Blue angel with dark wings von abgemeldet (>>Redeemer and Destroyer...<<) ================================================================================ Kapitel 1: Von Visionen und Tagträumern --------------------------------------- Öh, tach xD Das ist meine erste, richtige Fanfic zu Legacy of Kain ^^; Zu der ich nur durch ein Bild von Kagami inspiriert wurde, das aber auf Animexx nicht zu finden ist (und ich will ohne ihre Erlaubnis auch keine Links weitergeben). Auf jeden Fall sah man auf diesem Bild einen noch jungen Raziel und Janos Audron. Eins verrate ich: Yaoi war's nicht °°;; Und sie haben sich auch nicht geküsst |DD; Vielmehr hat Janos Raziel einfach nur an der Wange berührt, aber allein diese Geste machte das Bild so ausdrucksstark, dass sich in meinem von Nebel umwölkten Gehirn eine kleine Geschichte dazu bildete ^_^ Disclaimer: Nichts mir (T_T), weder Janos noch Raziel; am allerwenigsten Kain und bis auf Turel, Rahab und Melchiah will ich sowieso keinen von Raziel's Brüdern xD ENTwarnung: Kein Yaoi, kein Slash; nur die Ansätze, die ich wahrlich besser finde, als Fangirl-Geschmiere <_<; Zumal ich nicht so auf Vampir-Yaoi stehe *räusper* Widmung: Gewidmet ist diese Fanfic Lady_Chaos und LacrimaDraconis, obwohl Letztere im Gegensatz zu Ersterer nichts davon weiß ^_- Und natürlich widme ich es allen Janos/Raziel ~ Fans und so oder so allen Fans von LoK. Und zu Guter letzt allen, die "Raziel's Theme" auf einem Grashalm pfeifen können *grins* Anmerkungen: Einige Zitate aus SR2 und Defiance wurden übernommen, um dem späteren Schicksal Raziels (was erst in 1.500 Jahren erfüllt wird) Nachdruck zu verleihen. Einige Charaktere sind/werden (noch) ziemlich OOC - zumindest, wenn ich Kain so betrachte... Vielleicht irre ich mich aber auch und er ist der einzige IC. *räusper* Ergänzende Erklärung: Wir befinden uns im Jahre 1.000 nach 0, also exakt 600 Jahre nach Kain's kleinem, irren, nicht zu vergessen lebensmüdem Rachefeldzug gegen Lord Sarafan (BO2) und 500 Jahre nach der Erschaffung der 6 Statthalter. Raziel & Konsorten sind folglich 500 Jahre alt, wie auch in den Char-Beschreibungen zu lesen ist... Rechtschreibfehler: Wer welche findet, darf sie behalten. ~~;~~ Blue angel with dark wings Kapitel 1 - Von Visionen und Tagträumern ,Raziel...' Nacht für Nacht sucht mich diese Stimme heim... ,Raziel...' Dazu das aufgeregte, nie zuvor gespürte Pochen meines toten Herzens... ,Raziel!' Ich frage mich, ob das jemals enden wird... "Raziel! Jetzt mach verdammt noch eins endlich die Tür auf! Kain ist schon stinkend sauer!" Oh ja, Kain. Mein Schöpfer und Gebieter. Außerdem Herrscher über das langsam verrottende Nosgoth. Ich, Raziel, bin sein Erstgeborener und herrsche als erster der sechs Statthalter an seiner Seite. Meine fünf Brüder Turel, Dumah, Rahab, Zephon und Melchiah hingegen sitzen lediglich zur Zierde neben Kain's Thron, hören sich sein ewiges Gefasel über seine Weltherrschaftspläne an, grinsen blöde und spielen Karten. Oder gehen mir - wie gerade jetzt - tierisch auf die Nerven. "Raziel - komm heraus oder ich muss Deine Tür einschlagen!" "Aber Dumah - das Ganze kann man doch auch ohne Gewalt lösen!" "Melchiah hat Recht, kleiner Bruder. Ich stehe nicht auf Pfählung durch mein eigenes Mobiliar.", gähnend streckte ich meinen Kopf durch einen Spalt in der Tür, "Was gibt es denn jetzt schon wieder so Dringendes, über das Kain so wütend ist?" "Ehm... erkläre Du es ihm, Rahab.", Dumah schob den vierten Sohn Kains herein, der direkt nach ihm geschaffen worden war, "Du kannst besser, ähm, verhandeln." "Wieso immer ich?", stöhnte der mit einer Sonnenallergie gestrafte Rahab, der entgegen aller vampirischer Gesetze das Wasser liebte, "Hättet ihr in der Schule besser aufgepasst-..." "Jaja. Jetzt mach endlich!" Ich sah meine Brüder mit erwartungsvollen Blicken an. "Also, Raziel; großer Bruder... Es ist Folgendes...", Rahab rang mit seinen Händen, "Jemand hat vergessen, den Müll herauszubringen, und da dachten wir..." "Ja, ihr dachtet, dass Raziel, der kleine Liebling des großen, grünen Herrschers von Nosgoth die Sache wieder ausbügeln kann, indem er Kain erklärt, dass er an der Reihe war und sich tausendfach entschuldigend trollt, den Müll heraus zu bringen.", ich trommelte nervös mit dem Fuß auf den Boden, "So ansatzweise korrekt?" "Äh...", Rahab stieg eine sanfte Röte ins Gesicht, die zu seiner bläulich schimmernden Haut nicht so ganz passen wollte; ein Zeichen, dass ich ins Schwarze getroffen hatte, "So wollte ich es nicht formulieren..." "Ich ziehe mich nur um und dann bin ich sofort da." Meine Brüder nickten und verschwanden von meiner Tür. Ich warf mir das Banner mit meinem Clanzeichen um und seufzte. Womit hatte ich das Ganze - diese nervigen Brüder und diesen manischen Weltbeherrschungsfanatiker namens Kain - nur verdient... ~~;~~ Eine gute Viertelstunde später kannte ich die Antwort auf meine Fragen. Sie schaute mich aus zwei braunen Augen unschuldig an; dennoch wirkte das Wesen vor mir weder unschuldig noch wehrlos... "Das, Raziel, mein erstgeborener Sohn, ist Janos Audron; der Begründer unserer vampirischen Rasse. Er ist der Größte von uns allen; der letzte Geflügelte und Schöpfer Voradors, der den Soul Reaver schmiedete.", Kain, wie immer auf seinem Thron sitzend, erhob sich und machte eine ausschweifende Geste, "Ich hoffe, Du weißt unseren Gast zu schätzen." Ich schwieg während ich Janos einfach nur ansah und mich fragte, ob er mit den Schwingen auf seinem Rücken wirklich fliegen konnte. Und in einem banalen Augenblick gedanklichen Abschweifens fragte ich mich, ob er jemanden wie mich in der luftigen Höhe überhaupt