Schrei wenn du kannst! von Weissquell ================================================================================ Kapitel 15: Niemals! -------------------- Sesshomaru hebt leicht die Brauen. Er kommt her! Was hat das zu bedeuten? Ist sie etwa schon fertig mit ihm? Was hat sie ihm wohl erzählt? Ob er deshalb hierher kommt? Mit regloser Mine blickt der Dämonenprinz seinem unerwarteten Besucher entgegen. Es dauert nicht lange und zwischen den Bäumen taucht die Gestalt von Inu Yasha auf. Noch immer ist er am ganzen Körper mit Blut beschmiert. Sein Gewand hängt in Fetzen an ihm herunter. Mehrere tiefe Wunden bedecken seinen Körper und seine blutverkrusteten Haare hängen strähnig über seinen Rücken hinab. Auf seinem Arm trägt er den reglosen Körper eines jungen Mädchens. Auch ihr Oberkörper ist mit tiefen Wunden überzogen. Als er seinen Bruder entdeckt, bleibt er unsicher am Rand der Lichtung stehen. Einen langen Moment ist kein Laut zu hören. Dann schließlich geht er in die Hocke und legt die junge Frau überaus behutsam vor sich auf den Boden. Nun erhebt sich Inu Yasha wieder und schaut zu Sesshomaru hinüber. Der hochgewachsene Dämon hat ihn dabei die ganze Zeit wachsam im Auge behalten. Mit kritischem Blick mustert er den jungen Halbdämon. Der Aufzug seines Bruders ist ihm nicht entgangen, doch viel interessanter findet er seine Mine. Inu Yashas Gesicht ist kalkweiß und in seinen Augen liest er Furcht, Scham und Verzweiflung. Es überrascht ihn. Es ist ungewöhnlich für Inu Yasha sich ganz offen eine solche Blöße zu geben. Mit Sicherheit steckt Mimaru dahinter! "Inu Yasha!", sagt er nun, "Du hast wirklich Nerven, hierher zu kommen! Wer hätte gedacht, dass du einmal freiwillig zu mir kommen würdest, um dir eine Abreibung verpassen zu lassen? Oder gibt es einen anderen Grund weshalb du so unangemeldet hier auftauchst?" Inu Yasha schweigt und senkt den Kopf. Sesshomaru wird ungeduldig: "Besser du rückst bald mit der Sprache heraus. Meine Geduld ist nicht unerschöpflich!" Inu Yasha schweigt weiter. Er weiß nicht wie er beginnen soll. Er kam hierher mit einem großen Anliegen; einem innigen Wunsch. Aber wie soll er diese Bitte vorbringen? Ja, wie soll er auch nur den Sachverhalt schildern? Auf einmal sind alle Worte verschwunden, die er sich auf dem Weg hierher zurechtgelegt hat. Unbeabsichtigt kommt ihm Sesshomaru zu Hilfe. Sein Blick geht hinunter zu dem leblosen Mädchen. "Sieh mal an! Du hast noch jemanden mitgebracht. Ist das etwa deine kleine Menschenfreundin?" Er mustert sie abschätzend. "Sie sieht ziemlich tot aus!" Inu Yasha ballt die Fäuste. Sesshomaru ist das nicht entgangen. Nun liegt ein belustigter Zug um seine Mundwinkel. "Und wenn ich ehrlich sein soll, ganz taufrisch siehst du auch nicht mehr aus. Lass mich raten: Obwohl ich dir gesagt habe was auf dich zukommen würde, bist du auf Mimarus Forderungen eingegangen und hast sie aufgesucht." Lässig setzt er einen Fuß auf den kleinen Felsen. "So wie du aussiehst, muss sie ja einiges mit dir angestellt haben. Was hat sie gemacht? Hat sie deine kleine Freundin umgebracht und dich halb niedergemetzelt als du versucht hast, sie zu rächen?" Aufmerksam verfolgt der hochgewachsene Dämon die Reaktion seines Bruders. Inu Yasha senkt den Kopf und schaut betreten an sich herunter. Es hat den Anschein, als würde ihm erst jetzt klar werden wie er aussieht. Doch Sesshomaru fährt schon fort: "Der Tod dieser kleinen Menschenfrau scheint dich wirklich schwer getroffen zu haben. Ich habe dir immer schon gesagt, dass du dich besser nicht mit Menschen abgeben solltest. Das sorgt nur dafür, dass man verweichlicht." Inu Yasha beißt die Zähne zusammen: "Du bist genau so grausam wie deine Mutter! Von einem wie dir Mitgefühl zu erwarten, ist offenbar zuviel verlangt!" Sesshomaru hebt geringschätzig die Brauen: "Mitgefühl? Mit