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Das Buch der Zeit

Ein Leben, jenseits von Eden (Highlander im Crossover mit gaaaaaaanz viel anderem)
von

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Marius, ein Unbekannter öffnet das Tor nach Atlantis

Auf jeden Fall lernte sie danach Richi kennen, Richard Rayen um genau zu sein. Er war ein süßes Kerlchen, um die 20 und hatte Anlagen ein Unsterblicher zu werden. Er war ein Freund von McLeod, außerdem bereits sein Schüler und war schon vorher mit McLeod's Freundin, Tessa, nach Paris gekommen, aus Gründen der ,Sicherheit'. Richi und Tessa waren bei Darius um auf McLeod zu warten, dieser schaute vorbei um die beiden abzuholen. Jennifer kam gerade aus einer Nebenstraße auf die Kirche zu, als Richi sein Leid über die Verständigungsprobleme mit den doch so umwerfenden, französischen Mädchen - wie er sich ausdrückte - beklagte. Ein breites Grinsen und den dazu passenden Kommentar konnte sie sich einfach nicht verkneifen. "Tja, das soll schon ganz anderen passiert sein. Ich meine, wenn man vom anderen Ende der Welt kommt, kann man wohl kaum erwarten, dass einem alles in den Schoß fliegt. Ist es denn noch nicht allgemein bekannt, dass jede Sache einen Haken hat?" Richi blickte sie an als hätte sie versucht ihn mit ihren Wortren umzuhauen, aber sein Blick wandelte sich, nachdem er sie einer genauen Musterung unterzogen hatte. "Eigentlich wollte ich einkaufen gehen, aber wo ich dich gesehen hab, dachte ich mir ich könnt' mich ja schon mal ,anmelden'." - "Anmelden, wolltest du mich schon wieder besuchen kommen?" - "Wenn ich darf." Darius nickte bloß mit einem Lächeln, dass man wahrscheinlich auch falsch verstehen konnte. Bisher war sie McLeod noch nicht begegnet, in früheren Zeiten ja, aber das war schon verdammt lange her und er erkannte sie nicht wieder. Er konnte sie aber auch nicht spüren. Für ihn war sie nur ein Mensch, eine Sterbliche von etwa 18 Jahren, die sich in ein Gespräch einmischte, das sie kaum etwas anging. Sie beobachtete Richi, seine Blick klebte förmlich an ihr und darin war mehr als nur Neugier oder Bewunderung. Jennifer wendete sich an Darius. "Ich geh' dann mal. Mein Magen knurrt schon. Bis die Tage, Darius." Denn es wurde ihr langsam unangenehm und sie verabschiedete sich schließlich.

Der Rest unterhielt sich noch eine Weile, aber dann verabschiedeten sich McLeod und Tessa ebenfalls. Darius hielt Richi noch zurück, damit die beiden ihre Ruhe als Pärchen den Himmel der Verliebten genießen konnten. Sie gingen in Richtung Eingangstür. Dann ging aber die Neugier mit Richi durch. "Wer,... wer war das Mädchen?" Darius blickte kurz vom Weg, den sie eingeschlagen hatten auf. "Wer war sie? Ich mein', wer ist sie? Wie heißt sie?" Richi war ganz aufgekratzt. Darius sah ihn schmunzelnd an, sah noch mal in die Richtung, in die sie verschwunden war, ehe er antwortete. "Eine Freundin." - "Freundin,... Freundin?! Inwiefern eine Freundin?" - "Eine Freundin. Sie hilft immer, wenn es nötig ist, eben wenn man einen ,Freund' braucht." Damit hatte er keineswegs auf Richis Frage geantwortet, aber dieser gab sich damit zufrieden. "So 'ne Freundin würde mir auch gefallen."

