Son of Ra von Autumn (YamixBakura) ================================================================================ Kapitel 9: Einstmals -------------------- 31 Kommis....hach, wie schön!^^ Endlich habe ich daran gedacht, das neue Kapitel hochzuladen! *es ständig vergessen hat* *sich tret* Dies ist also das große Enthüllungskapitel und Ihr erfahrt, was im Leben von Yami und Bakura anders verlaufen wäre, wenn es Apophis nicht gäbe...Viel Vergnügen! Kapitel 9: Einstmals „Sie kommt nicht." Bakuras Stimme klang angesäuert. Er und Yami nahmen ein karges Frühstück zu sich und warteten auf die Göttin Maat, die ihnen angekündigt hatte, am Morgen des neuen Tages zurückzukehren und ihnen die Geschichte um Apophis zu erzählen, sofern sie sich dazu entscheiden sollten. „Du hast nicht die geringste Geduld, Grabräuber", erwiderte der Meisterduellant kühl. „Wenn du tatsächlich glaubst, die Götter würden sich nach deinen Launen richten, dann bist du ein Opfer übersteigerten Selbstbewusstseins!" „Ausgerechnet du willst dich zu übersteigertem Selbstbewusstsein auslassen, Pharao, ausgerechnet du, der du vermutlich das Wort ‚Selbstüberschätzung‘ erfunden hast?! Außerdem ist es ein Fakt, dass Maat immer noch nicht hier ist! Göttin oder nicht, ich mag es nicht, wenn man mich warten läßt!" „Das sind Gründe zum Aufregen, du undankbarer Mistkerl...." murmelte Yami leise vor sich hin, als plötzlich ein helles Licht neben ihnen aufstrahlte und sich die schöne Erscheinung von Ras Tochter materialisierte. Der Bunthaarige verneigte sich ehrerbietig und verpasste dem anderen einen Schlag mit dem Ellbogen, damit er es ihm nachtat. „Ja, is‘ ja gut, ich mach das freiwillig, verdammt....!" ~~ Ich bin erfreut, Euch wiederzusehen, mein Bruder auf Erden....und auch dich, mein fehlgeleiteter Schüler. Ich habe euch beiden letztes Mal ein Angebot gemacht. Nun? Wofür habt ihr euch entschieden? ~~ „Wir wollen die Wahrheit erfahren." „Sagt wer? Mich hat niemand gefragt!" „Bakura....", erklärte der ehemalige König Ägyptens in unheimlich sanftem Ton, „....bitte, reiß dich zusammen! Es genügt, dass du entsetzlich blöd bist! Sei nicht auch noch frech!!" „Blöd? BLÖD?! Wen nennst du hier blöd, du dämlicher Kakadu?!" ~~ Wie ich sehe, seid ihr in bester Verfassung! Reicht mir die Hände. Ich werde euch in eine alternative Vergangenheit bringen, eine Vergangenheit, wie ihr sie hättet erleben können, wenn Apophis sich nicht in euer Leben eingemischt hätte. ~~ Die Kontrahenten wechselten einen feindseligen Blick und ergriffen ein wenig missmutig und zögernd die rechte und die linke Hand der Gottheit. Ein Sog bildete sich über ihnen und zog sie in einen Strudel. Als diese rasante Reise ihr Ende fand, breitete sich unter ihnen die Stadt Theben aus, in der Ferne ragte der Palast des Herrschers in den wolkenlos blauen Himmel. Maat flog mit ihren Begleitern auf das eindrucksvolle Bauwerk zu und landete mit ihnen in einem Innenhof, der sorgsam von den hohen Mauern umschlossen und wie ein Garten gestaltet war. Man hatte Palmen als Schattenspender gegen die mittägliche Hitze gepflanzt und Springbrunnen bauen lassen. Selbst das Gezwitscher von Vögeln war zu hören und süße, fast berauschende Düfte erfüllten die Luft. Zwischen zwei der Blumenrabatte kam ein kleiner Junge auf seinen dicken Ärmchen und Beinchen hervor gekrabbelt und steuerte auf eine kostbar gekleidete Frau zu, die ihn zärtlich anlächelte. Sie trug ein weißes langes Kleid, das an der Taille mit einer goldfarbenen Schärpe gerafft wurde. Außerdem war sie über und über mit schwerem Schmuck behangen, ein Halskragen mit tropfengroßen Juwelen und eine Kette mit einem Skarabäus waren besonders zu erwähnen, wie auch die Armreife und Ohrringe. Sie war auf traditionelle ägyptische Art geschminkt und ihre ohnehin schon ausdrucksstarken violetten Augen erfuhren durch den blauen Lidschatten eine zusätzliche Betonung. Ihr bis zur Hüfte reichendes Haar war ungewöhnlich, denn obwohl es zu etwa drei Vierteln