Balance von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Apathisch starrte er geradeaus. Die Uhr über der Tür tickte unerträglich laut und nervtötend, der Zeiger schob sich rasend schnell nach vorne, trotzdem schien kaum Zeit zu vergehen. Wie lange lag er jetzt schon hier? Wie viel Zeit war seit dem Kampf vergangen? Den Schmerzen nach zu urteilen, die noch immer seinen Körper quälten, war noch nicht viel Zeit verstrichen seit Miyavi ihn so hart erwischt hatte. Seit seiner letzten Demütigung... Nein Moment, seit der vorletzten. Kiritos Standpredigt war seine letzte gewesen. Herrgott... er hatte schon eine neue Zeitrechnung entwickelt... es war gerade schätzungsweise eine Stunde nach der Kirito-Demütigung, also ungefähr vier Stunden nach der Miyavi-Demütigung. Wunderbar... Und jetzt lag er hier, in einem fremden Bett, einem ungewohnten Zimmer, im Haus seines Freundes. Verletzt und mal wieder als Versager bestätigt. Ein leises Schluchzen wand sich Aijis Kehle hoch, na klasse, eine Heulsuse war er auch noch. Aber konnte er noch tiefer sinken? Sicher nicht. Außerdem war sowieso niemand da der ihn jetzt sah. Kirito war sicher bei seiner Nachtschicht, Kohta schlief bestimmt, was Takeo machte wusste er nicht und Jun... Jun lag wohl nichts ahnend in seinem Bett und schlief ruhig. Wie gerne würde er jetzt anrufen, zu ihm fahren, ihm alles erzählen und sich bei ihm ausheulen. Aber das ging nicht... er konnte nicht zu Jun gehen. Zu Takeo konnte er auch nicht, er würde ihn wieder abweisen... nein würde er sicher nicht aber Aiji nervte ihn schon oft genug... Kohta war nicht gerade die Person, mit der Aiji tiefsinnige, persönliche Gespräche führte, warum auch immer, denn eigentlich vertrauet er ihm. Und Kirito... war immer noch wütend auf ihn. Es war einfach niemand da, zu dem er gehen konnte! Er war so allein... so verdammt allein. Das Kissen unter seinem Gesicht war unangenehm nass, er hatte nicht einmal bemerkt dass er tatsächlich weinte. Wütend auf sich selbst setzte er sich auf, etwas zu schnell, seine Wunden brannten unangenehm. Er musste hier weg... er wollte unter Menschen, diese kühle Einsamkeit machte ihn wahnsinnig! Langsam stand er auf, zog sich vorsichtig an ohne sich all zu viel zu bewegen, machte das Bett ordentlich und schlich ins Bad. Herrgott, er sah so schrecklich aus... Blass, verquollene Augen, zerzaustes Haar... war er eigentlich immer so verdammt hässlich? Das konnte also noch auf die Liste... Untalentiert, Nervtötend, Unfähig, Hässlich.... Ohne sich zu verabschieden verließ er die Wohnung. Die kühle Nachtluft tat gut, sie kühlte seine Haut und seine Wut ein bisschen ab. Nicht aber die Selbstzweifel... Erinnerungen an vergangene Kämpfe schoben sich in seinen Kopf, als er langsam die schwach erleuchtete Straße entlang schlenderte. Im Geiste sah er die beiden Brüder vor sich... er hatte schon oft beobachtet, wie sie gemeinsam kämpften. Sie hatten manchmal ihre kleinen Streitereien, wie alle Geschwister. Sie waren sehr unterschiedlich, aber wenn es zum Kampf kam arbeiteten sie so eng zusammen als wären sie eins... Unzertrennlich und perfekt aufeinander abgestimmt. Ihre Kräfte waren stark, gemeinsam waren sie beinahe unbesiegbar. Auch wenn Aiji es niemals vor einem der beiden zugeben würde, er sah zu ihnen auf. Er bewunderte sie, für