Ein paar Tage später, abends, nachdem sie gegessen hatte, wollte sie Darius wieder besuchen. Als sie unterwegs an den Boutiquen vorbei ging, packte es sie, sie konnte nicht widerstehen sich eine ganz neue Garderobe zu kaufen. Selbst in ihrem Alter muss man noch mit der Zeit gehen und sich dementsprechend kleiden. Auf dem Weg zur Kirche verdammte sie ich selbst, dass sie über tausend Francs ausgegeben hatte. Mit prall gefüllten Taschen und in Gedanken ganz woanders bemerkte sie, dass ein Unsterblicher unterwegs war. Kaum hatte sie diesen Gedanken klar gefaßt, hörte sie wie ein Schwert über die mit Kopfstein gepflasterte Straße gezogen wurde. Es war längst am dämmern und sie fragte sich, weshalb in dieser verdammten Stadt die Leute sowas einfach nicht mitbekamen. Sie drehte sich um und sah wie das Schwert Funken schlug, als er es über den Boden zog. Je näher er kam, desto lauter wurde dieses ekelige Geräusch. Es schlug ihr förmlich ins Trommelfell und ließ sie bei jedem Pflasterstein, den das Schwert streifte, zusammenzucken. Das Gefühl kam ihr bekannt vor und einen schier unendlich andauernden Augenblick versuchte sie, dieses Gefühl mit irgendetwas, das sie kannte in Einklang zu bekommen. Wie vom Blitz getroffen merkte sie, dass dies das selbe Gefühl wie auf dem Flughafen war. Sie glaubte dabei nicht mehr an einen Zufall. Ob er mir gefolgt ist? So ein Unsinn, das hätte ich doch bemerkt! Ihre Gedanken flossen im Einklang mit diesem monotonen, Nerven raubenden Geräusch. Ihr pochte das Blut in den Schläfen und sie fragte sich, wie sie reagieren sollte. Sie vermochte nicht zu sagen, ob er sich wirklich so langsam bewegte oder ob sie nur alles in Zeitlupe wahrnahm. So etwas sollte es eigentlich nicht geben. Sie stand still mitten auf der Straße und dieses kratzende, klirrende Geräusch lähmte sie. Sie war nicht fähig einen klaren Gedanken zu fassen, sie wusste absolut nicht was sie tun sollte. Sie kannte diesen Mann nicht, nur das Gefühl, die Vorbereitung - wie manche es nennen - , das hatte sie schon mal verspürt. Sie konnte sich nicht helfen, dieses Gefühl, das von ihm ausging war irgendwie kalt, so kalt, dass es sie frösteln ließ. Er war vielleicht noch drei Meter entfernt, als er plötzlich das Schwert erhob und auf sie zu stürmte. Sie stand einfach nur wie angewurzelt da, bis sie im letzten Moment realisierte, dass sie angegriffen wurde und haarscharf auswich. Sie wollte schnell auf heiligen Boden, egal wem er heilig war, doch der fremde Angreifer ließ sie nicht so einfach davon kommen. In seinen Hieben mit dem Schwert steckte eine Menge Zorn. Ja, das war schon Haß, was ihm diese unglaubliche Kraft gab. Um beweglicher zu sein schmiß sie die Einkaufstüten über den Zaun des Friedhofs. Er stellte sich zwischen sie und den Durchgang. Noch nicht schlüssig, ob sie flüchten oder Kämpfen sollte, wich sie weiter aus. Er war gut, er täuschte an und hieb dann genau auf die Seite, zu der sie auswich; Sie lief ihm sprichwörtlich ins Messer. Zu ihrem ,Glück' hielt er das Schwert so, dass ,nur' die flache Seite sie am Kopf traf. Er hatte den Hieb mit beiden Händen und mit Kraft ausgeführt. Er wollte sie erst noch ein bißchen quälen, bevor er sich ihren Kopf holte. Sie taumelte, sah schon alles doppelt und wäre fast der Länge nach einfach auf den Boden gefallen. Aber sie konnte sich gerade noch fangen, obwohl sie über das Kopfsteinpflaster stolperte. Das erste, was sie überhaupt von ihm hörte, war ein Lachen. Es war ein dreckiges, aufgesetztes Lachen. Er steckte das Schwert weg, weshalb sie gerade aufatmen wollte, als er anfing auf sie einzuprügeln. Sie hörte förmlich, wie ihre Knochen brachen und ihre Organe neu geordnet wurden. Ohne ihren Selbsterhaltungstrieb hätte sie es nicht gewagt sich zu bewegen, denn jede Bewegung schmerzte unheimlich. Langsam setzte sich die Kriegerin in ihr durch. Sie kniete auf der Straße - aus unzähligen Platzwunden tropfte Blut - und sie stützte sich auf ihre Arme um nicht umzufallen - wie er glaubte. Anfangs hätte er sogar Recht gehabt, aber dieser Moment war so schnell verflogen, dass er es nicht einmal bemerkte. Sie bereitete sich vor, um sich zu verteidigen, zurückzuschlagen, anzugreifen. Sie war sich noch nicht sicher. Wahrscheinlich würde sie sich erst mal verteidigen. Mein Leben besteht nun mal aus Kampf, dachte sie und es war eindeutig ein Gedanke der Kriegerin in ihr. Sie schob das rechte Bein nach hinten, bis es gestreckt war und hob ihr linkes Knie an, das es aussah, als würde sie in den Startblöcken stehen. Sie stützte sich jetzt nur noch auf ihren linken Arm. Währenddessen drehte er sich um, um sein Schwert zurückzuholen. Er war der Meinung, dass es jetzt genug sei und er es Zuende bringen konnte. Als er sich umdrehte, machte sie sich bereit. Alleine mit der Macht ihres Willens ließ sie in ihrer Hand ihr Schwert erscheinen. Auf den ersten Blick hin war er erstaunt, dass sie sich überhaupt noch bewegen konnte. Aber als er das Schwert in ihrer Hand sah glaubte er sich in seiner Meinung und Erinnerung bestätigt. Er hob sein Schwert mit beiden Händen und lief auf sie zu. Sie jedoch schnellte ebenfalls auf ihn zu, drehte sich seitlich und wehrte den Schlag ab. Ihre Klingen trafen sich mit Funkenregen. In einer schnellen Drehung zog sie ihr Schwert unter seinem entlang und hätte ihn ohne Weiteres enthaupten können. Das wäre für sie auf Grund ihrer scharfen Klinge viel leichter gewesen, doch wollte sie sein Leben nicht. Sie wollte viel lieber wissen, warum er sie angegriffen hatte. Statt dessen schlug sie ihn mit dem mit beiden Händen umgriffenen Griff ihres Schweres nieder. Sie zog ihn auf den Bürgersteig, hockte sich neben ihn und wartete darauf, dass er aufwachte, um ihn zu fragen. Langsam begann die Heilung bei ihr einzusetzen. Sie war tief in Gedanken und balancierte verträumt mit ihrem Schwert, als er sie unvermittelt ansprach, was sie aus ihren Gedanken riß. "Oh, Madame besitzen die große Güte mich am Leben zu lassen. Oder belieben Madame mich im wachen Zustand zu töten?" Der Sarkasmus war deutlich aus seiner Stimme zu hören. Sie sah ihn mit großen Augen an und ließ in ihrer Unachtsamkeit ihr Schwert fallen, er aber nahm sein Schwert in die Hand; sie hatte es ihm nicht weggenommen. Als sie sich vorbeugen wollte um ihr Schwert wieder aufzuheben, spürte sie schon seine Klinge an ihrer Kehle. Das Metall war kalt. Sein Grinsen wurde breiter und ihr wurde schlagartig klar, dass sie die Zeit, in der er bewußtlos gewesen ist, hätte nutzen sollen um zu fliehen. Mit einem sie erschreckenden Triumph in der Stimme tönte er über die ganze Straße "Zweieinhalb Jahrtausende habe ich darauf gewartet. Jetzt wird Gerechtigkeit durch meine Hand walten." Er wollte ausholen und zum finalen Schlag ansetzen, als sie aus ihrer Erstarrung aufwachte und ihr Erstaunen, ihre Neugier sie dazu brachten endlich zu fragen "Wie? Wovon redest du? Und wer bist du überhaupt? Was soll das?!" Und als sie ihm wieder in die Augen sah wusste sie, dass sie besser nicht gefragt hätte, denn sie sah einen kalten, abgrundtiefen Haß aufflammen. Jetzt wich seine Gefaßtheit einer Unruhe; er schien nachzudenken. Er musterte sie, dann platzte es aus ihm heraus. "Natürlich kannst du dich nicht ,erinnern'. Wahrscheinlich waren wir nicht deine einzigen Opfer. Aber auf welche hinterhältige Art du uns und vor allem mich für dich gewonnen hast..." Er war total aufgewühlt und sie verstand die Welt nicht mehr. "Wovon redest du?!" Das Wort ,Opfer' hallte in ihren Ohren nach. Er wollte auffahren, als sie in ruhigem Ton weiter fragte "Wie heißt du denn?" Er sah sie wie ein Kind an, weil ihn ihre begütigende Stimme irritierte. Mit einiger Verspätung stammelte er nur noch "Marius, mein Name ist Marius." Es blieb still. "Und weshalb sollte nach Zweieinhalb Jahrtausenden Gerechtigkeit durch deine Hand walten, wenn du mich köpfst?" Er überlegte sich, was er antworten sollte und ließ währenddessen sein Schwert sinken. Sie kannte diesen Marius nicht und wusste nicht, was er als nächstes tun würde. Deshalb beugte sie sich vor um ihr Schwert aufzuheben, ganz langsam. Als er das jedoch sah, flammten seine Augen auf, noch heftiger als zuvor. Er verpaßte ihr einen kräftigen Fußtritt in die Seite. Da wusste sie, dass sie schon wieder einen Fehler begangen hatte und dass dieser sich nicht so leicht ausbügeln ließ, dafür würde sie all ihre Erfahrung, Kraft und eine gehörige Portion Glück benötigen. Allerdings hatte sie sich schon so weit vorgebeugt, dass sie nur noch ihre Hand schließen musste, um das Schwert sicher in der Hand zu haben. Jetzt schmerzten ihr beide Seiten, die eine von dem unvermuteten Tritt, die andere aus der daraus resultierenden Bruchlandung auf dem Kopfsteinpflaster. Einen überraschten Schmerzenslaut konnte sie nicht unterdrücken. Sie fragte sich, ob hier überhaupt noch jemand wohnte oder ob Paris eine Geisterstadt war. Er brüllte vor Wut. "Hab' ich mir doch gedacht! Wie konnte ich nur ein zweites Mal auf dich reinfallen?!" Er setzte ihr nach. Sie hatte Mühe wieder auf die Füße zu kommen, da er sie mit Schlägen, Hieben und Stichen eindeckte.

Während sie sich verzweifelt gegen seine Attacken zur Wehr setzte, spielten Darius und Dunkan in aller Seelenruhe und Gemütlichkeit eine ihrer ewig andauernden Schachpartien. Die dicken Wände von Saint Josèf ließen keinen Laut durch.