nachtschwarz war, war das Pony blond und rote Strähnen zogen sich durch die dunkle Mähne. Das Kind, das sich ihr näherte, sah ihr mit der gleichen Mischung aus Haar- und Augenfarbe äußerst ähnlich.... Yami drohte die Stimme zu versagen. Er starrte den Säugling an und danach die Frau, die ihren Sohn (denn kein anderer konnte es sein) hochhob und auf beide Wangen küsste. Er quietschte und brabbelte, zog das Näschen kraus und versuchte, die Skarabäuskette seiner Mutter zu umfassen. Als er sie in die Finger bekam, lutschte er selig darauf herum. „Du solltest aufpassen, was er alles in den Mund steckt, meine liebe Freundin. Allerdings glaube ich nicht, dass das Gold deiner Kette giftig ist." Sie wandte sich um und eine weitere Frau betrat den Garten, gewandet in die Robe einer hochrangigen Priesterin. Bakura wich zurück, als übersteige diese Szene seine gesamte Vorstellungskraft. Dennoch war sie da, lächelte auf die ihm so vertraute Weise und sprach mit dieser hohen Dame, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Seine Mutter....! ~~ Ihr habt sie gewiss erkannt, nicht wahr? Sohn des Ra, dies ist Königin Neftaria, die Gemahlin von Pharao Akunumkanon. Eure Mutter. Und das hier, Bandit, ist die deine, Meret, die....~~ „Das kann nicht sein!" unterbrach er sie heftig. „Auch wenn Ihr uns jetzt das Leben zeigt, das wir hätten führen können, wenn Apophis nicht existieren würde, so ändert das doch nichts an den Tatsachen! Meine Mutter war arm und verdiente sich als Handwerkerin ihr Geld! Nie hätte sie je einen Fuß in den Palast setzen dürfen, geschweige denn, Freundschaft mit der Königin schließen können! Das ist absurd!" ~~ Ich verstehe deinen Ausbruch, aber du weißt nicht alles. Wie du schon sagtest, zeige ich euch ein Dasein, indem der Schlangendämon keine Gefahr darstellt. Daher beobachtet....und lasst mich ausreden! ~~ fügte sie streng hinzu. Der Weißhaarige rümpfte die Nase, besann sich jedoch eines Besseren und verkniff sich eine abfällige Bemerkung. ~~ Das ist deine Mutter, Meret....die Hohepriesterin der Maat! ~~ „Ho....Hohepriesterin?! Die Eure?! Das ist doch ein schlechter Scherz! Ich...." „Sei endlich still!!" zischte der Meisterduellant ihn an und richtete seinen Blick wieder auf die beiden Frauen, besonders auf jene, die die Göttin ihnen als Königin Neftaria vorgestellt hatte. Das also war jene, der er sein Leben verdankte, die ihn geboren hatte! Eine warme Welle der Zuneigung flutete in sein einsames Herz, als er sah, wie liebevoll sie mit dem Kind umging, das sie in ihren Armen wiegte. „Wo steckt eigentlich dein Sprössling?" fragte sie soeben. Meret zuckte ratlos die Schultern und strich sich eine Strähne ihres silbernen Haares zurück. „Schwer zu sagen. Seit er laufen gelernt hat, kann ich den Strolch kaum mehr finden. Er büxt ständig aus, sucht sich immer wieder neue Schlupfwinkel und erwartet dann von mir, dass ich die gesamte Palastanlage nach ihm durchforste! Um ehrlich zu sein, würde es mich nicht wundern, wenn er sich heimlich in unseren Tempel geschlichen hätte!" Neftaria lachte charmant und streichelte ihrem Sohn sanft durch das braune Gesichtchen. „Das würde zu seiner Abenteuerlust passen! Außerdem liebt er es, seinen Vater zu ärgern, vergiss das nicht! Ob mein kleiner Atemu wohl auch einmal so ungestüm sein wird?" Da war er. Der Name. Yami stand wie zur Salzsäule erstarrt. Das, wonach er so lange gestrebt hatte, war nun, mit einem Mal, vollkommen unerwartet, greifbar für ihn! Ein krampfartiges Zittern überlief seinen Körper und wie von weit her hörte er Maats Stimme an seine Ohren dringen: ~~ Ja, Sohn des Ra. Das ist Euer Name. An ihn binden sich Eure Erinnerungen. Wenn Ihr ihn aussprecht, könnt Ihr sie wiedererlangen. Aber seid Euch bewusst, dass das für Euch nicht allein Glück, sondern auch Schmerz bedeuten wird. ~~ Diese Mahnung erschütterte ihn, doch sein Verlangen, das „Ich" zu ergründen, das er einst gewesen war, war schier übermächtig. Seine Lippen bebten, als er wie unter