ihre Kräfte und für de Fähigkeit sich in ein Tier zu verwandeln... Wie cool war das wohl, wenn man einfach so die Gestalt wechseln konnte... Aiji hatte sich diese Frage schon so oft gestellt, insgeheim träumte er davon was er wohl für ein Tier in sich trug. Er beneidete Kohta um diesen starken, furchteinflößenden Wolf und Kirito um die mysteriöse Krähe. Wie er sein Glück kannte würde er sicher am Ende als Frosch herumhüpfen, oder als Käfer... Ein deprimiertes Seufzen folgte dem nächsten, mit hängendem Kopf ging er einfach wohin ihn seine Beine trugen. Er merkte nicht, dass es keineswegs Zufall war, wohin er ging. ~ "Was willst du schon wieder?" "Diese Frage entbehrt jedweder Logik. Ich habe noch nie etwas gewollt." Seufzend verdrehte Yoshiki die Augen. Es war so anstrengend mit jemandem zu reden der unsichtbar war... "Na gut... also warum bist du hier?" "Um dich darüber zu informieren, wie die Figuren stehen." "Und?" "Der Turm ist in Gefahr, wenn der Springer es schafft sein Fundament zu zerstören." Er wusste beim besten Willen nicht worauf Juka hinaus wollte. Sollte er nachfragen? Aber das war sicher zwecklos. Er würde ihm sowieso nicht helfen, er wollte ihn nur noch weiter verwirren. "Noch zwei Züge, dann stehst du im Schach." "Habe ich keine Verteidigung auf dem Feld? Was ist mit den Wächtern?" "Wie ich bereits sagte... deine Verteidigung zerstört sich selbst. Zuerst zerstört die schwarze Königin deinen weißen Springer, dieser zerstört den einen Turm, dadurch stürzt der andere ein. Wie gedenkst du, das aufzuhalten?" "Gar nicht. Ich warte ab." Ohne es zu wissen hatte Yoshiki damit einen empfindlichen Nerv bei Juka getroffen. So war das ganze nicht gedacht gewesen, eigentlich hatte er erwartet dass Yoshiki nun nervös wurde und überstürzt handeln würde, aber abwarten? Das war doch langweilig... "Nunja... und wenn ich dir verrate, dass dein untalentierter Springer gerade in dieser Sekunde dabei ist, in sein Verderben zu rennen?" Jetzt hatte er ihn. Yoshikis Augen verengten sich kurz dann stand er auf. Er begann zu verstehen... "Ich habe keine untalentierten Springer." "Nein, nur solche die noch nicht zum Zug gekommen sind." Aiji. Es bestand kein Zweifel mehr, Juka sprach von Aiji! Was war mit ihm, ob er auf seinen Bruder gestoßen war? Ob er angegriffen wurde? Tausend verschiedene Szenarien spielten sich vor seinem inneren Auge ab. Er musste Takeo kontaktieren, bevor es zu spät war. "Ich danke dir für deine Hilfe." "Ich helfe nicht... ich amüsiere mich." ~ Verwirrt sah Aiji sich um. Wo war er hier? Er hatte nicht auf den Weg geachtet und war irgendwo in einer Art Industriegebiet gelandet, rechts und links erhoben sich große Lagerhäuser, vor ihm endete die Straße in einem großen, leeren Parkplatz. Welche Ironie, eigentlich hatte er sich unter Menschen begeben wollen, jetzt war er hier ganz allein und wusste nicht einmal wo er war... Unbehaglich drehte er sich ein mal um sich selbst. Hier war wirklich niemand... das kratzende Geräusch seiner Schuhe auf dem staubigen Boden hallte harsch wieder und wurde vom Echo grotesk verzerrt. Es war unheimlich... Und plötzlich hörte er etwas. Schritte. Gott sei dank, er war doch nicht allein! Suchend sah er sich um, nach einer Weile sah er einen dunklen Schatten aus der Richtung kommen, aus der er eben