sie hasste. Sie war verwirrt. Ihre Sicht war durch Tränen getrübt. Ihr Blick streifte die Uhr und sie erschrak. Sie wollte doch eigentlich das Gästezimmer fertig machen.

Sie wusste nicht, wie Darius sie dazu gebracht hatte diesen fremden Jungen aufzunehmen. Er war ein Fremder und es bereitete ihr Unbehagen so jemanden unter ihrem Dach zu haben. Darius hatte ihr keinen genauen Grund genannt, weshalb es so notwendig war, dass er gerade bei ihr blieb. Sie wusste rein gar nichts über ihn. Es war widersprüchlich. Sie sperrte jeden aus ihrem Leben aus soweit es eben möglich war und dann nahm sie einen fremden Jungen auf. Während sie ihr Arbeitstempo erhöhte, hing sie ihren Gedanken noch weiter nach. Sie war die letzte Zeit über ziemlich faul im haushalten gewesen. Alles hatte Staub angesetzt und war sogar noch teilweise mit Laken verhüllt.

Jedes Mal, wenn sie bei ihren Überlegungen auf Darius kam, sah sie wie er sich schluchzend über sie beugte und ihm dabei die Tränen nur so übers Gesicht kullerten. Das war gerade drei Wochen her. Wie war in dieser Zeit völlig in sich gegangen und musste über das, was sie von Marius erfahren hatte, nachdenken. Sie hatte es nicht gewagt bewusst nach Seren zu suchen, weil sie das Resultat fürchtete.
 

Sie beschlich ein komisches Gefühl. Sie wusste nicht, wo es herkam, warum und auch nicht was es bedeutete. Mit dem Saubermachen war sie fertig. Das letzte, was noch zu tun war, war das Bett zu beziehen. Nur noch die Bettdecke... dann bin ich fertig. Sie hatte eine unkonventionelle Art Bettdecken zu beziehen: Sie nahm die Decke an der kurzen Seite bei den Ecken und schlüpfte mit der Decke in den Bezug. Gerade vollkommen im Bezug eingehüllt, spürte sie, dass jemand im Raum war. Sie wusste es.

Ohne erkennbare Hast kam sie unter dem Bezug hervor. Sie musterte den Jungen, der dort in der Tür stand und warf ihm einen fragenden Blick zu. "Ich bin Alex." Kam die Antwort, auf die Frage, die sie nicht stellte. Sie konnte nur vermuten, dass das der Junge war, den Darius ihr ,geschickt' hatte. Sie bezog die Decke fertig und legte sie dann säuberlich gefaltet auf das Bett. Sie schwieg. Als sie das Zimmer verlassen wollte hielt sie inne und musterte Alex noch einmal genauer.

Er war etwa 1,80m groß und ganz in schwarz gekleidet. Die Hände steckten in den Hosentaschen. Sein schwarzes kurzes Haar hing ihm wirr ins Gesicht und rahmte es ein. Das Überwiegen von schwarz betonte seine Blässe und diese hellen grauen Augen. Er wirkte auf einen normalen Betrachter kalt, aber das war nur sein zur Schau getragene Verschlossenheit. Sie konnte durch ihn hindurch schauen, aber nicht in ihn hinein. Er besaß die Fähigkeit sein Innerstes abzuschotten.

In ihr spannte sich etwas an. Ihr Unbehagen wuchs. Er ist mir fremd und verschließt sich. Sie vermutete, dass er durchtrainiert war, auf jeden Fall war er schlank, aber nicht dürr. Er hatte auf Französisch geantwortet, seinen Namen aber fast schon betont englisch ausgesprochen. Als ihr das bewusst wurde, huschte ihr ein schwaches Lächeln über das Gesicht. Er ist sicher kein Franzose. Sein Gesicht, soweit man es sehen konnte, war eben. Sie konnte an seinem Gesicht nichts auffälliges - außer den steingrauen Augen - entdecken. Sein Auftreten war selbstsicher und für ihren Geschmack etwas zu dick aufgetragen. Sie hatte nicht den Eindruck ihn fürchten zu müssen, obwohl er irgendwie seltsam war... Sie konnte leider nicht sagen, woher sie diesen Eindruck hatte, aber war sich sicher, dass irgendwas nicht mit diesem Jungen stimmen konnte. Sie versuchte erst gar nicht sein Alter zu schätzen, wenn sie so jung sind, ist es schwierig.

Sie wollte das Zimmer nun wirklich verlassen, trat einen Schritt auf ihn zu. Als sie bemerkte, dass er keine Anstalten machte ihr aus dem Weg zu gehen, quetschte sie sich demonstrativ an ihm vorbei. Woraufhin er beinahe fluchtartig einen Schritt zur Seite machte. Er meidet Berührungen? Warum das? Sie gelangte auf den Flur und strebte die Treppe nach oben an, als er sie wieder unvermittelt auf Französisch ansprach "Ich suche Jennifer Montroes. Kannst du mir sagen, wo ich sie finde?" Er sprach nicht mehr als nötig. Jenny drehte sich um, blickte ihn etwas giftig an und gab ihm zur Antwort "Die steht vor dir. Was willst du?" - "Du... ähm, Sie sind.... sind Miss Montroes??" Mit Genugtuung sah sie die Verblüffung in seinem Gesicht. Auf ihrem Gesicht machte sich ein Grinsen breit und Alex Blick wandelte sich in Ungläubigkeit. "Ja, das bin ich wohl, aber sag, was du von mir willst." Er starrte sie mit seinen hellen, steingrauen Augen an. Eine Ponysträhne rutschte ihm vors Auge. "Darius schickt mich." - "Das war nicht meine Frage." Sie sah die Zufriedenheit von ihm weichen. "Was hattest du erwartet? Eine alte Frau?!" Sie war verärgert, was sie deutlicher zeigte, als sie wollte. Sie ärgerte sich deshalb noch mehr über sich selbst. Erst dieser Ausbruch - Einbruch? - und jetzt diese Unbeherrschtheit. Das sieht mir ja gar nicht ähnlich. "Bring' deine Sachen in das Zimmer." Gab sie ihm im Umdrehen zu verstehen. Sie gab sich einen kühlen Unterton.

Sie ging die Treppe hoch und wollte nur noch ihre Ruhe haben. Die paar Minuten, die er bisher nur da war, störten ihren Rhythmus vehement. Sie konnte ihn geradezu als Fremdkörper wahrnehmen, sogar spüren. Sie betrat den Trainingsraum. Als sie dieses Haus hat erbauen lassen, hatte sie diesen Raum extra mit eingeplant. Es war eigentlich nicht mehr als ein leerer Raum, mit Parkettboden und einer kleinen Garderobe nahe der Tür. Sie zog sich um, machte sich keine weiteren Gedanken um Alex. Sie machte die kleine Anlage an, die in einer Nische in der Wand stand. Sie musste sich einfach austoben. Sie hatte das Gefühl, ihren Körper genauso zum Kochen bringen zu müssen, so wie ihr Innerstes es tat. Sie gab sich der Musik hin und Bewegte sich mit dem Takt. Dabei kamen die abenteuerlichsten Figuren zustande. Teilweise ging sie buchstäblich die Wände hoch. Hochleistungssportler wären bei dieser Energie, mit der sie durch den Raum fegte, vor Neid erblasste.

Jenny bemerkte in diesem Zustand der Ekstase nicht, wie Alex sie beobachtete. Er beobachtete sie eine ganze Weile und was er sah, gefiel ihm. Warum sollte es mich stören, wenn Miss Montroes keine alte Lady, sondern eine hübsche junge Frau ist? Ihm huschte ein verschmitztes Grinsen über sein Gesicht. Sie ist zwar nicht groß, aber sie kann sich bewegen. Mit jeder Minute, die er ihr zusah, wuchs seine Bewunderung.

Sie turnte bis ihr die Beine versagten und sie zu Boden sank. Schwer atmend kniete sie da, passte ihren Atem der Musik an und legte sich auf den Rücken. Jetzt ist die Welt wieder ein Stückchen besser, meine Welt. Andere hätten vielleicht irgendetwas kaputt schlagen wollen, aber Jenny nicht. Ihr lag irgendwie viel daran, nichts von ihrer eigenen Hand zerstört zu wissen. Aber Manchmal - in sehr sehr seltenen Fällen - verlor sie sogar die Beherrschung und hatte ihre eigene Kraft nicht unter Kontrolle. Sicher, in der Hitze des Gefechts ging einiges zu Bruch. Aber nicht, weil sie es so wollte, sondern, weil es einfach passierte. Es war unvermeidlich.

Als Alex bemerkte, dass Jenny aufstehen wollte, wich er schnellst möglich aus der Tür um ihren Blicken zu entfliehen. Sie nahm zwar eine Bewegung wahr, aber sie störte sich nicht daran. Jetzt, wo sie sich bis zu einem normalen Grad ausgepowert hatte, kühlte sie sich wieder ab. Ihr Temperament ließ sich nicht unterdrücken, jedenfalls nicht lange. Sie lag noch immer am Boden, ihr Atem ging gleichmäßig, aber flach und schnell. Die Musik hörte auf und außer ihrem schnaufenden Atem war nur das gleichmäßig - monotone Geplätscher des Regens zu hören. So, dass vorerst wieder für eine Weile reichen, dachte sie bei sich und wendete ihren Blick aufs Fenster.
 

Draußen wurde es dunkel. Es war den ganzen Tag nicht besonders hell gewesen. Im eintönigen Grau war es schwer, die Tageszeit festzustellen. Jenny's Zeitgefühl war in den letzen drei Wochen so gut wie eingeschlafen. Es hatte für sie keine Rolle gespielt, Zeit ist bedeutungslos, hatte sie sich klar gemacht. Sie wusste es nicht genau, wie oft die Zeit bereits angehalten oder sogar ganz neu begonnen worden war. Zeit ist ein Spielzeug für die, die sich ihrer Möglichkeiten bewusst sind. Bin ich mir all meiner Möglichkeiten bewusst? Wohl kaum.... Es gab immer wieder Zeichen und Wunder.
 

Sie erhob sich. Auf dem dunklen Parkett hatten sich ihre schlanken Umrisse mit ihrem Schweiß abgezeichnet. Sie ging ohne Umwege ins Bad und ließ sich von der Dusche berieseln. Es war immer wieder erstaunlich, was Wasser für eine Macht hatte. Wasser vermochte Sorgen und Innere Unruhe fort zu waschen. Jenny kam sich wie neugeboren vor, auch wenn sie mit Gewissheit wusste, dass dieses Wohlbefinden nicht lange anhalten würde. Vielleicht nicht einmal bis zum ende dieses Tages. Und das würde nicht mehr all zu lange hin sein. Die Tageszeit war bereits weit fortgeschritten, als sie sich dieses Gedankens bewusst wurde. Nachdem sie aus der Dusche trat und sich dem Handtuch näherte, kam ihr erst wieder in den Sinn, dass sie einen ,Gast' hatte. Ihr kam das Wort so unpassend vor. Sie betrachtete einen Gast als eine Person, die eingeladen wurde, nicht als geschickt. Aber sie konnte es nicht ändern, sie hatte eingewilligt sich dieses Jungen anzunehmen und das würde sie auch tun. Darius Zuliebe.

Sie eilte zu Alex' Zimmer, sie machte sich gar nicht erst die Mühe anzuklopfen, sondern trat direkt ein. Sie hatte sich nur einen Bademantel übergeworfen und ihr langes nasses Haar hing schwer von ihrem Kopf herab, teilweise klebte es ihr am Gesicht. Er sah sie verdutzt an. Alex stand nur in Boxershorts bekleidet mitten im Zimmer. Selbst die Boxershorts ist schwarz, ging es ihr durch den Kopf. Sie ist unberechenbar, ihm missfiel das. Er sah nicht schlecht aus, so wie er da stand. Diese Blässe strahlte irgendwie etwas Majestätisches aus. "Was ..." Er wusste nicht mal genau, was er fragen wollte oder sollte. "Also, ..." Sie stoppte, sprudelte dann aber doch drauf los. "Das Bad ist am Ende des Flures. Die Küche ist unten..., gleich links von der Eingangshalle. Wenn du irgendwas leer machst, sorge bitte für Nachschub." Ihr war es peinlich, dass sie es versäumt hatte die nötige Gastfreundschaft walten zu lassen - und im Nachhinein - dass sie in diesem Aufzug, ohne anzuklopfen, einfach ins Zimmer gestürmt war. Sie konnte eine Röte auf seinem Gesicht erkennen. "Ja ... ehm." Er senkte verlegen den Blick. Unter ihren Blicken komme ich mir wieder wie ein Junge vor. Sie ist so wunderschön... Jenny strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Sein Blick ruhte auf ihren Füßen, wo sich langsam eine kleine Pfütze bildete. Er hätte am liebsten laut angefangen zu lachen, verkniff es sich aber, lachte in sich hinein und lächelte nach außen. Jenny verstand erst nicht weshalb, dann folgte sie seinem Blick. "Oh shit!" Ich tropfe ja noch! Langsam wurde ihr die Situation noch peinlicher, als sie eh schon war. Das ist alles Darius Schuld! Da war sie sich sicher. Wenn er mir nur nicht DIESEN Jungen geschickt hätte...

Sie lebte hier, abseits von Paris, abseits jeglicher Zivilisation, zwar ziemlich friedlich aber trotzdem nicht friedlich genug, da immer wieder irgendwelche Verrückten kamen um ihren Kopf zu fordern. Das es sich nicht herum spricht, dass es nicht lohnt.... Wahrscheinlich reizt sie es ja gerade deswegen. Jenny durchdachte ihr Schicksal, wie so oft und wie so oft, wusste sie, dass sie es nicht ändern konnte. Sie fluchte noch weiter leise vor sich hin, während sie sich umdrehte und den Flur volltropfte.

Jetzt ist es auch egal. Sie hätte am liebsten einfach drauf los geschrieen. Ihr war danach, aber sie beherrschte sich. Sie machte sich selbst klar, dass es nun alles egal war und beschloss, weiter so zu tun, als wäre Alex überhaupt nicht da. So kam es, dass sie - nur mit einem locker über die Schultern liegendendem Handtuch - aus dem Bad trat und direkt auf ihr ,Ankleidezimmer' zusteuerte. Ankleidezimmer deshalb, weil es zur Zeit der Erbauung üblich war für eine Frau von Welt eben solches zu besitzen. Alex erhaschte einen kurzen Blick auf Jenny und in ihm erwachte eine geheime Sehnsucht. Sie ist durchaus attraktiv... so ging es ihm durch den Kopf. Langsam fiel ihm selbst auf, dass er diesen Gedanken an diesem Tag schon des Öfteren hatte. Er betrachtete noch einmal die Pfütze in der Tür und schloss sie dann. Aber wie lange und warum soll ich denn hier bleiben? Er wusste es nicht. Aber er war mit diesem Umstand nicht unzufrieden.