Draußen auf der Straße hallte jedes Geräusch, und mochte es noch so leise gewesen sein, nach. Dieser Lärm schepperte in ihrem Kopf und bereitete ihr migräneartige Kopfschmerzen, die es ihr schwer machten sich genügend zu konzentrieren. In ihrer verzweifelten Lage trat sie ihm die Beine weg, indem sie sich drehte. Während er noch fiel, stand sie bereits auf beiden Füßen, wenngleich sie nicht die gewünschte Standfestigkeit hatte, sie taumelte einen Moment. Er schnaubte wütend. "Hinterhältig wie eh und je." Ihr reichten die - ihrer Meinung nach - unberechtigten Anschuldigungen langsam. Sie war sich keiner Schuld bewußt. "Erstens: Ich kenne dich nicht, sprich, ich habe dich noch nie zuvor gesehen." Er wollte laut lachen, aber sie sprach unbeeindruckt weiter. "Zweitens, weiß ich beim besten Willen nicht was vor zweieinhalb Jahrtausenden deiner Meinung nach geschehen sein soll und drittens: Ich bin mir keiner ,Schuld' bewußt." Er sah sie an, als wolle er sie auf die Knie zwingen, aber sie hielt dem zugleich musternden Blick stand, denn sie hatte aus ganzem Herzen die Wahrheit gesagt. Kaum gerührt fuhr er fort. "Du willst also sagen, dass du eine böse Zwillingsschwester hast, die unser Mitgefühl ausgenutzt hat und mit Hilfe dieses Barbaren mit der Narbe quer überm Auge - sehr ungewöhnlich für einen unserer Art - mein ganzes Volk in Angst und Schrecken versetzt, uns bis aufs letzte Hemd ausgeraubt und etliche zum Vergnügen getötet hat. Das willst du mir allen Ernstes weis machen?" Sie sah ihn an bereit auszuweichen, aber das, was er gerade gesagt hatte, traf sie härter, als jeder Schlag, den er hätte ausführen können. "Eine ,böse' Zwillingsschwester habe ich nicht, das ist wohl war, aber ich habe eine." Antwortete sie verstört. "Wie, .... wie war der Name dieses Barbaren? Der mit der Narbe überm Auge?" sie bebte innerlich. "Sein Name? Weißt du ihn nicht mehr?" - "Treib keine schrägen Späße mit mir! Ich habe dir bereits gesagt, dass ich dich nicht kenne und jetzt rück mit dem Namen raus!" Sie war gereizt und insgeheim wusste sie, wie der Name lauten würde "Kronos" Ihre Augen wurden größer. " .... und sie, hat sie auch ge..., getötet?" Sie überschlug sich geradezu und ihre innere Anspannung entwickelte sich zu einer Verspannung, es zerriß sie förmlich innerlich. "Sie? Redest du jetzt von dir selber in der dritten Person? Ist es dann für dich leichter zu ertragen?" Jedes seiner Worte war mit seinem sarkastischen Klang schärfer als jedes Schwert. Doch man sah, dass sie es ernst meinte. Sie würde ihm an den Hals gehen, wenn es sein musste, um von ihm zu erfahren, was sie im Moment so quälte. "SIE, sie hat auch getötet, vielleicht nicht so viele wie die anderen,... . Aber immerhin hat ,sie' es erst möglich gemacht, unser Vertrauen gewonnen." In ihm kamen Erinnerungen hoch und er schloß die Augen, als wolle er sich vor diesen Erinnerungen verschließen. Doch dann schienen sie so stark zu sein, dass er brüllend auf sie zu stürmte. Sie war so mit dem Gedanken beschäftigt, was ihre Schwester vielleicht getan hatte. "Sie hat getötet" Sagte sie mit tonloser Stimme vor sich her. "Dann ist sie sozusagen zum Abschuß freigegeben. Das überlebt sie nicht, das überlebt sie nicht!" Erst beim zweiten Mal wurde sie sich ihrer eigenen Worte bewußt. Während sie mit den Möglichkeiten des Schicksals haderte, haderte das Schicksal in Form von Marius mit ihr. Seiner Kraft, die von Wut verstärkt wurde, konnte sie in diesem Moment, auf Grund ihrer geistigen Verfassung, nichts entgegensetzen. Er hatte ihr ihr Schwert aus der Hand geschlagen, was sie sowieso nur reflexartig hochgerißen hatte. Es flog bis zur nächsten Hauswand der gegenüberliegenden Straßenseite und prallte klirrend ab. Sie hatte keine Chance es zu erreichen. Natürlich, sie konnte sich durchaus auch ohne Waffe verteidigen, aber wie gesagt, in ihrer jetzigen Verfassung hatte sie ihm nichts entgegenzusetzen. Sie tat das, was ihr als erstes durch den Kopf schoß. Dieser Gedanke war von der gerade laufenden Kampfszene völlig losgelöst. Sie wollte zu Darius, um sich bei ihm über das, was sie über ihre Schwester erfahren hatte, auszuweinen. Ungeachtet der Schnittverletzungen, die er ihr zufügte, lief sie auf den Eingang im Zaun zu. Es gestaltete sich allerdings schwierig, da ihr Marius im Weg stand. Ihre Verwirrtheit würde sie ihren Kopf kosten. Die Schnittwunden, die sie zusätzlich noch zu den noch nicht ganz verheilten Platzwunden und Knochenbrüchen hatte, schmerzten mittlerweile so sehr, dass sie mehr als betäubend wirkten. Ihr war schlecht und der Schwindel hatte sie in einer festen Umarmung, was sie an den Rand einer tiefen Ohnmacht trieb. Der Schmerz hielt sie aber auch wach, oder ist das Furcht? Furcht vor Marius? Vorm Tod? Völlig zerschunden überließ sie sich ihren Gedanken. Soll ich aufgeben? Finde ich dann Frieden? Aber was ist mit Seren? Ich kann sie doch nicht alleine lassen. Sie wird wahrscheinlich sowieso von diesen ,ENGELN' heimgesucht. Diese Seelendiebe! Allem voran dieser ,GABRIEL', der ist schlimmer als der Leibhaftige persönlich. Ja, mir ist der TEUFEL lieber als jeder Engel. Im Mittelalter - und auch noch Anfang der Neuzeit - hätten sie ihre ,Gedanken' als Gotteslästerung, Ketzerei oder Teufelsanbetung auf den Scheiterhaufen gebracht - wo sie auch mehr als ein Mal war. Dann kam ihr die rettende Idee. Warum sollte sie sich die Mühe machen an Marius vorbei zu gelangen, wobei sie doch eh nur noch weitere Verletzungen hinnehmen musste? Sie besaß ein gewaltiges Sprungvermögen, mit dem sie sogar so schwer verletzt noch über den Kirchenzaun springen konnte. Gut, ihr linker Oberschenkel war gebrochen und sie hatte aufgehört die Schmerzen zu spüren. Der Zaun mochte einsachtzig, vielleicht zwei Meter hoch sein, sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er auf jeden Fall höher war, als sie groß. Sie wich zurück, wollte Anlauf nehmen, um diesen Sprung zu wagen. Er wollte lachen, bis jetzt hatte sie ihn nicht von ihrer Unschuld überzeugen können. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken doch noch ihr Schwert zu holen, doch Marius schnitt ihr den Weg ab. Wäre das Kopfsteinpflaster nicht naß gewesen - was sie bei ihrer Vollbremsung ausrutschen ließ - dann hätte Marius gewiß ihren Kopf im Vorübergehen abgeschlagen. Natürlich wollte Marius wenigstens diese Möglichkeit nutzen, wie sie so dort vor ihm auf dem Boden lag. Er hatte genug und wollte nur noch ihren Kopf. Er holte aus, doch sie trat ihn mit aller ihr zu Verfügung stehenden Kraft vors Knie. Er jaulte. Sie konnte dieser Situation doch noch etwas abgewinnen. Der Weg zum Tor war zwar frei, doch würde Marius sie sicher erwischen. Trotzdem lief sie darauf zu. Obwohl sein Knie mit Sicherheit zertrümmert war, folgte er ihr. Wie sie es erwartet hatte, wollte er sie vom heiligen Boden fernhalten. Sie machte einen Handstandüberschlag zum Schwung holen und sprang dann kräftig ab, um mit einem weiteren Überschlag über den Zaun zu gelangen. Die Landung allerdings war ein einziges Fiasko. Es war stockfinster. Im Dunklen war sie mit einer Hand auf einem Grabstein gelandet mit der anderen in der Luft. Sie kippte haltlos rücklings auf die linke Seite, wobei sie mit ihrem eh schon gebrochenen linken Oberschenkel auf einen benachbarten Grabstein prallte. Aus dem sauberen Bruch wurde ein Trümmerbruch; sie jaulte vor Schmerz auf, verstummte fast im gleichen Moment wieder mit einem schmerzhaften Stöhnen - sie war mit dem Kopf auf die steinernde Einfassung eines Grabes aufgeschlagen. Sie verlor für einige Zeit das Bewußtsein. Marius sah das erst mit maßlosen Erstaunen, denn er wusste genau wie schwer er sie verletzt hatte. Dann, als er die Schmerzlaute vernommen hatte, packte ihn die Wut, dass er nichts unternommen hatte, dass sie einfach so über diesen Zaun hüpfen konnte. Er überlegte, was er tun könnte. Seine Rachegelüste kannten keine Grenzen. Er steigerte sich bis zur Raserei. In seinem Inneren wusste er, dass er eigentlich keinen Grund brauchte, um sie zu töten.

Sie hatte ihn versetzt. Sie war für ihn die große Liebe gewesen. Bis jetzt hatte er es immer noch nicht verstanden; Sie war nicht das Mädchen, die Frau, die er zu kennen glaubte, das ist ihre Schwester gewesen. Er hätte ihr die Welt zu Füßen gelegt. Alles hätte er für sie getan, wirklich alles, wenn sie nur ihm gehört hätte.

Er stürmte durch das Tor und musst schon suchen um überhaupt eine Ahnung davon zu haben wo sie möglicherweise gelandet sein könnte.