dir? Oder vielleicht mit diesem toten Mädchen da? Bitte, Inu Yasha, sei nicht albern! Warum sollte ich mich zu dermaßen menschlichen Gefühlen herablassen? Sag bitte nicht, dass du deshalb hergekommen bist! Wenn du dir Mitleid und Verständnis erhoffst, dann bitte nicht von mir! So tief reichen unsere Familienbande nun doch nicht." "Nein... deshalb bin ich nicht gekommen", sagt Inu Yasha nun zögernd. Der Dämonenprinz schaut verächtlich auf ihn hinab: "So, und weshalb sonst? Was auch immer der Grund ist, ich hoffe es ist ein guter! Ich habe dir gesagt, was passiert wenn du mir das nächste Mal unter die Augen trittst. Glaub nur nicht, das wäre nur leeres Gerede gewesen! Wenn du nicht schleunigst Land gewinnst, kenne ich keine Gnade mehr mit dir!" Inu Yasha blickt auf. In seinen Augen liegt ernste Entschlossenheit. "Sesshomaru!", sagt er ruhig, "Von mir aus kannst du mit mir machen was du willst! Ich werde mich nicht mal wehren, wenn du wirklich vorhast mich zu töten! Aber ich habe dafür eine Bitte an dich: Mach Kagome wieder lebendig!" Sesshomarus Augen weiten sich vor Überraschung. Einen Momentlang bleibt er sprachlos, dann fragt er: "Ist das dein Ernst? Deshalb bist du hergekommen? Damit ich deine kleine Freundin wiedererwecken soll? Mimaru muss deinen Verstand ziemlich verwirrt haben. Warum kommst du ausgerechnet zu mir damit?" "Weil du der Einzige bist, der das tun kann!", erwidert Inu Yasha fast verzweifelt, "Du besitzt doch das Schwert Tensaiga mit dem man Menschen wieder zum Leben erwecken kann, statt sie zu töten." Mit diesen Worten geht er ein paar Schritte auf seinen Bruder zu. "Sesshomaru, nur dieses eine Mal! Was aus mir wird ist mir gleich! Ob du es bist oder Miwaru die mir das Leben nimmt, das spielt für mich keine Rolle mehr, solange Kagome... nur wieder lebendig wird!" Er schluckt schwer. Noch immer beobachtet Sesshomaru seinen Halbbruder skeptisch. "Die Kleine scheint dir tatsächlich viel bedeutet zu haben, aber deshalb dein Leben bereitwillig wegwerfen? Wirklich Inu Yasha, du enttäuschst mich! Aber das beweist nur wieder, dass du nichts weiter als ein dummes, kleines Halbblut bist. Wenn mir danach wäre, könnte ich mir Tessaiga gleich holen und dich sofort ins Jenseits befördern. Auch so wärst du dann mit deiner kleinen Geliebten wieder vereint. Wozu sie dann noch wiederbeleben?" In diesem Moment fällt Sesshomarus Blick auf die leere Schwertscheide von Tessaiga. "Wo ist dein Schwert geblieben?", fragt er erstaunt. Nun kommt wieder Leben in Inu Yasha. Aufgebracht springt er auf. "Also Sesshomaru, was ist nun?", ruft er ärgerlich, "Ich biete dir eine einmalige Gelegenheit! Benutze Tensaiga um Kagome wieder lebendig zu machen und gleich darauf dein anderes Schwert Toukijin um mir den Todesstoß zu geben!", wütend springt er auf seinen Bruder zu und gibt ihm einen Schubs, "Na komm schon! So eine Gelegenheit kommt nie wieder!", wieder schubst er ihn, "Na los doch! Tu es! Tu es endlich, du Mistkerl!" Sesshomaru wird durch die Attacken seines Bruders Schritt für Schritt nach hinten gedrängt. Aber er lässt ihn gewähren und zeigt sich wenig beeindruckt, von den halbherzigen Versuchen seines Bruders ihn zu reizen. Stattdessen ist er ein wenig verwundert. Warum scheint sein Bruder so drängend den Tod zu suchen? Das macht keinen Sinn! Es sei denn...! Mit einem präzise gezielten Schlag stößt Sesshomaru seinen Bruder von sich. Ein paar Schritte entfernt landet Inu Yasha unsanft auf dem Boden. Obwohl es ihm kaum geschadet haben durfte, ist der Blick den er nun seinem Bruder zuwirft voller Schmerz. Sesshomaru richtet sich hoch auf. Ein boshaftes Lächeln liegt um seine Mundwinkel. "Du bist es gewesen, nicht wahr? Du hast das Mädchen umgebracht!" Inu Yashas Kopf fährt erschrocken hoch. Der Dämon mit der Mondsichel lacht leise, "Es stimmt also! Ist