großen Mühen den Mund öffnete und flüsterte: „Das bin ich. Mein Name....Ich bin....Atemu....!" Eine grässliche Pein durchzuckte seinen Kopf. Das Labyrinth in seinem Gedächtnis, in seiner Seele, begann, mit gewaltigem Getöse in sich zusammenzustürzen. Wirre Bilder in keiner erkennbaren Reihenfolge stürmten auf ihn ein, verdichteten sich zu einem Reigen, tanzten ihm vor dem inneren Auge und ergaben nach und nach eine Gesamtheit. Das Durcheinander, das Chaos, wurde hinweggefegt in einem einzigen, rauschhaften Moment. Beide Hände an die Schläfen gepresst, von denen der Schweiß perlte, sank der Pharao in die Knie und spürte, wie er von einer unaufhaltsamen Woge der unterschiedlichsten Gefühle überschwemmt wurde. Liebe, Fürsorge, Angst, Kummer, Freude, Enttäuschung, Hass, Zufriedenheit, Glück, Entsetzen, Sehnsucht, Zorn in stetigem Wechsel, bis jedes Stück Erinnerung seinen Platz gefunden hatte, um nie mehr von ihm zu weichen. Sein Atem glich einem Keuchen, als er sich aufrichtete und umschaute, wie ein Mann, der nach langer Reise endlich nach Hause gekommen ist. Ja, dieser Palast....! Er wusste, wo sein Gemach war, kannte die Namen seiner persönlichen Diener, den Stammbaum seiner Familie, erinnerte sich an das Kampftraining mit seinem Vater, an die Feste, die Tempel, die Basare....selbst die Hieroglyphen an den Wänden des Thronsaales sah er vor sich! Das Herz wollte ihm überquellen vor Entzücken und auch, als die düsteren und traurigen Bilder in ihm auftauchten, sogar jene mit Bakura....nein, Aton...., so vermochten sie es nicht, die Begeisterung zu dämpfen, die er in dieser Sekunde empfand. „Oh Maat, Ihr werdet mich für albern halten, aber....aber es ist unglaublich! Mein Kopf ist voll mit den verschiedensten Eindrücken! Ich erinnere mich....an alles....!" Er klang wie Kind, das ein Wunder erlebt, doch plötzlich fiel ein Schatten auf seine Züge und seine Euphorie schwand. Er wandte sich an den Dieb. „Ich erinnere mich an dich!" sagte er, hart und kalt. Der Angesprochene verschränkte gleichgültig die Arme, obwohl es seinem Herz einen winzigen Stich gab, dass die Aussage seines Gegners gar so grob war. „Na, das wird auch höchste Zeit, meinst du nicht? Zumindest bist du jetzt endlich im Bilde über meinen miesen Charakter und meine Verbrechen! Welche Erleichterung! Das erspart es mir, dir mein ganzes Strafregister vorzubeten!" „Du hast das Grab meines Vaters geschändet....du hast meinen treuen Freund Mahado auf dem Gewissen....und du wolltest Ägypten in ewiger Finsternis versenken!" „Du vergisst, dass ich deinen Vater für den Schuldigen an dem Massaker von Kul Elna hielt! Dein hochgeschätzter Mahado ist mir in die Quere gekommen, also musste ich ihn aus dem Weg räumen! Und was letzteres angeht: Davon weiß ich nichts!" „Du wagst es, das zu behaupten?! Hast du nicht den schrecklichen Angriff von Zork vorbereitet?! Warst du es nicht, der ihn geweckt hat, König der Diebe?!" „Du nennst meinen Titel, den die Gaunerzunft mir verlieh? Tatsächlich, dein Gedächtnis ist wahrhaftig zurück! Entschuldige, wenn ich dich nicht beglückwünsche! Aber ich fürchte, davon kriege ich das Kotzen! Und ich habe keine Ahnung von irgendeinem Zork!" „Pah, du lügst doch, sobald du den Mund aufmachst!" „Sagt einer, dessen Onkel unschuldige Menschen ermordet hat!!" ~~ HÖRT AUF!!!! ~~ Die majestätische, befehlende Stimme der Göttin unterbrach den Disput. ~~ Auch auf diese Fragen sollt ihr Antwort erhalten! Aber nun schweigt und seht zu! ~~ Sie verließen die zwei Frauen und gelangten zu einem respekteinflößenden Tempelbau. Im Naos, dem heiligen Zentrum eines Tempels, zu dem einzig der Oberpriester Zugang hatte, lungerte ein Junge von ca. zweieinhalb Jahren vor der Statue der Maat herum und bestaunte sie mit großen Augen. „Aton!" Der Knabe drehte sich um, erhob sich wackelig und stakste auf einen Mann zu, der in ein elegantes Gewand gekleidet war. Um seinen Hals trug er eine Kette mit einer Figur, die der Statue stark ähnelte. Er war