Sie dagegen war im Traumland angelangt. Im nebeligen Schleier, der sie umfing, konnte sie nur schwach die Silhouette einer kleinen Person erkennen. "Hallo? Wer bist du? ...Haaallooooooo?" Ein kindliches Lachen war die Antwort. "Wer bist du?" Sie konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen, so dicht war der Nebel geworden. Sie hörte, dass sich die Gestalt bewegte, konnte sie aber nicht mehr sehen. "Wo bist du? Warum antwortest du nicht?" Obwohl sie so im ungewissen war - nichts sehen konnte, keine Ahnung hatte, wer noch hier war - fühlte sie sich nicht bedroht, im Gegenteil, eher geborgen. Marius hatte sie ganz vergessen, genauso wie ihre Schmerzen und Sorgen. Sie kannte diese Welt zwar, aber irgendwie war sie nicht vollständig. Es gab nur sie, den Nebel und die kleine Person. Diese Welt entstand nur aus Träumen, weshalb Normalsterbliche hier keinerlei Macht hatten, sie waren einfach zu selten hier. Nur einige wenige hatten die Möglichkeit diese Welt nach ihren Wünschen zu Formen. Sie hätte normalerweise die Ausbildung und die Willensstärke dazu gehabt, aber es gelang ihr nicht diesen Nebel zu durchdringen. Und mit dieser Erkenntnis hatte sie auch nicht mehr das Bedürfnis irgendetwas ändern zu wollen. Es war, als wäre sie nicht da, als befände sie sich in der Ruhe selbst. Das war etwas wonach man sich sehnen konnte, einfach eine Rast einzulegen. Dieser damals vermeintlich einzigartige Moment dort oben , auf dem Berg über Hollywood, dieser überwältigende Anblick war nicht annähernd so etwas angenehmes wie das jetzt. Es war warm, ohne dass sie sagen konnte woher. Im Nebel war es weder hell noch dunkel. Plötzlich zupfte jemand oder etwas an ihrem Bein. "Mama? Mama, du bist wieder da!" Es war die Stimme eines Mädchens. Eines sehr jungen Mädchens, das auch noch ihre Muttersprache sprach. "Nein, ich bin nicht deine Mutter." Sie sagte das in einem gütigen Ton, wie eine Mutter mit ihrem Kinde sprechen würde. Selbst wenn sie dieses Mädchen nicht sehen konnte, wußte sie, dass es nicht ihre Tochter war; sie hatte keine Tochter. "Doch, doch! Mama! Warum hast du mich solange alleine gelassen?" Scheinbar kontrollierte dieses kleine Mädchen diese Welt, ohne Kenntnisse über seine Möglichkeiten zu haben, denn es war wohl noch zu jung. Plötzlich lichtete sich der Nebel und das Mädchen nahm wieder Gestalt an. Es stand direkt vor ihr. Die äußeren Zeichen waren eindeutig: Es war eine Prinzessin. Das Kleid, geschnitten wie es sich für die Prinzessin des Mondreichs gehört. Das Armkettchen und selbst das Mahl auf ihrer Stirn wiesen sie als diese aus. Doch sie sah das alles nur schemenhaft, sie meinte es zu sehen, denn in so kurzer Zeit war es unmöglich etwas genaues zu erkennen. Im Traumland verging zwar kein Zeit, aber die rein Gewohnheit an die Zeit ließ diesen Eindruck entstehen. Inzwischen hatte Marius sich bis zu ihr durch gekämpft. Als er sie so da liegen sah, überkam ihn ein sentimentaler Schauer, dass er sich nicht mehr sicher war, was er eigentlich wollte. Trotzdem kam er zu dem Entschluß, dass er sie vom heiligen Boden runter bekommen musste, um ihren Kopf nehmen zu können. Da er sie sowieso töten wollte, war er nicht gerade zimperlich bei dem Versuch sie auf die Straße zu bekommen. Er zog sie an ihren langen Haaren über Grabeinfassungen und andere Hindernisse. Dabei wachte sie allerdings auf, wobei sie zuerst nicht wusste, wo sie sich befand. Benommen wurde ihr erst jetzt bewußt, was ihr alles weh tat. Sicher, in der Zeit in der sie dort auf dem Friedhof ,geruht' hat, waren wieder einige Verletzungen geheilt worden, oder hatten begonnen zu heilen, aber das war minimal. Sie spürte den Boden unter sich und wie entsetzlich ihr der Kopf weh tat. Sie brauchte lange um wieder einigermaßen klar im Kopf zu werden. Ebenso brauchte sie lange um zu begreifen, was Marius mit ihr vor hatte. Sie griff nach ihren Haaren, was allerdings nicht viel brachte, weil die Haare so lang waren, dass sie ihn zwar erreichen, aber trotzdem kaum die Kraft aufbringen konnte um irgend etwas auszurichten. Also versuchte sie sich anders zu wehren. Zuerst überlegte sie sich an einem Grabstein festzuhalten, wobei ihr dann doch selbst auffiel, dass das absolut schwachsinnig gewesen wäre. Schließlich entschloß sie sich auf die nächste Grabeinfassung zu warten. Dann würde sie sich mit beiden Händen dagegen stützen, sich mit einem Bein - dem rechten - abdrücken um ihm dann mit Gewalt ins Gesicht - oder wohin sie auch treffen mochte - zu treten. Tatsächlich traf sie ihn ins Gesicht, was auch sofort die gewünschte Wirkung hatte - er ließ ihre Haare los. Er taumelte, denn er hatte nicht mit so heftiger Gegenwehr gerechnet und in der Dunkelheit auch nichts gesehen. Mit einer nicht ganz so geschickten Rückwärtsrolle kam sie schließlich wieder auf ihre Knie. Jetzt hatte sie ihn verärgert. Er schlug blind um sich. Das Gesetz, dass man nicht auf heiligem Boden töten soll war noch nie gebrochen worden - wenigstens dachte er das - also wußte er nicht, was passieren würde, würde er sie jetzt treffen. Anfangs hatte er sich einen Spaß daraus gemacht sie hier ein wenig anzukratzen, da ein wenig aufzuschlitzen oder was auch immer. Sie konnte es nicht wagen sich ganz aufzurichten, da er sie dann mit Sicherheit einen Kopf kürzer gemacht hätte. Sie rollte sich auf dem Boden, um außerhalb seiner Reichweite auf die Füße zu kommen. Ihm waren alle Regeln egal, Hauptsache sie würde das Zeitliche segnen. Bevor er endlich merkte, dass sie gar nicht mehr irgendwo auf dem Boden war, sondern fast neben ihm stand, hatte er mit aller Wucht ausgeholt und dabei einen Grabstein so getroffen, dass Funken flogen. Sie sah übel aus, hätte sie in einen Spiegel gucken können, sie hätte sich selbst nicht erkannt. Ihr Gesicht war aufgequollen, aus mehr oder minder tiefen Wunden rann Blut, dass man kaum glauben konnte, dass sie ursprünglich mal eine weiße Bluse trug und hell - verwaschene Jeans. Aber es sah schlimmer aus, als es wirklich war. Bei dem Versuch Marius' weiteren Attacken auszuweichen stolperte sie rückwärts über alles, was höher als ein Zentimeter über der Erde stand. Unbewußt steuerte sie auf die Nebentür der Kirche zu. Als Marius das bemerkte, versuchte er gleich zwischen sie und die Tür zu gelangen. Sie hoffte inständig, dass Darius ihn spürte und wenigstens bis zu seiner Tür gehen würde. Laut genug waren sie ja, dass er sie von dort aus hören musste. Kurz entschlossen, kaum noch einer Gegenwehr fähig, nahm sie ihren Mut zusammen und ließ von einfachen Fluchtplänen ab. Er hatte lange, kräftige Arme und außerdem noch ein außergewöhnlich langes Schwert. Wenn sie an der Mauer ankäme, säße sie in der Falle. Also reagierte sie in einem Bruchteil einer Sekunde, stürmte auf ihn zu, während er gerade ausholte, trat ihn gegen die Hand, mit der er das Schwert hielt, schlug ihm erst von unten gegen die Nase, dann mit der Handkante seitlich gegen den Halsansatz. Das Gewicht des Schwertes tat sein Übriges dabei, dass er es fallen lassen musste. Die Schlagkombination würde ihn, wenigstens für den Moment, ein wenig benebeln. Wäre sie bei Kräften gewesen, hätte diese Kombination durchaus tödlich sein können. Bei Marius wäre der Zeitraum des Todes zwar sehr kurz bemessen gewesen, aber sie hätte trotzdem mehr Zeit gehabt. Sie wollte alsbald in die Kirche, Marius draußen aussperren, warten bis alle Wunden und Verletzungen geheilt waren. Ihr Schwert war längst wieder dort, wo es immer war - außer wenn sie damit kämpfte. Im Moment hielt nur der Selbsterhaltungstrieb sie noch auf den Beinen. Die Angst war so übermächtig geworden, dass sie an ihre Schmerzen keinen Gedanken mehr verschwendete, ja sie nicht einmal mehr wahr nahm. Sie lief los, doch Marius torkelte ihr hinterher. Trotz dem benebelten Zustand, in dem er sich befand, stellte er sich wesentlich geschickter an als sie, so dass er sie bald eingeholt hatte. Mit einem Satz wollte er sie erreichen, bekam allerdings nur einen ihrer Fußknöchel zu fassen, was sie immerhin zu Fall brachte. Sie schlug ohne Reaktion mit dem Kinn hart auf dem Boden auf, faßte einen Stein und warf ihn mit erstaunlicher Wucht auf die dicke Holztür.

Drinnen horchte Dunkan auf "Hat da jemand an die Tür geklopft?" - "Nein, das war bestimmt nur der Wind, der einen Ast gegen die Tür weht. Lenk nicht ab, du bist am Zug, du musst dich anstrengen." Darius hatte den Blick nicht vom Schachbrett gewendet, als er antwortete. "Bist du dir sicher?" - "Meine Tür steht jedem offen. Wer rein möchte darf eintreten." - "Und du erwartest auch keinen Besuch?" - "Wo du es sagst," er lächelte "Sel..., Jenny wollte mich besuchen, aber sie wird bestimmt nicht anklopfen."

