Balance von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Nebel... Dunkelheit... Schmerzen... Angst... Aiji schwebte in einem Meer aus all diesen Gefühlen, konnte nicht an die Oberfläche gelangen. Er konnte nichts hören, nichts fühlen. Alles um ihn herum sah er nur verschwommen, nahm nicht wahr was er tat. Er war fremd in diesem Körper, er konnte ihn nicht bewegen, beherrschte ihn nicht mehr. Er tat was er wollte... Aiji hatte aufgegeben sich gegen sich selbst zu wehren. Es hatte keinen Sinn, dieser monströse Körper war stärker als er, er hatte gewonnen. Leise weinend sah er zu, wie Kohta und Kirito weg geschleudert wurden, musste mit ansehen wie Takeo aus dem Weg geräumt wurde, war dazu gezwungen zu spüren, wie der schreckliche Körper um ihn herum zum Sprung ansetzte. Er würde Jun töten. Er würde ihn umbringen. Die helle Seele, seinen Freund... er wollte ihn immer beschützen, wollte immer nur für ihn da sein, und jetzt? Jetzt würde er ihn umbringen. Verzweifelt schluchzte Aiji auf, aber der grausame Körper nahm keine Notiz davon. Er strecke die Krallen aus, hielt sie auf Jun gerichtet. Er würde seinen Kopf durchbohren. In Juns Gesicht spiegelte sich unglaubliche Angst wieder... Aiji zerriss es das Herz das zu sehen. Er hatte Angst vor ihm! Zu Recht... "Es tut mir so leid! Es tut mir so leid!" In Gedanken entschuldigte er sich immer und immer wieder, wie ein Mantra. Gleich würde er Jun töten... Doch dann geschah etwas, etwas unerwartetes. Zwischen ihn und Jun trat eine andere Gestalt. Zunächst verschwommen wurde das Bild immer klarer und schließlich sah er ihn ganz deutlich... die Arme schützend ausgebreitet... er würde den Angriff abwehren, würde Jun schützen... Ruki? Ruki hatte das vor so langer Zeit getan, er hatte... Nein, Ruki war tot! Ruki war damals gestorben, weil er jemanden schützen wollte... jemanden, den er liebte... auf den er immer neidisch gewesen war... der immer für ihn da gewesen war... Plötzlich erkannte er ihn Das blonde Haar, hier und da schwarze Strähnen... sie verdeckten das halbe Gesicht... die helle Stoffbinde, die Nase und Wangen verbarg... ein klares, dunkles Auge mit wachsamem Blick, das ihn geradewegs ansah, ein schön geschwungener Mund, auf dem ein bitteres Lächeln lag... Reita... das war Reita! Aber warum... was tat er da? War er nicht auf Manas Seite? Gehörte er nicht zu denen, die Jun schaden wollten? Hatte er nicht damals seine Seele an Mana verkauft um leben zu können? Damals, als er als Wächter versagt hatte? Und dann verstand Aiji. Reita hatte nicht versagt... er wäre damals gestorben um Ruki zu schützen. Er hatte so gut gekämpft wie er konnte, dann hatte er sich einfach immer wieder von den Angriffen des Dämonen treffen lassen... er wollte ihn von Ruki ablenken! Er hatte gewartet... Auf ihn. Er hatte auf ihn gewartet, hatte ihm vertraut Ruki zu retten. Er hatte ihm die ganze Zeit unrecht getan... sein Bruder war nicht feige gewesen... er war damals so mutig gewesen, so mutig wie heute. Er würde sterben, Aiji würde ihn töten! "Reita, weg da! Weg da!" Aber er hörte ihn nicht... er stand da, und sah ihn an. Wissend, dass er sterben würde. "Nein, Reita! Nicht! Bruder!" Mit einem Schlag spürte Aiji, wie seine Eifersucht, sein Hass, sein Zorn und seine Enttäuschung über Reita von ihm abfiel. Es war, als würden Ketten von ihm abgenommen, als würde ein stechender Ring, der immer um