mit sich tragen konnte und wie es war, fliegen zu können... Bis Janos' Stimme erklang und mich in das Jetzt zurückholte. "Ich habe keine Bedenken, dass Raziel mich Willkommen heißt. Er ist etwas... Besonderes." Janos schritt um mich herum, während ich stumm und reglos da stand. Hinter meinem Rücken blieb er stehen und mich überkam eine Gänsehaut; irgendetwas war hier nicht richtig... Dann zeichnete er mit einer seiner Klauen etwas zwischen meine Schultern. Ich konnte nicht erraten, was es war, aber es tat nicht weh, selbst wenn ich warmes Blut aus dieser Zeichnung sickern spürte. Dann trat Janos wieder zwischen Kain und mich, wobei er meinen Gebieter einige Sekunden stumm ansah. Kain nickte leicht und der Geflügelte wandte seinen Blick wieder zu mir. "Dein Clan ist stolz, Raziel. Ich hoffe für den Erhalt der vampirischen Rasse, dass es auch so bleiben wird." Ich nickte unterwürfig. "Ziehe Dich nun zurück, Raziel. Es gibt einige Dinge, die ich mit Janos allein besprechen muss." Ich gehorchte meinem Herrn. Alles, was ich bei meinem Abgang spürte waren die braunen Augen des Vampirvaters in meinem Rücken. ~~;~~ "Janos Wer?", Zephon kratze sich verwirrt am Kopf, "Was ist an dem so besonders?" "Wenn ich mich recht erinnere", begann Turel, "Ist er der Begründer der Vampirrasse. Also unser Vorfahre sozusagen." "Hat er auch unseren Gebieter erschaffen?", fragte Melchiah, der gerade seine Standarte bügelte. "Nein.", antwortete Rahab, der sich zwar immer mehr in Richtung Fisch entwickelte, aber trotzdem immer noch intelligenter war als Zephon, "Es sind zwar nur Gerüchte, aber Kain soll von Mortanius, dem Hüter der Säule des Todes, zum Vampir gemacht worden sein." "Von einem Menschen?", es klang fast, als würde sich Dumah auf dem Perserteppich, auf dem er saß, übergeben als er das Wort "Mensch" aussprach, "Wie konnte das denn geschehen? Menschen können doch keine Vampire erschaffen!" "Kain war einmal sterblich.", nun war ich derjenige, der seine Stimme erhob, und meine fünf Brüder sahen mich zunächst unverwandt an, bevor sie es wagten, sich wieder zu rühren (nicht zu vergessen, dass Melchiah's Standarte nun einen hässlichen Brandfleck hatte), "Mortanius war ein Nekromant, der durchaus in der Lage war, Kain zum Vampir zu machen. Kain ist als Hüter der Säule des Gleichgewichtes geboren worden, doch nachdem Vorador von Möbius getötet worden war, verweigerte er das Opfer und entschied sich für die Rasse der Vampire, war er doch somit der letzte seiner Art. Habt ihr niemals dieses grausige Weinen im Thronsaal vernommen, wenn es des Nachts still ist? Das ist Ariel, die einstige Hüterin der Säule des Gleichgewichts, die von Mortanius ermordet wurde. Als ihr Geliebter von ihrem Tod erfuhr - Nupraptor, der Hüter der Säule des Geistes - verfiel er dem Wahnsinn und steckte die anderen Hüter damit an. Der Zirkel der Neun begann zu verfallen. Kain hätte mit seinem Opfer das Gleichgewicht wiederherstellen können, aber stattdessen weigerte er sich und erbaute sein Reich zum Spott auf den Überresten der verfallenen Säulen. Und was glaubt ihr, auf welcher der Säulen sich sein Thron befindet?" Meine Brüder schwiegen. Und selbst ich war über meine Worte ziemlich erstaunt - waren sie aus mir doch herausgesprudelt wie aus einem Wasserfall... Woher kam all dieses Wissen über Kain, meinen Gebieter? Konnte es sein, dass Janos...? "Raziel?", Turel sah mich mit großen Augen an, "Er sitzt auf der Säule des Gleichgewichts, nicht wahr? Er verspottet sein nicht angetretenes Erbe, oder? Hat er das alles nur für uns - seine Söhne - getan? Und für unsere Rasse?" "Es sieht zumindest so aus.", Melchiah sah durch das Brandloch zu uns herüber, "Stellt euch nur vor, was gewesen wäre, wenn wir ausgerottet worden wären!" "Aber da ist ein Widerspruch, Raziel.", Rahab kratzte sich am Kinn, "Sagtest Du nicht, dass Vorador nebst Kain der letzte Vampir war? Was war mit Janos?" Ich brauchte nicht lange nachzudenken, ehe ich ihm antwortete. "Janos Audron wurde fünfhundertdreißig Jahre vor Null - also fünfhundertdreißig Jahre vor Kain's Erschaffung - seines Herzens beraubt; von einer Gruppe Sarafanenpriester... Wir schreiben nun das eintausendste Jahr nach Null, was bedeutet, dass Kain uns vor 500 Jahren erschaffen hat. Es ist durchaus möglich, dass jemand das Herz von Janos gefunden und es ihm zurückgegeben hat. Sonst wäre er kaum hier, oder?" "Das leuchtet ein.", murmelte Zephon, wobei ich seine Worte mehr oder minder bezweifelte, aber nicht weiter darauf einging, "Allerdings frage ich mich, warum Janos nicht genauso zerknittert aussieht, wie unser Gebieter. Immerhin ist er ein paar Jahrhunderte älter - wenn ich mich nicht irre, sollte er nun das zarte Alter von 3.000 Jahren erreicht haben, wogegen Kain erst das 1.000ste hinter sich hat. Benutzt er eine besondere Anti-Falten-Creme?" "Selbst wenn, würde sie Dir nichts nutzen, Bruder.", ich grinste, als Turel das Achseln zuckend anmerkte, "Aber vielleicht hast Du ja Glück und musst Dein Äußeres nicht Deinem Inneren anpassen - das wäre eine zu groteske Vorstellung." Auch wenn Zephon nicht so wirklich verstand, was Turel meinte, zog er einen Schmollmund und wandte sich von ihm ab. Ich hingegen grübelte über mein neu entdecktes Wissen nach. Und was es bedeutete. ~~;~~ ,Erlöser und Zerstörer...' Ich erkenne diese Stimme zunächst nicht. ,Erlöser...' Kann sie nicht zuordnen... ,Zerstörer...' Was bedeutet das alles? Wer spricht da zu mir? ,Ich gab Dir das Zeichen. Es ist an Dir zu handeln.' Auf einmal ergibt alles irgendwie einen Sinn - und nun erkenne ich auch die Stimme. Aber wie kann das nur sein? ,Erlöser und Zerstörer - Messias