Jenny dafür um so mehr. Sicher, er ist attraktiv, aber was soll ich denn mit so einem ,Jungen'? Jenny hatte sich noch keine Gedanken um Alex Alter gemacht. Aber ist das noch ein Junge? Ihr fiel auf, dass sie Alex als ,das' bezeichnet hatte. Vielleicht, weil er so unnahbar schien. Mittlerweile merkte sie, dass er das nicht durchhalten würde. Alleine sein Erröten, als sie in seinem Zimmer stand, hatte es ihr verraten. Und sie war froh um dieses Erkenntnis, denn sie hätte seine arrogante Art nicht geduldet, egal ob Darius ihn zu ihr geschickt hatte, oder auch nicht. Woher mögen sich die beiden kennen? Hmm, wenn er ihn zu mir hier her, abseits von allem schickt, muss der Knabe ja in Schwierigkeiten stecken.

Ganz gemächlich suchte sie ihre Kleider aus, wobei sie eigentlich nicht mal wählte. Sie wusste von vornherein, dass sie die dunkel - blaue, fast schwarze Hose anziehen würde und das etwas hellere, aber trotzdem dunkel - blaue Oberteil, was irgendwie an eine Hexe erinnerte. Sie trug nur selten Schwarz, weil sie das Gefühl hatte, die Farbe würde sie negativ beeinflussen. Als würde etwas fremdes, fast schon bösartiges Besitz von ihr ergreifen. Auf welcher Seite steh ich eigentlich? Wie oft habe ich mich das schon gefragt? Um ein Haar hätte sie wieder angefangen mit ihrer Geschichte und ihrem Schicksal zu hadern.

Als sie sich endlich angezogen hatte, wanderte sie runter in die Küche, blieb in der Tür stehen und wusste nicht so recht, was sie NUN von Alex halten sollte. Er hatte noch immer nur die Boxershorts an, stand vor dem Kühlschrank und kaute. Sie hatte es ihm zwar angeboten, aber irgendwie kam ihr der Junge dreist vor. Und doch.... von ihm ging etwas anziehendes aus. Wie er so da steht... Ob er eine Freundin hat? Sie stand still da, beobachtete ihn genau, unterzog seinen Körper einer ganz genauen Musterung. Sein Rücken war kräftig, seine ganze Gestalt strahlte so eine Überlegenheit aus. Er war nicht muskulös, jedenfalls nicht sehr. Es gab keine herausstehenden, störenden Muskelpakete. Sie packte eine seltsame Leidenschaft. Sie wollte ihn berühren. Wie kann das sein? Sie hatte schon lange ihr Verlangen unter Kontrolle. Sie hatte zu oft erlebt, dass SIE leiden musste, wenn sie nachgab. Sie hatte sich selbst mit eiserner Disziplin davon abgehalten. Eigentlich hatte sie sich von allem abgehalten, sogar vom Leben selbst.

Sie schlich sich leise an ihn heran, alleine durch das kindliche Bestreben getrieben ihn erschrecken zu wollen. "Und? Schmeckt 's?" Er zuckte heftig zusammen und machte ein zu Tode erschrecktes Gesicht. Das ihr ein angenehm zufriedenes Gefühl und verursachte ein übertrieben breites Grinsen auf ihrem Gesicht. Vielleicht wird es doch nicht ganz so unangenehm mit ihm. - Langsam will sie mich wohl in den Wahnsinn treiben. Das ist schon das zweite Mal, dass sie mich in Shorts an einem Tag überrascht. Wieder begann er nur zu stammeln "Ja, also..." - "Schon gut." Langsam wurde er ihr sympathisch. "Ja, es schmeckt gut." Und beide fingen an zu lachen. "Na dann ist es ja gut." Im Stillen nahm sie sich vor nicht mehr so abweisend zu ihm zu sein. "Ist es nicht etwas kalt, um die ganze Zeit nur in Boxershorts rum zu laufen? Nicht, dass ich was dagegen hätte..." Sie endete mit einem vielsagendem Lächeln. "Wahrscheinlich ist es wärmer , als nur mit einem feuchten Badetuch durchs Haus zu laufen." Diese Antwort hatte sie nicht erwartet. Sie hatte sich in dem Moment so darauf konzentriert Alex zu ignorieren, dass sie nicht einmal die Möglichkeit, er könnte sie beobachten, in Erwägung gezogen hatte. Alex war zufrieden mit sich selbst. Jenny war etwas aus dem Konzept gebracht, aber nicht geschockt. Er war nicht der erste Mann, der sie leicht bekleidet gesehen hatte. Genau, leicht bekleidet. Andere haben mich auch schon nackt gesehen. Das ist doch die natürlichste Sache der Welt. Aber Alex war ein Kind der Neuzeit, wo Nacktheit entweder ein absolutes Tabu, oder nur etwas für Exhibitionisten ist. "Hmm, find ich nicht" Sie wollte sich nicht aus ihrer NOCH überlegenen Position katapultieren lassen. "Es war immerhin ein warmes Handtuch." Wieder lachten sie gemeinsam. "Aber jetzt mach mal Platz, wegen dir hab ich heute noch nichts gegessen." - "Oh, wirklich? Entschuldige bitte, dass wusste ich nicht." Alex machte ein betroffenes Gesicht und ging sofort einen Schritt zur Seite. Fast wie zufällig berührte ihre Hand seinen Arm. Alex zuckte zusammen. "Mein Gott, was hast du nur für kalte Hände?!" Jenny zuckte mit den Schultern und gab ihm damit zu verstehen, dass das nichts besonderes war. "Och sooo kalt sind die doch gar nicht." Sie wand sich zum Herd und hantierte bald da, bald dort. "Na, soll ich für dich gleich mit kochen?" Sie schaute ihn mit gutmütigem Spott direkt ins Gesicht. Ihm direkt in die Augen zu schauen wollte sie nicht. Er wich ihr immer wieder dabei aus, also würde sie es - vorerst - lassen. "Hmm, ich weiß ja nicht." Er tat so, als überlege er sich dieses Angebot genau, dabei hatte er nur darauf gewartet. "Schon klar, dass du dir das ,so' genau überlegen musst, wenn du mich schon so genau beobachtest, was ich tue und wie." Eigentlich war es als Scherz gemeint, aber Alex fühlte sich ertappt. Sie weiß es? Er wollte erst mal so schnell es ging aus ihrem Blickfeld. "Natürlich, wer weiß, was du da fabrizierst? Nein, schon gut, wenn es dir nichts ausmacht, hab ich nichts dagegen, wenn du für mich mit kochst." - "Okay, dann gibt's in ungefähr 'ner halben Stunde Essen." Alex verschwand so schnell es möglich war, ohne dass es aussah, als ob er auf der Flucht wäre.

Jenny kochte und gab sich für sie untypischen Gedanken hin. Es ist fast wie das ,normale' leben, das ich mir so oft gewünscht hab. Es war so wenig emanzipiert, wie es nur ging, aber für einen Augenblick nur war es fast das Höchste, dass sie sich vorstellen konnte. Es sei denn, sie könnte es mit jemandem den sie liebt teilen. Schmerzlich machte sie sich klar, dass Alex nicht Methos war. Wie es ihm wohl geht? Tief in Gedanken rührte sie die Sauce und ließ sich treiben. Teilweise schwappte die Sauce über und lief ihr über die Hand. In Gedanke Kilometer entfernt blickte sie auf ihre Hände. Meine Hände sind rot! In Blut gebadet! Nein, nein, was habe ich nur getan?! Jenny war zu tiefst geschockt. "Aahhhhhhh....!!!" Sie schrie durchs ganze Haus.

Alex, der sich mittlerweile endlich angezogen hatte, stürzte die Treppe hinunter. "Was.., was ist passiert??" Er machte ein ernstlich besorgtes Gesicht. Jenny sah ihn an und sah ihn nicht, sah nur immer wieder auf ihre Hände. Die Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen. Alex sah ihre Hände, sah den Topf mit der kochenden Sauce und hielt ihren Schrei und die Tränen für das Resultat der Verbrennungen. Er konnte es aber auch nicht besser wissen. Mit fast väterlicher - Selen hätte so was nicht einmal im entferntesten gedacht - oder eher mit brüderlicher Fürsorge bugsierte er sie zum Waschbecken und hielt ihre Hände unter laufend kalt Wasser.

Auf ihrer verbrühten Haut fühlte sich das Wasser eisig an und kam ihrer inneren Kälte fast gleich. Doch der plötzliche Umschwung von heiß nach kalt war wie ein Schlag ins Gesicht und holte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie war durcheinander und der Schmerz verwirrte sie noch mehr. "Was...?" Sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie sich verbrannt hatte und sah Alex hilflos an. Sie fühlte sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut. Alex sah sie fragend an, aber er schien ihr ihre Verwirrung anzusehen, denn er fragte nicht.

Beide rochen etwas verbranntes und Jenny erinnerte sich daran, dass die Sauce noch auf dem Herd stand. Sie verfluchte sich stumm selbst. Eilig trat sie an Alex vorbei und nahm den Topf kurzerhand in beide Hände. Zu Alex Erstaunen benutze sie nicht nur nicht die Griffe des Topfes, sondern gab weder einen Laut von sich, noch verzog sie das Gesicht. Jenny stellte den Topf auf die Spüle und wollte sich wieder den Kochlöffel schnappen, doch Alex nahm ihre Hände und starrte ihre Handflächen ungläubig an. Nach einer unendlichen Sekunde ließ er ihre Hände wieder los und fasste den Topf an. "Aaahhhh..." Er hatte sich verbrannt. Zu mehr als das war er nicht fähig. Er stand nur da und grübelte darüber nach, warum er sich die Hände verbrannt hatte und sie diesmal nicht. Wie angewurzelt stand er da und starrte seine Hände an. Jenny zog seine Hände unter den Wasserhahn. Dann rührte sie seelenruhig die Sauce um, probierte und befand sie für genießbar. "Geht's wieder....?" Sie wand den Kopf in Alex Richtung. Hätte Alex braune Augen gehabt, hätte Jenny geschworen, er mache ein Gesicht wie ein gequälter Hund. Alex fing sich wieder.

Er ist stolz, ging es Jenny durch den Kopf. Sie wand sich ganz zu ihm um, nahm seine Hände ungefragt, hob sie an ihr Gesicht und vergrub es in ihnen. Alex schreckte leicht zurück, zog aber seine Hände nicht weg. Er überragte sie fast um einen Kopf und so sah er auf sie nieder, leicht verwundert - oder eher irritiert - , was sie da eigentlich tat. "So schlimm sind die Verbrennungen nicht." Jenny lächelte ihn an und ließ seine Hände los. Alex sah in dieser Situation seine Chance. Er nahm gleich ihre Hände, hob sie an sein Gesicht und tat es Jenny gleich. Er war überrascht, dass ihre Hände so kühl waren, jedenfalls zu kühl wenn man bedachte, dass sie sich vor nicht ganz 10 Minuten verbrannt, und dann noch mal den Topf angefasst hatte. Ihre Hände sind so weich. Jenny begann ihn leicht zu streicheln. Diese Situation hatte so etwas Vertrautes für sie. Wie alt mag er wohl sein? Als er wieder aufblickte, sah er ihr direkt in die Augen. Seine grauen Augen. Sie tauchte darin unter, denn er wollte es. Er wirkte einerseits so jung und verletzlich, aber seine Augen waren wissend. Sie schätzte ihn auf etwa 21 Jahre, aber sie war sich nicht sicher. Vielleicht auch jünger.

"Wir sollten essen, sonst wird es kalt." Sie lächelte ihn an, wollte sich umwenden, um die Teller aus dem Schrank zu holen. Doch Alex hinderte sie daran. Er war nicht dumm und undankbar schon gar nicht. "Wo stehen die Teller?" Er wollte sich zumindest dafür, dass sie für ihn mit gekocht hatte erkenntlich zeigen. Er lächelte. Jenny fand, dass er so unverschämt gut aussah. Er konnte es nicht durchhalten, seine Gefühle völlig zu verbergen. Sie wies ihn an, wo er Teller und Besteck finden würde und er deckte den Tisch. Es ist so normal, und im nächsten Moment schalt sie sich schon wieder selbst in Gedanken, da sie nicht ein mal wusste, warum Alex überhaupt hier war.

Aber dennoch hatte sie an diesem Tag wieder etwas dazugelernt; nämlich, dass man sich selbst das Leben schwer oder leicht machen kann mit der Art, wie man mit seinen Mitmenschen umging. Mitmenschen, ein sarkastisches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Dieser Begriff hörte sich für sie merkwürdig an. Selen schätzte das Individuum sehr hoch und so tat Jenny es auch.

Während dem Essen verhielten sie sich wie Kinder. "Meine arme Küche." Dabei lachte Jenny schon wieder. Gemeinsam räumten sie wieder auf und spülten. Jenny kam es vor, als kenne sie Alex schon ewig, obwohl es vielleicht nur ein halber Tag war. "Ich trainiere noch was. Wenn was ist, ich bin im zweiten Stock." Sie hatte beschlossen, dass sie ihn mochte. Alex hingegen war überrascht. Diese kleine Person hat sich doch heute schon mal verausgabt. Und die Menge, die sie gegessen hat, das kann doch unmöglich reichen?! Alex hatte, als er das Haus von außen gesehen hatte, nicht vermutet, dass es so groß war.
 