sein Herz gelegen hatte, zerfallen und gesprengt. Er spürte auf einmal ungeheure Kraft in sich aufkeimen, die tief in seinem Inneren ihren Ursprung hatte. Genau dort, wo die Gefühle verankert waren, die er gerade zum ersten Mal seit Jahren wieder spürte: Stolz und Sorge um seinen Bruder. Ein ohrenbetäubendes Kreischen war zu hören, dann rasender Schmerz, dann große Hitze. Er spürte, wie der Körper um ihn herum sich veränderte... und mit der Veränderung kam das Bewusstsein wieder, er konnte wieder hören, konnte wieder klar sehen, klarer als je zuvor! Er spürte seinen Körper wieder, konnte sich selbst wieder fühlen! Mehr noch, er spürte eine unendlich große Kraft, sie durchströmte ihn, durchschoss seine Adern, pulsierte mit jedem Herzschlag in seinem Inneren. Reita fing ihn auf... er fiel in die Arme seines Bruders, umklammerte ihn, hielt sich an ihm fest. Er hatte ihn so vermisst! Aber er hatte kaum Zeit dieses Gefühl auszukosten, kaum hatte er seinen Bruder berührt, durchschlug ihn ein neues Gefühl. Er spürte Reita in sich, überall... sein Herz schlug im selben Takt mit ihm, für den Bruchteil einer Sekunde verschmolzen sie miteinander. Dumpf erinnerte Aiji sich an das, was Takeo ihm einmal gesagt hatte... "Wenn du deine Kräfte erlangst, wird das erste, was du danach berührst, zu deinem Siegel. es wird automatisch zu dem, was dich am Leben erhält." Die Freude, dass seine Kräfte endlich erwacht waren wurde nur durch die Freude überragt, dass er seinen Bruder endlich wieder hatte. ~ Ein Lächeln war das einzige, was er ohne Schmerzen noch zustande brachte. Er konnte sich keinen Zentimeter mehr bewegen, er hatte das Gefühl als wären sämtliche Knochen zermalmt und alle Gelenke ausgekugelt, trotzdem lachte er. Das, was er gerade beobachten durfte ließ unglaubliche Freude in ihm aufkeimen, so seltsam diese Szene auch gewesen war. Das Monster war bereits im Sprung als es plötzlich laut aufschrie, und sich vor Kiritos Augen in seinen guten Freund Aiji zurückverwandelte, der mit ausgebreiteten Armen und Tränen in den Augen auf seinen Bruder zustürzte. Kirito hatte Reita zuerst gar nicht klar gesehen, sein Blick war auf Aiji fixiert gewesen. Wie war das nur möglich? Er hatte die Hoffnung vollkommen aufgegeben, hatte sich schon damit abgefunden zu sterben, in dem Wissen versagt zu haben. Und jetzt? Jetzt stand da dieser Reita und hielt Aiji fest, in seiner menschlichen Gestalt, vollkommen unverletzt. Und ungewohnt stark. Kirito konnte Aijis Kraft spüren, ihn umgab eine starke Aura, ein mächtiges Element war erwacht. Vorsichtig versuchte er mit Aiji in Gedanken Kontakt aufzunehmen, sachte um ihn nicht zu erschrecken. "Aiji... hörst du mich?" Es dauerte eine Weile bis eine Antwort kam. Leise und spürbar unsicher. "Kirito? Ja, ich kann dich hören... Kirito, das ganze tut mir so leid, ich wollte das nicht, ich habe nicht gewusst das...." "Schon gut... ich bin nur froh, dass es dir wieder gut geht! Und ich bin stolz auf dich." Aiji hob den Kopf von Reitas Schulter und sah zu ihm, sofort zeichnete sich schneidende Schuld auf seinem Gesicht ab. "Oh Gott es tut mir so leid, ich habe..." "Schh... darum kümmern wir uns später... du musst etwas für mich tun! Bitte... Közi hat meine Kette... ich brauche sie wieder! Bitte!" Aijis Blick wanderte automatisch zu Kohta, der noch immer reglos da lag. Sachte löste er sich aus der Umarmung seines