hierher geirrt war. Zum Glück... erleichtert atmete Aiji aus und ging auf die Gestalt zu, die plötzlich stehen geblieben war. "Guten Abend Shinji." Was? Erschrocken blieb er stehen. Diese Person kannte seinen richtigen Namen? Wer zur Hölle war das? Ein alter Freund aus der Schule vielleicht? Aber nein, er war in einer anderen Stadt zur Schule gegangen, wie groß waren die Chancen jemanden, den er von damals kannte hier mitten in der Nacht an diesem verlassenen Ort zu treffen? Andererseits... wie groß war die Chance, hier überhaupt jemanden zu treffen? Langsam wich der Erleichterung über die Anwesenhit einer anderen Person und wurde von misstrauischer Skepsis überdeckt. "Wer... wer sind Sie?" Er erkannte seine Stimme selbst kaum wieder... sie klang so leise und so schwach, so verdammt schwach. "Das ist nicht von Bedeutung. Das was zählt ist die Frage, wer bist du?" Was war das für eine Frage, er kannte doch wohl offensichtlich seinen Namen. "Bist du ein Mensch, der keinerlei Kräfte besitzt oder bist du ein starker Wächter mit der Macht über Elemente und dem Geschenk sich mit einem Tier die Seele zu teilen?" Aiji erstarrte. Wer war das? Woher wusste dieser Fremde so viel? Über ihn, über die Wächter? Wer auch immer es war, Aiji traute ihm nicht.. Langsam wich er zurück. "Warte. Ich füge dir kein Leid zu. Ich bin hier um dir zu helfen. Deinen Wunsch zu erfüllen." Aiji hatte im Alter von fünf Jahren bereits aufgehört an gute Feen mit drei Wünschen zu glauben, folglich machte ihn diese Aussage mehr als skeptisch. "Du glaubst mir nicht, das ist durchaus verständlich. Erlaube mir aber wenigstens mich zu erklären. Yoshiki schickt mich. Er hat mitbekommen, dass Takeo nicht zulässt das deine Kräfte erwachen. Er hat mich her geschickt um diese Sache zu klären. Die anderen dürfen aber nichts davon wissen." "Ich glaube ihnen nicht. Warum sollte Takeo es mir nicht gönnen?" "Weil er weiß, dass deine Kräfte um einiges Stärker sind als seine. Wenn du erwachst wird er nicht mehr gebraucht. Selbstverständlich ist das nicht wahr, aber er fürchtet es nichts desto trotz." Ob das stimmte? Takeo sorgte sich immer um alle, passte auf dass alles geregelt war, wieso sollte Aiji in der Lage sein ihn zu ersetzen? Ob Takeo wirklich dachte, er wäre dann überflüssig? "Und warum dürfen die anderen nichts davon erfahren? Seit wann hat Yoshiki Geheimnisse vor uns?" "Die anderen beiden haben sich ihre Kräfte hart erarbeitet. Sie würden dich sicher nicht für voll nehmen wenn sie erfahren, dass du sie einfach so bekommen hast." In Aijis ohnehin schon verstörtem Verstand traf dieser Satz auf einen wunden Punkt. Das wäre noch schlimmer als es jetzt schon war... dann hätte er seine Kräfte und würde trotzdem nicht respektiert. "Ich... ich kenne Sie nicht, ich traue Ihnen nicht." Er musste sich wirklich dazu zwingen sich umzudrehen um zu gehen. Es war so verlockend... aber er durfte nicht das Risiko eingehen einen Fehler zu begehen und wieder alles zu vermasseln. "Hm, das dachte ich mir... Yoshiki hatte mich schon gewarnt, dass du sicher Angst haben würdest." Was? Angst? Ruckartig blieb er stehen. Gab es eigentlich auch nur einen Menschen auf der Welt, der ihm auch nur irgend etwas zutraute? Trotzdem war ihm diese Sache nicht ganz geheuer. "Ich lasse mich nicht auf seltsame Geschäfte