Nach einer Weile war ihm langweilig und er konnte sich nicht mehr halten vor Neugier, oder was auch immer es sein mochte. Er ging hoch und beobachtete Jenny diesmal ganz offen. Als sie sich umdrehte und ihm überrascht ins Gesicht sah, schämte er sich nicht. "Ich war neugierig." Er lächelte sie an. "Du machst Kampfsport?" Jedenfalls meinte er es als Kampfsport identifiziert zu haben. Jenny nickte verlegen. "Allerdings nicht mehr diese verbreiteten Formen. Ich habe meinen eigenen Stil gefunden. Eigentlich ist es mehr ein Improvisieren." - " Ich habe auch Kampfsport gemacht, als Junge zumindest." Jenny konnte sich das durchaus vorstellen. Bis auf die Musik der Anlage herrschte Stille im Raum. "Könntest du's mir beibringen....?" Wie er die Frage stellte, gab ihr die Assoziation eines Schuljungen. "Sicher... Jetzt?" - "Wenn es keine Umstände macht..." - "Okay.... kannst du dich in den Klamotten denn richtig bewegen?" Er nickte überzeugt. "Und du hast schon mal Kampfsport gemacht? Erinnerst du dich da denn noch dran?" Wieder nickte er. "Dann greif mich an!" Er sah sie entsetzt an. "Aber ich will dir nicht weh tun..." Jenny machte eine abfällige Handbewegung. "Ich weiß schon, was ich tue. Nun greif mich an!" Nicht schlüssig, wie er handeln sollte, trat er ihr entgegen. Er griff nach ihrem Arm und versuchte zaghaft ihren Fuß beiseite zu schieben. Jenny hätte sich am liebsten freiwillig auf den Boden geworfen - vor Lachen. Mit dem freien Arm griff sie nach seinem Handgelenk des Armes, mit dem er sie festhielt. Fasste fest zu, wand ihren Arm aus seinem Griff und verdrehte ihm den Arm. "So geht das nicht. Du darfst nicht zimperlich sein. Sonst können wir es gleich lassen." Er schämte sich schon fast. "Du brauchst keine Angst haben, mir weh zutun." Er grinste fast schon gemein. Masochistin? Ging es ihm durch den Kopf. Jenny erahnte, was er dachte. "Nein." Sie wehrte sich vehement gegen diesen Gedanken. "Ich bin KEINE Masochistin!" Sein Grinsen wurde trotzdem breiter, denn er stellte sich das gerade bildlich vor. "Ich wollte damit nur sagen, dass ich mich schon verteidigen kann und es auch tue." - "Das sagt man dann!" Sein spöttischer Gesichtsausdruck gefiel ihr überhaupt nicht. Sie griff an. Mit einem Satz war sie neben ihm und trat ihm in die Kniekehle. Alex war so überrascht, dass er mit hoch gerissenen Armen und einem undefinierbarem Laut erst ein wenig einknickte, dann vollends vorn überkippte. "Sonst noch irgendwelche Bemerkungen?" Sie grinste breit, als sie ihm zusah, wie er sich hocharbeitete. "Sadistin" Murmelte Alex. Die Musik ging aus. "Wenn du das so sehen willst. - Das gehört dann eben zum Geschäft." Er kniete vor ihr und sah sie verständnislos an. Jenny jedoch hatte sich vorgenommen, nur auf Fragen zu antworten, die er auch wirklich an sie stellte. "Fangen wir nun richtig an, oder sollen wir's gleich bleiben lassen?" Alex überlegte. "Ich trainiere jedenfalls morgens und abends, und wenn mir danach ist, auch irgendwann dazwischen." Erwartungsvoll sah sie auf Alex, doch ehe er sich regte verging eine kleine Ewigkeit. "Verschieben wir das lieber auf morgen. Ich bin ziemlich müde von der langen Reise und träge vom Essen." Ausrede, ging es Jenny durch den Kopf, aber sie akzeptierte es. Alex stand ganz auf und hinkte zur Tür. "Oh, hast du dir was getan?" - "Ich mir nicht." Er lächelte böse. "Aber ich kann schon alleine auf mich Acht geben." Jenny war empört über diese Antwort. Schließlich sollte ich es ihm zeigen!Im Grunde wusste sie, das sie wieder überreagiert hatte. "Dann bis morgen früh." Murmelte sie vor sich hin.

Sie wurde wieder wütend. Sie ging zur Anlage und drehte auf, bis sie glaubte, Alex würde ihr Wutgeschrei nicht mehr hören können. Freilich schrie sie nicht wirklich, zumindest nicht laut. Während sie sich wiederholt verausgabte, lag Alex in seinem Bett.

Er starrte die Decke an und verspürte mit der Zeit eine wachsende Unrast. Schließlich stand er auf. Mit freiem Oberkörper trat er ans Fenster, öffnete es und schaute rauf zu den Sternen. Der kühle Nachtwind lockte ihn, rief ihn zu sich nach Draußen. Ohne weiter darüber nachzudenken schwang er sich aus dem Fenster und kletterte am Rosengitter runter. Als er unten ankam waren seine nackten Füße kaum verletzt. In seiner schwarzen Jeans steckten etliche Dornen, die von den Rosen abgebrochen und hängen geblieben waren. Er schritt langsam Richtung Wald. Irgendwas rief in, zog ihn an. Der Vollmond zeigte ihm den Weg, den er zu gehen haben würde. Selbst, wenn er es nicht gewollt hätte, er hätte sich nicht dagegen wehren können. An einer Waldlichtung kam er zu eine Steinkreis. Zuerst dachte er, der Vollmond würde die Steine anleuchten, dann aber bemerkte er, dass die Steine selber leuchteten, zwar nur schwach, aber aus dem Innersten.

Er umschritt den Kreis gegen den Uhrzeigersinn und betrat ihn, nachdem er ihn umrundet hatte. Im Inneren gab es noch einen Kreis. Dieser war aus etwas kleineren Findlingen als der äußere. Diesen umrundete er im Uhrzeigersinn und nach einer vollen Runde betrat er auch noch diesen Kreis. Er stand vor einem Stein, der an einen Altar erinnerte. Auf diesem länglichen Stein, der ihm etwa bis knapp übers Knie reichte, lag ein Dolch. Seine Klinge war etwa handlang und bestand aus so ebenem Stahl, wie Alex es noch nicht gesehen hatte. Er war sich nicht mal sicher, ob es überhaupt Stahl war. Der Griff schien aus Silber zu sein. Sein Parier wohl aus Gold. Am Ende des Griffes saß ein silberner Halbmond, der von so etwas wie einem goldenen Ring vom Griff getrennt wurde. Jedenfalls sah es so aus. Alex kam alles so vertraut vor, obwohl er sich sicher war, noch nie hier gewesen zu sein. In den Stein selber waren Muster eingeritzt, Symbole, die er vergessen zu haben schien, so kam es ihm vor. Für einen kurzen Augenblick wusste er, wofür das alles hier diente. Und weg war es wieder.

Plötzlich kam er sich so erschöpft vor, so unendlich müde. Mit schweren Schritten ging er wieder zurück, kletterte wieder in sein Zimmer - wieder über das Rosengitter - und fiel mehr ins Bett, als das er sich legte. In dieser Nacht schlief Alex sehr schlecht. Unruhig warf er sich von einer Seite zur anderen, wachte aber nicht auf.

Im Traum war er wieder auf der Lichtung. Auf den Steinen war weniger Moos und im ganzen wirkte es gepflegter. Er sah eine kleine Prozession sich nähern, alles junge Frauen. Er bemerkte ihre Schönheit. Vor der Prozession gingen zwei junge Frauen, die ihm sehr bekannt vorkamen. Sie sahen sich so ähnlich, dass er glaubte, es handle sich nur um eine. Als die beiden nahe genug waren, erkannte er sie und war überrascht. "Jenny?" Die beiden sahen aus wie Jenny, aber sie sahen sich auch gegenseitig so verdammt ähnlich. Die folgende Gruppe der Mädchen umkreisten mit den beiden an der Spitze den äußeren Kreis gegen den Uhrzeigersinn und nahmen nacheinander mit dem Rücken zu den Steinen Aufstellung. Nachdem sie den Kreis einmal umschritten hatten, betraten die beiden den inneren Kreis allein. Genau wie Alex umschritten sie den kleineren, den inneren Kreis im Uhrzeigersinn.

Alex war von ihrer Anmut fasziniert. Mittlerweile lag ein leichter Dunst auf der Lichtung, dessen sich Alex erst jetzt bewusst wurde. Anfangs herrschte Still, aber leise und wie, als hätten die Töne auf den Dunst gewartet, erklangen kleine Glöckchen, die jede der Frauen um die Fußgelenke trug. Er sah, dass die Mädchen - Frauen? Er war sich nicht sicher. - ihre Münder bewegten, aber er hörte erst nichts. Angestrengt lauschte er, bis er schließlich den nur gehauchten Gesang wahrnahm. Nicht nur, weil der Gesang so leise war, sondern auch der fremd klingenden Sprache wegen verstand er den Inhalt überhaupt nicht. Schließlich gab er es auf die vermeintlichen Worte mit Gewalt verstehen zu wollen. Statt dessen beobachtete er konzentriert diese beiden Mädchen - Frauen? Verdammt, wo liegt der Unterschied? - wie sie sich dem Stein näherten, den er für eine Art Altar hielt. Die Steine leuchteten viel stärker, als er sie gesehen hatte. Ihr Licht zeigte deutlich die Konturen der schlanken Körper. Der Stoff musste wohl so dünn gewesen sein, dass er genauso gut gar nicht hätte vorhanden sein müssen. Es hätte keinen Unterschied gemacht. Es lag nichts Schamhaftes an diesem Anblick, so dass Alex ohne das Gefühl ein Voyeur zu sein diese Szene weiter beobachten konnte. Mit dem steigenden Dunst bekam auch Alex eine andere Perspektive. Zuletzt schwebte er vogelgleich über dieser Szenerie. Er sah, wie die beiden sich gegenüber aufstellten, den Altar zwischen sich. Gleichzeitig gingen sie in die Knie, woraufhin die Glöckchen klingelten. Wie von Weitem hörte er einen Gesang, der gleichmäßig an und wieder abschwoll. Es erinnerte ihn ein wenig an Mönchsgesang nur viel lieblicher. In gleichbleibendem Rhythmus erschollen die Glöckchen der Mädchen, die über den äußeren Kreis verteilt waren.

"Mutter, die du über die Nacht wachst, gewährst uns dein Licht, deinen Schutz, deine Kraft..." Alex dachte über diese Worte nach, aber für ihn ergaben sie keinen Sinn. Sein Blick haftete gebannt auf den beiden Frauen am Altar. Er sah, dass die eine, die ihm den Rücken kehrte, etwas, das im hellen Licht des Vollmondes metallisch glänzte, in die Hand nahm. Ungeduldig versuchte er links und rechts an ihr vorbei zu schauen, was ihm jedoch nicht gelang. Aus Neugier manövrierte er sich an ein Kopfende des Altars, von wo aus er sie beide beobachten konnte. Er sah sie nun aus nächster Nähe. Er konnte ihre mit Blüten bedufteten Haare riechen, sah die kleinen Härchen, die sich auf ihren Armen aufgerichtet hatten, sah, wie sich ihr Brustkorb langsam und gleichmäßig unter dem dünnen Stoff hob uns senkte. Die, die ihm eben den Rücken zugewandt hatte, hatte in ihren Händen den Dolch, den sie mit gestreckten Armen und zum Himmel zeigender Klinge vor sich hielt. Die andere nickte leicht, dann löste sie die rechte Hand. Alex verstand nicht, was das sollte. Den Dolch führte sie mit der linken Hand, legte die Klinge in die rechte, schloss die Augen und zog sie mit einem Ruck über die Handfläche. Ihre Reaktion war nur ein leichtes Zucken, dass ihre Mundwinkel umspielte. Alex erschauderte bei dieser Beherrschung. Er hatte von so etwas gehört, es sogar gesehen, aber dieses Mädchen - Frau - sah so zerbrechlich aus, dass er es nicht glauben konnte.

Aus dem sauberen, geraden Schnitt quoll frisches rotes Blut. Einzelne Tropfen fielen auf den Stein. Sie öffnete die Augen wieder und lächelte ihre Gegenüber sanft an. Er war im Bann ihrer Augen.Sie sind so grün. Er konnte es nicht glauben. So grüne Augen hatte er noch nie gesehen. Mühevoll löste er sich von ihnen und warf der anderen einen Blick zu. Irgendwas war an ihr anders. Er hätte es schwören können, dass sie sich bis aufs Haar glichen. Und doch... Er sah genauer hin. Er bemerkte, dass diejenige, mit der verletzen Hand helleres Haar hatte und es leicht rötlich schimmerte im Mondlicht. Auch ihre Haut war heller. Dann erst sah er dem anderen Mädchen - Frau - in die Augen und bemerkte, dass diese blaue Augen hatte. Wie die ihrer Gegenüber hatten sie etwas unnatürliches, etwas wissendes. Ihre Augen waren so klar, wie das Meer, oder der Himmel: er fand keinen passenden Vergleich.

Die Verletze gab ihrem Ebenbild den Dolch. Diese tat es ihr gleich, hielt ihn vor sich, setzte ihn jedoch mit der rechten haltend an der linken Hand an und zog ohne die geringste Mine die Klinge durch ihre Handfläche. Behutsam legte sie den Dolch in eine Vertiefung an Alex' Ende des Altars. Auch von ihr fielen Blutstropfen auf den Stein. Schließlich legten die beiden die Handflächen der verletzten Hände gegeneinander. Das Blut mischte sich.

Alex, der zum ersten mal, seit er Zeuge dieser Szenerie wurde, etwas anfasste - ausgerechnet den blutigen Dolch vor sich - befühlte die Klinge vorsichtig. Nicht vorsichtig genug. In dem Moment, in dem der erste Tropfen des gemischten Blutes auf den Stein fiel, stach er sich an der Spitze des Dolches. Das gemischte Blut der beiden Frauen sammelte sich ausnahmslos in der Rinne, die die Muster bildeten, die Alex bereits beim ersten Besuch hier aufgefallen waren. Sie falteten die Finger, um sich gegenseitig mehr Halt zu geben, und beteten stumm mit geschlossenen Augen. Das Blut verteilte sich über den ganzen Stein, selbst an den senkrechten Wänden lief es hinab und folgte dem Muster wieder hinauf. Alex ließ vor Schreck den Dolch wieder fallen. Das Scheppern ließ die beiden hellhörig werden. Als sie den Tropfen, der von seiner Hand herab fiel sahen, weiteten sich ihre Augen. Mit einem Laut, der leiser als eine fallende Stecknadel war, traf der Tropfen in einer Rinne auf und wurde mit einem Schwall des Blutes davongetragen. Der Altar war nun vollständig eingenetzt mit ihrem Blut, welches das Muster zum leuchten brachte. Das Leuchten wurde immer stärker, bis es schließlich nur noch Licht da war.

In diesem Licht befanden sich Alex und die beiden Frauen. Er wusste nicht wann, nicht warum, aber er hatte sich für die Bezeichnung ,Frau' entschieden. Von den anderen Mädchen war keine Spur mehr und auch der Gesang war nicht mehr zu vernehmen. Alex war so aufgeregt, dass er sein Herz bis in den Hals klopfen fühlte. Sein Körper schien nichts zu wiegen und trotzdem unendlich schwer zu sein.