Bruders, wollte gerade etwas sagen als Jun ihn von der Seite ansprang. Kirito beobachtete lächelnd wie Aiji Jun durch die Haare strich und Jun sich immer noch heulend an ihn klammerte, dieses Mal aber vor Erleichterung. Für ein paar Sekunden hatte er das Gefühl als wäre alles wieder in bester Ordnung, dann fiel ihm aber wieder der Puppenspieler ein... "Aiji! Der Puppenspieler, er manipuliert das Medium der Fünf... du musst ihn ausschalten!" ~ "Reita?" Aoi traute sich nicht laut nach ihm zu rufen. Er hatte das Gefühl zu stören... er zitterte noch immer am ganzen Leib, das Bild der Bestie, die auf Reita zugesprungen war, wollte ihn noch nicht so recht verlassen, auch wenn nun anstatt dem Monster Aiji wieder da stand. Er hätte Reita beinahe verloren... schon wieder. Langsam ließ er den Blick sinken. Aiji war also zurück in Reitas Leben. Er hatte also seinen großen Bruder wieder, zu dem er immer aufgesehen hatte, und den er in den letzten Jahren so sehr vermisst hatte. Es war nicht wirklich Eifersucht die Aoi überfiel, er gönnte es seinem Freund so sehr! Es war eher eine seltsame Art von Bedauern, eine leise Trauer darüber, dass er nun nicht mehr der einzige war, dem Reita vertraute. Aiji war keine Konkurrenz, er war eher der ... Favorit. Wie konnte er schon gegen Reitas Bruder ankommen? Müde seufzend lehnte er sich an die Straßenlampe und ließ den Blick auf Reita ruhen, der in einiger Entfernung stand und sich jetzt zu Kirito hinunter beugte, ihm aufhalf... Hm, so schnell ging das also... Jetzt half er schon den Freunden seines Bruders. Ihrem eigentlichen Ziel... er widersetzte sich Mana, trotz dem großen Risiko das für ihn bestand. Er hatte Aoi bereits völlig vergessen wie es schien. "Aoi..." Er hatte diese Stimme im Laufe der Jahre hassen gelernt. Aiji kam auf ihn zu, hob eine Hand. Um ihn zu grüßen? Ihn zu beschwichtigen? Wie auch immer. "Aoi... ich... es tut mir so leid, das was damals passiert ist, das was heute passiert ist, alles! Ich werde mich noch anständig dafür entschuldigen wenn das hier vorbei ist... ich bitte dich mir zu helfen das wieder gut zu machen was ich angerichtet habe! Bitte!" Sollte er darüber jetzt wütend sein, oder sollte er den Mut anerkennen den es Aiji sicher kostete ihn um Hilfe zu bitten? "Ich werde den Fünf helfen... bitte hilf mir dabei!" "Ich kann nicht." Wie sollte er denn? Mana würde Reita zermalmen... wieder schossen ihm die Bilder in den Kopf, die ihr Boss ihm immer und immer wieder geschickt hatte. Reitas Körper, der in der Luft zerrissen wurde, sein Gesicht, blutig und entstellt... in einem Moment der Schwäche und der Wut schickte er Aiji diese Bilder. Er sollte sehen, was Aoi seit Jahren jede Nacht sehen musste! Er sollte die Angst spüren, mit der er jeden Morgen aufwachte! Die Hilflosigkeit die ihn auf Schritt und Tritt begleitete! "Was war das?" "Das passiert wenn ich mich Mana widersetze! Deshalb kann ich dir nicht helfen. Reita bedeutet mir viel." "Mir auch..." "Ach... auf ein mal?" "Nein, schon immer! Ich habs nur vergessen..." Traurig senkte Aiji den Kopf und seufzte leise, er hatte beinahe vergessen, dass er auch Aoi weh getan hatte. Kurz überlegte er ob er etwas sagen sollte, aber ein erstickter Schrei und der Gestank von verbranntem Fleisch riss ihn aus seinen Gedanken. ~ "...das ist alles was ich bisher weiß..." Gackt hatte ihm die ganze Zeit ruhig zugehört, jetzt senkte er