der Vampire. Die Zeichen wurden gesetzt und die Schachfiguren harren auf dem Brett ihrem ersten Zug.' Janos...? Was ist der Grund für Dein plötzliches Erscheinen in meinem vampirischen... "Leben"? Ich spürte eine Feder, die meine bleiche Wange streichelte. Ich genoss dieses einzigartige Kribbeln meiner Haut mit geschlossenen Augen. Ein belebender (wenn das auch ein grotesker Ausdruck für einen Vampir ist) Duft stieg in meine sensible Nase und ich atmete sogleich tief ein, um ihn voll auszukosten. Ich weiß nicht genau warum, aber ich dachte sogleich an eine alte Sage meiner Mutter, die von einem Engel mit schwarzen Schwingen handelte. Ich wollte diese innere Harmonie, die ich gerade verspürte, nicht zerstören, indem ich meine Augen aufschlug; aber wenn ich nicht bald aufstand, würde Kain mich so elegant aus dem Bett treten, dass ich für immer im Land der Träume festsäße... Also öffnete ich widerwillig die Augen und musste feststellen, dass ich allein war. Seltsam... hatte ich das zarte Streichen über meine Wange tatsächlich nur geträumt? Andererseits - als ich neben mich schaute, erblickte ich ein diese Theorie widerlegendes Indiz: Eine schwarze Feder, so heilig und rein wie derjenige, dem sie gehört hatte. Er war *hier* gewesen, in diesem Raum. ,Der Größte von uns allen. Der Vater unserer Rasse.' Warum hatte der große Janos Audron solch ein Interesse an mir...? "Raziel!", die Tür zu meinen Gemächern flog auf und herein fiel ein außer Atem seiender Melchiah, der nur wankend wieder auf die Beine kam, "Sarafanen! Sie haben das Heiligtum der Clans umstellt! Du musst Dich beeilen - Kain wartet auf Dich!" "Sarafanen!", rief ich aus, "Aber die sollten doch schon längst ausgerottet und ihre Führer in alle Winde verstreut sein!" Schnell warf ich mein Banner über und folgte - meine Sinne nur noch auf diese Nachricht konzentrierend - Melchiah in den Saal unseres Gebieters. Kain schaute grimmig drein, als wir den Thronsaal betraten und zum ersten Mal dachte ich nicht sofort daran, dass einer meiner Brüder oder gar ich der Grund für seine Miene waren. Kain hatte die Sarafanen ein Jahrhundert vor unserer Geburt aus Nosgoth getilgt, da war es nur nachvollziehbar, dass er sich Gedanken über diese plötzliche Wiederkehr des Feindes machte. "Es sind viele.", Turel stand die Sorge ob der Anzahl unserer Angreifer buchstäblich ins Gesicht geschrieben, "Ich weiß nicht, ob meine jüngsten Turelim einen langen Kampf überdauern." "Pah! Wenn ihr Memmen glaubt, solche Schwächlinge erschaffen zu haben, solltet ihr es lieber lassen!", Dumah, der vor Selbstüberschätzung fast platzte (neben den Nähten seiner lädierten Hose), stemmte die Hände in die Hüften, "Die Dumahim stehen meinem Gebieter jederzeit kampfbereit zur Verfügung. Die Sarafanen werden unser Heiligtum nicht schänden." "Ich werde als Anführer meines Clans selbst dem Feind gegenübertreten.", Rahab, der im Gegensatz zu Dumah und Zephon nicht vom Selbsterhaltungstrieb besessen war, trat mutig vor, "Denn ich schwor Loyalität für meinen Gebieter und nicht meine Kinder." Kain nickte. Anscheinend hatten ihn Rahab's Worte überzeugt, obwohl das, was dieser sagte, halsbrecherisch war. Trotzdem - er hatte Mut, das musste man ihm lassen. "Ich schließe mich eher Dumah an, Gebieter.", Zephon, dessen Haare wieder einmal so schrecklich zu Berge standen, als wollten sie vor ihm fliehen, verneigte sich vor Kain, "Meine Truppen stehen Euch zur Verfügung." Melchiah zitterte. Als jüngster und schwächster meiner Brüder hatte er natürlich auch am Wenigsten von Kain's Gaben bekommen und fühlte sich so anscheinend nicht stark genug, seinen älteren Brüdern zur Seite zu stehen. Hilfe suchend sah er mich an. Ich nickte nur und spürte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. "Dann bin auch ich bereit, meinem Schwur zu folgen, Gebieter." Alle Augen waren nun auf mich gerichtet. ,Erlöser und Zerstörer.' "Ich als Dein Erstgeborener werde ebenso wie Rahab ohne meinen Clan an Deiner Seite stehen. Immerhin sind die Sarafanen keine Amateure was das Töten von Vampiren angeht. Es wäre reine Verschwendung von Untertanen, die in ihrem Leben noch nie etwas Gefährlicheres getötet haben als einen um Gnade winselnden Mensch." Dumah sah mich verständnislos an - anscheinend hatte er vom Ältesten der Brüder erwartet, dass er mit seiner Armee den Feind überrennt - aber dann wandte er seinen Blick von mir ab. Kain lächelte auf eine subtile Art und Weise, und das machte mir irgendwie Sorgen. "Dann werden wir wohl unseren Gästen einen Willkommensgruß übermitteln, der sie für alle Zeit auslöschen wird.", Kain, der die ganze Zeit gesessen hatte, stand auf, umfasste den Griff seiner Klinge, als wolle er sie nie wieder loslassen und deutete in Richtung der Tür, "Ich hoffe nur, sie haben sich schon mit dem Tod angefreundet." Turel, Dumah, Zephon und Melchiah riefen ihre vampirischen Kinder zu sich während Rahab und meine Wenigkeit als ,Kain's private Armee' an seiner Seite das Heiligtum verließen. ~~;~~ Als wir ins Freie traten, fand ich Turel's Bezeichnung der Massen ein klein wenig untertrieben. Gut zweitausend Mann war diese Armee der Vampirschlächter groß, wenn nicht größer. Ich konnte nicht wirklich erkennen, was sich noch versteckt hielt und darauf wartete, sich zu zeigen. Ich spürte die Anspannungen in all meinen Brüdern. Einzig und allein Kain schien eine ruhige Kugel zu schieben und schätzte murmelnd die Fluchtchancen der Sarafanen ab, wenn ihre Zahl erst einmal bis auf ein Minimum reduziert worden war. "Ergebt euch, Vampire! Dann versprechen wir euch einen schnellen Tod sowie eine reinigende Läuterung durch Feuer!" Kann grinste höhnisch. "Wir könnten euch das Selbe versprechen!", rief er, "Aber das wäre gelogen!" Dann richtete er den Soul Reaver auf die Sarafanen; das Zeichen zum Angriff. Zuerst fegten die Truppen meiner Brüder über uns hinweg - bildeten die erste Angriffswelle. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Rahab schluckte. "Gehen wir es an.", sagte ich und wartete auch auf das Nicken meiner fünf Brüder, "Für den Gebieter!" Und mit Lauten, die allein den finstersten Tiefen der Hölle entspringen konnten, stürzten wir uns auf unsere Angreifer, mit dem Ziel, keinen von ihnen zu verschonen. Mein erstes Opfer war eine Frau. Waren die Sarafanen denn so verzweifelt, dass sie sogar Frauen ausbilden mussten? Mit ein paar gekonnten Hieben riss ich tiefe Wunden in ihr Fleisch und trank ihr Blut, als sie zu schwach wurde, auf den Beinen zu stehen. Mitleid hatte ich mit diesen Menschen keines, denn sie hatten ihr Schicksal selbst gewählt. Vielleicht war der Tod durch unsere Hand einfach zu gnädig für diese geblendeten Schwächlinge. Ich riskierte hin und wieder Blicke zu meinen Brüdern und den Heerscharen von Turel, Dumah, Zephon und Melchiah. Entgegen dem, was Turel gesagt hatte, schlug sich sein Clan wirklich gut. Die Dumahim walzten alles, was ihnen unter die Füße kam, gnadenlos platt; sie brachen Knochen und entfesselten ein Crescendo des Schmerzes. Zephonim und Melchiahim hatten durch die Vorarbeit der beiden anderen Clans nicht so viel Arbeit, aber auch sie schlugen sich für die schwächsten Glieder erstaunlich tapfer. Ich versuchte, nachdem ein weiterer Sarafan mich attackiert und ich ihn niedergestreckt hatte, einen Blick auf Rahab zu erblicken; aber ein Geräusch, das es mir kalt den Rücken hinab laufen ließ, unterbrach meine Suche zunächst: Das Geräusch des Schwertes, das Kain mit sich trug - der Soul Reaver. Die Klinge weidete sich an den Seelen derer, die sie niederstreckte und der Ausdruck auf Kain's Gesicht, wie er die Massen von Sarafanen abschlachtete, war selbst für furchtlose Kreaturen wie uns Vampire ein Anblick, den wir nie vergessen würden. Weder meine Brüder noch ich wollten durch den Reaver sterben und auf ewig als Seelen durch die Klinge streifen; keiner wusste, wie viele dieses Schicksal bereits ereilt hatte. "Vae victus!" Kain genoss seine Arbeit zusehends. Einerseits verstand ich es, denn immerhin waren die Sarafanen diejenigen gewesen, die Vorador, den letzten Vampir neben Kain und Janos, seinerzeit aufs Schafott geführt hatten. Selbst wenn Kain nicht gerade selbstlos war - der letzte seiner Art zu sein war niemals eine gute Sache. Vielleicht war das seine Art ,Rache' für diese Behandlung der vampirischen Rasse, und ich ließ ihm seinen Spaß; zumal ich bezweifelte, dass ich viel hätte tun können... Auf einmal erblickte ich Rahab. Und der Anblick dessen, was sich bei ihm abspielte, ließ meinen Magen eine schmerzhafte Drehung vollführen: Vier Sarafanen hatten ihn mit ihren Lanzen an den Boden gepfählt, während ein Fünfter nun auf das Herz meines Bruders zielte. So schnell wie es mir meine übermenschlichen Kräfte erlaubten, hastete ich meinem jüngeren Bruder zu Hilfe. In meiner Hast entriss ich einem niedergestreckten Sarafan seine Lanze und streckte sie von mir - genau in Richtung des Beinahe-Brudermörders. Mit der Kraft eines einfachen Menschen wäre die Klinge der Lanze vermutlich nicht einmal in der Lage gewesen, dem Harnisch des Sarafans einen Kratzer zuzufügen, aber in den Händen eines Vampirs konnte sie sogar Eisen schneiden. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf die Gesichter seiner Verbündeten und das von Rahab. Die Ersteren schienen nicht mit mir gerechnet zu haben und starrten mich reglos an, während Letzterer mir stumm für meine Unterstützung dankte. Der Sarafankrieger am Ende der Lanze war jedoch nicht so dankbar dafür, dass ich ihn von seinem jämmerlichen Leben erlöst hatte und ließ wüste Flüche auf mich hernieder regnen, bevor er endlich starb. Dann wandte ich mich den anderen vier zu, indem ich die Lanze mit dem toten Sarafan einmal im Kreis wirbelte und sie somit zu Boden riss. In der Zeit, die sie zum Aufstehen brauchten, löste ich Rahab aus seinem ,Gefängnis'. Zusammen zahlten wir den Feinden mit gleicher Münze zurück, was sie schon unseren Vorfahren angetan hatten: Wir pfählten sie mit ihren eigenen Waffen. "Das war knapp.", Rahab lächelte unsicher, "Danke, großer Bruder." Ich zuckte sein Lächeln erwidernd mit den Achseln. "Kein Problem. Ich kann es nicht verantworten, dass einer meiner Brüder von diesen Wilden getötet wird, die uns als Bestien beschimpfen." Langsam näherte sich das Ende der blutigen Schlacht. Kain zog manisch lachend und "Vae victus!" rufend über die letzten Widerstände her, während meine Brüder und ich begannen, unsere Wunden zu schließen, indem wir sie mit dem Blut unserer Feinde heilten. Ich hatte nur einige Kratzer davongetragen, wogegen Dumah, der für Frontalangriffe immer zu haben war, mit so vielen Pfeilen gespickt war, dass er glatt als Kleiderhaken hätte durchgehen können. Oder mobile Vogelstange - wozu auch immer die Fantasie einen anstachelte. Zephon hatte laut Erzählung selbst nur knapp einer Pfählung entgehen können und Melchiah saß letzten Endes erschöpft und zusammengekauert auf dem Boden wie ein verängstigtes Tier, das jedoch angriffsbereit war, sobald es attackiert wurde. Triumph heischend erzählte Dumah davon, wie *er* die Schlacht zu unseren Gunsten entschieden hatte, während Zephon und Turel ihm die Pfeile aus dem Leib zogen. Ich meinerseits saß einfach stumm da, erfreute mich an Kain's (mehr oder weniger) gesundem Wahnsinn