Der Blick der beiden jungen Frauen haftete an ihm, bis sie sein Unbehagen zu sehen schienen und endlich anfingen zu sprechen. "Wer oder was bist du?" Im ersten Moment hatte er Schwierigkeiten sie zu verstehen Sie bedienten sich einer Sprache, die ihm so unglaublich fremd vorkam, aber dennoch irgendwo in einem hintersten Winkel seines Innersten bekannt war. Er zögerte zu lange, ehe er sich versah, stand - schwebte?! - vor ihm nur noch eine der beiden. Die grün Äugige. Er hatte es irgendwie erwartet, dass die andere hinter ihm sein würde doch er zuckte trotzdem unter ihrer Berührung. Sie hatte etwas vertrautes. Obwohl sie einen guten Kopf kleiner war als er, schaute sie über seine Schulter. Bedächtig sog sie seinen Geruch an seinem Nacken ein und schlang die Arme um seinen Oberkörper. Dass er ihnen so hilflos ausgeliefert war, darauf kam er gar nicht. Nach dem sie sich eine Weile so verhalten hatte, gab sie der anderen Frau zu verstehen, dass er arglos sei.

"Wir sind die Reinkarnation der Mondseele," begann die grün Äugige "geteilt und doch eins." Schloss die blau Äugige neben ihrem grün äugigen Ebenbild stehend. Gleich darauf stellten sie sich vor. "Ich bin Selen, die Treue." Und mit einem Blick in ihre Augen, wusste Alex, wie sie zu diesem Namen kam und ehe ihr grün äugiger Zwilling seinen Namen nannte, wusste er es schon. "Ich bin die Hoffnung, Seren." Alex war sich sicher, er würde sie nie verwechseln, egal wie ähnlich sie sich sahen. "Nun? Wie ist Euer Name?" Er war mit einem glücklichen Lächeln tief in Gedanken gewesen und schreckte auf, als er bemerkte, dass die Frage ihm galt. "Ich bin Seven." Hörte er sich selbst sagen auf ihrer Sprach, aber woher der Name kam, war ihm ein Rätsel. Er kannte ihn bis dahin nicht. "Seven? ,Der Unbekannte' ..." Sinnierte Selen über seinen Namen. "Oder ,Der Verstoßene'!" fiel ihr Seren ins Wort.

Je länger er hier war, desto mehr begann sein Kopf zu schwirren. Das Licht schien zu flimmern. Die beiden tauschen anscheinend andauernd ihre Positionen, oder liegt es an mir? Alex fühlte sich, als zöge etwas unaufhaltsames an seinem Bein, tief hinab ins Nichts. "Es ist Zeit für dich zu gehen, Seven." Gab ihm Selen zu verstehen. "Du bist noch lange nicht bereit für so viel Wissen." Alex verstand nicht, was Seren damit sagen wollte, aber er spürte, dass sie Recht hatte. "Soll ich wirklich...? Meinst du, dass es notwendig ist?" Seren antwortete ihrer Schwester mit einem ausdruckslosen Nicken, woraufhin Selen sich vor Alex aufbaute.

Ihm fiel es schwer zu widerstehen, es wäre so einfach, nur loslassen und mit dem Unbekannten ins Nichts zu treiben. "Halt noch einen Moment durch, Selen wird dir helfen." Es war die Hoffnung, die aus Serens Mund sprach. Selen hauchte ihm ein Küsschen auf die Stirn. Sie selbst war davon überrascht - vielleicht sogar noch mehr als Alex oder Seren. Sie hatte das Gefühl, es dem Jungen schuldig zu sein, dann tat sie endlich, was sie sollte. "Vergiss, was du gesehen. Alles nur ein Traum...." Sie wiederholte es immer und immer wieder zwar mit sanfter, aber dennoch monotoner Stimme, die eine unwiderstehliche Autorität in sich barg. Während dessen streckte sie den Arm vor und berührte behutsam die Stelle, die sie zuvor geküsst hatte. Ehe sie sich versehen hatte, leuchtete dieser Punkt bei Alex, der bei ihr und Seren ein silberfarbenes Mal in Form eines Halbmondes war. Sie führte das Ritual so durch, wie sie es gelernt hatte, wie sie es schon duzende Male angewandt hatte, aber so etwas war noch nie passiert. Der Punkt dehnte sich explosionsartig lautlos um Alex aus, verschwand wieder und mit dem ungewöhnlichen Licht war Alex auch weg. "Was...?" Selen wie Seren waren ratlos über diese Erscheinung.

Alex versank in Dunkelheit. Er wälzte ich unruhig in seinem Bett und meinte immer noch Selens Stimme zu hören. "Vergiss..." wie ein unendliches Echo, das langsam in seinem Kopf mit der Dämmerung verhalte.

Aufregung nach einem Waldspaziergang

Noch in der selben Nacht war Jenny zu der Lichtung gegangen. In sich spürte sie, dass jemand hier gewesen sein musste. Sie umrundete die Kreise und trat an den Altar. Ihr war das Ritual mit den Jahren sprichwörtlich ins Blut übergegangen. Sie nahm menschlichen Körpergeruch wahr. Er war zwar äußerst schwach, aber er war da; und er roch nicht mal unangenehm. Genauso wie die flüchtige Wärme, die hier scheinbar zufällig war in der kühlen Nacht. Sie verharrte eine kleine Unendlichkeit vor dem Altar, unschlüssig, was zutun sei. Es war der erste Vollmond, seit ihrem Zusammentreffen mit Marius. Ob ich nicht doch nach ihr suchen sollte? Schon lange hatte sie nichts mehr von ihrer Zwillingsschwester gehört, was sie aber auch nicht weiter verwunderte. Selbst das Ritual hatte sie die letzen Jahre über alleine durchgeführt. Aber jetzt, wo sie zugelassen hatte, dass Marius' Behauptungen in ihrem Bewußtsein Fuß fassen konnten, konnte sie nicht einmal mehr den symbolischen Blutstropfen geben. Sie konnte kein Blut mehr sehen. Der Gedanke daran bereitete ihr Übelkeit. Sie ließ sich auf die Knie fallen und begann hemmungslos zu weinen bis sie schließlich schluchzend auf dem Altar lag. Der Stein nahm ihre Spende so an, als wäre es Blut - und erglühte. Das Licht war sanft und beruhigend. Jenny war nicht mehr Jenny, sondern Selen. Sie war die Wächterin. In ihrem leichten weißen Gewand, dass normalerweise etwa knielang war, lag sie da, wie ein Häuflein Elend. Der blaue Kragen, der eigentlich einen großzügigen Ausschnitt säumte, war verrutscht. Die Kette, die sie als Gürtel um die Hüfte geschlungen hatte, erinnerte sehr an einen Rosenkranz an dessen Ende ein kleiner Schlüsselbund hing. Vier bunte Schlüssel. Einer war rot, wie die Liebe; blau, wie die Treue; grün, wie die Hoffnung und schließlich gelb, wie die Eifersucht. Als sie sich wieder zurücklehnte bemerkte sie den Schlüsselbund unter ihrer Hand. Der grüne Schlüssel schien ein Eigenleben zu führen, da er sich regte. Durch ihre gespreizten Finger hindurch reckte er sich zunächst gen Himmel, dann konkret in die Richtung des Steins. Selen, die für den Moment keine Tränen mehr hatte, sah ihm zu und sah etwas anderes. Für sie war es der Beweis, dass Seren noch lebte. Es war die Hoffnung selbst, die ihr Hoffnung gab. Aber dennoch war ihr, als sei Serens Schuld die ihre, unter der sie zusammenzubrechen drohte. Insgeheim hoffte sie, dass Seren diejenige war, die hier gewesen war. Aber warum zeigt sie sich dann nicht? Vor ihrem inneren Auge sah sie Seren. Sie sah nicht sehr glücklich aus. Warum hat sie es all die Jahre nicht erwähnt? Aber sie beantwortete sich ihre Frage selbst. Sie hatte Angst, ich würde ihr Vorwürfe machen. Vielleicht hätte sie sogar Recht damit. Sie wurde sich erst jetzt ihrer Wut bewusst. Wie konnte sie mir das nur antun?? Wenn sie Seren irgendeine Absicht unterstellte, konnte sie sie auch verstehen. Seren hat sich damit selbst vom Schicksal befreit, aber zu welchem Preis? Selen fragte sich, ob sie ihn überhaupt ermessen konnte. Wie viel würde ich opfern? Sie wusste, sie hatte ein Gewissen und dieses sagte ihr einerseits, dass sie nicht das Recht hatte Seren Vorwürfe zu machen, da sie nicht wusste, ob Seren sich überhaupt bewusst gewesen war, bei dem, was sie getan hatte. Andererseits machte ihr der Wortlaut ihrer eigenen Gedanken klar, dass sie ihr nur aus ihrem eigenen Egoismus heraus Vorwürfe machte. "Angetan..." Sie kotzte das Wort heraus, als wolle sie mit ihm den schändlichen Gedanken loswerden. Es half nicht viel. Sie fühlte sich immer noch verraten und verkauft. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. "Durch den Verlust der Blutunschuld oder durch das eigene Blut wird siegen Böse über Gut." Dieser Satz aus dem Buch der Prophezeiungen kam ihr sehr pathetisch vor. Vielleicht liegt es an der Übersetzung? Mit einem Mal fiel ihr auf, dass es nur dieses Buch, oder eher das, was in ihm stand, ihr Leben zu dem gemacht hat, was es ist. Die übergroße Vorsicht, die vielen Vorschriften, die Ängste, die Qualen. Wenn wir nur nie davon erfahren hätten. Ja, so musste es sein. Für Selen verhielt es sich so, wie Ödipus und dessen Sage. Sie fragte sich, ob es hätte anders laufen können, hätten sie nicht davon erfahren. Hätte ich dann schon jemanden getötet? Sie war sich nicht so sicher, ob sie nicht doch irgendjemanden getötet hatte. Aber spielte das überhaupt eine Rolle? Die wenigen Male, die sich ihr Gewissen regte, regte es sich gewaltig. Was wäre, wenn wir beide unsere Blutunschuld verloren hätten? Vor ihrem inneren Auge nahmen Bilder Gestalt an, die irgendetwas vertrautes hatten und sie dadurch um so mehr erschreckten. "So viel Gewalt. So sinnlos... " Sie wollte sich abwenden, aber ihre Phantasie verfolgte sie, zügellos spielte sie ihr ein Horrorszenario nach dem anderen vor. Selen sprang auf, wollte nur noch fliehen, aber dazu fehlte ihr die Kraft. Wimmernd brach sie über dem Stein zusammen. Nach einer Weile lag sie beinahe reglos da. Sie hatte aufgehört zu wimmern und als sie den Versuch zu fliehen aufgab, hörten auch die Bilder auf. So lag sie dort, bis die Sonne begann aufzugehen. Mit dem ersten Sonnenstrahl, der sie berührte, verschwand Selen und zurück blieb eine müde und erschöpfte Jenny. Sie wurde und wurde das vertraute Gefühl nicht los, konnte es aber auch nicht einordnen. Sich der aufgehenden Sonne, also der wachsenden Helligkeit und der Trainingssachen, die sie noch immer trug, bewußt und der Möglichkeit, Alex könne sie sehen, entschied Jenny sich dafür so zu tun, als ob sie nur eine Runde joggen gewesen wäre. Sie blickte gen Osten, zur aufgehenden Sonne. Die ersten Strahlen, die durch die Blätter brachen, brachten sie zum blinzeln. Und die Strahlen, die ihr direkt ins Auge fielen, erzeugten ihr ein Stechen im Kopf. Schnell drehte sie ihren Kopf zur Seite, sah in den Wald und sah doch nichts. Als sich ihre Augen endlich wieder an die noch vorherrschende Dunkelheit angepasst hatten, sah sie mit ungewohnter Klarheit und Schärfe was da vor ihr, neben ihr und überhaupt um sie im Wald passierte. Ihre Gedanken flogen, flogen schneller und höher als bisher. Jedenfalls erinnerte sie sich nicht daran, dass es jemals so intensiv war. Das gleißende Licht hatte in ihr eine verschüttete Erinnerung wachgerüttelt - zumindest glaubte sie es, sie war nicht sicher. Um sich darüber Klarheit zu verschaffen musste sie zurück, nachschauen. Sie hatte schließlich nicht umsonst ihr ganzes Leben in ihren Tagebüchern festgehalten. Jede Begebenheit, jede Erinnerung und größtenteils die Gedanken und Gefühle, die sie dabei hatte. Es gab wieder etwas für sie aufzuschreiben. Und, wie sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie Alex mit noch keinem Wort in ihren Aufzeichnungen erwähnt hatte. Kunststück, wenn er erst seit gestern da ist. Hab doch noch gar nichts aufgeschrieben. Sie wollte es herausfinden, ob sie sich richtig erinnerte oder nicht und dann musste sie - ob sie nun richtig lag oder doch nicht spielte keine Rolle - die Tage niederschreiben. Sie hatte über Marius noch nichts aufgeschrieben. Sie war im Chaos ihrer Gedanken und Gefühle - vor allem im Sumpf des Selbstmitleids - ertrunken. Sie hatte sich schon gewaltsam aufrappeln müssen Alex Zimmer herzurichten. Die ganzen drei Wochen waren so an ihr vorbeigezogen, als wären sie gar nicht gewesen. Wenn man das alles bedenkt, so fuhr es ihr durch den Kopf, ist es erstaunlich, was Alex unabsichtlich an nur einem Tag vollbracht hat. Obwohl sie dankbar war, sträubte sich in ihr dennoch etwas. Egal wie sympathisch er ihr war, etwas merkwürdiges ging von ihm aus. Als sie aus dem Wald trat hielt sie den Blick gesenkt, um nicht mit der gleißenden Helligkeit konfrontiert zu werden. Mit dem letzten Baum begann sie zu rennen, was ihre Joggingtour andeuten sollte. Sie wußte ja nicht mal warum er überhaupt hier war. Sie lief querfeldein über die Wiese Richtung Haus. Als sie kurz ihren Blick hob und über das Haus schweifen ließ, bemerkte sie das offene Fenster. Sie überlegte einen Moment, ist das nicht Alex Zimmer? Doch! Ob er schon auf ist? Endlich nahe genug, ließ sie ihr inneres Auge durch sein Zimmer schweifen. Ich will doch nur wissen, ob er schon auf ist, beruhigte sie sich selbst. Schließlich fand sie ihn schlafend in seinem Bett. Da sie nicht körperlich anwesend war und auch keine Geräusche verursacht hatte, konnte sie sicher sein, dass er sich nicht einfach nur schlafend stellte, er hätte ja keine Veranlassung dazu. Oder doch? Sie betrat das Haus, stand aber nicht wie sonst völlig im Dunklen, sonder sah alles, wie bei voller Beleuchtung und nicht, wie vom Hellen ins Dunkle, nämlich nichts. Nachdem sie sich ganz sicher war, dass niemand in der Nähe war, der sie hätte beobachten können, ging sie auf den großen Spiegel, der auf der anderen Seite des Foyer, gegenüber der Tür hing. Für sein Alter war der Spiegel erstaunlich groß. Er war noch ein Stückchen höher als Jenny und etwas über einen Meter breit. Vor dem Spiegel angekommen berührte sie in der Fassung einen Stein, drehte dann an den beiden anderen. Der Spiegel war kunstvoll in die Wand eingearbeitet und wurde somit zu einem Teil der Wand. Sie legte die linke Hand flach auf den Spiegel drehte mit der rechten weiter vorsichtig an den beiden Steinen. Die Steine fielen eigentlich nicht weiter auf, da rund um den Spiegel die selben Edelsteine in die Fassung eingebettet waren. Alleine, weil Jenny wusste, welche sie berühren und welche drehen musste, konnte nur sie den Spiegel als das benutzen, was er war: ein Durchgang. Sie drehte, bis ihre Hand in die Spiegelfläche eintauchte. Dann zog sie die Hand wieder raus und blieb durch die quecksilberfarbene, an dickflüssiges Gummi erinnernde Masse mit dem Spiegel verbunden. Sie zog die Hand noch weiter vom Spiegel weg, bis die Verbindung in der Mitte riss. Ein Teil blieb an ihrer Hand zurück, der andere federte zurück und verursachte die gleichen konzentrischen Kreise, wie ein Stein, den man ins Wasser warf. Sie wusste zwar, was sie erwarten würde, auf der anderen Seite, doch trotzdem hielt sie - und vielleicht weil sie es wusste - die Luft an und trat mit einem beherzten Schritt durch den Spiegel. Es war immer wieder neu, und doch immer das gleiche, wie sie feststellte. Jenseits dieses Durchgangs gab es keine Elektrizität mehr, so tappte Jenny durch das kurze Stück Gang, bis sie schließlich die erste Stufe nach unten erreicht hatte. Offiziell hatte dieses Haus keinen Keller und außer ihr gab es niemanden - lebendes - der noch davon wusste. Sie folgte dem vertrauten Lauf der Wendeltreppe hinab in die Dunkelheit. Sie kannte jeden Winkel, jede Unebenheit, da war am Ende der Treppe der niedrige Türsturz, der selbst für sie, mit ihren 1,66m noch etwas zu niedrig war. Auf der Treppe gab es eine Stelle im Geländer, die schon seit Jahren herausgebrochen war. Oder das seit Ewigkeiten aus der Wand und der Decke tropfende Wasser, das in der stillen Luft Moos gebildet hatte und das durch die ständige Feuchtigkeit immer ziemlich glitschig war. Nach etlichen ausgetretenen Stufen, die immer zu einer Linksdrehung nach unten führten, kam sie schließlich unten an, folgte dem anschließenden Gang noch ein paar Schritt weit, bis sie das vertraute blau - silber schimmernde Licht am Ende sah, dass vom links abzweigenden Gang herkam. Sie folgte ihm, so wie sie es immer tat uns stand in dem niedrigen Raum, der ganz allein ihr Reich war. Außer ihr, war nach Errichtung dieses Hauses niemand mehr hier unten gewesen. Mit einem gequälten Blick durch den Raum, erinnerte sie sich daran, dass sie schon beim letzten Besuch hier unten sich zum wievielten Mal vorgenommen hatte sauber zu machen. Irgendwann war ihr in einem Wutausbruch ein Tonkrug und ein Becher zum Opfer gefallen, sowie ein Regal, dass aber auch grundsätzlich bis auf den Staub, der darauf lastete, immer leer war, aber auch noch ein paar andere Dinge hatte ihre Wut davon gefegt. Hier unten im Keller gab es keine Türe, die es zu schließen galt, außer vielleicht ... Jenny überlegt, ist das Tor nun eine Tür die man schließt oder nicht? Das Tor, ein Oval, mit Schriftzeichen auf seinem Rand. Mit dem Rahmen war es etwa 2,30 hoch, schloss mit der Decke des Raumes ab, und war an seiner breitesten Stelle etwa 1,50m mit Rahmen. Es war eine Extraanfertigung allein für sie gewesen, ein Geschenk. Damals hatte sie sich riesig gefreut, was für ein Wunder, dachte sie, ich war ja noch ein Kind. Ein eigenes ,Sternentor', wie die Menschen es genannt hatten, aber sie wusste es besser, bis auf Dileva war sie die einzige. Das war der springende Punkt. Dileva fürchtete sie deswegen. Jede Wächterin hatte ihr ,Aufgabenfeld' nur Selen nicht. Selen war in jedes Aufgabenfeld irgendwie integriert und irgendwann hatte sie gelernt die Magie der Zeit ein wenig zu kontrollieren. Das war es, was Dileva ein Dorn im Auge war. Die Wächterin der Zeit vom Pluto, die, die als einzige Herrin über die Zeit sein sollte, das, was sie ausmachte, müsste sie nun mit einem Kind teilen. Damit nicht genug, es war auch noch eine der Zwillingsseelen, die, die nur zu leicht dem Wahnsinn anheim fallen. Dileva hielt sie zweifellos für wahnsinnig, Unberechenbarkeit musste einfach dazu gehören. Keiner wusste so genau, was Selen sich bei dem, was sie tat dachte. Seren war zwar auch eine Zwillingsseele - wie konnte es auch anders sein, als Selens Schwester? - und bei ihr wusste man genauso wenig, was sie sich dachte, aber sie tat es eher unauffällig.