das zu fassen? Wie hat sie es bloß geschafft, dich dazu zu bringen? Wie gerne wäre ich dabei gewesen, das hätte ich zu gerne gesehen!" Inu Yasha blickt zu Boden. Seine Schultern zittern. "Ich hatte dich davor gewarnt, dich mit Mimaru einzulassen, aber du wolltest nicht hören!", spottet Sesshomaru nun, "Ich sagte dir du solltest dich von ihr fernhalten, und dass du es bereuen würdest; du hast mir nicht geglaubt. Lass mich raten! Sie hat dir Tessaiga abgenommen und dein ungezügeltes Dämonenblut hat dann den Rest erledigt!" Er lacht auf. "Wirklich beeindruckend! Ich kenne nur eine Person, die so etwas einfädeln könnte, und das ist Mimaru! Ja, sie versteht es wirklich gut mit den Gefühlen von anderen zu spielen. Es muss ein schwerer Schlag für dich gewesen sein, als du erkannt hast, was du da getan hast! Zweifellos hat sie das bezweckt gehabt, aber dass du diesem Mädchen so bereitwillig in den Tod folgen würdest, damit hat sie sicher nicht gerechnet!" Inu Yasha schnauft verächtlich auf. Seine Stimme ist bitter als er sagt: "Und ob! Das Ganze hat sie doch überhaupt nur veranstaltet, damit ich sie irgendwann bitte, mich ,zu erlösen'. Ja, sie will sogar dafür sorgen, dass niemand außer ihr das Vergnügen hat, mich zu töten. Wenn du mich also erledigen willst, entscheide dich schnell!" "Das hat sie gesagt?", staunt Sesshomaru. Sein Blick wird finster. Hinter seiner Stirn scheint es zu arbeiten. "Wie auch immer!", meint er schließlich, "Ich sehe absolut keinen Grund weshalb ich dir helfen sollte. Du bist Mimaru mit offenen Augen in die Falle gegangen und hast die Kleine umgebracht! Also benimm dich wie ein Mann und leb damit! Von mir hast du keinerlei Mitleid zu erwarten! Das wäre ja noch schöner!" Mit diesen Worten wendet er ihm den Rücken zu. Inu Yashas Augen weiten sich vor Schreck. Eine Spur von Panik liegt in seiner Mine. "Sesshomaru!", ruft er flehend, "Tu mir das nicht an!" Mit abfälligem Blick dreht der Dämonenprinz sich wieder um: "Weißt du eigentlich wie peinlich du dich benimmst? Und du erwartest von mir, dass ich dir einen Gefallen tue? Dir hätte doch von vornherein klar sein müssen, dass du damit bei mir auf taube Ohren stößt", er schmunzelt verächtlich, "Es macht mir nämlich viel zu viel Spaß, dich so am Boden zu sehen. Tiefer kannst du ja schließlich nicht mehr sinken! Wenn du mich schon als deine letzte Hoffnung ansiehst, musst du ja wahrlich verzweifelt sein! Zu dumm nur, dass ich diese Hoffnung platzen lassen muss!" Wie vom Donner gerührt, steht Inu Yasha da und starrt seinen Bruder an. Er will einfach nicht glauben, was er schon die ganze Zeit geahnt hat. Warum ist er überhaupt hergekommen? Warum hat er nur jemals zu hoffen gewagt, dass sein Bruder ihm helfen würde? Er weiß es: Weil es die einzige Chance war! Natürlich war ihm klar, dass sein Bruder sich niemals darauf einlassen würde, aber er musste es zumindest versuchen, dass war das Mindeste was er in dieser Situation tun konnte. Ganz gleich was es ihn gekostet hätte, er musste es einfach versuchen, um Kagomes Willen! Doch wie zu erwarten war, ist von seinem Halbbruder kein Erbarmen zu erwarten. Nun wird Miwarus Rechnung aufgehen und er weiß, nun gibt es keine Möglichkeit mehr ihr zu entkommen. Der Schmerz, der ihn an diesem schrecklichen Abend ereilt hat, wird bis zum Ende seines Lebens sein ständiger Begleiter sein... genau wie die Erlösung davon, in Form einer rachsüchtigen Dämonin! Mit bleichem Gesicht, lässt Inu Yasha den Kopf hängen. Plötzlich wendet Sesshomaru den Kopf. Doch nicht Inu Yasha ist das Ziel seines Blickes; seine Augen gehen über dessen Kopf hinaus. Seine Stirn legt sich leicht in Falten. Nur wenige Augenblicke ist zwischen den Bäumen ein Ruf zu hören. "Inu Yasha, wo bist du?" Kaum merklich zucken die Hundeohren des jungen Halbdämons. Doch eine andere Reaktion ist ihm