Sad Smiling von Schattenwald ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Cyril schien plötzlich stumm geworden zu sein. Nur langsam öffnete er seinen Mund: "Mich bei dir entschuldigen..." - "Dass ich nicht lache!", rief Ryu und setzte dabei einen leicht wütenden Ton in den Satz. Cyril kam ihm näher: "Du hast Recht...ich hätte wohl vorher überlegen sollen..." - "Und woher dieser ach so plötzliche Sinneswandel?", bohrte Ryu weiter. "Ich hab' halt nachgedacht...warte, bevor du was dazu sagst! Ich weiß, dass du mich jeden Moment rauswerfen kannst, aber ich möchte vorher das sagen, was ich loswerden wollte: Es tut mir wirklich leid. Es war auch nicht meine Absicht, dich zu verletzen, wirklich. Aber ich mag nun mal keine Männer. Und dir sah man es vom ersten Augenblick an, dass du was von mir wolltest. Deswegen habe ich abgeblockt. Aber...damit habe ich wahrscheinlich gar nichts geändert..." Ryu stand wie angewurzelt da: War das alles nur ein Traum? "Und...was willst du jetzt machen?" - "Ich werde versuchen, mich ein wenig dafür zu entschädigen, dass ich dich so verletzt habe...wenn es dir nicht allzu weh tut, mich jetzt noch zu sehen..." - "Nein...tut es nicht wirklich..." - "Danach weiß ich auch nicht, wie es weitergehen soll...vielleicht werden wir es dann ja sehen." - "Glaubst du, dass alles noch so werden kann, wie ich es mir vorgestellt habe?" Auf diese Frage schwieg Cyril. Er wollte Ryu nicht verletzen. Doch dieser bohrte weiter: "Weißt du...eigentlich bin ich nicht schwul...aber du ziehst mich irgendwie an...das habe ich noch nie zuvor an einem Jungen so gemerkt wie an dir...na ja, eigentlich hat mich kein Junge bis jetzt so angezogen wie du...oder überhaupt nur angezogen..." Ryu redete immer wirrer. Cyril war in der Zwischenzeit zu ihm gekommen: "Wir werden ja sehen, wie es weitergeht..." Er nahm sich Ryus Worte zu Herzen. Vielleicht sollte es bei ihm auch einmal so werden, aber er rechnete nicht damit. Langsam kniete dich der Schwarzhaarige zu Ryu herunter und streckte seine Hand nach ihm aus. "Was...hast du vor?" Ryu zuckte leicht zurück. Doch Cyril nahm nur das feuchte Tuch, was auf seiner Stirn lag, wrang es aus, tunkte es erneut in kühles Wasser und legte es wieder auf Ryus Stirn. Ryu versuchte wirklich mit aller Mühe und Not, ruhig zu bleiben. ,Ich spring' ihn nicht an, ich spring' ihn jetzt nicht an!", schoss es ihm immer wieder durch den Kopf. Er wäre jetzt allzu gern zu Cyril gegangen und hätte ihn geküsst, aber er wusste, dass Cyril nichts von ihm wollte. Und weil er die Hoffnung hatte, dass er seine Meinung ändern könnte, wollte Ryu es sich nicht jetzt schon verderben. So sehr sich Cyril auch darauf konzentrierte, neutral zu wirken, so sehr fiel es ihm immer schwerer. Ryu bemerkte dies: "Du wirkst sehr nachdenklich...", sagte er in einem fast flüsterndem Ton. Cyril schaute in seine Augen: "Ich frage mich nur...wie diese Zeit wird..." - "Welche Zeit?" - "Die, die ich dir als Entschädigung für meine Worte geben will..." Cyril schloss seine Augen, hob seinen Kopf und öffnete sie wieder. Ryu suchte mit seiner Hand vorsichtig die von Cyril. Als er sie berührte, zuckten beide kurz zusammen, aber einen Moment später hielten sie ihre Hände. "Hast du eigentlich eine Freundin, Cyri?" - "Nein." - "Komisch..." - "Wieso?" - "Na dir rennen sie doch bestimmt alle hinterher!" - "Ja, das heißt aber nicht, dass ich was von ihnen will. Die meisten sind sowieso auf ein kurzes Abenteuer aus und selbst wenn ich mit einem Fan zusammen wäre...die anderen Fans würden sie lynchen..." Im nächsten Moment merkte Ryu, wie es ihm immer heißer wurde. Sein Kopf lief rot an, doch noch bevor er etwas sagen konnte, kippte er weg. Als er wieder erwachte, lag sein Kopf auf einem Schoß. Ohne lang zu zögern drehte er sich mit Mühe und Not auf die Seite und