breitschultrig und imposant, mit einer ähnlich wilden Frisur wie der Junge, nur dass seine Haare kohlrabenschwarz waren. „Vater!" Dem Grabräuber gefror förmlich das Blut in den Adern, aber nicht aus Angst. Er hatte seinen Vater nie gekannt und ihn nun vor sich zu sehen, ihn zu erleben, wie er sein jüngeres Ebenbild auf die kräftigen Arme hob und ihn zärtlich tadelte, dass er doch diesen geheiligten Ort nicht einfach so betreten dürfe, löste sich eine Klammer um sein Herz und erfüllte ihn mit der seit Jahrtausenden verdrängten Sehnsucht nach Familie, Heimat, Geborgenheit, auf die er viel zu früh hatte verzichten müssen. Yami indessen blieb die Gefühlsregung seines Rivalen nicht verborgen und aufs Neue empfand er es als seltsam und zugleich schmerzhaft schön, dass dieser hartgewordene Mann ein Herz unter seiner rauen Schale beherbergte. Draußen rief man: „Ehrenwerter Richter!" und Atons Vater eilte aus dem Naos zu einem seiner Untergebenen, der ihn über die Ankunft eines Verurteilten unterrichtete. „Betrug? Ich verstehe. Teile dem Angeklagten mit, dass ich ihn in der Stunde der Isis zum Gericht bitte. Ich muss erst meinen Sohn zu seiner Mutter zurückbringen." „Er....ist Richter?" erkundigte sich Bakura, der sich angesichts dieser Ironie eines Grinsens nicht erwehren konnte. Natürlich, die Figur an der Kette, ein Abbild der Maat! Sie war die Wahrheit, die Gerechtigkeit, die kosmische Ordnung und in ihrem Namen wurde Gericht gesprochen! Und dann war sein eigener Sohn ein Krimineller geworden! Was für ein Witz! ~~ Genau. Der Titel ‚Priester der Maat‘ ist als Ehrentitel zu verstehen und bezeichnet die Würdenträger der Gerichtsbarkeit. ~~ „Und was ist mit Meret? Wie kann sie in diesem Fall Hohepriesterin sein?" ~~ ‚Maat‘ ist das ägyptische Wort für die kosmische Ordnung, die der Pharao zu bewahren hat. Diese Ordnung schließt Mann und Frau mit ein, die Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Die Aufgabe meiner Hohepriesterin ist es, den weiblichen Aspekt dieses Gleichgewichts zu vertreten, so wie der Oberste Richter den männlichen Aspekt symbolisiert. Diejenigen, die von ihren Vorgängern in diesem Amt für diese bedeutungsvollen Posten ausersehen werden, wachsen gemeinsam auf und werden zusammen erzogen, um später verheiratet zu werden. Das Kind, das aus dieser Verbindung hervorgeht, ist der ‚Krieger der Maat‘. ~~ „Euer....Krieger?" stieß der Dieb hervor, als könne er es nicht glauben. „Ich....ich war....Euer Krieger? Ich meine....ich hätte es werden sollen?" Sie nickte, die schönen, geheimnisvollen Augen von den Schatten der Traurigkeit und Betrübnis überlagert. Wenn Apophis in seiner verfluchten Gier nach Macht nicht begonnen hätte, alles ins Verderben zu stürzen....Sie schüttelte den Kopf, um diesen düsteren Gedanken zu verscheuchen. ~~ Denkt nicht an das Leben, das ihr kennt. Achtet nur auf das, was ich euch zeige, denn dies sind die Existenzen, die ihr hättet führen können. Drehen wir die Zeit einige Jahre vor. Das ist die Feier Eures zehnten Geburtstages, Sohn des Ra. ~~ Die Szenerie wandelte sich und vor der Gottheit und den beiden Widersachern erstreckte sich der Thronsaal in all seiner Herrlichkeit. Das Volk drängte sich in jedem einzelnen Winkel und die Begüterten in der Menge traten nach vorne, verneigten sich tief und brachten dem kleinen Prinzen ein kostbares Geschenk dar. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er auf dem Thron platzgenommen, flankiert von seinem Vater und seiner Mutter, die allerdings ein ganzes Stück hinter ihrem Mann und ihrem Sohn stand. Die Trompeten ertönten und kündigten Meret, ihren Gatten und den fast dreizehnjährigen Aton an. Die Familie erwies den Majestäten ihre Reverenz und der Junge kam mit einer mittelgroßen Truhe auf Atemu zu, der freudig erregt auf seinem Sitz herumrutschte und den anderen fröhlich begrüßte. „Wie schön, dass du da bist, Aton! Die letzten Tage waren so langweilig ohne meinen besten Freund und liebsten Spielkameraden! Die