ein, ich..." "Ja, du hast einmal mit angesehen was ein Handel für Konsequenzen haben kann, nicht wahr? Hast du noch Kontakt zu deinem Bruder?" Wut erfasste ihn, wie jedes Mal wenn er an seinen kleinen Bruder dachte. Dieser Verräter... dieser unfähige Wächter. Es war seine Schult gewesen, wegen ihm war Ruki damals gestorben. Und dann hatte er sich auch noch auf Manas Seite geschlagen. Wie er ihn hasste.... "Woher wissen sie das?" "Yoshiki zeigte mir deine Akte, er sagte wenn du zweifelst solle ich das als Beweis anführen." Geschlagen senkte Aiji den Kopf. Alles in ihm schrie danach einfach wegzulaufen, dieser Kerl konnte unmöglich für Yoshiki arbeiten! Das war nicht seine Art, er hätte nicht irgendjemanden geschickt den Aiji noch nie zuvor gesehen hatte. Aber die Verzweiflung in ihm trieb ihn dazu, wieder auf die fremde Gestalt zuzugehen. "Was... was muss ich tun?" ~ "Takeo...wach auf..." "Ich bin doch wach....." Seufzend drehte er sich um und fuhr sich gähnend durch die Haare. Warum musste Yoshiki immer zu den unmenschlichsten Zeiten Kontakt zu ihm aufnehmen? Manchmal nervte es wirklich ein Medium zu sein. "Was ist los? Es ist mitten in der Nacht..." "Ich hatte eben Besuch von Juka. Weißt du wo Aiji sich im Moment aufhält?" "Uhm, ich denke er ist bei Kohta und Kirito, er ist recht schwer verletzt..." "Bist du sicher?" Zum Glück konnte Yoshiki nicht sehen wie er das Gesicht verzog. Ob er sich sicher war, was war das denn für eine Frage? Gähnend tapste Takeo in die Küche um sich ein Glas Wasser zu holen. "Ich weiß nur, dass Kohta ihn mitgenommen hat, dieser Unterdämon hat ihn ganz schön erwischt." "Ich weiß, ich habe deinen Bericht gelesen." "Und mehr weiß ich auch nicht... Kohta ist bei Jun, er übernimmt Kiritos Schicht. Kirito ist zuhause, bei Aiji." "Kannst du herausfinden ob er wirklich bei ihm ist?" "Warum, was ist los?" "Juka hat mir ein paar Hinweise gegeben, Mana hat irgendetwas mit Aiji vor." "Das glaube ich kaum, was soll er denn mit einem Wächter der noch keine Kräfte hat?" "Ich weiß es nicht genau..." "Na schön, ich werde den Zorn von Kirito auf mich ziehen wenn ich da jetzt anrufe aber ich erkundige mich, okay?" "Anrufen kann icha uch, es ist wichtig dass Aiji nichts davon mitbekommt. Ich wollte dich bitten ob du..." "Jetzt in aller Herrgottsfrühe zu ihm fahre?" Müde seufzte er. Das wäre dann die dritte Nacht ohne Schlaf. "Okay okay... ich meld mich wenn irgendwas ist." "Gut. Danke Takeo..." "Keine Ursache... ist mein Job." Das Kribbeln im Hinterkopf zeigte ihm, dass Yoshiki den Kontakt abbrach. Leise fluchend zog Takeo sich an, wenn Kirito ihn lebendig häuten würde, dann konnte Yoshiki sich auf was gefasst machen. Na gut, er wusste selbst dass er nichts sagen würde, er konnte nicht wütend werden, vielleicht war er deshalb das Medium, weil er seine Emotionen im Griff hatte... manchmal sogar etwas zu gut. ~ Közi war sich zwar sicher, dass er ihn nie gesehen hatte, vorsichtshalber blieb er aber trotzdem im Schatten stehen um sein Gesicht zu verbergen. Er hatte ihn nun soweit. Es war einfacher gewesen als er zunächst angenommen hatte. Aiji schien wirklich verzweifelt zu sein. "Ich möchte nur eine kleine Gegenleistung von dir..." "Und was?" "Dein Freund, Kirito... er trägt eine Kette. Mit einem silbernen Kreuz. Ich möchte, dass du mir