Selen hatte schon alle Wächterinnen gegen sich aufgebracht, denn jede fürchtete sich davor überflüssig zu werden, wenn so ein Kind ihre Gabe besaß und somit ihre Aufgabe übernehmen konnte. Ob Selen das nun beabsichtigte oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Warum sollte ich mir mehr Arbeit und mehr Verantwortung aufbürden, als ich tragen kann? Drei der fünf äußeren Wächterinnen hatten mit der Zeit fast schon so etwas wie Hass gegen sie entwickelt. Havea war noch nicht wieder erwacht, denn es würde sie viel Kraft kosten, nachdem sie sich eingesetzt hatte alle zu retten, leider umsonst. Sie, die Wächterin von Zerstörung und Wiedergeburt, war der Selbstüberschätzung zum Opfer gefallen. Oh ja, dachte Jenny, die mehr und mehr wieder Selen wurde, die Krankheit der Wächterinnen. Maßlose Selbstüberschätzung, Arroganz, Eitelkeit und falscher Stolz. Sie blickte auf das Sternentor, nicht ohne einen Stich im Herzen zu spüren. Ob Dileva jetzt allein am Zeitwehr sitzt und wieder böse zu mir rüber schaut? Sie hatte das Sternentor zu ihrem eigenen kleinen Zeitwehr gemacht. Das verzieh Dileva ihr nie. "Es kann nur ein Zeitwehr geben, erschaffen von der Zeit selbst." Hatte sie ihr damals gesagt. Aber es gab doch noch ein Zweites, und wenn sie - Selen - es wollte, auch noch mehr. Selen war nie darüber hinweggekommen, dass die Wächterin der Zeit sich gerade in diesem Punkt geirrt hatte. Kannte die Wächterin am Ende ihre eigenen Fähigkeiten nicht? Selen erinnerte sich dunkel an ein Gespräch mit ihrer Mutter, wie sie ihr und Seren eine Geschichte erzählt hatte. "Einst wird sie kommen, die Wächterin der Wächterinnen ..." Ihre Mutter hatte noch weiter geredet, aber daran konnte sie sich bei besten Wille nicht erinnern. Aber in dem verdammten Buch der Prophezeiungen stand auch was über die Wächterin der Wächterinnen. Selen drehte sich um. "Hier irgendwo muss es doch sein... dieses verdammte Buch!" Murmelte sie und stieß noch lästerlichere Flüche in Verbindung mit dem Buch aus. Sie hatte es seit Jahren nicht mehr angefasst. Irgendwann fand sie es schließlich, eingewickelt in das alte, schon brüchige Ledertuch, wie sie es in Erinnerung gehabt hatte. Eigentlich wollte sie nicht mehr darin lesen, aber die Geschichte der Wächterinnen und vor allem der einen, ließ sie nicht los. Das Buch hatte seinen eigenen Wille und von Zeit zu Zeit schrieb sich auch neues auf die noch leeren Seiten, die nie auszugehen schienen. Suchte man etwas bestimmtes, so brauchte man nur aufzuschlagen, und das Buch zeigte die passende Stelle. In gewisser Weise praktisch, dachte Selen, so erspart das verfluchte Buch mir die Zeit mit dem Suchen. Sie schlug das Ledertuch auf und hielt ein wie frisch eingebundenes Buch in Händen. "Du ..." Ihr fiel ein, dass irgendein Philosoph mal gesagt hatte, dass man einem Gegenstand erst mit einem Namen eine Existenz zugesteht. Selbst, dass sie es als ein ,Du' bezeichnet hatte, diese Personifikation ihres ,Feindbildes' kam ihr im Moment lächerlich vor. Das Buch wurde von manchem auch ,das Buch der Antworten' genannt. Jenny, vielmehr Selen wollte genau das jetzt herausfinden. Muss ich erst in meinen eigenen Aufzeichnungen suchen, oder gibt das Buch mir die Antwort? Es war wahrhaftig ein Experiment, da bisher nur bekannt war, dass es über die Zukunft Auskunft gibt. Die Vergangenheit war nie für irgendjemanden von Interesse gewesen. Für niemanden jemals. Nur jetzt wollte Selen Gewissheit über die Vergangenheit haben, die Bestätigung für ihre Annahme. Der Gedanke, dass mit Alex etwas nicht stimmte, machte sie wahnsinnig, konnte sie es doch nicht ohne Hilfe herausfinden. Mit dieser Intention machte sie sich also daran wieder das verhasste Buch zu öffnen, dass sie so lange gehütet hatte, damit niemand, wirklich niemand es je wieder aufschlagen würde. Einen kurzen Moment hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass sie es wider ihres Versprechens doch wieder öffnen würde. Aber das war egal. Alles war egal, weil die Ungewissheit an ihr nagte, sie zerfraß. In letzter Zeit verfiel sie viel zu oft an einen Gedanken, einen, von dem sie besessen war und sich nicht davon befreien konnte. Ohne Einfluss von außen war es unmöglich. Bis zu dem Tag, an dem das Telefon klingelte und Darius sie bat sich um Alex zu kümmern. Mit einem Mal sah sie ihr Haus mit anderen Augen. Sie war faul gewesen, hatte nur das nötigste wieder unter der Abdeckung hervorgeholt und sauber gemacht. Auch die Luft roch noch abgestanden und staubig. Also hatte sie wie ein Besessene alles geputzt, gerückt, gelüftet aufgeräumt und was ihr sonst noch in den Sinn kam. Vier Tage hatte sie das durchgehalten, doch dann war einfach nicht mehr genug zutun um sich abzulenken, sie verfiel wieder in die alten Depressionen, die sie selber noch nicht verstand. Doch dann war Alex da gewesen und alles war wie weggeblasen. Bis sie wieder alleine war. Jetzt kämpfte sie mit ihrer Neugier und ihren Ahnungen. Diese Aura, die Wärme, der Geruch, alles was sie am Steinkreis wahrgenommen hatte, das weckte eine verschwommene Erinnerung in ihr. Und sie verband sie intuitiv mit Alex.