und fragte mich, woher die ganzen Sarafanen gekommen waren. Schließlich sollte besagte Vampirtilger- Vereinigung längst in der Hölle schmoren... "VAE VICTUS! MUAHAHAHA!" Ich seufzte und fragte mich wieder einmal, womit ich das verdient hatte... Bis Rahab sich zu mir setzte und einige Minuten schweigend den durchgedrehten Kain beobachtete, bevor er zu mir sprach. "Die Sonne.", murmelte er, "Die verdammte Sonne hat für einen Augenblick hinter den Wolken hervorgeschaut und mich geblendet. Daraufhin haben mich diese fünf Irren übermannt. Nicht auszudenken, was sie den Rahabim angetan hätten..." "Ich frage mich schon lange, warum Du so anfällig gegen die Sonne bist. Keiner von uns hat solch eine enorme Schwäche gegen sie wie Du. Dafür verträgst Du im Gegensatz zu uns Wasser. Allerdings...", ich schielte unauffällig zu Dumah herüber, der noch nicht ganz ent-Pfeil-t war und schüttelte den Kopf, "Dumah ist auch stark wie eine Dampfwalze und hat den Intelligenzquotienten eines Einzellers (wobei ich dem armen Tierchen womöglich noch Unrecht tat) - anscheinend hat es in Kain's Gabenvererbung Stärken und die dazugehörigen Schwächen gegeben." "Mag sein.", Rahab zuckte mit den Achseln, "Aber bist Du als sein Erstgeborener auch von irgendeiner Stärke beseelt, die ihr Gegenstück in Deinen Schwächen findet?" "Bisher nicht.", antwortete ich ihm ehrlich, "Und so schnell will ich sie auch nicht kennen lernen wenn ich ehrlich bin. Der Vampirismus ist kein Fluch sondern ein Segen, Rahab; wir werden mit jeder Metamorphose immer mehr Göttern gleich. Das einzig Störende ist der Blutdurst, wegen dem wir jeden Tag auf die Jagd gehen müssen. Aber wenn wir für die Macht, die wir haben, auf ein paar Schwächen achten müssen, dann werde ich das auf mich nehmen. Gegen Deine Schwäche finden wir etwas, Rahab, und wenn der Irre, der sich unser Gebieter und Herrscher über das langsam verfallende Nosgoth nennt, Dir eine seiner berühmten Erfindungen kreieren muss." "Hey, wo sind die ganzen Sarafanen?", rief besagter Gebieter und Herrscher enttäuscht zu uns herüber, "War's das etwa schon?!" Warum hatte ich nur so ein schlechtes Gewissen, Rahab den Projekten unseres großen und einfallsreichen Gebieters zu überlassen...? ~~;~~ "Sarafanen!", Kain stapfte wütend auf und ab, während meine Brüder sich aus Angst vor verbalen Ausbrüchen des Gebieters hinter seinem Thron versteckten, "Wenn ich sie damals nicht selbst bis auf den letzten Mann gejagt hätte, wäre ich jetzt nicht so verdammt sauer! Andererseits... war es mal wieder ein netter Zeitvertreib. Aber das ändert nichts daran, dass jemand versucht, uns zu vernichten!" Ich wusste nicht womit ich ihn hätte beruhigen können. Also stand ich einfach nur da und zählte die Flecken auf den Clanstandarten. Eins... zwei... drei Millionen... Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was schlimmer an der ganzen Situation war: Festzustellen, dass meine Füße eingeschlafen waren, dass meine Standarte mehr Flecken und Löcher aufwies als Kain's Küchenschürze oder dass meine Brüder erbärmliche Feiglinge waren. Negativ betrachtet war alles so ziemlich gleich schlimm; einmal abgesehen von den Zukunftsvisionen meines Gebieters, in denen er einen riesigen Tintenfisch besiegte, der an einem Rad (DEM Rad? Klapse?) drehte und ein widerlich gluckerndes Lachen von sich gab (Sadist?). Vielleicht sollte der große grüne Herrscher von Nosgoth weniger in den Vortex starren und den Homeshopping- Kanal abschaffen. So löblich seine Erfindungen auch sind - Kanäle, in denen die Kinder meiner Brüder jeden Ramsch unters gemeine Volk bringen, den man in der Besenkammer findet, grenzen doch eher an menschliche Debilität... "...el!" Andererseits, wenn ich zwei meiner fünf Brüder so ansah, war so etwas ja zu erwarten gewesen. Dumah und Zephon zählten nun einmal zu der Sorte Brüder, die man am Besten in den Vortex tritt und wartet, bis dieser sie vor Ekel wieder ausspuckt. "RAZIEL!" Kain's Stimme dröhnte durch meine Gehörgänge; es war anscheinend nur meinem glücklichen Zustand von ,Untot' zu verdanken, dass ich nicht taub war... "Gebieter?", fragte ich und ignorierte den widerlichen Piepton, der durch meinen Kopf dröhnte. "Nimm Deine Brüder und kehrt in eure Domänen zurück. Ich muss herausfinden, wer hinter dem Angriff auf uns steckt.", Kain hob bedrohlich den Soul Reaver und kratzte sich am Kopf, "Und dabei brauche ich ABSOLUTE Ruhe!" Bis auf den stummen Protest, dass keiner von uns bisher auch nur einen Ton gesagt hatte, gehorchten wir und verließen unseren Gebieter. Ich weiß nicht, wie es meinen Brüdern ging, aber ich merkte, dass Kain nicht allein darüber nachdenken wollte. Es gab nur einen, der in Frage kam. Und im selben Moment wünschte ich mir, dass dieser Eine sich auch die Zeit nahm, mir einige Fragen zu beantworten. ~~;~~ Während Kain seine "Ruhe" benötigte, machten wir uns auf, die Überreste des Kampfes zu beseitigen. Alle Leichen wurden in den südlich des Heiligtums liegenden Vortex - auch "See der brennenden Toten" genannt - geworfen. Was danach mit ihnen passiert, vermag keiner von uns auch nur zu vermuten... Nach getaner Arbeit zog sich jeder in seine Domäne zurück, um zu ruhen und Nachricht von Kain zu warten. Umgeben von meinen Kindern harrte ich auf meinem Thron und schlug die Zeit mit Nachgrübeln tot. Bis sich ein seltsames Ziepen zwischen meinen Schultern zu Wort meldete. Ich versuchte die Stelle am Rücken zu berühren, was aber aufgrund meiner eingeschränkten Beweglichkeit scheiterte. Wir waren den Menschen vielleicht körperlich überlegen, aber das beinhaltete nicht, dass wir uns beliebig verrenken konnten. "Raziel." Mit