Kinder der Bediensteten machen immer nur Bögen um mich, das ist ärgerlich! Was ist da drin?" „Das verrate ich Euch nicht, mein Prinz! Ihr müsst schon selbst nachsehen!" Geschwind öffnete der Erbe des Pharaos die Truhe und förderte einen kunstvoll gearbeiteten Dolch zutage, um dessen Griff sich eine Kobra schlängelte, das Tier von Unterägypten. Am Knauf hockte das Tier, das Oberägypten repräsentierte, ein Geier mit ausgebreiteten Flügeln. Die Klinge war glatt und tadellos scharf, wie Aton eifrig versicherte. „Oh, wie hübsch....Wenn ich erwachsen bin, wird mir dieser Dolch bestimmt gute Dienste leisten! Seht doch her, Vater! Ist das nicht ein außerordentliches Geschenk? Kann ich nicht stolz sein, eine solche Waffe zu besitzen? Vielen Dank!" Akunumkanon lächelte, unterband aber nach einer Weile die ausufernde Begeisterung seines Sohnes, da dieser Tag auch für den Freund Atemus von Wichtigkeit war. Er rief einen der Soldaten herbei, die an beiden Seiten des Thrones Aufstellung bezogen hatten, flüsterte ihm etwas ins Ohr und kurze Zeit später erschien er mit einer prachtvollen Waffe in seinen Händen. Der Herrscher des Nil-Reiches erhob seine Stimme: „Der Prinz ist heute zehn Jahre alt geworden! Die Tradition verlangt es, dass der Krieger der Maat an diesem Tag sein Schwert erhält und in die Verantwortung genommen wird! Sekar...." Der Oberste Richter schob seinen Sprössling, der mit einem Mal ziemlich verschüchtert wirkte, nach vorne, als sein Name genannt wurde. Er verbeugte sich, legte seine feingliedrigen Hände auf Atons Schultern und sagte: „Mein Sohn ist bereit, das Mondschwert anzunehmen, um es zum Schutze desjenigen zu verwenden, dessen Licht eines Tages unser Land erhellen wird, wenn das Eure erloschen ist. Ich übergebe ihm den Titel als Krieger der Maat." ~~ Die Trinität der Maat-Vertreter in Gestalt des Obersten Richters, der Priesterin und des Kriegers kann über Generationen hinweg vererbt werden. Stirbt die Familie aus oder fehlt ein neuer Erbe, wird ein anderer Richter zum Obersten erhoben und führt die Aufgabe fort. Der Oberste Richter ist solange Krieger der Maat und Beschützer des amtierenden Pharaos, bis sein Sohn seine Nachfolge antritt, offiziell am zehnten Geburtstag des zukünftigen Regenten. Das Mondschwert, die Waffe des Kriegers der Maat, geht an ihn über. ~~ Bakura war kalkweiß im Gesicht und Yami sah im Wesentlichen nicht besser aus. Sie lauschten der Erklärung der Göttin, ohne sich der lähmenden Erkenntnis entwinden zu können. Die Wortfetzen wirbelten in ihren Köpfen herum wie in einem Tornado, schienen aber keinerlei Sinn zu ergeben. Das konnte doch einfach nicht sein!! Aton nahm die Klinge kniend entgegen. „Mein Prinz", fing er an, die Worte zu wiederholen, die man ihn gelehrt hatte, „....ich schwöre hiermit, Euch mit meinem Leben zu beschützen. Ihr werdet am Tag Eurer Krönung das Sonnenschwert erhalten, um Ägypten zu verteidigen. Ich werde das Mondschwert tragen, um Euch zu verteidigen. Meine Loyalität gehört Euch für alle Ewigkeit." Er berührte ehrfürchtig mit seiner Stirn den Boden und sah, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, Atemu offen in die Augen. Der Prinz war verlegen und nickte nur, zum Zeichen, dass er verstanden hätte. Endlich würgte der Bandit mühselig hervor: „Was soll....das heißen....?! Wenn Apophis sich nicht in unser beider Leben eingemischt hätte, wären sie so verlaufen?! Das ist grotesk!! Ich als Beschützer des Pharaos!! Niemals hätte ich....!!" ~~ Denke daran, dass dies ein Dasein ist, in dem es die furchtbare Nacht von Kul Elna nie gegeben hat. Du bist mit Atemu zusammen aufgewachsen und warst sein bester Freund. Man hat dich dazu erzogen, sein Hüter zu sein. Du hast niemals einen Hass auf ihn entwickelt und er auch nicht auf dich. Dem Schicksal nach hättet ihr nie Feinde werden sollen. Sieh hin! ~~ Die Zeremonie neigte sich ihrem Ende zu und bevor Aton dem Prinzen in seine Gemächer folgen konnte, sprach ihn sein Vater noch einmal an. „Ich