Normalerweise setzte das Buch enorme mengen Energie frei. Es wurde warm, leuchtete und je nachdem, worum es demjenigen ging, der es aufschlug, entfachte es auch manches Mal kleine Stürme. Gefasst darauf, schlug Selen das Buch auf - und starrte es geschockt an. Sie hatte das Gefühl, als ob alles um sie verstummte, die an der Treppe herunter fallenden Tropfen, der pfeifenden Wind, einfach alles. Auch das Licht des Sternentores flackerte und schien sogar schwächer zu werden. Einerseits schien die Erdanziehungskraft um ein vielfaches zu steigen, so schwach fühlte sie sich, aber dennoch hob sie leicht vom Boden ab. Zu guter Letzt schien sich vor ihr ein Wirbel aufzutun, der sie unwiderstehlich anzog. Kurz fragte sie sich, ob das Ergebnis dieses Experiments das wert war, oder ob sie sich vielleicht zu teuer verkauft hatte. Der Wirbel umgab sie wie ein Strudel im Wasser und zog sie immer tiefer und tiefer, bis um sie nur noch ein nichts war - das Nichts? Es erinnerte sie an etwas. Irgendwo entsprang ein gedämpftes Licht, es wuchs und wurde immer heller, irgendwann erreichte es eine Helligkeit, bei der jeder normale Mensch normalerweise erblinden würde. Plötzlich war Selen sich im klaren darüber, wo sie war. Es war nicht die Traumwelt, sondern die Zwischenwelt. Dort, wo sie nach jedem Ritual hingelangt, wenn sie und Seren für kurze Zeit wieder eins wurden. Ihr fuhr bei dem Gedanken an Seren ein tiefer Stich durchs Herz. Vor ihr erschienen drei Personen, wie durch einen Nebel. Auch als sie näher kam, blieb das Bild recht verschwommen und verschleiert. Doch trotzdem fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, da sie erkannte, dass sie dort Seren und sich selbst sah - und Alex. Was zum Henker macht Alex hier? Wie konnte er in die Zwischenwelt gelangen? Und sie hörte angestrengt zu, den Antworten, die sie wohl vergessen hatte. "Wer bist du?" - " Man nennt mich Seven" - "Das bedeutet der Unbekannte" - "Oder der Verstoßene." All das hallte in ihrem Kopf wieder. Warum hat er einen Namen aus unserer Sprache? Im Grunde ahnte sie es, doch wollte sie es genau wissen, selbst, wenn sie dafür ihr eigenes Leben schwächte. Ist er der Sohn einer Wächterin? Die Wächterinnen ließen sich höchst selten mit Männern ein. Sie hatten den Mythos um die Amazonen begründet, die bekanntlich unter ihres Gleichen blieben und nur zur Fortpflanzung sich mit anderen einließen. In Wahrheit war es aber so, dass sie es theoretisch gar nicht nötig hatten, sich fortzupflanzen, da sie quasi ewig lebten. Aber nur quasi. Denn Nachkommen waren nur dafür da, um das Erbe anzutreten. So wäre es eigentlich Haveas Pflicht gewesen möglichst bald einen Nachkommen zu haben, da man ja nie wusste, wann ihre Fähigkeiten gebraucht wurden. Andererseits wäre das eine Schwächung der eigenen Macht gewesen. Denn wenn die Ausbildung des Kindes vorüber gewesen wäre und ihre Stunde noch nicht hereingebrochen war, so hätte das Kind sie ohne zögern absetzen und möglicherweise töten können. Ohne Abkömmling, wie es zuletzt war, war man darauf angewiesen, dass die Seele sich selbst einen neuen Körper sucht, was lange dauert. Zuerst geht die Seele in das Reich der Toten und kehrt dann erst in ewiger Unruhe wieder unter die Lebenden um sich im rechten Augenblick einen neuen Leib zu suchen, der neu beginnt, so wie sie. Aber es war egal. Selen störte sich nicht daran, da es sie nichts anging. Die Zweiteilung der Seele war notwendig, um die lange Dauer ausschließen zu können, die die Seele sonst heimatlos wäre. Ihr ging es auf, dass alle Wächterinnen die Zweiteilung ihrer Macht fürchteten. Es hieß, dass man dann dem Wahnsinn anheim fallen würde. Vielleicht wurde sie deswegen so verachtet und bekämpft. Man hielt sie für wahnsinnig, unberechenbar, für allgemein gefährdend. Aber ob sie damit auch recht haben? Es interessierte sie eigentlich nicht, aber trotzdem schoss ihr diese Gedankenkette durch das Bewusstsein. Der Strudel um sie herum breitete sich auch in ihrem Bewusstsein aus. Das, was das Buch ihr offenbart hatte, war nur ein weiteres Indiz, aber nicht die Antwort, auf die sie gehofft hatte. Ein Gedanke jagte den nächsten und doch drehten sie sich nur im Kreis. Welche Wächterin mochte bloß Alex Mutter sein? Sie wusste, dass En mit Darius gemeinsam eine Tochter hatte, aber sie war eben ein Mädchen und Alex ein Junge. Außerdem war En's Tochter, Elain, schon älter. Dachte Selen zumindest. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie empfand ein fürsorgliches Gefühl für ihn, als ob er noch ein Kind wäre. Aber war sie selbst denn mehr als ein Kind? Ihre Mutter war, ja, wie alt war Mutter eigentlich gewesen? Sie war noch so klein gewesen, und alles war schon so lange her. Ihre Mutter musste so um die 40.000 Jahre alt gewesen sein, vielleicht auch etwas jünger. Was spielten bei so einem Alter ein- oder zweitausend Jahre für eine Rolle? Sie war vier mal jünger als ihre Mutter bei ihrem Tod und sie galt schon als sehr jung. Jede der Wächterinnen hatte schon Selens Großmutter gedient und diese war nun auch schon eine Ewigkeit tot. Im Vergleich dazu waren Selen und ihre Schwester Seren noch Kleinkinder. Und Elain erst, sie musste für die übrigen Wächterinnen noch ein Säugling sein. En hatte ihr ihr Kind anvertraut, da sie um ihr eigenes Ende wusste. En, die ewig Gütige, war mit weit ausgebreiteten Armen und einem überglücklichen Lächeln in den Tod gegangen. Selen hatte sie damals gefragt, was sie mit dem Kind anfangen solle, wo sie nicht wusste, was sie mit ihrem eigenen, dass sie noch unter ihrem Herzen trug, tun sollte. En zuckte damals nur mit den Schultern und gab ihr zu bedenken, dass eine Mutter immer das Richtige für ihr Kind tun würde. Und da En nicht mehr für Elain sorgen konnte, gab sie ihr Kind jemandem, der es wie sein eigenes behandeln würde, da sie doch selbst im Begriff war Mutter zu werden. Selen dagegen zweifelte sehr an En's Entscheidung, fühlte sie sich doch - und daran hatten die übrigen Wächterinnen auch ihren Anteil - auch noch wie ein Kind. Zudem führte sie ein mehr als gefährliches Leben, wie um Himmelswillen soll ich mich denn da gleich um zwei Kinder kümmern?? Entsetzt schaute sie zu, wie En sich von ihrem Geliebten töten ließ. Sie konnte und kann es immer noch nicht verstehen. Obwohl sie es versucht hatte, konnte sie Darius dafür nicht hassen. Elain war kein Kind mehr, als dass sie sie noch irgendetwas über das Menschenleben lehren konnte. Äußerlich mochte man sie für etwa Gleichaltrige halten, aber Elain war Tochter einer Wächterin, einer, die auch noch tot war und wusste davon nicht einmal. Elain war ein Geheimnis, keine der übrigen Wächterinnen wusste von ihr. Auch von ihrem, Selens Kind wusste niemand. Niemand außer Darius, der damals Geburtshelfer war. Er hatte der überglücklichen Mutter ihr Kind in den Arm gelegt, die vor Erschöpfung mit dem Kleinen eingeschlafen war. Einerseits sollte keine der Wächterinnen wissen, dass es eine weitere Teilung gegeben hatte, und andererseits sollten sie erst recht nicht erfahren, dass sie einen Jungen geboren hatte.

Ihr Körper hing schlaff in der Luft. Man hatte fast glauben können, eine Tote im schwerelosen Raum zu sehen. Das Buch schien leicht geschwärzt zu sein, als ob seine Seiten ohne Flamme verbrannten. Die Seiten kräuselten und rollten sich an den Enden, doch der Ledereinband blieb verschont. Selen war zu schwach ihre Exkursion in die Vergangenheit selbst zu leiten, so nahm das Buch mehr Energie auf, als es eigentlich konnte. Eigentlich war es das nicht gewohnt. Es gab sonst nur Energie in seinen mannigfaltigen Gestalten ab, aber welche aufnehmen? Wo sollte es die denn speichern? Alles, was Selen sah, zeigte die, wie Wasser erscheinende Oberfläche des Sternentores als Widerschein.

Das Phänomen, das die Energie abgesaugt wurde, beschränkte sich nicht alleine auf den Keller, was Selen längst nicht mehr mitbekam. Alex, der längst auf war, ging dieser Merkwürdigkeit nach. Genauso präzise, wie in der Nacht zuvor, wurde er von seinem Gefühl in den Keller geleitet. Er war nicht einmal überrascht. Mit einer noch vertretbaren Portion Neugier betrachtete er, was sich in dem Schwachen vom Sternentor beleuchteten Raum zu sehen war. Mit besonderer Aufmerksamkeit musterte er was auf dem Sternentor zu sehen war. Langsam fing das Buch auch von ihm Besitz ergreifen zu wollen. Er sah auf das leicht vor sich hin glimmende Buch, und Jenny abwechselnd an. Ihm fiel auf, dass Jenny sich irgendwie verändert hatte, so weit er das nach einem Tag und dort oben, unter der Decke schwebend beurteilen konnte. Kurz entschlossen schlug er einfach das Buch zu, er hatte genug gesehen. Einen Moment später sah er Jenny von der Decke sacken, was er nur ganz knapp verhindern konnte, indem er sie ungeschickt auffing.

Selen hob nur unter großer Mühe die Augenlider. Sie fühlte sich so schwach, wie schon lange nicht mehr. Selbst zum Blinzeln schien ihr die Kraft zu fehlen, so dass sich ihr Blick, der so verschwommen wie unter Wasser war, sich kaum klärte und die Gestalt, die sich über sie beugte ein verwaschener Fleck blieb. Insgeheim wünschte sie sich, dass es Darius sei. Im Moment schien er ihr der einzige Mensch auf Erden zu sein, dem sie noch trauen konnte, der ihr nicht ans Leder wollte. Die Anstrengung, irgendetwas erkennen zu wollen war schon zu groß, so dass sie gar nicht erst in die Versuchung geriet, es überhaupt wirklich zu versuchen. Müde ließ sie ihre Augenlider wieder zufallen.

Alex hingegen fragte sich nicht einmal, was hier passiert war. In dem Augenblick, indem er sie dort unter der Decke hat schweben sehen, war für ihn auch der leiseste Zweifel ausgeräumt, dass zumindest eine der Frauen, die er in seinem Traum - war es denn ein Traum? - gesehen hatte Jenny sein musste. Indess kam er sich aber so hilflos wie ein kleiner Junge vor. So ungewöhnlich sein Leben auch bisher verlaufen sein mochte, das hier überforderte ihn bei weitem. Darius hatte ihm nichts konkretes über diese Frau gesagt, aber dafür um so mehr von ihr geschwärmt. Er war von dieser Person so fasziniert, obwohl - oder gerade weil? - sie so merkwürdig war. Merkwürdig ist sie ohne Zweifel. Allein schon dieser Keller, dieses ... blau - silber leuchtende Ding - er besah sich noch mal das Sternentor - und dass sie einfach so schweben konnte. Vorsichtig, aber nicht gerade sanft, legte er ihren schlaffen Körper auf den Boden. Dann trat er neugierig näher an das Sternentor. "Wie leuchtet es?" nuschelte er vor sich hin, berührte zaghaft den Rahmen - er war fast schmerzhaft kalt, so dass er mit einem erschrockenem Keuchen seine Hand zurückzog. Das versetzte seiner Neugier aber keinen Dämpfer, eher im Gegenteil. Er blies sanft auf die Oberfläche des Sternentores, die einer hochkant stehenden Wasserfläche glich - und auch so reagierte. Beherzt griff er mit der linken Hand auf gut Glück in die Fläche hinein, die daraufhin mit leichtem Widerstand nachgab. Die Flüssigkeit hatte im Vergleich zu dem Rahmen eine angenehme Temperatur. Als er ein leichtes Stöhnen hinter sich vernahm, zog er seine Hand hastig wieder heraus.

Bei dem Stöhnen blieb es vorerst. Auch als er sich Jenny näherte, machte er keine Bewegung aus, noch hörte er irgendeinen weiteren Laut, außer seinem eigenen hart schlagendem Herzen. Langsam trat er näher, ließ sich schließlich neben ihr auf die Knie sinken und beugte sich über sie. Lauschend legte er den Kopf seitlich geneigt über ihren Mund. Sein Blick hing auf ihrer Brust, um auch nur das kleinste Heben oder Senken wahr zu nehmen. Nichts. Mehr als beunruhigt griff er nach ihrem Hals, tastete unbeholfen nach der Hauptschlagader, aber da, wo er zumindest ein leichtes Pochen vermutete, war nichts. Langsam geriet er in Panik, ein Hinterhalt, Magie, Hexerei, Teufelswerk, was auch immer sie heimgesucht haben mochte. Plötzlich fühlte er sich unglaublich unwohl - und hilflos. Was soll ich nur tun? Ist sie tot? Mein Gott, sie ist tot! Kein Atem, kein Puls... Unstet wanderte sein Blick durch den Kellerraum, um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden - scheiterte jedoch. Die Panik schnürte ihm die Luft ab, so dass es ihm sichtlich schwer fiel sich zu erheben. Sein Blick fiel auf das Sternentor. Die darauf umher tanzenden Bilder verwirrten ihn. Als sie dann aber an Schärfe gewannen und nicht mehr unkontrolliert tanzten, erfüllten sie ihn mit einem schier endlosen Schrecken. Die blanke Panik trieb ihm den Schweiß aus den Poren, dass ihm Kleider und Haare am Leib klebten. Verzweifelt raufte er sich sein kletschiges schwarzes Haar, das ihm daraufhin wirr ins Gesicht hing. Das Bild war geprägt von einigen Männern am Anfang ihrer besten Jahre. Allein die Tatsache, dass er sie kannte, bescherte ihm seinen tief in seine Glieder gefahrenen Schrecken.

Jenny lag augenscheinlich tot am Boden. Auch der ganze Kellerraum sah aus, wie nach einer handfesten Rangelei. Mein Gott, diesmal werden sie mich kriegen. Diesmal werden sie meinen mich zurecht verfolgt zu haben. Aber das tun sie auch immer. Unschlüssig wanderte er durch den Raum. "Wenn sie nun herunter kommen?" Wieder raufte er sich sein Haar. Keinen Moment zweifelte er auch nur daran, dass die Spiegelfläche ihm die Wahrheit zeigte. Um so mehr zweifelte er an seinen Chancen an diesem Tage dem grausamen Schicksal abermals ein Schnippchen zu schlagen. Jetzt war er hier in diesem merkwürdigen Keller mit einer fremden Toten, die er trotz allem irgendwie schon ins Herz geschlossen hatte und mit aller Gewissheit diese Häscher, die ihm schon so lange auf den Fersen waren, ihn diesmal ein für alle Mal den Gar aus machen würden, und das alles überforderte ihn. Zu allem Überfluss war er alles andere als ausgeschlafen, da spielten ihm seine Nerven schon mal ganz gern den ein oder anderen Streich.

Das gequälte Husten schräg hinter ihm riß ihn aus seinem Gedankenwirrwar. Er hatte längst die Orientierung verloren, so dass er es für ein verräterisches Geräusch eines vermeintlichen Angreifers hielt. Er stürzte mehr, als dass er sich umdrehte, um die erwartete Gefahr nicht im Rücken zu haben. Mit einem Ausfallschritt versuchte er sich vor einem Sturz zu bewahren, aber als der Geräuschquelle gewahr wurde, konnte er ein entsetztes Keuchen kaum zurückhalten, und fiel doch zu Boden.

Das nach Luft japsende und trotzdem irgendwie erstickt klingende Husten kam von Jenny. Er sah sie finster an. "Das kann doch nicht..." Er endete diesen Satz nicht. Er hätte auch gar nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Seine Gedanken jagten in ungeordneten Bahnen, wobei der Vergleich mit irgendeiner Art Bahn schon geschmeichelt war. Jenny ihrer Seits starrte Alex nur fassungslos an. Wie war er hier runter gekommen? Schier endlos starrten sie sich gegenseitig an, bis in Alex die Panik vor den Männern die Oberhand gewann. Gehetzt schaute er immer wieder zum Sternentor erst jetzt fiel Jenny auf, dass dort Bilder, ganze Szenen zu sehen waren. Sie schüttelte den Kopf und wischte sich mehrfach mit dem Handrücken über ihre Augen, als könne sie nicht glauben, was sie da sah. "Wer sind diese Leute?" Sie entrang sich nur ein Flüstern, noch immer nach Luft ringend. Ihr kam der Keller auf ein Mal so klein vor, war sie doch nie mit jemand anders hier unten gewesen. Es war ihr fast beengend klein vorgekommen und mindestens so wenig Luft musste hier gewesen sein. Alex, der sie trotz seiner geistigen Abwesenheit gehört hatte, schüttelte bloß verstört den Kopf. Augenscheinlich war er nicht in der Lage sie auch nur zu verstehen, oder auch nur eine Antwort hervorzubringen.