düsterer Vorahnung sah ich auf. Janos stand vor mir und musterte mich mit einem streng-väterlichen Gesichtsausdruck, den Kain immer aufgesetzt hatte, wenn wir mit unseren Opfern spielten, statt unserem Blutdurst direkt nachzugeben. "Du wolltest Antworten, Raziel.", sagte er und verschränkte die Arme, "Aber kennst Du auch die Fragen zu ihnen? Obwohl Du den mächtigsten Clan unter Kain's Statthaltern führst, kann ich Dir Deine gesuchten Antworten nicht geben. Es ist zu früh." Ich spürte ein leichtes Aufflackern von Zorn in mir. "Und wann wird die Zeit da sein, mir endlich zu sagen, warum gerade Du - Janos Audron, der Vater unserer Rasse - solch ein Interesse am ersten Statthalter Kains hast? Wenn es *zu spät* ist - wann immer das auch sein wird?" Janos schwieg. Er sah mich einfach nur an, als sollte ich erraten, was er dachte. Bis er letztendlich die Arme aus ihrer Verschränkung löste und mir seine rechte, zur Faust geballte Hand hinstreckte. Ich wollte zu einer Frage ansetzen, als er schon handelte: Er öffnete die Hand und gab eine weitere schwarze Feder preis, die in seiner Handfläche ruhte. Verständnislos sah ich ihn an. "Janos - was...?" "Nicht sprechen. Nehmen und konzentrieren." Ich nahm die Feder, weigerte mich aber zunächst, seinen zweiten Befehl auszuführen. Der Geflügelte sah mich einige Sekunden ein wenig aus der Fassung gekommen an, bevor er mir seine Hände auf die Schultern legte. Ein unangenehmes Gefühl - als würde mein Körper von Etwas fortgezogen - zerrte an mir raubte mir mein Bewusstsein... Kapitel 2: Kapitel 2 - Fragen oder gefragt werden - das ist hier die FRAGE! --------------------------------------------------------------------------- Fragen oder gefragt werden - das ist hier die FRAGE! Ich erwachte auf einem Bett. Aber nicht auf irgendeinem. Es war das von Janos. Woran ich das erkannte? Nun, drücken wir es so aus - mein Blick fiel auf diverse Anhaltspunkte, wie zum Beispiel das riesige Wandbild, auf dem Janos Vorador reformierte, ein Bild auf dem davor stehenden Schrank, das ihn, Vorador und Kain als Weihnachtsmänner verkleidet zeigte und nicht zu vergessen Janos himself, der sich über mich lehnte und eine besorgte Miene machte. Zuerst starrten wir uns nur an und in diesem unbewegten Moment kam mir wieder die Frage nach seinen Flügeln in den Sinn - ob sie mich tragen konnten und wie die Unendlichkeit des Himmels so war. Seine Schwingen waren so imponierend und kräftig, aber ihr Besitzer selbst schien nicht sehr glücklich über sie zu sein. Ich fragte mich, warum dem so war; immerhin war er der einzige Vampir mit Flügeln, den ich kannte... „Du bist also wieder wach.“, stellte Janos ein klein wenig beruhigt fest und als sein Atem mein Gesicht streifte, jagte eine Gänsehaut über meinen Rücken, „Tut mir Leid, wenn ich Dir mit der Teleportation hierher das Bewusstsein geraubt habe - es war nicht meine Absicht. Aber Du scheinst das reisen auf diese Art nicht gewöhnt zu sein, oder?“ „Nicht wirklich.“, ich grinste Janos etwas schüchtern an, „Kain, mein Gebieter, bevorzugt das Reisen in Gestalt eines Fledermausschwarms. Ich selbst bin lieber zu Fuß unterwegs.“ „Verstehe.“, mein Gastgeber trat von seinem Bett zurück während ich mich aufrappelte; immerhin zählte das faul sein zu den Attitüden zweier meiner Brüder, die ich - um es nebenbei zu erwähnen - nicht besonders leiden kann, „Dennoch entschuldige ich mich noch einmal für die Unannehmlichkeiten. Auf jeden Fall brachte ich Dich hierher, um Dir einige Deiner auf der Zunge brennenden Fragen zu beantworten. Und auch, um Dir selbst ein paar wenige zu stellen. Nun - wie beginnen wir also?“ „Beginnen wir mit meinen Fragen.“, forderte ich, wobei ich sogleich eine Veränderung in Janos’ Augen bemerkte, die vielleicht das Aufflammen verletzten Stolzes war, „Denn Du warst es erst, der diese Fragen in mir heraufbeschwor, Janos. Nun schuldest Du mir etwas.“ „Tue ich das, hm?“, fast hätte ich den geheimnisvollen Unterton in Janos’ Stimme überhört, der als Sarkasmus getarnt seiner Frage - oder eher ‚Feststellung’ - anhaftete, „Nun gut, so sei es. Folge mir, wenn Du bereit bist für die Wahrheit.“ Und ich folgte Janos. „Also?“, Janos bot mir einen Platz an seinem Kamin an, bevor er sich selbst setzte, „Ich erwarte Deine Fragen, die so dringend einer Antwort bedürfen.“ Fast hätte der Vater der Vampire mich aus der Fassung gebracht, was allerdings daran lag, dass er noch immer diesen seltsamen Ton an sich hatte, der mir sagen sollte, dass ich besser aufpasste, was ich sagte... „Mein Wissen. Über Kain und Dinge, die ich an sich nicht wissen sollte.“ „Eine einfache Frage, die Du zum Teil schon selbst im Geiste beantwortet hast. Erinnerst Du Dich an die Zeichen, die ich auf Deinen Rücken schrieb; in Deinem eigenen Blut?“ „Ich erinnere mich. Sie waren mein erster Verdacht.“ „Und damit lagst Du richtig. Die Zeichen sind Worte in der Sprache meines Volkes - der Geflügelten. Als junger Geflügelter wurde ich in der hohen Sprache unterrichtet. Ein Symbol auf Deinem Rücken bedeutet ‚Wissen’. Aber das hast Du ja selbst festgestellt.“ „Das andere?“ „Es steht für Messias.“ „Bin ich ein Messias?“ „Habe ich Dich nach einer neuen Frage gebeten?“ Ich wollte mich entschuldigen; ihm sagen, dass er doch fortfahren und meine Frage vergessen sollte. Aber mein Stolz ließ das nicht zu. Ich starrte ihn nur an wie ein begriffsstutziger Bauer - warum kam mir auf einmal Dumah in den Sinn? - und merkte, wie ich Janos verärgerte. Natürlich ließ er es sich nicht ansehen, aber ich spürte den Zorn ob meiner Sturheit. „Kain hat Dir ein wenig zuviel seines überheblichen Stolzes abgegeben, Raziel. Benimm Dich nicht wie Deine Brüder - Du weißt welche ich meine - sondern nutze die Weisheit, die Kain zum Großteil an Dich weitergab. Stolz bringt Dich bei mir nicht weiter; dafür habe ich lange genug unter den Menschen gelitten. Sowie mein Sohn Vorador.