den Kopf. Das war alles irgendwie zu viel... er verlor den Überblick, was geschah hier? Dieses Monster war wieder menschlich? Und hatte neue Kraft? Und Yoshikis Nachfolger war auch da? "Wie ist das möglich? Dass er von selbst den Weg zurück gefunden hat, meine ich?" "dass er seine Menschlichkeit wiedergefunden hat? Ich bin nicht sicher... ich kann es mir nur so erklären, dass etwas das ihn immer blockiert hat auf einmal weg war. Das war sicher auch der Grund dafür, dass er seine Kräfte nie entfalten konnte. Gefühle sind solche Blocker... Hass, Eifersucht, Selbstzweifel, Starrköpfigkeit. Sowas könnte der Grund gewesen sein, und wenn diese Blocker auf ein mal verschwinden entfaltet er seine Kraft. Ich bin nicht sicher ob es so war, aber es wäre möglich..." "Und wer ist Yoshikis Nachfolger?" You setzte zu einer Antwort an, erstarrte dann aber. Sein blick ging wieder in die Ferne, seine Hände zitterten leicht. Gackt rutschte etwas näher zu ihm. Er hatte immer Angst wenn er You so sah, die leeren Augen, das erstarrte Gesicht... er sah aus wie eine lebende Statue. "Kaoru... er stirbt..." "Was? Wieso? Was bringt ihn um?" "Seine Freunde." ~ Lachend zog der Puppenspieler seine Fäden enger um Die, er wäre ihm fast entwischt! Ab und an schien das Auge der Fünf...nunja, der ehemals Fünf, die Fäden zu sehen wenn sie sich bewegten. Er wäre ihm fast entkommen, aber jetzt hatte er ihn wieder! So sehr Toshiya und Shinya auch versuchten die beiden aufzuhalten, Kaoru und Die leisteten sich seit geraumer Zeit ein erbittertes Duell... auf Leben und Tod. Dabei kontrollierte Yu~ki manchmal Die, manchmal Kaoru, wie er gerade Lust zu hatte. Es war erstaunlich, wie schwach sie einzeln waren... kaum stärker als dieser kleine dumme Unterdämon, von dem ihm Juka beiläufig erzählt hatte. Aber es reichte um sich gegenseitig umzubringen. Kaoru würde es nicht mehr lange machen, er lag bereits am Boden, konnte sich kaum noch bewegen und hatte keine Kraft mehr. Als Medium hatte er von Natur aus die wenigste Kampfkraft. Oh, Toshiya der Dummkopf stellte sich nun vor ihn um ihn zu schützen, blockte ein paar von Dies Angriffen ab, wurde aber ein paar Mal schlimm getroffen. Wie selbstzerstörerisch, dachte Yu~ki und lachte leise. Die dummen Menschen, was brachte es schon sich für andere zu opfern? Aber bitte, das machte es nur noch einfacher für ihn. "Soso, ein mutiges Kindchen, jaja..." Ein kleiner Ruck an der richtigen Schnur, und Kaoru stand auf, bündelte seine Energie und schoss Toshiya in den Rücken. "Uiui, das hat aber sicher weh getan, jaja...." Das war aber auch zu herrlich! Toshiya schrie auf, er hatte nicht erwartet, dass er von hinten angegriffen wurde. Achtlos ließ der Puppenspieler Kaoru wieder fallen, er war so gut wie am Ende. Toshiya war eine viel interessantere Marionette! Und so einfach zu kontrollieren... "Soso, dann wollen wir mal gemeinsam spielen, Kindchen, jaja..." Was für ein Spaß! Shinya war machtlos, er stand nur da und versuchte ab und zu kläglich die beiden auseinander zu bringen und sie davon abzuhalten sich umzubringen, jedoch ohne Erfolg. Er sollte sich nur gedulden, Yu~ki würde sich ihm auch noch annehmen. Lachend zog er kurz an den Fäden und warf Toshiya zu Boden, jetzt musste er nur noch... was war das? Im Augenwinkel sah er eine Bewegung, was geschah dort? Er wandte nur kurz den Blick ab, aber lange genug um noch zu sehen, wie