Sie versuchte nach ihm zu treten, doch er umfaßte auch noch ihren zweiten Knöchel. Er umfaßte sie so fest, dass ihre Knöchel begannen weiß zu werden; sie jaulte, woraufhin Marius noch fester zu packte. Sie erlitt starke Quetschungen und in ihrem rechten Gelenk war wahrscheinlich bereits der eine oder andere Splitter entstanden. Sie schmiß erneut einen Stein gegen die Tür.

"War das wieder ein Ast?" - "Ehm" Plötzlich verspürten sie beide das Gefühl der Vorbereitung, beide blickten sie auf, als suchten sie jemanden, hier im Raum, obwohl sie wussten, dass sie alleine waren. "Dein Ast scheint alt zu sein." Darius verzog das Gesicht.

Marius hingegen ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er hatte wohl auch die Anwesenheit eines Unsterblichen wahrgenommen, aber er wusste, wohl auch, dass sich der- oder diejenige nicht einmischen durften, da der ,Kampf' bereits in vollem Gange war. Sie versuchte sich in seine Richtung zu drehen, um ihn zu schlagen oder sich sonst irgendwie zu wehren. Sie nahm an, dass er einen Schlag reaktionslos ausgesetzt war, da er ja beide Hände brauchte um sie festzuhalten. Das war allerdings ein grober Irrtum. Er hatte ihre Füße längst losgelassen, nur spürte sie nichts. Er war im Inbegriff aufzustehen, als sie sich umdrehte und ausholen wollte. Er schleuderte ihr jedoch seine Faust ins Gesicht, dass sie nicht nur umkippte, sondern auch noch ein paar Zentimeter weit rutschte. Sie war mehr als nur benommen, sehr stark benebelt traf es auch nicht. Sie war schon lange nicht mehr ganz klar im Kopf. Marius allerdings ging fast schon gemütlich sein Schwert holen, um sie für immer in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Er hatte im Moment nicht die Kraft, und Lust, sie noch bis auf die Straße zu schleppen, deshalb war er bereit dieses Gesetzt - das Verbot auf heiligem Boden zu kämpfen oder gar zu töten - zu brechen. Er hinkte bis zu der Stelle, an der Jenny es zu letzt gewagt hatte ihn anzugreifen. Währenddessen erhob sie sich unbewußt und versuchte bis zur Tür zu gelangen. Sie hatte sich bis zur Tür geschleppt, als Marius sich umdrehte. Er stürmte sofort auf sie zu, doch es gelang ihr noch schwach an die Tür zu klopfen. Kurz vor ihr ließ er sein Schwert fallen um sie packen zu können. Er zog sie Beiseite, hielt ihr den Mund zu und preßte sich mit ihr an die Wand.

Darius ging schließlich, von Dunkan gedrängt, zur Tür, öffnete sie und sah nichts, gar nichts. "Siehst du, da ist nichts." - "Du weißt, jemand ist da." Eigentlich wollte er es nicht wissen, deshalb war er froh,, dass er niemanden sehen konnte. Er schloß die Tür wieder, drehte sich um, um sich weiter dem Schachspiel zu widmen.

Marius stieß sie auf den Weg - vor die Tür -, in der Gewißheit, sie sei zu schwach, um sich weiter zu wehren oder auch nur zu fliehen, und er hob sein Schwer wieder auf. Wahrscheinlich war es Unachtsamkeit, dass er ihr so einen Schubs gab, dass sie mit Schulter und Arm gegen die Tür prallte. Bedrohlich kam er auf sie zu, das lange Schwert in der Hand. Ihre Augen nahmen nur noch einen Schemen war und ihre Pupillen weiteten sich unter dem Streßeinfluß. Instinktiv hob sie schützend ihren rechten Arm und klopfte unbewußt schwach mit dem anderen an die Tür.

Als Darius den Aufprall hörte, zuckte er zusammen. Er war noch nicht den halben Weg zurückgegangen, als er einen spöttischen Blick von Dunkan auffing. "Da ist nichts? Dann hat gerade nichts an die Tür geklopft, wie?" Es war lieb gemeinter Sarkasmus, der da mitschwang. Beide hatten noch im Hinterkopf, dass da ein Unsterblicher rum schlich. Und plötzlich fühlte Darius sich nicht mehr ganz so sicher in seiner Zuflucht. Er drehte sich um und lauschte. Anfangs war nichts zu hören und er hielt fast den Atem an, bis er schließlich in fast vollkommener Stille sein eigenes Herz schlagen hörte. Da war ein leises Scharren, es war zwar schwach, aber es war da. "Sollen wir gucken gehen?" fragte Dunkan mit gedämpfter Stimme. Darius nickte zur Antwort.

Das verschwommene Bild vor Jennys Augen verlor langsam an Farbe. Sie hatte nicht mehr die Kraft ihren Arm oben zu halten und ihr Wille zur Gegenwehr war vollends zusammengebrochen. Marius stand mit hocherhobenem Schwert über ihr und wollte gerade den allseits beliebten (Rechtfertigungs- ) Spruch sagen, als er jäh unterbrochen wurde. Seine Augen hatten sich vollkommen an die Dunkelheit gewöhnt, was das Dämmerlicht, das durch die geöffnete Tür fiel, als grell erscheinen ließ. Das ließ ihn innehalten.

Eine Schrecksekunde lang sahen sich Darius und Marius an. Dann blickte Darius runter zu seinen Füßen. Fast auf seinen Füßen lag Jennys Kopf. Aus ihrem Mund quoll Blut, ihr Blick ging ins Leere, ihr Körper war derart zerschunden, dass es sie völlig entstellte. Darius war über diesen Anblick zutiefst entsetzt. Er hätte sie fast nicht wiedererkannt. Er machte ein gequältes Gesicht, als sei er selbst so zugerichtet worden. Er sah Marius wieder in die Augen. In seinem Blick lag etwas bittendes, fast schon flehend. Doch Marius raffte sich zusammen. Der erste Schreck war vorüber und er hatte sich wieder gefangen. In Marius Blick lag kalter Zorn, aber vor allem Triumph, denn er wusste, dass sich niemand hätte einmischen dürfen. Allerdings befand er sich auf heiligem Boden, da sieht sie Sache nämlich schon wieder etwas anders aus. Eigentlich wäre es auch ihre Aufgebe gewesen solche Regelverstöße zu verfolgen und gegebenen Falls zu bestrafen. Aber sie hatte ehrlich gesagt nie damit gerechnet, dass es sie selbst mal treffen könnte. Zu ihrem Glück fühlte Dunkan sich dazu berufen einzugreifen.

Langsam senkten sich wieder die Nebel über ihren Geist. Doch diesmal war der Nebel irgendwie kalt und feucht, oder ist das vielleicht gar nicht das Traumland? Sterbe ich schon wieder? Sie fühlte sich wie in einer Seifenblase, gefangen in einem kleinen Raum, abgeschottet vom Rest der Welt. Sie merkte kaum etwas von dem, was um sie herum passierte. Marius richtete seine Augen wieder auf Jenny. Fest der Meinung, er sei im Recht, glaubte er, er könne diese Angelegenheit noch klären, sprich, sie einen Kopf kürzer zu machen, ehe er sich mit Darius auseinandersetzen musste. Doch Dunkan schlängelte sich an Darius vorbei, machte einen Satz auf Marius über Jennifer drüber, mit hoch erhobenem Schwert. Marius wie Darius, beide waren überrascht von Dunkans impulsiven Auftreten. Mit seiner Klinge drohte er Marius und hielt sie ihm an den Hals, woraufhin dieser große Augen machte "Du kämpfst auf heiligem Boden? Gegen ein unbewaffnetes Mädchen?" Marius antwortete nicht. Die Situation war keineswegs komisch, doch was Dunkan über Jenny gesagt hatte brachte ihn, wenn nicht zum Lachen, wenigstens zum Lächeln. Marius reagierte instinktiv; er versuchte sein Schwert abwehrend zwischen seinen Hals und das Schwert des Fremden zu halten, was ihm zwar gelang, aber nicht wirklich nutzte. "Wir sehen uns wieder du kleines Miststück. Denk daran! Dann hilft dir niemand mehr." Er lief davon. Dunkan setzte ihm nach, um ihn zur Rede zu stellen. Darius ging in die Hocke, begutachtete grob ihre Verletzungen und wollte sie rein tragen. Als er sie berührte zuckte sie heftig zusammen, hob ihren Kopf nur mit Mühe und versuchte irgendetwas zu erkennen. "Kolle anfest ie?" Sie war mehr als nur unruhig, sie war aufgelöst und hysterisch. Darius redete beruhigend auf sie ein, was kaum etwas zu bringen schien.