diese Kette bringst." "Was? Warum das denn? Eine Kette?" "Ich beantworte dir diese Frage erst, wenn du sie mir besorgt hast. Selbstverständlich darf Kirito davon nichts mitbekommen." "Ich soll meine Freunde bestehlen?" "Nein, nur einen." "Aber ich kann doch nicht..." "Du musst natürlich wissen was dir wichtiger ist. Ein kleiner Diebstahl, eine Kette die er sich jederzeit neu kaufen kann und eventuell ein Bisschen Ärger mit ihm deswegen, oder deine Kräfte endlich zu bekommen. Du willst doch sicher größere Kräfte als die beiden anderen oder? Was hältst du davon, ich verspreche dir, dass du stärker wirst als die beiden zusammen." Aiji sah zu Boden. Er wusste in seinem Inneren dass mit diesem Handel etwas nicht stimmte, aber es war eine Chance... eine Gelegenheit endlich seine Kräfte zu erwecken, und wenn dieser Kerl wirklich dafür sorgen konnte dass er sogar stärker war als Kirito und Kohta zusammen... Aber Kirito bestehlen? Diese Kette hatte er einmal von Kohta geschenkt bekommen, einen gewissen emotionalen Wert hatte sie also mit Sicherheit. Aber Jun zu schützen war doch bestimmt auch Kirito wichtiger, oder? "Ich tue es. Warten sie hier... ich hole sie..." "Lass dir Zeit." Aiji drehte sich um und ging, nach ein paar Schritten spürte er ein seltsames Kribbeln im Kopf und eine Stimme sagte: ,Aiji, deine Kraft ist da... lass mich dir helfen sie zu befreien!' Jetzt wusste er, dass der Handel nicht mit rechten Dingen zuging. ~ Er konnte einfach nicht schlafen. Diese dröhnenden Kopfschmerzen ließen ihm keine Ruhe, auch zwei Tabletten hatten nicht geholfen. Seufzend stand Jun auf und zog sich an, vielleicht würde frische Luft gut tun. Ein kurzer Blick aus dem Fenster zeigte ihm dass die Krähe immer noch nicht da war. Die letzte beiden Nächte war sie nicht aufgetaucht. Seltsamerweise vermisste er den furchteinflößenden Vogel. Ob er ihm etwas zu essen hinstellen sollte? Vielleicht kam er dann ja wieder... das würde er morgen Abend einmal ausprobieren. Schlüssel und Handy in der Tasche zog er sich seine Schuhe an und verließ die Wohnung. Ein kleiner nächtlicher Spaziergang so ganz alleine war zwar nicht gerade das, worauf er jetzt Lust hatte, aber nur in der Wohnung zu sitzen und zu hoffen, dass die Schmerzen nachließen würde ihm auch nichts bringen. Die kühle Ruhe draußen war angenehm, er blieb stehen und atmete ein paar Mal tief ein. Wohin sollte er gehen? Einfach durch die Straßen irren? Am besten ging er nur ein Mal um den Block, sonst würde er sich sowieso wieder verlaufen. Gerade als er um die Ecke gehen wollte, fiel sein Blick auf einen hellen Fleck auf der anderen Straßenseite. Dort, neben dem Eingang eines leerstehenden Hauses lag ein großer, weiß -grauer Hund. Zögernd ging Jun über die Straße auf das große Tier zu. Dunkle Augen sahen ihm ruhig entgegen, der sanfte Blick des Tieres brachte Jun zum Lächeln. "Hallo du... wo ist denn dein Herrchen? Bist du hier ganz alleine?" Suchend sah Jun sich um, doch er konnte nirgends einen Menschen entdecken dem dieser schöne Hund gehören könnte. Ob er ein Streuner war? Ein Halsband trug er offensichtlich nicht. Vorsichtig streckte Jun die Hand aus und berührte das weiche Fell, das im Mondschein fast silbern wirkte. Der Hund hob den Kopf ein Bisschen und Jun begann ihn zu streicheln. "Ich darf dich leider