ein Geschoss aus reinem Feuer ihm entgegenschnellte. Er schaffte es noch auszuweichen, verlor dabei aber seinen Zylinder, der sofort Feuer fing. Die Kontrolle über Toshiya und Die musste er aufgeben. "Ohoh, was war denn das? Tztz, mein schöner, schöner Hut..." Feindselig lächelte er Aiji an, der etwas verwirrt auf seine Hände starrte. Offenbar war er selbst überrascht davon, was er für Kraft hatte. "Ohoh, das war ein Fehler, jaja!" Langsam hob Yu~ki die Hände. Diesen Kerl würde er gut gebrauchen können, er würde Toshiya und Die vermutlich schnell umbringen. Doch bevor er seine Fäden um Aiji spinnen konnte, wurde er von der Seite angegriffen. Shinya, den hatte er ja beinahe vergessen! Er griff ihn nun an, ohne Zurückhaltung oder Rücksicht auf Die und Toshiya, die dabei ebenfalls etwas abbekamen weil sie in der Schusslinie standen. Für so entschlossen hatte er ihn nicht gehalten. Er hatte ihn wohl unterschätzt... "Nein nein, so geht das aber nicht, nein nein!" Grob zerrte er an einem Faden und riss Toshiya so vor sich, als lebenden Schutzschild. Ob Shinya sich auch so traute zu feuern? Sicher nicht, er würde Toshiya voll erwischen. "Jaja, da ist Freundschaft schnell eine Schwäche was? Tztz..." Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da spürte er wie etwas gegen seinen Rücken prallte. Scharfe Krallen bohrten sich in seinen Rücken und zerfetzten seinen schönen Frack. Neben seinem Ohr hörte er ein lautes Fauchen, dann spürte er wie sich scharfe Zähne in seinen Oberarm bohrten. Er hörte Knochen brechen und Sehnen reißen, bevor der betäubende Schmerz einsetzte, als ihm der Arm abgebissen wurde. Gleichzeitig traf ihn der Angriff von Shinya, der darauf vertraut hatte, dass Toshiya rechtzeitig ausweichen würde. Und das tat er auch. ~ Reita konnte den Blick nicht von Aiji wenden, als dieser mit Shinya gegen den Puppenspieler kämpfte. Das war sein Bruder... Stolz erfüllte ihn, als er die enorme Kraft und das Geschick sah, mit dem Aiji Yu~ki bekämpfte. Er würde gern mit ihm zusammen kämpfen, Seite an Seite. Aber das ging nicht, würde sicher niemals gehen. Langsam suchte sein Blick nach Aoi. Sein Freund stand da, abseits von allem und beobachtete stumm und mit ungewohnt traurigem Ausdruck was hier geschah. Reita seufzte leise, er kannte seinen Gefährten, er wusste was er sich gerade dachte, wovor er gerade Angst hatte. Er war so dumm... Ein seltenes Lächeln schob sich auf Reitas Lippen und er ging auf Aoi zu. Mana würde ihm sicher nicht mehr viel Zeit geben, er wollte sich noch bei ihm bedanken, für alles was er für ihn getan hatte. Für jeden Moment, in dem er für ihn da gewesen war, für jedes Wort das er ihm geschenkt hatte. Für alles. Ein lautes Fauchen ertönte, und Reita sah sich um. "Aiji..." Überrascht starrte er auf das Tier, das auf den Puppenspieler zurannte und ihn dann ansprang. Ja, das passte zu ihm... es hätte nichts anderes sein können. Das schwarze Fell des Panthers schimmerte im Mondlicht, die Krallen blitzten kurz auf bevor sie sich in den Rücken des Puppenspielers bohrten. Die Augen leuchteten, das Feuer das hinter ihnen brannte loderte hell und gab einen kleinen Einblick auf die Kraft, die in ihm steckte. Reita beschloss, dass er nie so ein schönes Tier gesehen hatte. Eine Weile betrachtete er seinen Bruder in dieser Gestalt noch, dann wandte er den Blick wieder zu Aoi - aber er sah nur noch seinen