Ihr Verstand dämmerte vor sich hin in der unwirklichen Scheinwelt des Traumlandes. Das kleine Mädchen war bei ihr und spielte mit ihr Fangen, bis es in die undurchdringlichen Nebel lief und auf keinen Ruf mehr reagierte, es war verschwunden.

Ihr Unterbewußtsein ließ sie zappeln und zetern, weil sie Darius noch nicht erkannt hatte. Es arbeitet verletzungsbedingt sehr langsam, aber es arbeitete. Langsam aber stetig tastete es sich voran. "Selen, hör doch auf. Ich bin es, Darius. Hörst du nicht?!" So wie sie sich wehrte konnte er sie nicht davon tragen, denn er ging weitaus behutsamer mit ihr um, als Marius es getan hatte.

Als sie längst aufgegeben hatte nach dem Kind zu rufen, nahm sie wie von weither eine Stimme wahr, eine ihr bekannte Stimme, wenngleich sie sie nicht erkannte, aber sie beruhigte sie.

Sie sah nur einen Fleck, der sich über sie beugte. Äußerlich wirkte sie ruhig, doch machte sie sich steif und steifer, bei jedem Zentimeter, den Darius sich ihr näherte. Er berührte ihre Stirn, sie glühte; jetzt wunderte ihn gar nichts mehr - sie lag im Delirium. Ihre Augen waren immer noch weit aufgerissen, was es ihm erleichterte ihre Pupillen in Augenschein zu nehmen. Er beugte sich noch weiter runter, um ihren Atem zu kontrollieren. Sie sog unmerklich Luft durch die Nase ein. Der Geruch, der von dieser Gestalt ausging, kam ihr ebenfalls bekannt vor. Sie versuchte wahrzunehmen, ob da ein vertrautes Gefühl war, irgendetwas, das ihr helfen konnte - und da war etwas. Sie war viel zu verwirrt gewesen um es gleich zu bemerken und auch ihre panische Angst, die theoretisch unbegründet war hatte einiges dazu beigetragen. Als ihr endlich einfiel, wo sie war, kam sie auch darauf, wer da schon fast verzweifelte, weil es ihm nicht gelang sie rein zu tragen - es war Darius! Unbewußt nutzte sie wieder ihre Muttersprache "Darius? Bist du es?" - "Ja" Mit Freude darüber, dass sie ihn endlich erkannt hatte strich er ihr das verklebte Haar aus dem Gesicht. Sie atmete tief aus, als fiele ihr eine schwere Last vom Herzen. Sie begann sich zu entspannen, was Darius ungemein half. Vorsichtig griff er unter sie und hob sie an. Ihr entwich mit schmerzverzerrtem Gesicht ein dumpfes Stöhnen. Er hielt sie im Rücken auf Höhe der Schulter und in den Kniekehlen. Sie schloß die Augen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie ließ sich immer gerne rumtragen, von bestimmten Leuten. Obwohl sie in gewisser Weise unsterblich war, musste man ihre Verletzungen gewissenhaft versorgen. Bei ihr lag vieles im Argen. Oft konnte man nicht genau sagen, wann sie was war, sie wusste es meist selber nicht. Vorsichtig legte er sie auf sein Bett. Gerade als er dabei war ihr die blutigen und überaus dreckigen Anziehsachen auszuziehen, kam Dunkan wieder. Sein Schwert, so wie seine Kleidung wiesen keinerlei Spuren eines Kampfes auf. "Er ist mir entwischt. Was wollte er von ihr?" Die Frage war an niemand direkt gestellt. Dunkan beobachtete Darius genau. Das Mädchen war nicht unattraktiv.... Aber er ließ sich zu nichts unsittlichem hinreißen. In Gedanken dankte Darius Gott, dass er ihr nicht an die Unterwäsche musste, das wäre wahrscheinlich eine zu große Versuchung .... Dunkan bewunderte Darius' Disziplin, in so einer Situation seine Selbstbeherrschung zu wahren. Es kam ihm unvorstellbar vor solange in Abstinenz zu leben. Er wusch sie gründlich, um überhaupt erkennen zu können, wie schwerwiegend ihre Verletzungen waren. Sie überließ sich ganz seinen fachkundigen Händen.

Sie gab sich völlig ihren Gedanken hin, die sie wie auf Wellen ins Traumland trugen. Das ewige hin und her verwirrte sie, dass sie nicht mehr wusste, wo sie war. Sie hatte die Augen geschlossen und nahm auch keine anderen Sinneseindrücke in der ,realen Welt' wahr. Ihr inneres Auge war auch geschlossen. Es schützte ihren Verstand vor dieser teilweise überlastenden Menge an Bildern, die jedesmal auf der Reise ins Traumland auf sie einwirkten. Als sie endlich am Ziel angelangt war - sie wusste es rein aus dem Gefühl -, öffnete sie ihre Augen und blickte geradeaus in die Nebel. "Bist du da?" Sie rief nach dem Mädchen, doch es kam keine Antwort. Sie tat einen Schritt vorwärts, wobei jede Richtung vorne war, solange die Nase in diese zeigte. Als sie ein dumpfes Platschen hörte und kühles Wasser an ihren Füßen spürte, sah sie an sich hinunter. Sie konnte ihre Füße kaum sehen, weshalb sie in die Hocke ging. Sie hielt ihre Hand ins Wasser, holte ein wenig in der holen Hand bis auf Augenhöhe und ließ es langsam wieder runter tropfen. Mit jedem tropfen wich der Nebel weiter zurück. Schließlich konnte sie einen kleinen See erkennen, der im mondähnlichen Licht silbern schimmerte. Was mache ich hier? Sie richtete sich auf und blickte auf die feine Struktur des Grundes. Und wie von unsichtbarer Hand geführt, ging sie auf einem untiefen Weg durch den See, bis zur kleinen Insel in seiner Mitte. Dort angelangt erblickte sie den kleinen Wasserfall, der aus einem kleinen Vorsprung eines Hügels entsprang. Das Wasser fiel wie in silbernen Fäden in den kleinen Teich. Das Ufer des Teichs war mit blankpolierten Kieselsteinen gesäumt. Leichtfüßig stieg sie in den Teich und ließ sich vom kühlen Naß des Wasserfalls umspülen. Es kam ihr vor als würde sie schweben. Alles, was ihr schwer auf der Seele lag, wurde vom Wasser weggewaschen. Das Plätschern des Wasserfalls war das einzige, was zu hören war, ansonsten war da nur Ruhe. Als alle Sorgen von ihr abgefallen waren, schien sie von innen heraus zu leuchten, bis ihr Körper nicht mehr war. Man konnte ihr bis auf die Seele schauen, denn das Licht war ihre reinste Form des Seins. Das war für sie ein Moment der Erfüllung und absoluter Freiheit. Sie konnte ihre eigenen Grenzen nicht mehr spüren. Sie dehnte sich bis ins Unendliche aus und zog sich bis ins Nichts zusammen. Sie war das Alles und das Nichts. Und irgendwann, die Zeit spielte keine Rolle, nahm ihr Körper wieder Gestalt an. Sie trat unter dem Vorsprung hervor, aus dem Teich in das Schimmernde Dämmerlicht. Dieser Wasserfall war so anziehend, dass sie sich nur mit Mühe von ihm trennen konnte. Sie kniete sich ans Ufer des Teichs und blickte auf die unruhige Oberfläche. Ein leichter Windhauch glättete diese. Selen konnte ihr Spiegelbild sehen, was sich mit einem weiteren Windhauch veränderte. Es waren nur geringfügige Änderungen. Eigentlich blieb es fast gleich. Es waren nur leichte Farbänderungen und andere Schattierungen. Sie hatte die Hände in den Schoß gestützt und legte den Kopf schief. Sie erkannte das neue Gesicht, denn es war das ihrer Zwillingsschwester Seren. Die leicht rötlichen Haare, die etwas hellere Haut und diese unglaublich grünen Augen. Sie leuchteten derart, dass das Wasser, in dem sie sich spiegelten, geradezu stumpf wirkte. In diesen Anblick vertieft, bemerkte sich nicht, wie das Mädchen näher kam und ihr über die Schulter auf das Spiegelbild im Teich schaute. Es blickte mit Verzückung hin und wagte auch nicht zu sprechen, da es das scheinbare Glück damit nicht zerstörte. Selen selbst war mit ihren Blicken an dieses Bild geheftet, dass sie schon durch dieses hindurch sehen konnte und von Erinnerungen überschüttet wurde. Nicht alle waren schön, weshalb sie sich schließlich dagegen wehrte, weil sie das nicht alles noch einmal durch machen wollte. Ihr liefen schon die Tränen, die im Teich eintauchten, als wären sie von dort gekommen.