nicht mit zu mir nehmen, Hunde sind verboten... außerdem hab ich ne Katze...aber ich kann dir ja was zu essen raus bringen, hm? Warte schön hier, lauf nicht weg!" Kurz hatte Jun die absurde Idee, der Hund würde ihn anlächeln. Hunde konnten doch nicht lachen, so ein Blödsinn! Kopfschüttelnd lief er zurück und hopste die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Seine Kopfschmerzen hatte er längst vergessen. ~ "Aoi? Mana hat eine Nachricht gesendet. Es ist fast soweit." Verflucht sei Mana dafür, dass er dich damit belastet, schoss es Aoi in den Kopf. Er hatte Mana immer gesagt, er solle mit ihm Kontakt aufnehmen, solle Reita da vollkommen raus lassen. Er hätte sich denken können, dass er sich nicht daran halten würde. "Oh, wann?" "Wir sollen auf sein Zeichen warten und dann.." "Zeichen? Was für ein Zeichen? Eine Batman-silhouette am Himmel oder was?" "Ich weiß es nicht... er sagte nur wir würden merken wann es los geht." "Hm... okay...sonst noch was?" "Wir werden mit dem Puppenspieler zusammenarbeiten müssen... aber erst später." "Oh nein..." Genervt zog Aoi sich die Decke über den Kopf. Er hasste es, wenn er mit jemandem zusammen arbeiten musste. Und erst recht wenn es einer von Manas Lakaien war... er hatte den Puppenspieler erst ein Mal getroffen, ein unangenehmer Kerl trotz seines sympathischen Aussehens. Seine Lippen waren in einem ständigen, freundlich wirkenden Lächeln verzogen, sein Blick gaukelte Wärme vor. Doch hinter dieser Fassade lauerte etwas ganz anderes. Es hieß, er konnte die Bewegungen seiner Opfer beeinflussen, so als wäre man seine Marionette. War man ein mal unter seiner Kontrolle hatte man keine Chance ihm zu entkommen. Er hatte Geschichten gehört von Freunden, die sich unter seiner Kontrolle gegenseitig umgebracht hatten und fröhliche, glückliche Menschen begingen Selbstmord ohne es zu wollen. "Aoi?" "Hm?" "Hör auf zu denken. Das ist ein normaler Job, das wird kein Problem." Reitas Worte klangen nicht so als würde er sie selbst glauben. Trotzdem war Aoi ihm für den Versuch ihn zu beruhigen dankbar. "Klar, wird ein Kinderspiel..." Reita sah ihn eine Weile an, dann setzte er sich zu ihm auf das Bett. Seine Haut schien im schwachen Mondlicht, das durch die Fenster fiel, leicht zu glühen. Als hätte er selbst die reinste Seele dieser Welt. Jedenfalls empfand Aoi das so. Langsam setzte er sich auf und rutschte an die Bettkante zu seinem Freund. "Wenn du willst kannst du noch schlafen, ich weck dich dann." "Nein, ich denke wir sollten auf Abruf bereit stehen." "Okay..." Eine Weile schwiegen sie, dann legte Reita seinem Freund kurz die Hand auf die Schulter und sah ihn an, kein Lächeln, aber etwas vergleichbares lag in seinen Augen. Aoi sog diesen seltenen Blick in sich auf, er klammerte sich an alles was er von ihm bekam. Reita verließ den Raum um sich für den Kampf heute nacht vor zu bereiten. Er hatte das Gefühl, dass das heute nicht ganz so leicht werden würde wie normalerweise. Wie richtig er damit lag wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. ~ Vorsichtig entzündete er eine Kerze, achtete darauf dass jede Bewegung ruhig und beherrscht wirkte. Es war zwar niemand da der ihn sehen konnte, aber er wollte sich selbst in einer perfekten Maske wissen. Das flackernde Licht erhellte den Raum nicht wirklich