nicht anzumerken. Teilnahmslos und geschlagen steht er auf der Lichtung. In diesem Moment tauchen vier bekannte Gestalten zwischen Bäumen auf. Es sind Miroku, Sango und Shippo auf Kiraras Rücken. Mit beunruhigten Gesichtern platzen sie auf die Lichtung hinaus. "Inu Yasha!", ruft Sango aus, als sie ihn entdeckt. Nun dreht sich Inu Yasha zu ihnen um. "Was habt ihr hier zu suchen?", ruft er ärgerlich. "Das möchte ich auch wissen!", ergänzt sein Bruder finster. "Das ist ja Sesshomaru!", quietscht Shippo, der nun auch den mächtigen Dämon entdeckt hat, und versteckt sich sicherheitshalber hinter Sangos Rücken. Miroku steigt vom Rücken der großen Katzendämonin. "Soll, das heißen, dass du mit Kagome zu ihm gegangen bist?", fragt er ungläubig. Sango legt sicherheitshalber ihre Hand an ihr Hiraikotsu; sie will dem gefährlichen Dämonenprinz nicht unvorbereitet gegenübertreten. "Was hat das zu bedeuten, Inu Yasha?", fragt sie alarmiert. "Ich sagte doch, ich will euch nie wieder sehen!", grollt Inu Yasha, "Macht gefälligst, dass ihr wegkommt!" "Das könnte euch so passen!", erwidert Sesshomaru kühl, "Ihr kommt nicht einfach hierher zu meinem Lager, richtet törichte Bitten an mich und verschwindet wieder unbehelligt. Was glaubt ihr eigentlich mit wem ihr es zu tun habt?" "Was denn für Bitten?", will Sango wissen, "Um was sollten wir dich schon...?" Auf einmal hebt sie die Brauen: "Oh...!" Miroku wirft ihr einen bedeutsamen Blick zu: "Ist es das, was ich denke?" Auch Shippo scheint die Lage nun verstanden zu haben. Aufgeregt reißt er die Augen auf: "Ich glaube Inu Yasha ist wegen Tensaiga hergekommen! Sesshomaru soll Kagome wieder lebendig machen." Alle Blicke gehen nun zu dem weißhaarigen Dämon hinüber. Sesshomarus Mine ist regungslos. "Wie ich bereits sagte: Das steht absolut außer Frage! Wozu sollte ich meinen Bruder noch darin bestärken, seinen jämmerlichen, menschlichen Neigungen nachzugeben? Er sollte lieber seinen Dämoneninstinkten vertrauen und das Mädchen vergessen. Aber stattdessen suhlt er sich lieber in Selbstmitleid. Einfach erbärmlich!", geringschätzig schaut er auf seinen Bruder herunter, "Mimaru hatte recht, eine solch verachtenswürdige Kreatur, verdient keinerlei Erbamen, und von mir wird er ganz sicher keines bekommen. Er widert mich an!" Inu Yasha hat den Kopf gesenkt. Im ersten Moment ist er unfähig sich zu rühren. Dann macht er ein paar langsame Schritte auf Sesshomaru zu. Seine Bewegungen sind steif und seine Arme zittern leicht. "Sesshomaru!", sagt er und hebt den Kopf. Er schaut dem großen Dämon nun direkt in die Augen. Einen langen Augenblick ringen die beiden Blicke miteinander. Dann gibt Inu Yasha den stillen Kampf auf. Seine Beine knicken ein und er lässt sich kraftlos auf seine Knie sinken während sein Bruder noch immer hochaufgerichtet vor ihm steht. Schwer stützt er sich auf seine Arme und lässt den Kopf hängen. Mehrmals holt er tief Luft. Dann sagt er mit hohler Stimme: "Sesshomaru, ich bitte dich! Ich flehe dich an! Bitte mach Kagome mit Tensaiga wieder lebendig! Ich weiß, du kannst es, es kostet dich noch nicht mal eine Anstrengung! Hilf mir nur dieses eine Mal! Ich werde auch alles tun was du von mir verlangst! Alles! Ich biete dir sogar mein Leben! Aber bitte mach sie wieder lebendig!" Flehend blickt er hinauf zu seinem Bruder. In seinen Augen schimmert eine Spur von Feuchtigkeit. Sehnsüchtig sucht er eine Spur des Einverständnisses in dem regungslosen Gesicht seines Bruders. Viele Herzschläge vergehen, in denen Sesshomaru scheinbar überlegt, wie er auf das Betteln seines Halbbruders reagieren soll. Einen langen Moment herrscht Schweigen auf der kleinen Lichtung. Dann strafft sich Sesshomaru und hebt das Kinn. Eiskalte Berechnung liegt in seinem Blick als er ruhig sagt: "Niemals!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)