Zuletzt sah sie etwas, dass sie nicht selbst erlebt hatte. Eine Erinnerung Serens, genau diese Szene, die Marius ihr quasi eingegeben hatte. Seren lag auf der Straße, leicht bekleidet und mit Absicht verletzt. Seren war Kronos bis auf 's Blut ergeben und tat wirklich alles worum er sie bat; egal auf welche Art er es von ihr verlangte. Eben dies hatte er von ihr verlangt. "Seren, deiner lieblichen, zierlichen Gestalt in Not wird niemand mißtrauen. Du wirst uns bei diesen Toren die Türen öffnen." Sie hatte ohne Murren zugestimmt. Seit man befestigte Burgen oder auch nur Stadtmauern gebaut hatte, hatte Kronos seine Taktik ändern müssen. Es reichte nicht mehr die Siedlungen zu überfallen, indem man durch sie ritt und alles raubte, was man für wertvoll genug befand und den Rest zerstörte. Man musste mit List vorgehen, denn nirgends wurden fremde Truppen, in diesem Fall war es eher eine Horde, die auch noch bewaffnet waren, geduldet. Sein Ziel war es immer möglichst viel zu erbeuten und wenig Verlust dabei zu haben. Selen sah, wie Seren sich für Kronos verkaufte, sich vom König dieser Stadt begehren ließ, sogar mit ihm das Lager teilte und ihm schließlich von hinten erdolchte. Sie fühlte Serens Schrecken darüber, dass dieser König wieder zum Leben erwachte - er war zum Unsterblichen geworden - und ihr eigener Schrecken war noch viel größer als Serens, denn der König war Marius. Aber was noch folgen sollte war erst der Grund, weshalb sie vor Grauen kaum noch ihres eigenen Geistes mächtig war. Seren hatte Marius zuvor davon überzeugen können, dass Räuber es auf seine Stadt abgesehen hätten - was soweit auch stimmte - und er zum Schutz ein Heer oder wenigsten etwas, was einer Leibgarde gleich kam, benötigte. Mit viel Geschick hatte sie Kronos und seine Horde in eben so einer Institution untergebracht. Inkognito warteten sie auf einen geeigneten Zeitpunkt. Am besten erschien ihnen der Morgen nach dem Erntedankfest, da die Bevölkerung bis spät in die Nacht hinein feierten und mit Sicherheit dem hiesigen Weingott huldigte durch reichlichen Weinverzehr. Da sie sich keine besondere Mühe gaben mit Vorsicht vorzugehen, blieb es nicht aus, dass einige aus ihrem komatösen Zustand aufwachten. Als diese die Absicht erkannten, versuchten sie sich zu wehren, irgendetwas zu retten. Schließlich war fast die ganze Stadt wieder auf den Beinen, auch wenn niemand mehr nüchtern war. Das verschaffte Kronos' Horde einen Vorteil und trotzdem veranstalteten sie ein Blutbad. Sie verschonten niemand, es sei denn, er hätte sich sehr gut versteckt oder wäre unbemerkt aus der Stadt geflohen. Selen konnte in allen Einzelheiten sehen, wie Seren einen jungen Mann, der sich offensichtlich nur verteidigte, mit ungeahnter Brutalität tötete. Selen hatte gesehen, wie Seren Blut vergoß und damit die Sicherheit und Unversehrtheit ihres Lebens verwirkt hatte. Seren hielt einen Moment inne sah den Toten mit Neugierde an und dann ihre eigenen Hände, die ihn getötet hatten. Ehe sie selbst begriff, was sie gerade getan hatte, stürmten von allen Seiten Angreifer auf sie zu und sie konnte nur noch reagieren, nicht mehr darüber nachdenken. Bei so einer großen Menge Angreifer blieb es nicht aus, dass sie noch weitere tötete und noch mehr, denn es schien kein Ende mehr zu nehmen. Kronos nahm sich einen Moment Zeit um sie genau zu beobachten. Was er sah erfüllte ihn einerseits mit Stolz, andererseits ließ es ihn erschaudern. Was kann das nur geben, wenn sie einmal angefangen hat? Am Ende gab es keinen Stadtbewohner, der noch aus eigener Kraft gerade stehen konnte. Und das war für diese Stadt noch eine gute Bilanz. Dass es überhaupt noch jemanden gab, der einen Atemzug tun konnte, fast ein Wunder. Man zog sich ins nicht weit entfernte Reiterlager zurück, teilte die Beute auf und am Abend wurde der Erfolg gefeiert. Kronos feierte eigentlich Serens Einstand als vollwertiges Mitglied, denn sie hatte den entscheidenden Schritt getan: sie hatte getötet. Seren war zu berauscht um die Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen und ließ sich feiern. Selen war darüber zutiefst entsetzt, hatte sie Seren doch immer für besonnen gehalten. Aber mit den Jahren und Jahrhunderten hatten sie sich auseinandergelebt. Selen glaubte auf einmal ihre Schwester nicht mehr zu kennen, wobei Seren ihr doch eigentlich am nächsten stand. Jedenfalls war es mal so. Irgendwann ist dann Kronos zwischen sie getreten. Er hatte einen schlechten Einfluß auf Seren. Das mißbilligte Selen, weil sie schon damals das Ergebnis dieser Metamorphose ahnte. In ihr brodelte es, sie war zornig auf ihre Schwester, weil sie nicht auf sie gehört hatte. Aber sie trauerte auch um ihre Schwester als sei sie bereits tot, wie sie es in gewisser Weise auch war.

Es war schon lange vorhergesehen, noch weit vor ihrer Geburt, dass eine den Tod durch Ungnade erfährt. Jetzt, da Selen wusste, dass Seren diejenige war, fühlte sie sich keineswegs besser. Insgeheim hatte sie immer gehofft, dass sie selbst diejenige sein würde. Die damit verbundene Verantwortung war ihr einfach zu groß. Man war immer davon ausgegangen, dass die Königin nur eine Tochter haben kann, dass es nur eine Blutlinie geben würde. Die Prophezeiung der geteilten Mondseele war bewußt unter Verschluß gehalten worden, denn mit ihrer Erfüllung würde das Ende der Weltreiche eingeläutet. Aber im Grunde genommen spielte es keine große Rolle. Alles was ist, wird irgendwann aufhören zu sein, es ist nur eine Frage der Zeit, das wusste Selen. Sie war ganz wirr im Kopf von der Flut der Gedanken und Empfindungen. Sie glaubte, alles würde sich drehen, weshalb sie die Augen schloß, um ihren Geist zu reinigen. Von Zeit zu Zeit besann sie sich auf das, was sie alles war, wie sie es wurde, warum......

Als Novizin hatte man sie gelehrt, wie sie ihren Geist reinigen konnte. Später, als sie selbst Priesterin war, lehrte sie andere Frauen dies zu tun und weihte einige in geheime Mysterien ein. In solchen Zeiten machte ihr ihr Chezophrener Charakter schwer zu schaffen, sogar so sehr, dass sie aufgeben wollte. Sie konnte es aber nicht, dass wusste sie genau. Sie ging immer davon aus, dass sie nicht sterben konnte ehe sie nicht eine Tochter gebar, die ihre Nachfolge antreten konnte. In den Jahren, die sie alleine auf Erden lebte, hatte sich das Weltbild für sie stark verändert. Seit sie ihren eigenen Willen entdeckt hatte und ihn durchsetzen wollte, hatte sich sowieso alles für sie geändert. Sie wusste nicht mehr wem sie vertrauen konnte. Selbst den Wächterinnen wagte sie nicht zu vertrauen. Sie waren einst ihre Lehrmeisterinnen, Beschützerinnen und Freundinnen. Aber selbst das hatte sich geändert, da diese sie immer wieder angriffen, ohne dass Selen verstand weshalb. Wenn sie jetzt Seren verlor, war ihre Verbindung zur vergangenen Welt völlig gekappt. Einige Personen ausgenommen, vertraute sie niemandem. Die ausgenommenen weihte sie auch nicht in alles ein, nur Darius.....

Ehe sie einen Gedanken über Darius erfassen konnte, war er schon wieder weg. Schließlich, als sie ihren Geist gereinigt hatte, sah sie wieder in den Teich. Mit starrem Blick versuchte sie das Gesicht wieder herbei zu rufen, diesmal kontrollierter, aber es blieb ihr versagt. Das Bild im Teich wandelte sich wieder in ihr eigenes Spiegelbild, in dem sich jetzt auch das Mädchen widerspiegelte. Mit Entsetzen drehte Selen sich um, blickte das Mädchen an, doch das sah sie nur verwirrt an. "Du bist nicht Mama? ... Du bist nicht Mama." Irgendwann, als sie endlich begriff, dass sich alles nur in ihrem Kopf abgespielt hatte, antwortete sie dem Mädchen. "Nein, ich bin nicht deine Mutter." Mit dieser Antwort brachte sie das Kind ungewollt zum weinen. Es lief davon, tief in die Nebel, die wieder aufgezogen.
 