mehr als es die Lampe ohnehin schon tat, aber der Anblick einer Kerze erschuf wenigstens die Illusion von wirklichem, echten Licht. Langsam schritt Mana zum Fenster, hinter dem kühle Nacht lauerte. Közi war schon lange weg... mit jeder Minute die verstrich wurde die Dunkelheit um Mana herum dichter. Sie war schon so nah und so undurchdringbar, dass er obwohl er Licht verabscheute, eine Kerze angezündet hatte. Hasserfüllt starrte er auf den kleinen leuchtenden Punkt, der flackernd umhertanzte. Das Licht schien ihn zu verhöhnen... er konnte hören wie die kleine Flamme ihn auslachte. Genau wie diese helle Seele, die er bis hierher spüren konnte. Sie war immer präsent, machte sich mit ihrer bloßen Existenz über ihn lustig. Er, der die dunkelste aller Seelen sein eigen nennen musste, der alles was hell war verabscheute und reine Seelen hasste, ausgerechnet er war auf diese Seelen angewiesen. Er wollte sie zerstören, jede einzelne. Alle würde er nach und nach auslöschen, dann würde das spöttische Gelächter in seinem Kopf endlich aufhören. Und er würde mit dieser blendend strahlenden Seele anfangen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er Schluck um Schluck dieser Reinheit kosten dürfen. Sobald Közi zurück war würde es los gehen. "Wie ich sehe, pflegst du in letzter Zeit deine romantische Ader auszuleben?" Mana drehte sich entgegen besseres Wissen um. Selbstverständlich sah er Juka nicht, aber die Gewissheit dass er da war, reichte vorerst aus um zu seiner gewohnten Sicherheit zurück zu finden. "Juka. Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?" "Neugierde." "Ich kann mir nicht vorstellen dass es Dinge gibt von denen du noch nichts weißt oder?" "Richtig. Trotzdem interessiert es mich wie deine weitere Vorgehensweise aussehen wird. Du wartest zunächst auf die Rückkehr deines Menschenfreundes?" "Die Bezeichnung Freund trifft wohl kaum zu." "Oh, wie möchtest du denn, das ich ihn nenne? Dein Seelenspender? Deine bessere Hälfte? Deinen Sklaven?" "Hast du eine Frage? Wenn nicht dann geh." "Ich stelle keine Fragen, ich suche Antworten." "Welche Antworten hast du gefunden?" "Nun, genau die richtigen. Dein Gegenstück ist besorgt und verwirrt, die fünf Meister sind bereit jeder Zeit auf dem Spielfeld zu erscheinen." "Ja, es läuft alles nach Plan." "Nur leider nicht nach deinem." "Was meinst du damit?" "Nunja... dein Gegenstück weiß was du vorhast. Er hat bereits das Medium informiert. Die Zeit rennt nun auch dir davon!" Mana schwieg. Nicht weil er nichts zu sagen hatte, sondern weil er wusste dass Juka das hasste. Wenn der formlos Spion eine Intrige sponn, dann wollte er auch Reaktionen sehen. Mana tat ihm diesen Gefallen nicht, aus Rache dafür, dass er seine Pläne durchkreuzt hatte. "Ich sehe, hier erwartet mich keine weitere Unterhaltung mehr. Andernorts ist es ohnehin amüsanter... es ist nur schwierig an allen Orten gleichzeitig zu sein." Wieder bekam er keine Antwort. Eine Weile konnte Mana noch den Hauch von Präsenz spüren, den Juka ihn spüren lies, dann verschwand auch diese. Er war wieder allein mit der Einsamkeit. Jukas Worte hatten ihn verunsichert, was wenn die Wächter Közi zuvor kamen? Aber noch war Zeit, noch hatte Közi nicht versagt. Noch spielten alle nach seinen Regeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)