“ Vorador... Ich hatte fast vergessen, was sie ihm angetan hatten; trotzdem konnte man dies den Menschen nicht verzeihen. Sie hatten somit die Vampire nahezu an den Rand der Auslöschung getrieben... „Ich entschuldige mich, Janos. Doch Du gebotest mir, meine Fragen zu stellen.“ „Ich weiß. Fahren wir also fort. Du fragtest, ob Du ein Messias bist. Fühlst Du Dich wie einer? Weißt Du denn, von was Du kündest? Ist dem nicht so, dann bist Du vermutlich keiner. Trotzdem sollte man sich nicht immer allein auf sich selbst verlassen, sondern dem Schicksal vertrauen.“ „Sowie Du dem Schicksal vertrautest, als man Dir das Herz aus dem Leib riss?“ „Nein. Damals hoffte ich, für immer von dieser Welt gegangen zu sein. Aber dem war ja nicht so.“ „Bist Du wütend darüber?“ „Sollte ich?“ „Begeistert klingst Du ja nicht gerade.“ „Weil derjenige, der mich wiedererweckte selbst durch die Hölle gehen musste, um mir mein Herz zu bringen. Selbst danach verfolgte ihn die Hölle bis zu seiner Erlösung. In meinen Augen war das alles so sinnlos...“ „Wer war Dein Retter? Und was war die Hölle, die ihn verfolgte?“ „Ich darf es Dir nicht sagen, Raziel. Meine Pflicht bindet mich.“ Ich hob eine Augenbraue. „Welche Pflicht zwingt Dich dazu, Deinen Retter zu verheimlichen?“ Janos sah mich aus traurigen braunen Augen an. „Meine Pflicht als 10. Hüter. Der Hüter des Soul Reaver.“ Soul Reaver!? Moment einmal - war das nicht Kain’s Krückstock des Todes? „Was bedeutet das?“ „Tut mir Leid, ich darf es nicht sagen...“ „JANOS! VERDAMMT NOCHMAL - WIE WILLST DU MEINE FRAGEN BEANTWORTEN, WENN DU ES NICHT DARFST?!“ Aber Janos schwieg, während er den Blick wieder von mir abwandte. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und schreiend durch den Raum gelaufen, aber das hätte wohl auch nichts an dem grausigen Schweigen geändert, das Janos mir jetzt schenkte. Ich spürte wieder - dieses Mal stärker als beim letzten Mal - den Drang, mich entschuldigen zu müssen. Es war falsch, Janos anzuschreien. Es war falsch, ihn ob seiner Pflichten jemanden zu nennen, der auf eine Party einlud, dann aber nicht feiern wollte. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und senkte den Kopf. „Janos, es tut mir Leid...“ „Sag nichts, Raziel. Ich habe Deine Entschuldigung schon angenommen, bevor Du sie überhaupt gedacht hast.“, Janos seufzte, „Ich kenne Dein Herz und Deine Gedanken, Raziel, es gibt so gut wie nichts, was Du vor mir verheimlichen kannst; zumindest, wenn es um mich geht. Also tu, was Du tun musst und stelle Deine letzte Frage, die ich wohl noch beantworten kann.“ Irgendwie fühlte ich mich ertappt. Als wenn Kain mal wieder in der Tür stand, während meine Brüder und ich wilde Partys feierten - und eben all die anderen verbotenen Dinge taten, die wir getan hatten, als wir noch jung waren. Aber der Grund für meine Scham lag wohl dieses Mal eher darin, dass Janos meine Frage von Anfang an gewusst hatte. Die Frage, die mir in den Kopf geschossen war, als wir uns einfach nur angestarrt hatten. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und streckte meine rechte Hand aus. Ich musste nicht viel Distanz überwinden, um Janos’ linken Flügel zu berühren. Der Geflügelte zuckte zusammen, als habe ihm jemand Strom durch den Körper gejagt. „Warum, Janos?“, fragte ich leise aber wohl noch laut genug, dass er mich verstand, „Warum bist Du nicht glücklich mit Deinen Flügeln, wo Du doch der einzige unserer Rasse bist, dem sie vergönnt sind?“ „Weißt Du, Raziel, genau da liegt das Problem begraben. Und nur um Deinetwillen werde ich es zum letzten Mal in meinem Unleben wieder aus den Tiefen meiner Erinnerung ausgraben.“ Dann begann er zu erzählen. „Vor vielen tausend Jahren - weit vor Voradors und Kains Geburt - war die Rasse der Geflügelten ein stolzes, edles Volk. Wir waren den Göttern gleich, wenn man das so behaupten darf. Wir wurden in den verschiedensten Arten der Magie unterwiesen, und, was noch schöner war als das, im Fliegen. Unsere Flügel stellten wohl den Höhepunkt unserer Entwicklung dar, und sowie die Flügel der Engel waren sie für uns heilige Symbole. Doch eines Tages verfinsterte sich das Land. Ich selbst war gerade einmal an meinem tausendsten Lebensjahr angekommen, als ich mit ansehen musste, wie die Hylden versuchten, Nosgoth zu unterwerfen. Sie wollten die Menschen versklaven, um sie für niedere Arbeiten zu missbrauchen, wogegen die Menschen im eigentlichen Sinne unsere Verbündeten waren. Wir beschlossen, dem Treiben der Hylden ein Ende zu setzen, aber der Weg bis dahin war weit. Sie waren viele und vor allen Dingen waren sie rücksichts- und gnadenlos. Es mussten viele meines Volkes sterben, bevor wir die ultimative Waffe gegen die Hylden entwarfen. Ja, Raziel, es ist genau die Waffe, an die Du gerade denkst - der Soul Reaver. Es begab sich zu dieser Zeit, dass der Sohn einer adligen, mit den Geflügelten eng verbundenen Familie gerade seine Stellung als Meisterschmied eingenommen hatte. Ich besuchte ihn also eines Nachts und zeigte ihm Bilder des Schwertes, das er in unserem Auftrag schmieden sollte, und ich weihte ihn in einen kleinen Teil der großen Prophezeiung ein. Erlöser und Zerstörer - Du erinnerst Dich? Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Nachdem Vorador den Soul Reaver geschmiedet hatte, belegten wir ihn mit starken Zaubern, unter anderem den, der es ermöglicht, dem Gegner die Seele zu stehlen. Wir führten die Klinge in die Schlacht und zu ihrer blutigen Taufe. Der Reaver war schon seit jeher ein mächtiges Schwert, und mit seiner Hilfe allein gelang es uns auch, den Feind in eine andere Dimension und so für alle Zeiten aus unserer Welt zu verbannen. Allerdings...“ Janos machte eine Pause, als fiele ihm das, was er noch sagen wollte, ziemlich schwer (und ich war mir sicher, dass es das auch war). Er besah seine Hände und seufzte. „Allerdings belegten uns die Hylden mit einem unheilvollen Fluch - Unsterblichkeit in Einheit mit nie versiegendem Blutdurst. Unsere Seelen sollten auf immer in diesem Fleisch gefangen sein und der Blutdurst würde uns ewig an unseren teuer erkauften Sieg erinnern. Nach der Verbannung errichteten wir die Neun Säulen und ernannten Neun Hüter. Ich selbst leistete den Schwur als 10. Hüter; nämlich als der Hüter des Reavers. Jahre vergingen und wir stellten fest, dass unser Gott, den wir so lange verehrt hatten, nicht mehr zu uns sprach. Er schwieg und der Großteil von uns stürzte sich in den Freitod, da sie die Abkehr unseres Gottes nicht ertrugen. Seine Gnade gilt nicht den Unsterblichen, da jedes Wesen an das Rad des Schicksals gebunden ist - welches einen Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt verkörpert. Meine Rasse starb, doch ich überlebte, weil meine Pflicht es mir so gebot. Und weil ich auf den Helden der Vampire warten musste. Den Erlöser von Nosgoth. Jahrhunderte der Einsamkeit zogen an mir vorbei und die Säulen fielen den Menschen in die Hände, da die Säulen ihre Wächter durch Geburt wählen und Vampire nicht mehr geboren werden. Sie rissen die Säulen an sich, verweigerten sich der dunklen Gabe und rotteten uns fast nahezu aus, obwohl wir ihnen im Kampf gegen die Hylden geholfen hatten. Ich hatte Vorador ein paar Jahre nach der Verbannung des Feindes zum Vampir gemacht; der erste, der die Dunkle Gabe überhaupt empfing. Er sah auch als einziger seiner Art in der Unsterblichkeit einen Segen anstatt eines Fluches. Trotzdem war er nur ein Vampir, wogegen ich der letzte ‚geflügelte’ Vampir bin. Und nun sage mir, Raziel - warum glaubst Du, bin ich mit meinen Flügeln nicht glücklich?“ Ich war fasziniert und ergriffen zugleich von dem, was Janos mir erzählt hatte. Er war der Letzte seiner Rasse. Niemals würde er wieder jemanden aus seinem Volk an seiner Seite haben; auf ewig würde er als der ‚Letzte, geflügelte Vampir Nosgoths’ bekannt bleiben... „Ich verstehe Dich, Janos. Ich lebe vielleicht unter Kain und meinen Brüdern - aber Du kennst die Situation ja: Kain = wahnsinnig; meine Brüder = gähnend langweilig/nervtötend. Manchmal frage ich mich, warum ich mich einsam fühle, obwohl sie meine ‚Familie’ sind. Nie kam mir auch nur der Gedanke, solch tiefsinnige Fragen zu stellen, weder mir noch sonst jemandem, aber seit ich Dich zum ersten mal sah, Janos, gehen mir solche Dinge nicht mehr aus dem Kopf. Deine Flügel erinnern Dich immer wieder daran, dass Du nicht sterben kannst, dass Du immer der letzte Hüter sein wirst, während noch viele tausend Jahre ins Land ziehen. Ich dagegen fürchte, meinen Verstand zu verlieren ob dieser vielen Fragen, die gegen meine Schädeldecke pochen, Tag für Tag. Und jedes Mal, wenn Du bei mir bist, werden es mehr Fragen...“ „Nun.“, Janos zwang sich zu einem Lächeln, „Dann ist es ja jetzt sicherlich an der Zeit, meine Fragen an Dich zu stellen.“ Ich nickte, schließlich hatten wir eine Vereinbarung. „Du kennst die Geschichten um den 'Fluch der Vampire'. Ich sprach von einem Helden, der kommen soll, um uns endgültig zu erlösen... Wie viel weißt Du darüber?“ Als mir Janos diese Frage gestellt hatte, runzelte ich meine Stirn und tat so, als würde ich überlegen, während in meinem Kopf gähnende Leere über dieses Thema herrschte! Klar, in meinem Hirn pochten kleine Äderchen, die sich zwanghaft an einem Bruchstück einer Idee klammern wollten, nur war da nichts zum klammern... „Also weißt Du noch weniger wie wir.“, Janos schmunzelte, „Dabei ist das kaum verwunderlich. 'Erlöser und Zerstörer' – was ergibt das schon für einen Sinn? Wie kann eine einzelne Person gleichzeitig auf zwei Seiten stehen? Wir verstehen es nicht.“ Da gab es ja auch nicht sonderlich viel zu verstehen. Ich verstand ja nicht einmal, wovon Janos sprach. Dass es mir irgendwann in ferner Zukunft einmal sonnenklar sein sollte, wusste ich zu der Zeit noch nicht, aber man kann ja schlecht von mir verlangen, dass ich alles weiß oder kann. Aber warum fragte Janos gerade MICH nach diesen Dingen? War ich etwa besonders? Ich war vielleicht der Erstgeborene in Kains Dynastie des Wahnsinns, aber deswegen gleich ein V.I.V.? Very Important Vampire? Wohl kaum. Meine Selbstironie schwand, während ich Janos in die Augen sah, die nach Antworten suchten. Schließlich gab er es auf. Er war müde, immerhin war er der Älteste meines Volkes... Irgendwann schwanden auch seine Kräfte. „Ich werde Dich nun verlassen, Janos.“, ich erhob mich von meinem gemütlichen Platz und verbeugte mich tief vor dem Urvater der Vampire, „Es war sehr angenehm in Deiner Gesellschaft. Ich hoffe, wir können die ungeklärten Fragen irgendwann beantworten.“ Janos erhob sich ebenfalls, um mich zur Tür zu geleiten. „Ich bete dafür, Raziel, auch wenn unser Gott unsere Gebete nicht mehr erhört...“ Gott... bittere Ironie, dass der so genannte „Gott“ der Vampire ein Parasit ist, der sich am Tod weidet... Doch davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Der Elder war mir völlig unbekannt und im Nachhinein wäre ich wirklich froh gewesen, wenn mir sein Anblick erspart geblieben wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)