"Sie hat noch immer sehr hohes Fieber..... Aber ihre Verletzungen heilen zu langsam." - "Ist sie eine von uns?!" Dunkan konnte sich das nicht vorstellen, er spürte sie nicht. Darius war sich nicht sicher ob er antworten durfte. Er blickte Jenny an, wartete auf ein Zeichen, das nicht kommen würde. "Ja und Nein." Für diese Antwort erntete er nur fragende Blicke, aber Dunkan fragte nicht weiter. Darius war dankbar. Er kümmerte sich aufopfernd um sie. Nach einer Weile ging Dunkan "Tessa wartet sicher auf mich und helfen kann ich hier auch nicht mehr.... Bis dann." Er hob die rechte Hand zum Gruß, bekam aber nur ein angedeutetes Kopfnicken zur Antwort. Darius saß Stunde um Stunde an ihrer Seite, wartete auf ein Lebenszeichen und hoffte, dass sie nicht zu sehr litt. Er war buchstäblich am Ende mit seinem Latein und konnte nichts mehr für sie tun außer ihre Hand halten und für sie beten. Dann, in den Morgenstunden, als es schon am dämmern war, regte sie sich. Damit hatte sie Darius geweckt, der neben ihr eingenickt war. Alle lebensbedrohenden Verletzungen waren geheilt, doch war sie noch lange nicht in der Lage das Bett zu verlassen. Darius standen Freudentränen in den Augen. Jenny war gerührt, konnte aber nur müde lächeln. "Du hast dir Sorgen gemacht?" Liebevoll strich er ihr über die Wange und nickte. Sie schloß die Augen mit einem zufriedenem Lächeln, in der Gewißheit sich in guten Händen zu befinden. Darius beugte sich über sie und gab ihr eine Kuß auf die Stirn. Eine Träne fiel ihm aus dem Augenwinkel aufs Kissen und er hätte los schluchzen können, aber er tat es nicht. Er wollte sie nicht wieder wecken. Jenny war in einen traumlosen Schlaf gefallen.

Das Fieber stieg wieder, Darius sah besorgt rüber. Er wusste genau, dass er ihr nicht wirklich helfen konnte, aber er wollte es um jeden Preis. Teilweise fürchtete er, dass sie sich selbst verletzen könnte, da sie sich wild bewegte, um sich schlug, im Schlaf brabbelte und aus dem Bett zu stürzen drohte. Aus lauter Sorge wollte er sie ans Bett fesseln, bekam aber nur einen derben Tritt, der ihn fast zwei Meter zurücktaumeln ließ. Er stieß gegen einen Stuhl und landete gerade noch so auf der Sitzfläche was verhinderte, dass er sich möglicherweise den Kopf stieß. Aber er nahm es ihr nicht übel. Er wußte, dass Jenny - er nannte sie, wenn sie alleine waren, trotzdem sie ihn gebeten hatte es nicht zu tun, bei ihrem Geburtsnamen, Selen - , dass sie im Delirium lag und nicht wusste, was sie tat; folglich hatte sie ihren Körper nicht unter Kontrolle. Ihre Kraft mochte vielleicht unnatürlich wirken, aber das rührte von ihrer Herkunft, die noch nicht ganz geklärt war. Kein Sterblicher wusste etwas darüber und kein Unsterblicher dürfte es wissen. Nur En und Dileva wussten es, außer ihrer Mutter natürlich. Ihre Mutter und En waren nun aber nicht mehr am leben. Dileva war die einzige, die noch Bescheid wusste, allerdings lebte sie jenseits von Raum und Zeit in einer Dimensionsspalte und konnte somit keine Informationen weiter geben. Also würde ihre Herkunft wohl als ungeklärtes Geheimnis mit ihr ins Grab gehen...

Das Fieber schwächte sie. Irgendwann konnte sie sich nicht mehr gegen diese Visionen wehren. Der ganze Fieberkrampf - man sollte sagen Kampf - war nur ihr verzweifelter Versuch sich diesen Visionen zu verschließen. Vergangenheit und Zukunft wirbelten wild durch ihren Kopf. Immer und immer wieder... Visionen waren nie gute Zeichen. Sie hatte in ihrem doch nicht allzu kurzen Leben bereits zu oft die Erfahrung gemacht, dass alles, was sie tat, um die Erfüllung ihrer unheilvollen Visionen zu verhindern, gerade zu ihrer Vollendung beitrugen. Jede Vision quälte sie und ihre Seele. Am schlimmsten jedoch waren Visionen, in denen ihr ein persönlicher Verlust prophezeit wurde. Einmal hatte sie gesehen, wie Kronos sie tötete, aber jetzt war die Lage ja ganz anders. Ihr ging auf, dass Kronos nicht sie, sondern Seren tötete..... Diese Erkenntnis brannte tief in ihr mit vernichtender Gewalt. Sie wusste nie, wann diese bildhaften Schrecken Realität wurden. Mit dieser marternden Gewißheit begann sie sich noch wilder im Schlaf zu bewegen. Auch wenn Kronos brutal und rücksichtslos war, liebte er Seren doch auf seine rüpelhafte Art. Deshalb fragte sie sich, warum sollte Kronos Seren töten. Es ist absurd. Seren wäre ihm mit Gewißheit nicht fremdgegangen. Also, warum? Hatte er immer noch so einen Haß auf Selen und deshalb - im Halbdunkel - Seren für mich gehalten? Jahre zuvor, viele Jahre, als sie sich kennengelernt hatten, waren sie aneinander geraten. Damals war einiges schiefgegangen... Sie dachte an die langen Tage, in denen sie Kronos' Lager beobachtet haben - sie und Seren- aus ganz primitiven Gründen. Damals war es sowas wie Magie, diese Anziehung, dem weder Verstand noch Willen gewachsen waren. Sicher, sie waren schon aus dem Alter raus gewesen, in dem man sich gegenseitig beschleicht, weil man sich nicht traut den ersten Schritt zu machen.

Aber sie hatten schließlich noch keine Erfahrungen mit Männern gehabt, jedenfalls nicht solche. Sie hatten sich schon alleine Respekt für irgendeine Art andersartiger Wesen abringen müssen. Was aber nicht heißen soll, dass sie dazu nicht bereit waren. Bereit in dem Sinne, dass sie es nicht wollten, sie konnten einfach nicht. Die Beziehung zwischen Selen, Seren Kronos und seinem Bruder Methos war kompliziert. Jedenfalls hegte Kronos selbst nach fast 5000 Jahren immer noch einen Groll gegen Selen, da sie ihn sozusagen besiegt hatte, nachdem er sie herausgefordert hatte. Sie hatte ihm allerdings sein Leben gelassen. Erstens, weil sie selbst weiterleben wollte. Zweitens wegen Seren, sie war unsterblich in Kronos verliebt. Selen wollte ihrer Schwester nicht das Herz brechen, auch wenn sie völlig gegen eine Beziehung zu diesem Barbaren war. Außerdem war da ja noch Methos... er hatte es ihr wirklich angetan. Er ritt zwar mit Kronos, Kaspian und Silass - zusammen waren sie die Reiter der Apokalypse -, aber er war irgendwie anders als sie. Zwar irgendwie schwach, wenn man bedenkt, das er nur mitritt, weil er seinen Bruder fürchtete.....

Im Fiebertraum durchlebte sie noch mal alle Begegnungen mit Kronos. Sie mochte ihn nicht, nein es war mehr. Das war fast schon Haß, noch nicht ganz, aber es fehlte nicht mehr viel.

Das war der gefährlichste Moment, denn sie konnte den Verstand verlieren bei dieser Visions - Odyssee. Instinktiv tat Darius das richtige: er redete mit ihr. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn hörte, aber im Grunde tat er es auch mehr um sich selbst zu beruhigen. Die vertraute Stimme war alles, an dem sie sich festhalten konnte. Langsam kehrte sie mit Darius Hilfe in die Realität zurück. Schlagartig öffnete sie die Augen. Ihre Augen waren irgendwie trüb. Sie starrte den Baldachin des Himmelbettes an, während ihr langsam die Tränen über die Wangen bis aufs Kopfkissen rollten. Sie heulte sich die Trübe von den Augen, bis sie Darius schließlich erkannte. Er redete die ganze Zeit mit ihr, bis er wußte, dass sie wieder bei Bewußtsein war. Jetzt fing er wirklich an zu schluchzen. Jenny war gerührt.



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