Die Weiße Schlange von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 19: Verrat ------------------ Saito Hajime saß im Schneidersitz auf der Veranda des Gästehauses. Das Anwesen, das zuvor dem Politiker Ysidro gehört hatte und nun die Truppen der Shinsengumi unter Hijikata Toshizo und dem jungen Yamazaki beherbergte, bestand nicht nur aus jenem prachtvollen Haupthaus, das Saito persönlich einfach nur geschmacklos fand, sondern es hatte auch noch drei Gästehäuser, die allerdings in traditionell japanischem Baustil gefertigt waren. Die hölzernen Veranden standen zum Garten hin offen. Eine papierne Laterne schaukelte über Saitos Kopf in der samtenen Dunkelheit und verströmte ein mildes, warmes Licht. Saito rauchte eine seiner Zigarren. Das Licht der Laterne war so unzulänglich, dass man es nur anhand des leuchtend orangefarbenen Punktes, der ab und an in der Finsternis aufleuchtete, erkannte. Und anhand der Schwaden von dünnem, grauen Rauch, welche die kleine Insel aus Licht zu umschmeicheln schienen. "Wo ist er jetzt?" Seine Stimme klang allenfalls mäßig interessiert. "In seinem Zimmer. Er hat sich hingelegt.", antwortete eine körperlose Stimme aus den Schatten im Hintergrund. Saito gab ein Geräusch von sich, dass sich anhörte als würde er zugleich seufzen und abfällig lachen. "Okita, mein Junge. Willst du dich nicht um ihn kümmern?", sagte er dann mit unverhohlener Häme in der Stimme. Okita Soji trat aalglatt hinter ihm heran. "Ich tue nichts anderes, als mich um Yamazaki zu kümmern. So wie wir es vorgesehen haben." In seinen kalten Worten schwang keinerlei Gefühl mit. "Wie geht es ihren Verletzungen, Herr?" Saito antwortete nicht gleich. Er bewegte prüfend die Schulter. "Ich werde schon bald zu meiner alten Stärke zurückfinden. Ist die kleine Hexe noch drüben im Haupthaus?" Okita verneinte. "Hijikata hat sie in sein Haus gebracht." "Shigeru ist auch dort?" "Das ist korrekt, Herr. Hijikata-san hofft auf seine Weise über sie herauszufinden, wo sich die Verstecke der Gegner hier in der Stadt befinden." "Folter?", fragte Saito langsam. "Ja, das ist in der Tat eine von Toshizos Spezialitäten." Ein leichtes, süffisantes Lächeln umspielte die grausamen Lippen. "Bis jetzt schweigen sich jedoch beide aus.", setzte Okita hinzu. Saito neigte den Kopf. "Wir sollten uns keine Sorgen darum machen wie wir sie finden. Vertrau mir. SIE werden UNS aufsuchen - und zwar schon bald. Sie haben einen triftigen Grund dazu." Bei seinen letzten Worten griff er hinunter und hob etwas auf, das vor ihm in der Dunkelheit gelegen hatte. Es war ein sehr altes Schwert in einer abgenutzten Scheide. "Außerdem habe ich mit einem gewissen Halbdämon noch eine Rechnung zu begleichen. Er weiß das und ich weiß es." "Eine interessante Waffe. Das denke ich nach wie vor." Okita war näher herangetreten und sah ihm über die Schulter - auch wenn er nicht wirklich viel erkennen konnte. "Sie hat eine deutliche, magische Aura, die sehr mächtig ist. Was auch immer dieses Schwert ist: Es ist nicht bloß eine geschliffene Klinge." Er schwieg einen Moment und sann dann weiter: "Und ziehen kann es hier auch niemand. Seltsam. Aus welchem Grund sollte ein kleiner Hundedämon solch ein nutzloses Schwert mit sich herumtragen?" "Nutzlos? Sicher nicht für ihn.", meinte Saito langsam und ließ die dunkle Scheide nachdenklich zwischen seinen langen, schlanken Fingern hindurchgleiten. "Im Grunde ist es nicht wichtig. Dieser räudige Kläffer wird sich mir OHNE dieses Schmuckstück stellen müssen. Und wir werden sehen, ob er mich besiegen kann, wenn ich NICHT von vorangegangenen Kämpfen geschwächt bin." "Wie erklären sie sich seinen seltsamen Zustand bei unserer letzten Auseinandersetzung?", fragte Okita leise. Jetzt wurde Saitos Lächeln hinterhältig und böse. "Es gibt nur eine einzige Erklärung, die auch wirklich einleuchtend ist. An jenem Tag war Neumond. Ich kann mir nicht erklären, wieso es so ist, aber diese Tatsache muss sich negativ auf seine dämonischen Kräfte auswirken - vergleichbar vielleicht mit der Sage vom Werwolf, nur dass dieser natürlich nur bei Vollmond aktiv wird. Bei dem einen wird etwas unterdrückt was bei dem anderen erst durch einen bestimmten Mondstand hervorgerufen wird. Interessant, nicht wahr?" Okita neigte den Kopf. "Wäre es nicht ratsam, sie in Ruhe auszuspionieren und dann beim nächsten Neumond anzugreifen?" "Wie ich bereits sagte, kleiner Okita..." Saito erhob sich langsam. "SIE werden es sein, die UNS schon bald wieder aufsuchen. Aber ich denke, wir können uns unser Wissen durchaus noch irgendwann zunutze machen." Er drehte sich Okita zu, ein unerschütterlich böses Lächeln auf den Lippen. "Und nun geh zurück zu dieser Memme Mamoru. Besänftige und tröste ihn. Er darf keinen Verdacht schöpfen. Mach ihm klar, dass du nur zu seinem Besten gehandelt und den Kampf mit seinem Bruder abgewendet hast. Wenn wir den "Roten Schatten" und seine Männer haben, haben wir das Herz der kaisertreuen Bewegung getroffen - und brauchen Mamoru nicht länger. Sein Hass auf den Bruder ist uns sehr nützlich - mehr auch nicht. Ebenso wie seine ach so unbesiegbaren Ninja-Kämpfer. Sie alle sind entbehrlich. Wir werden dafür sorgen, dass das alte System wieder auflebt. Dem Kaiser wird am Ende nichts anderes übrig bleiben als der Übermacht der einzelnen Daimyo und ihrer Samurai-Elite, die in neuem Glanz erstehen wird, nachzugeben. Er wird nur noch eine Schachfigur im großen Spiel um Macht und wiederhergestellte Ordnung sein." Der Wolf von Mibu drehte sich herum, trat die paar Stufen hinunter in den Garten, und verschwand dann lautlos in der Nacht. Okita Soji neigte den Kopf und hielt ihn gesenkt, bis er verschwunden war. "So wird es sein, Herr.", sagte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)