Rücken, in der Ferne. Er ging einfach... ~ Es kam ihm vor als würde die Luft immer kühler, je weiter er sich von den anderen entfernte. Der Wind wehte sanft, streichelte ihn beruhigend. Dabei brauchte er das gar nicht, er war ruhig. Aoi ließ den Kopf matt hängen und ging mit schnellen Schritten einfach die Straße entlang, wohin auch immer sie führte. Egal, Hauptsache weg. Weg von Mr. Supermann... Aiji war viel stärker als er, er beherrschte nicht nur das Element des Feuers, nein... er teilte seine Seele mit einem so starken Tier. Reita waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen als er seinen Bruder beobachtet hatte... Ja, so ein Held, rettet die Meister vor dem Puppenspieler, bringt ihn fast alleine um... und ist nebenbei noch Reitas großer Bruder. Wie sollte man denn da noch mithalten können? Seufzend blieb Aoi kurz stehen, zog seine letzte Schachtel Kippen aus der Tasche. Der bläuliche Rauch stieg in die Nachtluft und löste sich dort einfach auf. Ab jetzt würde alles anders sein. Und er konnte nichts dagegen tun. Resigniert seufzte er und ging weiter. Was auch immer geschehen würde, er würde zurück zu Mana gehen. Würde weiter für ihn arbeiten, damit Reita am Leben blieb. Das war das wichtigste, für ihn zumindest. Auch wenn er jetzt sicher bei seinem Bruder bleiben würde... "Aoi? Aoi, warte!" Zögernd blieb er stehen. Was wollte Reita noch? Sich verabschieden? "Warte doch... wohin gehst du?" "Nach hause..." "Ohne mich?" "Na und?" "Es ist nur... wir sind noch nie allein irgendwo hin gegangen..." "Du hast doch jetzt Aiji, der wird schon auf dich aufpassen. Er kann das sicher besser als ich." Plötzlich war Reitas Stimme sehr nah... er musste direkt hinter ihm stehen. "Er hat doch schon jemanden, auf den er aufpassen muss..." Langsam drehte Aoi sich um. Reita lächelte ihn an, ein ehrliches glückliches Lächeln. Er legte den Kopf leicht schief und lachte leise, dann öffnete er den Mund um etwas zu sagen, in diesem Moment räusperte sich jemand hinter Aoi. "Verzeihen Sie bitte. Ich möchte nicht stören." Instinktiv nahm Aoi eine abwehrende Haltung ein, stellte sich schützend halb vor Reita. Közi winkte nur ab und kam einen Schritt näher. "Kein Grund zur Besorgnis, ich bin lediglich hier um Ihnen etwas zu geben." Manas Diener streckte die Hand aus und hielt Aoi etwas kleines, silbernes hin... "Ich händige Ihnen Reitas Siegel aus. Ich empfehle Ihnen aber, sich von nun an vorsichtig zu verhalten. Diese kleine Gefälligkeit bleibt selbstverständlich unter uns, ich hoffe dass ich mich dahingehend auf Sie verlassen kann. Verständlicherweise wäre Mana nicht erfreut zu erfahren, dass ich Ihnen den Ring gegeben habe. Sie verstehen?" Nein, er verstand überhaupt nichts. Was ging hier vor? Közi, Manas rechte Hand stand hier vor ihm und wollte ihm Reitas Siegel wieder geben? Das konnte doch nicht wahr sein, das musste ein übler Trick sein! Zögerlich streckte Aoi die Hand aus... er musste das jetzt wenigstens versuchen, denn was, wenn er es wirklich ernst meinte? Er hielt die Luft an als seine Fingerspitzen auf kaltes Metall trafen. Langsam nahm er den Ring und zog die Hand zurück, immer noch vorsichtig, als könnte er jeden Moment explodieren. Es geschah aber nichts... "Ach und wenn Sie so freundlich wären und würden diese Kette ihrem Besitzer zurück geben... ich würde es selbst tun aber ich habe leider keine Zeit mehr. Mein Herr