Seine Reaktion erstaunte Jenny, zwar nur unterschwellig, da sie nun auch Angst anzuspringen schient. Sie hätte nie gedacht, ihn ein Mal der Art aufgelöst zu sehen. Schien er ihr doch gestern noch so unnahbar, so war er heute das genaue Gegenteil. Sie ließ sich zu leicht von seiner Unruhe und Angst anstecken. Ihr Blick fiel im Aufstehen auf das Buch der Antworten, es ist immer noch aufgeschlagen?! Alex folgte kurz ihrem Blick, und starrte mit ungläubig geweiteten Augen und offenem Mund das Buch an. "Aber ... Aber... Ich habe es doch zugeschlagen!" Jetzt war Jenny wirklich beunruhigt - und zwar diesmal von sich selbst aus. "Das Buch will uns ... dir etwas sagen." Flüsterte sie tonlos zwischen ihren kaum geöffneten Lippen. Sie wusste nur zu gut, dass sich dieses Teufelsbuch nicht durch bloßes zuklappen aufhalten ließ, wenn es erst mal etwas mitzuteilen hatte. Vollends aufgestanden, schaute sie das Buch finster an, unschlüssig, ob es allein Alex galt, was dort gezeigt wurde, oder ob sie selbst auch einen Anteil daran hatte. Als sie erkannte, wo die Szenen spielten, war ihr klar, dass sie mit einbezogen war. Also konnte sie ihren im Stillen gehegten Verdacht auch selbst mit einer Frage beweisen können. In einem beinahe unmenschlich tiefen Tonfall und mit Alex unverständlich vorkommenden, genuschelten Worten befragte sie schließlich das Buch, gab ihm Anweisung ihr das rechte Handgelenk eines jeden Mannes zu zeigen. Sie fuhr kurz zusammen als sie das ihr bekannte, sowohl erwartete, als auch weggewünschte Mal auf jedermanns Handgelenk erkannte. Der Kreis, der von einem Ring mit relativ regelmäßigen eher an Rauten erinnernden Punkten, angedeutet wurde. Sein Inneres war dem dem Sternzeichen Widder zugedachten Symbol sehr ähnlich und füllte den Kreis fast zur Gänze aus. Sie fuhr Alex unvermittelt an. "Was hast du mit den Beobachtern zu schaffen?" Alex zuckte unter ihren Worten wie unter einem Hieb zusammen. "Sie ... Sie jagen mich!" Presste er hervor. Er sah sie nur die ganze Zeit verstört an. Ihre nächsten Worte änderte das nicht im geringsten. "Mach dich nicht lächerlich! Die Beobachter jagen nicht, sonst hießen sie Jäger, nicht Beobachter! ... Es sei denn..." Sie machte eine kurze Pause um Alex mit zu Schlitzen zusammengezogenen Augen zu mustern, ehe sie weiter sprach. "Es sei denn, man hat sich als Unsterblicher bei ihnen eingeschlichen und ist aufgeflogen." Eigentlich wusste sie es besser. Es gab wohl einen radikalen Zweig der Beobachter, die ihr Wissen nutzten um Unsterbliche auszumerzen, da diese nur einer üblen Laune der Natur entsprungen seien. Aber das ist der Springende Punkt. Sie müssten glauben, dass er unsterblich ist. Einen Moment kam ihr dieser Gedanke vollkommen absurd vor, gleich wohl sie sich bewusst war, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach der Sohn einer Wächterin war. Das musste wohl zu viel für Alex sein. Er starrte die Bilder auf dem Sternentor unverwandt an. Seine Gedanken an Flucht standen ihm ins Gesicht geschrieben. Sie werden mich erwischen. Diesmal ist es aus. Aus diesem Keller komme ich ja nie wieder raus. Und plötzlich, wie von der Tarantel gebissen, fuhr er herum und rannte davon. Jenny konnte hören wie er die Treppe hinauf eilte. Es war zu spät um ihn aufzuhalten. In Gedanken schollt sie ihn einen Dummkopf. Nirgends wärst du so sicher gewesen, wie in diesem Keller. Aber die Erinnerung daran, wie sie ihn im ersten Augenblick hier unten vor sich stehen gesehen hatte, ließ sie an ihren eigenen Worten zweifeln. Immerhin war er hier ohne Führung hergekommen. Sie war verwirrt, und mit einem Blick auf das Sternentor, auch besorgt. Sie war tatsächlich besorgt um Alex. Darius hatte sie schließlich darum gebeten auf den Jungen acht zu geben. Was tu ich nur? Für ihren Geschmack fühlte sie sich in letzter Zeit zu oft zu hilflos. Mit einer daraus folgenden leichten Wut schlug sie das Buch wieder zu. Schnell rannte sie die Treppe rauf. Hoffentlich tut Alex nichts unüberlegtes. Und gerade da war sie sich nicht so sicher.

Unterdessen bei den Beobachtern

Bericht der Beobachter:
 

- Unter Verschluss -

Auszug aus der Akte Alessandro:
 

Eintrag:

Nach Vergleichen mit einigen Portraits in den Akten kann mit Sicherheit gesagt werden, dass er wieder aufgetaucht ist. Er wurde beim verlassen der Saint Josèf Kirche in Paris gesehen. Der Akte wurden auch endlich Fotos hinzugefügt.
 

Randnotiz:

Bei dem Aussehen und Auftreten war es ja schon ein Wunder, das man ihn so lange nicht gesichtet hatte. War wohl nichts mit ,vielleicht hat's ihn ja mal erwischt...' Dafür ist der Bastard zu clever. Aber das mit der Kirche ist ja schon nicht so sein Ding...
 

Nachtrag:

Uns wurde mitgeteilt, dass Alessandro, der sich jetzt Alexander Gutenberg nennt, wegen Ruhestörung in einem Sehr angetrunkenen Zustand von der hiesigen Polizei festgenommen worden ist. Das noch bevor er in der Kirche gesehen worden ist. Nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle und einer Bezahlung von 20 Francs Buße wurde aber auch schon wieder auf freien Fuß gesetzt. Wie auch immer er es angestellt hat, aber es gab keine Anzeige. Anscheinend hat er versucht bei diesem Darius Hilfe zu bekommen. Die Verabschiedung deutet auf Freundschaft zwischen den beiden hin.
 

Randnotiz:

Na endlich hat der Spitzel bei der Polizei bemerkt, dass er Arbeit zu erledigen hat. Hat sich ja ganz schön Zeit gelassen. Aber vielleicht sind die beiden ja schwul? Die Fotos sind ja schon fast kompromittierend. Er könnte aber auch seinen Glauben gefunden haben und wollte Beichten? Was in der Kirche gelaufen ist, wissen wir ja nicht.
 

Kommentar unter der Randnotiz:

Wer zum Teufel kritzelt hier den Rand voll? Schon Seiten weise dieses dumme Gewäsch...
 

Antwort unter dem Kommentar:

Man darf ja wohl noch seine Meinung äußern. Wenn ihr hier schon so dummes Gewäsch über mich niederschreibt... Da hab ich der Versuchung nicht widerstehen können.
 

Eintrag:

Ist das nun Selbstironie oder Dummheit? Wir werden das Quartier wegen Alexander wechseln müssen. Sein Wissen um die Beobachter kann nicht geduldet werden. Als weitere Maßnahme werden die Akten unter Verschluss genommen. Zutritt erhält nur der zuständige Beobachter und der Sektionschef. Als Maßnahme wird Alexander Gutenberg, eingetragen als Alessandro, auf die schwarze Liste gesetzt und vom Sonderkommando festzusetzen. Gegebenenfalls ist er ins Refugium zu bannen bzw. anders unschädlich zu machen.
 

Randnotiz:

Danke für die Warnung, Trottel!!
 

Eintrag:

Festsetzen!!
 

Eintrag:

Er wurde außerhalb Paris', namentlich Rue de Bretagne aufgespürt in einem Haus eines Mädchens. Das Haus ist Familienbesitz und wird immer nur an weibliche, jugendliche Verwandten vererbt. Auffallend ist die lange Abwesenheit der Inhaberin, ebenso wie die Ähnlichkeit. Unter Umständen eine gerissene junge Unsterbliche. Neue Akte wird auf Verdacht angelegt.
 

Nachtrag:

Alexander und das Mädchen, namentlich Jennifer Montroes, sind getürmt auf halsbrecherische weise. Ein kühner Sprung aus dem 1. Stock. Drei Agenten wurden Krankenhausreif geschlagen. Anschließende sind sie zu Pferd getürmt. Verfolgung war durch das Gelände unmöglich. Durchsuchung des Hauses ohne Erfolg - nichts auffälliges. Spürteam ausgesetzt.

Konfrontation

- 7.KAPITEL -
 

"Darius, wer ist dieser .... Junge?" Darius schaute sie aus kummervollen Augen an. "Der ,Junge'," betonte er mit einem Blick hinter sie "heißt Alexander Gutenberg und ist ein Schützling von mir - und ein Freund." Sie sah verständnislos aus. Wenn ich es ihr nur sagen könnte. Aber wie würde sie wohl reagieren? "Nun, schön..." Wenigstens weiß ich jetzt seinen vollständigen Namen. Sie war wütend. Es hätte alles wieder gut werden können. Irgendwann hätte sie sich schon von Marius erholt und wäre wieder so unerschütterlich wie zuvor gewesen. Sie, die immer in jeder Situation einen ironischen oder sarkastischen Spruch auf den Lippen hatte und überall heil raus kam. Das war so. Nach einer Pause, in der sie weiter schnaubend auf und ab gegangen war, begann sie von neuem. "Warum hast du ihn zu mir geschickt? Wusstest du, dass er von den Beobachtern gejagt wird?!" Sie redete sich mehr und mehr in Rage. Das kann doch nicht sein. Nicht von meinem besten Freund hintergangen werden, nicht von Darius. Als er stumm nickte, hätte sie vor Wut platzen können. Warum? Es halte durch ihren Kopf, so lange, bis sie es fast nicht mehr aushielt und Darius diese Frage entgegenbrüllte. "Warum?" Er ließ es über sich ergehen. "Warum hast du mir denn nicht gesagt, warum der Junge bei mir wohnen sollte?" Seine Augen schienen noch kummervoller zu sein als zuvor. "Und warum hast du mir nicht gesagt das er... anders ist?" Sie war merklich in der Lautstärke gesunken und klang, wie sie aussah. Verbittert. Die Arme durchgestreckt und die Hände zu Fäusten geballt stand sie vor ihm und er ahnte nicht einmal, was sie so verbitterte, nicht, dass alles nur ein Missverständnis war.

Alex hingegen war im Kirchenschiff. Er hatte nur ihren Blick sehen müssen, um zu wissen, dass sie allein mit Darius reden wollte. Das sie vorhatte zu reden bezweifelte er. Und jetzt, wo er sie so brüllen hörte und genau verstehen konnte, dass es um ihn ging, da frage er sich, was er denn nun von ihr halten sollte. Alle haben Geheimnisse. Und er fragte sich, ob er denn undankbar oder dergleichen sei. Oder gewesen war oder ob er überhaupt jemandem Dank schuldete. Was sitz' ich denn hier? Sie wissen, dass Darius und ich uns kennen. Ich gefährde ihn unnötig. Und die Lady? Er warf einen nachdenklichen Blick Richtung privat Räume. Es war still geworden. Ein gutes Zeichen? Die Lady kann wohl selbst auf sich aufpassen. Wie um sich selbst zu überzeugen nickte er eifrig, wand aber seinen Blick nicht von der Tür.

Jenny machte nicht nur einen verbitterten Eindruck, sie war es auch. Sie fühlte sich allem beraubt, was sie als ihrs betrachtet hatte. Nach Hause konnte sie nicht. Darius? Nun was für ein Freund tut so etwas? Setzt einem einer Gefahr aus, ohne ihn zu warnen? Sie blickte immer finsterer. Was sollte denn das? Diese Geheimniskrämerei? Und was den Jungen betraf,... Nun, der war auf bizarre Weise interessant. Auch wenn sie ihn insgeheim fürchtete und sich gegen ihren ersten Eindruck von ihm abgestoßen fühlte.

Wie hätte sie auch anders gekonnt? Sie war sich fast sicher, dass er der Sohn einer Wächterin sein müsste. Was soll er sonst sein? Aber gerade dieses Detail, gerade dass er so etwas wie ein ,Wächter' war, das beängstigte sie ungemein. Alle Wächterinnen hatten sich gegen sie gewendet. Wenn er nun nur die raffinierteste ihrer Fallen war? Sie schmerzte es zutiefst, dass sie En verloren hatte. En, ihre Ersatzmutter und beste Freundin, ihre Lehrerin. Vor Verwirrung und dem neuerlichen Schmerz, sah sie Darius mit flammenden Hass entgegen. Darius bemerkte diesen Blick und mit fast kaltem Schweiß auf der Stirn wich er langsam zurück. "Selen?" Sie legte den Kopf leicht zur Seite und schaute ihn fragend an. Der Zorn war schon wieder verraucht. Um so weniger verstand sie, dass Darius zurückwich. "Ja?"

Alex wurde hellhörig. Selen? Hatte nicht die eine der beiden unbekannten Schönen die andere so genannt? Der Name hatte zusätzlich noch etwas vertrautes, weit über seinen Traum hinaus. Er war über diese Vertrautheit mehr als verwirrt. Wieso? Mit seinem forschenden Gedanken machte er jedoch Selen auf sich aufmerksam.

Selen war unruhig. Sie hibbelte von einem Fuß auf den anderen, immer und immer wieder an der selben Stelle im Raum. "Was denn nun?" Darius war nun vollends aus der Bahn gebracht. Erst schaut sie mich an, als wollte sie mich bei lebendigem Leibe zerreißen und dann... ? wie ein Kind das dringend zur Toilette muss am rum hibbeln...