hoffe sehr, dass du dir der Bedeutung deiner Aufgabe bewusst bist. Eines Tages wird die Sonne von Akunumkanons Herrschaft untergehen, um mit der Sonne von Atemus Herrschaft erneut aufzugehen. Die Sonne überstrahl alles - und auch der Mond, der des nachts am Himmel steht, leuchtet nur, weil er von ihr beschienen wird. Er ist wie ihr Schatten. Der Prinz wird die neue Sonne dieses Königreiches sein - sei du sein Schatten!" Das Bild verzerrte sich und wich einem anderen. Ein junger Mann von ca. 21 Jahren lag ausgestreckt auf einem Bett mit schmuckem Baldachin und betrachtete gebannt das Schauspiel des Sonnenuntergangs, das sich ihm von seinen Fenstern aus bot. Er trug nur einen ägyptischen Rock, ansonsten war sein edler Körper komplett entblößt. Der Weißhaarige erkannte den erwachsenen Atemu ohne Schwierigkeiten, und obgleich er es zu unterdrücken versuchte, bewunderte er insgeheim dessen makellose Schönheit, da er sich dank Yami inzwischen ihrer bewusst geworden war. „Mein Pharao! Schlaft Ihr schon?" „Nein, noch nicht. Komm herein, mein Freund." Aton betrat das königliche Gemach. Er zählte nun 23 Jahre und war zu einem schönen, geschmeidigen und athletischen jungen Mann herangereift. Der Meisterduellant stellte fest, dass er dem vergangenen Alter Ego des Grabräubers wie aus dem Gesicht geschnitten war, mit einer Ausnahme: Es fehlte die scheußliche Narbe auf seiner rechten Wange. „Ihr bewundert den Sonnenuntergang, nicht wahr? Schickt es sich denn für einen Regierenden, solch romantischen Unsinn im Kopf zu haben?" neckte er ihn mit einem spitzbübischen Grinsen. Yami ertappte sich dabei, dass er diesen Bakura recht sympathisch fand. Er mochte sein ehrliches Lächeln und das übermütige Blitzen in seinen Augen. Bei Ra, was dachte er sich da eigentlich?! „Und schickt es sich für einen Untergebenen, so freche Fragen zu stellen?" erwiderte der Pharao prompt. Er stand auf und musterte seinen Beschützer lange und intensiv. Der Blickkontakt wurde Aton schließlich zu viel und er wandte sich ab. „Warum willst du mich nicht ansehen? Du weichst mir öfters aus, als du meinst. Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich dich beleidigt oder deinen Stolz verletzt?" „Nein, das ist es nicht. Es ist nicht Eure Schuld. Aber vielleicht ist es doch Eure Schuld." erwiderte der Krieger nicht ganz logisch. In seinem Antlitz stritten sich autoritäre Pflicht und althergebrachte Treue mit einem menschlichen Gefühl, das der junge Gebieter nicht zuzuordnen vermochte. Er strich sanft und behutsam über die linke Wange seines Gegenübers und bat leise: „Was ist mit dir? Was hast du? Bin ich wirklich schuld an deinem Kummer?" „Ganz und gar ist es Eure Schuld. Es muss Eure Schuld sein. Wenn man Eure Augen, Eure Lippen, Euren Körper, Euer bestechendes Wesen hat, kann es nur Eure Schuld sein, wenn....wenn...." Er wich zurück und floh in Richtung der Fenster. Er stützte sich an der Brüstung ab und beobachtete, wie die Sonne am Horizont versank, bis sie nur noch einem schmalen roten Streifen glich. „....wenn ein Herz in Aufruhr gerät." vollendete er seinen Satz, erstickt, schwach, wie Atemu es noch nie zuvor von seinem unerschütterlichen, willensstarken Freund gehört hatte. Verstört kam er näher und bettete eine Hand auf der muskulösen Schulter, wurde aber zurückgestoßen. Diese rüde Geste brachte ihn sichtlich auf. „Was ist bloß in dich gefahren?! Ich kann es doch nicht verstehen, wenn du stumm wie ein Fisch hier herumstehst! Antworte mir, du Idiot!! Was immer dich quält, du kannst es mir ins Gesicht schreien, brüllen, toben, egal was, aber hör auf, mich anzuschweigen!! Sag mir, was los ist, in Ras Namen!!" „Ihr wollt es wirklich wissen? Nun denn...." Er drehte sich um, schlang seine Arme um den Pharao und presste ihm einen heißen, leidenschaftlichen Kuss auf die sinnlichen Lippen. Einen Moment war Atemu vollkommen überrumpelt, doch schon im nächsten erlag er der Berührung dieses weichen Mundes, von dessen Küssen er in manch einer