ist auf dem Weg hierher, und ich werde versuchen ihn vorher abzufangen. Ich bitte Sie nochmals, dies hier alles unter uns zu belassen. Ich danke Ihnen, und... viel Glück!" Eine galante Verneigung, dann verschwand Közi im Schatten und ließ nur große Verwirrung zurück. "Reita....uhm... der gehört dann wohl dir." "Nein, behalte ihn... bitte." Ungläubig betrachtete Aoi erst den Ring, dann seinen Gefährten. War das sein Ernst? Reita machte nie Späße derart, und wenn er etwas sagte dann meinte er es auch so... "Du meinst das ernst?" "Ja. Ich wüsste nicht, bei wem er besser aufgehoben wäre." ~ "Wie geht es Kaoru?" "Er erholt sich langsam. Er schläft wohl noch." Kirito nickte verständnisvoll und gab Shinya die Tasse, an dem sich der Meister die langen dürren Finger wärmte. Seit die Verbindung der Fünf durch Kyos Tod unterbrochen war, fror er ständig. Ob er sich jemals daran gewöhnen würde? Sicher nicht... "Was ist mit dir und deinem Bruder? Seid ihr auch wieder einigermaßen auf den Beinen?" "Klar, wir sind wieder voll einsatzbereit." Kirito verdrehte die Augen als er die Stimme aus dem Wohnzimmer hörte. Typisch Kohta... grinsend kam er nun in die Küche und setzte sich zu den anderen an den Tisch, stand aber sofort wieder auf als Jun herein kam um ihm seinen Platz anzubieten. Jaja, dachte Kirito sich. Auf der einen Seite Macho aber wenn's dann drauf ankommt ein Kavalier. Aber da waren sie nicht wirklich sehr verschieden... "Habt ihr schon eine Ahnung was ihr jetzt machen werdet?" Toshiya und Die zuckten mit den Schultern und sahen das stellvertretende Medium abwartend an, Shinya schwieg eine Weile. "Wir warten bis es Kaoru besser geht. Dann sehen wir weiter. Wir sind es nicht mehr würdig, uns Meister zu nennen." "Übertreibst du da nicht ein wenig?" "Nein. Wir zogen unsere Kraft voneinander, aber wir... sind jetzt nicht mehr vollständig." "Kyo..." "Ja. Ein Element fehlt, also sind wir alle nicht mehr miteinander verbunden. Die Symbiose wurde aufgelöst." "Also wird es keine Fünf Meister mehr geben..." "Nein. Ich habe mit jemandem gesprochen, der früher mit uns gekämpft hat. Er wäre in der Lage Kyos Lücke vielleicht zu füllen, aber er teilte mir mit, dass er eine wichtigere Pflicht zu erfüllen habe." Kirito war überrascht von der Sachlichkeit, mit der Shinya sprach. Er hatte vor ein paar Tagen einen Freund verloren, aber man sah ihm die Trauer nicht an. In gewisser Weise war das vielleicht seine Art, zu trauern... die selbe Methode die auch Kirito benutzen würde. "Ich... ich versteh noch immer nicht ganz was hier überhaupt passiert ist aber... ich... wollte mich bei euch allen noch entschuldigen, weil ihr... na ja das war alles nur wegen mir!" Aiji lachte und wuschelte Jun durch die Haare, brachte so seine wie immer sorgfältig gestylte Frisur vollkommen durcheinander. Dieser Dummkopf! "Wenn du was dafür könntest, dass du diese helle Seele hast dann würde ich dich jetzt zusammen schlagen. Da du aber nichts dafür kannst ist es doch egal! Ich bin nur froh, dass dir wirklich nichts passiert ist, und ich denk mal das gilt für alle hier." Einheitliches Nicken war die Antwort und Jun senkte verlegen den Kopf. "Und was wird dann jetzt passieren?" "Wir werden weiterhin deine Wächter sein. Denn auch wenn es jetzt erst mal ruhig sein wird um Mana, er ist noch da und du bist immer noch ein attraktives Mittagessen für ihn und alle anderen