Jenny - Selen - konnte nicht mehr warten. Wie ein Vogel erhob sich ein Teil ihrer Essenz und umwaberte sie. Sie streckte ihre Fühler in alle Richtungen aus um sich eine Orientierung zu verschaffen. Danach näherte sie sich Alex wie eine unsichtbare Dampfwolke.

Darius beobachtete sie, war aber zu sonst nichts fähig. Er gab keine Antwort. Er sah nur, ja was sah er? Nichts - und eigentlich alles. Selen schien irgendwie immer abwesender. Soweit, bis ihre Augen leer aus ihren Höhlen schauten. Als er wieder den Blick von ihren eigentlich fast leuchtend blauen Augen, die nur noch irgendwie blau waren, irgendwie dumpf, matt, ohne jeglichen Glanz, wenden konnte, da schien sie auch irgendwie allgemein etwas blass zu sein, als ob sie jeglicher natürlicher Farbe entbehre. Sie stand einfach nur da, keine Bewegung. Nicht mal ein Atmen? Sorgenvoll runzelte Darius die Stirn. Sorge war für ihn immer ein bewegendes Gefühl gewesen. Langsam ging er auf sie zu. "Selen?" seine Stimme war leise, fast nur ein Flüstern. "Was hast du?"

Selen reagierte nicht. Sie war voll darauf konzentriert Alex zu erforschen. Sie versuchte erst heraus zu finden, ob er irgendein Gespür besaß. Vielleicht Präsenz? Aber er ließ sich nichts anmerken. Sie versuchte den Tiefenspürsinn. Aber nichts. Er schien ihr durchscheinend, als wenn er selbst gar nicht anwesend wäre. Nur sein Körper. Sie war mit dieser Situation völlig überfordert. Sie hatte noch nie erlebt, dass jemand so abwesend war. Was...? Sie wusste nicht mal, was sie denken sollte. Was ist mit ihm? Hätte er nicht so stramm dagestanden, hätte sie auch vermuten können, dass er tot sei. Alex hingegen hatte sich einfach von seinem Körper gelöst, ohne dass er Einfluss darauf gehabt hätte. Er versuchte nicht es zu kontrollieren, denn er hätte nicht gewusst wie. Sein forschender Geist war einfach mit seiner Essenz auf und davon, auf der Suche nach ähnlichem. Selen umwaberte Alex, wie eine Dampfwolke, wie Parfüm und konnte einfach nicht begreifen, was da vor sich ging. Sie hatte nie erlebt, wie es ist, wenn andere ihren forschende Essenz ausschickten.

Alex waberte umher als Fetzen. Er konnte sich selbst nicht zusammenhalten für mehr als zwei Minuten. Selen näherte sich ihm und tauchte zum Teil in ihn ein um zu erfahren, woher diese Leere in ihm stammte. Ihre forschende Seele erzeugte ein immenses Vakuum in ihm, als sie wieder aus ihm auftauchte. Dieses Vakuum war es, dass Alex rettete, denn es zog - nein sog - ihn wieder in seinen Körper zurück.

Alex schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender - oder ein Unsterblicher, nachdem er gestorben und wieder auferstanden war. Selen war fasziniert - und alarmiert zugleich. Können das denn alle Wächterinnen?

Alex aber spürte etwas. Erst sah er sich suchend um. Selen schob das auf die Verwirrtheit, wenn man aufwacht. Irgendwann stand er einfach da, die Augen geschlossen und der Atem ruhig. Was tut er? Schlafen? So abwegig klang der Gedanke doch nicht in ihren Ohren. Immerhin waren sie auf der Flucht, hatten schon eine Nacht nicht geschlafen und wer weiß, wann sie noch Gelegenheit bekämen. So umschwebte sie ihn erneut um zu wissen, was mit ihm vorging. Als sie sich näherte geschah - nichts. Nichts? Fast hätte sie es nicht bemerkt. Alex wirkte zunehmend unruhiger. Sein Atem wurde schneller und sein Herz schlug schneller. Was sie an seiner stark pochenden Halsschlagader erkennen konnte. Ob er mich spürt? Sie hatte zwar nach seinen Begabungen forschen wollen, aber jetzt musste sie sich eingestehen, dass sie gar keinen Schimmer hatte, wie sie es erkennen sollte. Vor lauter Anspannung hatte sie aufgehört sich zu bewegen. Als sie von neuem anfing um Alex zu kreisen, ihm dabei näher und näher kam, da passierte etwas. Es schien, als ob er merkte, dass etwas um ihn ist. Er spürte die Vorbereitung. Er hat also ein Gespür für Präsenz? Es konnte nicht anders sein. Sie spürte keinen anderen Unsterblichen und trotzdem sah er sich suchend um, seine Bewegungen waren abgehackt und hektisch. Sein Blick durchdringend, beinahe wild umherstarrend. Wieder versuchte sie es mit ihrem Tiefenspürsinn. Irgendetwas muss doch zu finden sein. Zumindest glaubte sie das. Nur fehlte ihr die Kenntnis dies zu bestätigen.

Entfernt nahm sie eine Berührung war, fast, als fühlte es jemand anderes. Dann hörte sie eine besorgt klingende Stimme. "Selen? Kind, was machst du für Sachen?!"

Darius war - mal wieder - zutiefst besorgt um sie. Sie reagierte einfach nicht. Zuerst hatte er geglaubt sie habe auf stur geschaltet, aber nach und nach rückte er von dieser Meinung ab. Ihre Haut war doch relativ kalt und wenn er sich nicht irrte, dann war sie auch blasser geworden. Ganz vom Atem - und Pulsfrequenz abgesehen, die er kaum - eigentlich gar nicht - wahrnahm. Sie stand einfach wie tot da. Aber sie stand. Alex schien Darius gar nicht zu bemerken. Er war so konzentriert. Auch die Rufe bemerkte er nicht. Ganz davon zu schweigen, dass er geantwortet hätte.

Darius kam das alle spanisch vor. Er legte Selen behutsam auf sein Bett und machte sich daran Alex zu suchen. Kaum hatte er die Tür zu seinen Räumen gen Kirchenschiff verlassen, sah er Alex auch schon relativ reglos da stehen. Darius schwante nichts Gutes. Er packte Alex bei den Schultern, rüttelte und rief ihn beim Namen. Erst kam keine Reaktion, dann starrte ihn kalte, helle stein-graue Augen an mit einer Mischung aus Verwirrung und fast so etwas wie Hass. Darius ließ unwillkürlich los und wich einen halben Schritt zurück. "Was....?" Abwehrend hob er die Hände, fast, als erwarte er jeden Moment, dass Alex ihn anspringen und beißen würde. Was aber nicht geschah.

Einen ewigen Augenblick standen sich die beiden unterschiedlichen Männer gegenüber. Im Aussehen mochten sie vielleicht nicht allzu unähnlich sein, doch wo Darius Väterlich gütige Geduld hatte, war Alex aufbrausend und direkt - aber das war nicht immer so gewesen.

Nachdem nichts passiert war kamen sich beide sichtlich blöd dabei vor einander anzustarren, zudem noch in so starren anstrengenden Posen. Aus ihrer unsichtbaren ,Warte aus hatte Selen den besten Blick, denn sie konnte ja wann immer und wo auch immer sie gerade Wünschte zu sein, sein.

"Hast ... du mich erschreckt..." Auch wenn er versuchte locker zu wirken, sah Selen, dass die Anspannung nicht von ihm weichen wollte. " Sel... äh Jennifer ..." Darius wusste nicht mal, was er eigentlich wollte. Warum wollte er zu Alex? Er schien es vergessen zu haben. Er verlor sich in grüblerischen Schweigen. "Was ist mit ihr...?" Sichtlich alarmiert zog er eine Augenbraue bis zum Anschlag hoch. Unter kurzem Zusammenzucken gestand Darius, dass er es nicht wusste. "Plötzlich stand sie einfach nur da. Sie reagierte nicht, nicht wenn ich sie ansprach, auch nicht auf rütteln oder ähnliches. Und dann ist sie noch so blass... beinahe Leichenblass und kalt..." - "Das klingt nicht gut!" Nun kam neben dem Gefühl angestarrt zu werden und schutzlos ausgeliefert zu sein auch noch die Sorge um ein Mädchen, dass er erst seit Knapp zwei Tagen kannte. Wenn man überhaupt von kennen sprechen konnte. Das beschwor die Bilder vom vergangenen Morgen in ihm herauf. Wie er sie im - getarnten! - Keller unter der Decke hat schweben sehen. Da hatte sie auch leblos gewirkt. Kein Puls, keine Atmung, kalt und blass.

Er folgte Darius in die privaten Räume. "Sie tut so was gerne öfters, oder...?" Die Frage lehnte sich an sein Erlebnis im Keller. "Öfters...?" Darius war nur noch verwirrt. "Wie meinst du das?" Alex zögerte, winkte dann aber ab. Vielleicht weiß er es genauso wenig wie ich? "Nichts" Betont konzentriert blickte er auf Jenny, die noch immer reglos auf Darius Bett lag. "Das war .. nur so eine Phrase".

Langsam sah Selen ein, dass sie nun genügend Schrecken verbreitet hatte. Sie sammelte sich und bündelte ihre Essenz wieder in ihrem Körper, bis ihr reguläres Bewusstsein wieder erwachte.

Just in diesem Moment, als Alex sie an der Schulter berührte, schlug sie die Augen auf. Fast erschrocken zuckten die beiden Männer zusammen. "Du hast uns vielleicht einen Schreck eingejagt! Was war denn los?" - "...Ich war... müde. So schrecklich müde..." Der melancholische Ausdruck in ihren Augen war echt, auch wenn die beiden ihn einfach falsch deuten mussten. Sie war auch müde. Nicht nur körperlich.

"Also, wer ist er? Sie machte eher eine Andeutung, als eine Bewegung mit dem Kinn in Alex Richtung. "Wie, wer...?" Sichtlich überrascht und mit einer gehörigen Portion Unverständnis brachte er dies hervor. "Was bist du?" Sich behutsam aufrichtend setze sie nacht. "Gestern morgen, du wurdest verletzt... Wo sind deine Wunden?" Er wollte zu einer Antwort ansetzten, wurde aber von Darius zurück gehalten. "Wie hast du den Keller gefunden" - "Keller?" Verwundert zog Darius eine Augenbraue hoch. Jetzt erst fiel ihm auf, dass er noch gar nicht wusste, was eigentlich geschehen war. Die beiden hatten wie auf der Flucht die Kirche betreten und Selen war sofort auf ihn zugestürmt. Keine Begrüßung, nichts. Sie hatte sich nur unentwegt aufgeregt. Alex hatte soweit noch nichts gesagt. Selen hatte ihn allein mit einem Blick ruhiggestellt.

Bisher hatte sie sich nur auf die Ellenbogen raufgearbeitet, weiter hatte sie sich nicht gewagt. Alex war verwundert. Sie sah erbärmlich aus. Langsam wich zwar die Blässe, aber das änderte nicht den müden und irgendwie traurig-melancholischen Blick. Trotz der Mattigkeit, die sie ausstrahlte war ihr Ton kraftvoll, aggressiv und schneidend.

"Moment mal!" In seinem Kopf machte es klick. SIE fragt, warum man meine Wunden nicht sieht?? War nicht sie diejenige die unter der Decke geschwebt hatte in einem verborgenen Keller mit diesem seltsamen Spiegelding? "Meine Wunden? Was ist denn mit deinen?! Und überhaupt - du stehst hier wie tot rum, hängst wie tot unter der Decke und nachdem du da runtergeplumpst warst, da warst du tot!" Aus ihm sprach reiner Trotz.

Noch während sie sich aufregte, zog Jenny sich das Shirt von der linken Schulter, was der ohnehin große Ausschnitt begünstigte. Zum Vorschein kam eine Fleischwunde, die schon Übelkeit erregend ausgefranst war und unter der Blutkruste rundum schimmerte ein tief blauer Fleck durch. Am anderen Arm zog sie den Ärmel mit schmerzverzogenen Gesicht bis zum Anschlag hoch und zum Vorschein kam ein Streifschuss. Darius riss schon entsetzt die Augen auf. Beschwörend schaute er Alex an. Der jedoch hatte sich mittlerweile in rage geredet. "Und erst dieser Steinkreis im Wald!" Und die beiden jungen Frauen, die diese seltsame Sprache..." er verstummte. Jetzt sah auch er ihre Schulter. Jenny sagte nichts. In ihr war jede Wut gestorben und mit ihr der Schützende Wall gegen die Schmerzen. Es begann sich wieder alles um sie zu drehen. Bisher hatte sie die meisten Blessuren nicht einmal wahrgenommen. Allerdings wusste sie nicht, weshalb ihr das Atmen so schwer fiel. Hin und an rasselte es auch wenn sie atmete. Irgendwann - ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, war aber in Wirklichkeit nicht einmal eine Minute war - begann sie zu husten.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Nostradamus_MB
2006-03-22T09:48:00+00:00 22.03.2006 10:48
Nun, ich würde sagen primär ist dies wohl eine Highlander Handlung, mit Sailor Moon Elementen und anderen...

Was mir (besonders) im diesen Kapitel aufgefallen ist, ist das eine Stellen wiedersprüchlich bzw. unlogisch sind. Also z.B. Jenny/Selen hat einen Sohn, das Buch sagt ihr das Alex ein Sohn einer Wächterin ist. Entweder hast du vergessen zu schreiben das sie genau weiß das es nicht ihr Sohn ist, oder aber sie hatte vergessen das sie einen hat (hast ja geschrieben das sie einiges vergisst und deswegen Tagebuch schreibt).

Aber mal zum Allgemeinen zurück. Bis auf ein Paar kleine Fehler(chen) ist es angenehm zu lesen. In den letzten Kapiteln solltes du mal die kursiven Stellen überarbeiten (oder möchtest du immer wieder oder lesen? ^^)

Vielleicht solltest du in der Kurzbeschreibung darauf hinweißen das Hauptbestandteile auf der Serie Highlander (du hast ja nicht Conner benutz und es spielt in Paris) stammen, immerhin kommen dadurch einige Kämpfe drin vor.
Eben wegen diesen Kämpfen mit der daraus folgenden Brutalität (Marius war ja nicht gerade zimperlich und du hast es schon genauer beschrieben) solltest du u.U. auch noch darauf hinweisen.

Obwohl es nicht die Art von Geschichte war die ich erwartet habe, finde ich sie doch sehr gelung. Es wäre schon wenn du weiter schreiben würdest.

nos / michel


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