Nacht geträumt hatte, um beim Erwachen beschämt zu sein über die Liebe und das Begehren, das er empfand, fest davon überzeugt, es wäre besser, beides zu verbergen. Doch nun zu spüren, wie seine eigene Sehnsucht so rückhaltlos erwidert wurde, konnte er nicht anders, als diese innige Inbesitznahme mit ebenbürtiger Hingabe zu beantworten. Maat schmunzelte und betrachtete mit einem Anflug von Amüsement die entsetzten Burschen neben sich, die offensichtlich Mühe hatten, das Gesehene zu verarbeiten. Sie ergriff ihre Hände und reiste mit ihnen durch den Strudel in die Wüste zurück. Der Bunthaarige fasste sich als erster. „Maat, hört zu, das kann nicht Euer Ernst sein! Ich glaube nicht, dass Bakura und ich....ein Liebespaar hätten sein können, wenn es Apophis nicht gäbe!! Das ist vollkommen absurd! Wir passen doch überhaupt nicht zusammen! Allein die Vorstellung ist...." „....krank!" warf der Dieb ein und postierte sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor der schönen Gottheit. „Und ich als sein Beschützer! Mir wird schlecht! Das ist unmöglich, begreift Ihr nicht?! Er ist mein Todfeind, verdammt noch mal!!" ~~ Wie das? Endlich mal einer Meinung? Mir ist klar, dass ihr euch weigert, diese Wahrheit zu akzeptieren, aber es hat wenig Sinn, sich vor ihr zu verschließen. Ihr müsst euch bewusst werden, dass es für euch ein glückliches Leben gegeben hätte, wenn Apophis es euch nicht zerstört hätte. Ich will euch also berichten, was sich vor fünftausend Jahren zutrug. Der Schlangendämon hatte sich einen teuflischen Plan zurechtgelegt, um sich die Herrschaft über Ägypten zu sichern. Der erste Schritt war, den Beschützer des Pharaos zu beseitigen....und so tötete er Sekar, den damaligen Krieger der Maat. ~~ Der Grabräuber schrie auf. „WAS?! Er hat....meinen Vater umgebracht?!" ~~ Ja. Meret litt schwer unter dem Verlust ihres geliebten Mannes und erkannte, dass die Gefahr für ihren kleinen Sohn unermesslich groß war. Sie war sich im Klaren darüber, dass Apophis versuchen würde, den zukünftigen Beschützer des neuen Pharaos ebenfalls zu vernichten. Deshalb tauchte sie unter und verschaffte sich eine Existenz, die niemand mit ihrem eigentlichen Status als Hohepriesterin in Verbindung bringen würde: Sie wurde Handwerkerin und zog fort aus Theben, nach Kul Elna. Natürlich blieb sie mit der königlichen Familie in Kontakt, musste aber gemeinsam mit König Akunumkanon einen weiteren herben Verlust hinnehmen - Neftaria starb bei Atemus Geburt. Apophis war anwesend und sog ihr die Seelenkraft aus. Das schwächte ihren Körper sosehr, dass sie den Strapazen der Geburt nicht mehr gewachsen war. Oh, sein Vorhaben war grausam und sorgfältig ausgedacht! Als er in Erfahrung brachte, dass Meret sich in Kul Elna versteckte, bediente er sich eines Werkzeugs, um seinen grässlichen Plan voranzutreiben. Akunadin, der jüngere Bruder des Pharaos, strebte danach, seinen eigenen Sohn auf den Thron Ägyptens zu setzen und Apophis spielte ihm das Buch der Schatten in die Hände, in dem stand, wie er das Land mittels der sieben Millenniumsgegenstände schützen könne. Akunumkanon befand sich in einer Notlage, denn Krieg war ausgebrochen und seine Armeen wurden immer weiter zurückgedrängt. Dennoch verbot er seinem Bruder, die Magien zu benutzen, die das Buch der Schatten barg, denn sein Instinkt warnte ihn davor. Apophis aber, für den der von seinem ungestillten Ehrgeiz besessene Akunadin ein williges und gutes Gefäß darstellte, bemächtigte sich seiner Seele und seines Körpers und veranlasste ihn, die sieben Millenniumsartefakte zu erschaffen. Um ihnen die Energie der Schatten zu verleihen, war das Opfer von hundert schlechten Seelen notwendig, die den Gegenständen mit ihrer negativen Kraft Leben einhauchen sollten. Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet Kul Elna hundert Bewohner zählte und so kam es zu diesem furchtbaren Massaker. Das Dorf war ein Unterschlupf für Räuberfamilien, aber in der Regel handelte es sich dabei um arme Teufel, die nicht genug Geld verdienten, um ihre Kinder durchzubringen und so blieb vielen nur die Kriminalität als Ausweg. Das war ein Grund für den Angriff - Apophis benötigte die Macht der sieben Artefakte, um seinen Verbündeten aus den Tiefen des Reichs der Schatten zurückzuholen....Zork. Der zweite Grund war, dass er den zukünftigen Krieger der Maat töten musste, um zu verhindern, dass er jemals lernte, mit dem legendären Mondschwert umzugehen. Als ihm auch dieser Schachzug geglückt war, musste er nur noch abwarten, bis der Geist Zorks, der in den Gegenständen ruhte, sich eine hasserfüllte Seele griff, um sie zu seinem Sklaven zu machen. Mit der Hilfe irgendeines unwissenden Menschen würde die personifizierte Finsternis aus ihrem Grab steigen und den Weg für Apophis‘ Herrschaft ebnen, indem er das Licht über Ägypten auslöschte und somit Ra bannte, den Erzfeind der Schlange. Dann könnte er, der Dämon der Unterwelt, seinen Widersacher endlich besiegen und sich die Macht des Ra einverleiben. Er schöpft seine Kraft aus der Nacht und der Dunkelheit, also musste zuerst die Finsternis einkehren, damit er regieren konnte. Und nun ratet....~~ Sie hielt in ihrer Erzählung inne und wandte sich an ihre fassungslosen Zuhörer. ~~ ....und nun ratet, welche hasserfüllte Seele sich Zork für den Plan seines Meisters aussuchte? ~~ „Die von....Bakura?" „Was?! Ist das dein Ernst, Pharao?! Ich erinnere mich doch gar nicht an diesen Zork!" ~~ Wenn man besessen ist, erinnert man sich natürlich an nichts. Apophis war zwar verärgert, dass mein einstiger Soldat überlebt hatte, doch der Hass, den du in deinem Herzen trugst, machte dich zu einem hervorragenden Spielball seiner Interessen. Denk nach, Aton! Du hast den König und den Adel verabscheut....aber hättest du je etwas getan, was Ägypten, deine geliebte Heimat, ins Verderben gestürzt hätte? Ich glaube nicht. Damals gelang es Euch, mein Bruder auf Erden, Zork zu vernichten, das Licht zurückzubringen und Apophis mit dem Zauber des Sonnenschwertes ins Reich der Schatten zu verbannen. Nun aber, fünftausend Jahre später, da ihr beide, die Schlüsselfiguren dieses uralten Kampfes, wiedergekehrt seid, ist auch Apophis zurückgekommen....um zu beenden, was er einst begonnen hat! ~~ „Ein Monster...." flüsterte Yami und setzte sich in den Sand, unfähig, das Chaos in seinem Kopf zu ordnen. Der Weißhaarige hockte sich neben ihn, überwältigt, in höchstem Grade verwirrt und zahllosen Gefühlen und Erinnerungen ausgesetzt, die plötzlich einen gänzlich anderen Sinn bekamen. Die Kussszene zwischen ihm und Atemu stand ihm klar vor Augen und er spürte mit einem Mal eine Woge reinen Zorns in sich aufsteigen, weil der Dämon ihm das zerstört hatte, was er hätte haben können - eine Familie, eine ehrenvolle Aufgabe, einen Geliebten - und ein dumpfer Schrei drang aus seiner Kehle. Der Meisterduellant bemerkte das Zittern seines Körpers und da er selbst niedergedrückt wurde von einer Flut wild wirbelnder Emotionen und Gedanken, legte er ihm automatisch einen Arm um die Schultern. Bakura versteifte sich unter der Berührung, schüttelte den Arm aber nicht ab. ~~ Ich muss euch nun verlassen. Ich habe euch berichtet, was ich wusste. Übermorgen werdet ihr das Tal des Unendlichen Himmels erreichen. Ich wünsche euch viel Glück! ~~ Sie löste sich in glitzernde Lichtfunken auf und ließ zwei Männer zurück, deren Leben sich für immer verändert hatte. Sie wagten nicht zu sprechen, nicht einmal, sich anzusehen. Sie sassen einfach nur nebeneinander, still, unbewegt, ohne Regung. Und doch schien es, als wären sie sich näher als jemals zuvor.... Die Sache mit der Trinität der Maat-Vertreter ist übrigens aus meinem eigenen Mist gewachsen. Dafür stimmt das mit dem "Priester der Maat", das galt damals tatsächlich als Ehrentitel für die Vertreter der Gerichtsbarkeit. Alles andere ist meinem Autoren-Kopf entsprungen. Ich würde mich über Kommis freuen!^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)