Seelenfresser." "Du hast wirklich ein Talent dafür, dich besonders feinfühlig auszudrücken Aiji." "Wie hättest du es denn gesagt damit der hier das versteht?" "Was soll das wieder heißen?" Aiji lachte und neckte Jun weiter, der versuchte sich verbal zu wehren - ohne Erfolg. Wie immer... Kirito beobachtete die beiden eine Weile. Seit Aiji seine Kräfte hatte war er ein anderer Mensch... nein, nicht wirklich anders, nur glücklicher. Er war stolz und erleichtert, ab und zu sprach er in Gedanken mit Kirito oder Kohta, schien seine Kräfte auszuprobieren und auszutesten. Kirito beobachtete ihn gern dabei... er war so froh und glücklich, dass Aiji endlich seinen Traum erfüllen konnte. Oder hing Aijis Unbeschwertheit damit zusammen, dass er seinen Bruder wieder hatte? Der Gedanke an Reita brachte Kirito zum Lächeln. Er hatte mit Sicherheit nicht einmal gewusst, wie wichtig er war... Auch Kirito hatte es erst später verstanden, genau wie Közis abstruse Handlungen. Starb ein Siegel, so starb der Wächter... wäre Reitas Siegel zerstört worden, dann hätte nicht nur Reita sein Leben verloren. Aoi und Aiji ebenfalls... sie teilten sich ihr Siegel: Reita. Közi hatte ihm den Ring zurück gegeben, damit das Gleichgewicht wieder gesichert war. Kirito hoffte nur, dass Mana nicht herausfand, zu was sein treuer Diener seit Yoshikis Tod geworden war... Eine Weile sah Kirito sich in seiner kleinen Küche um. Die Überlebenden dieses schlimmen Kampfes saßen hier und tranken Tee zusammen, als wären sie eng befreundet oder würden sich schon lange kennen. Kaoru fehlte, er war noch immer recht angeschlagen und hatte es deshalb vorgezogen, zu hause zu bleiben, Aoi und Reita fehlten ebenfalls. Reita... schon wieder kehrten Kiritos Gedanken zu Aijis Bruder zurück. Er hatte ihm an jenem Abend die Kette wiedergegeben und ihn gebeten, gut auf Aiji aufzupassen. Er würde sich melden, hatte er gesagt, dann war er mit Aoi verschwunden. Aiji hatte auf diese Nachricht anders reagiert als Kirito befürchtet hatte, er hatte nur genickt und mit fast kindlicher Überzeugung gesagt: "Wenn er sagt, dass er sich meldet, dann tut er das auch." Es war der erste Abend seit Monaten, an dem sie alle halbwegs unbeschwert reden konnten, an dem niemand Angst hatte und niemand befürchten musste, sich zu verraten oder etwas aufs Spiel zu setzen. Bis tief in die Nacht blieben sie bei Kirito und Kohta, unterhielten sich, redeten über alles außer über diese Nacht vor vier Tagen, die ihr Leben verändert hatte und Schatten hinterließ, die sich noch weit in die Zukunft hinein ziehen würden. Gegen Morgengrauen verabschiedeten sich Shinya, Die und Toshiya und verschwanden. Sie sagten nicht ,auf wiedersehen' als sie gingen, niemand wusste ob es ein Wiedersehen geben würde. Auch Aiji, Jun und Takeo verließen die Wohnung der beiden Brüder am frühen Morgen. "Also dann bis übermorgen zur Probe?" "Ja...bis dann!" "Und pass auf dich auf, Jun!" "Warum, dafür hab ich doch euch!" ~~ENDE~~ so... das war es endgültig. Danke an alle die mich dazu angetrieben haben weiter zu schreiben, danke an alle die bis hier her gelesen haben... danke!!! Eure Sue [EDIT 11.10.07: Ich habe eine Sidestory zu "Balance" hochgeladen, "Der Silberne Schimmer" erzählt die Geschichte, wie Kohta und Kirito zu ihren Kräften kamen. Ein zweiter Teil zu "Balance" ist in Arbeit!] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)