umklammerte die Taille vor ihm: "Danke, dass du mich heute besucht hast..." Kurz darauf spürte er eine Hand, die durch seine Haare wuschelte: "Kein Problem, Kurzer!" Moment - "Kurzer"? Das sagte doch nur einer...Alex! Wie vom Blitz getroffen drehte Ryu sich wieder herum. "Ist was?" - "Ich dachte, du wärst Cyril..." - "Ach, hör' mir bloß auf mit diesem-" - "Nein...es ist schon okay so..." - "Ist es nicht! Selbst, wenn ihr euch wieder vertragen habt: Er lässt dich einfach mit einem Fieberanfall so liegen! Er hat mich zwar gebeten, nach dir zu schauen, aber er hätte selbst handeln können!" - "Ist schon okay..." - "Hm?" Alex sah seinen Freund fragend an. "Er ist halt nur etwas verwirrt..." Als Ryu sich etwas aufrichten wollte, spürte er ein leises Knacken und etwas Hartes. Er fühlte es mit seiner Hand: Rechteckig, wohl aus Plastik. Dann nahm er es und sah es sich an: Eine von Cyril handsignierte CD von Burning Ice! "Alex...? Kannst du die bitte reinmachen?" Die Töne, die kurz darauf den Raum durchzogen, erinnerten Ryu an das Konzert und seinen ersten Kuss mit Cyril. Ryu wechselte noch ein paar Worte mit Alex über das, was Cyril zu ihm gesagt hatte. "Ich weiß nicht...", sagte Alex schließlich, "...ich an deiner Stelle würd' ihn auf den Mond schießen..." - "Ja, aber...ich will irgendwie nicht..." - "Vielleicht bist du ja wirklich nur etwas verwirrt, Kurzer!" "Du, Alex?" - "Mh?" - "Mit dir hat sich ein Kuss ganz anders angefühlt, aber schön war es irgendwie beide Male..." - "Lass' dir ruhig ein bisschen Zeit, ja? Du wirst sehen, das Problem klärt sich vielleicht schneller, als du gedacht hast!" - "Ja, vielleicht hast du Recht!", lächelte Ryu und hörte sich weiter die Musik an. Plötzlich klingelte das Telefon. Ryu ging ran: "Hey...hier ist Cyril.", kam es aus dem anderen Ende. Ryu zuckte auf, er spürte ein Kribbeln in der Magengegend. "Also...was ich dir noch sagen wollte: Gute Besserung!" - "Danke..." - "Wenn du wieder gesund bist, machen wir mal was zusammen, ja?" - "Okay, und was?" - "Das ist eine Überraschung...!" - "Ich weiß nicht...bist du dir sicher, dass sie mir gefällt?" - "Ja, bin ich!", klang die warme Stimme aus dem Hörer. "Vertrau' mir einfach, Süßer..." Süßer? Ryu stotterte nur etwas Unverständliches in den Hörer. "Ähm...muss mir wohl rausgerutscht sein...", sagte Cyril, dessen Stimme nun so klang, als wäre es ihm peinlich. "Also dann, bis demnächst!" Dann legte Cyril einfach auf. "Wer war das denn?" - "Cyril...", entgegnete Ryu zu seinem braunhaarigen Freund. "Hat er irgendwas Nettes zu dir gesagt?" - "J...ja..." - "Ach, Kurzer...", sagte Alex und strich Ryu durch die Haare. Der Rest des Tages verlief eher wortkarg. Alex musste bald los und Ryu schrieb noch ein paar Texte. Irgendwann war Ryu einfach eingeschlafen. Doch er wachte wieder auf: Jemand versuchte sich, neben ihn zu legen. Der Geruch kam ihm bekannt vor: Cyril! Wie um alles in der Welt kam er hierher? "Cyril...was...was tust du hier?", fragte Ryu erschrocken und richtete sich auf. Doch er wurde nur von seinem Gegenüber sanft zurück ins Bett gedrückt. "Hey...ist doch egal..:", hauchte Cyril. "Die Hauptsache ist, ich bin hier..." Ihre Blicke trafen sich. Obwohl es dunkel war, konnte Ryu Cyrils leidenschaftlichen Blick erkennen. Langsam beugte sich der Schwarzhaarige über ihn und küsste ihn lang und innig. Ryu klammerte sich an Cyrils Shirt fest. Dann spürte er eine Hand auf seinem Bauch. Sie kreiste und streichelte ihn; Fingerspitzen wanderten seinen Körper hinauf und wieder herunter. [Cut; Cyril X Ryu] "Cy...Cyril...?", fragte Ryu leise und schwer atmend durch den dunklen Raum. Doch es war niemand da. ,Ich hab' nur geträumt...', dachte er. Als sich Ryu wieder hinlegen wollte, merkte er etwas feuchtes in seiner Hose. ,Oh nein...' Während des Traumes hatte Ryu einen Orgasmus. Das gefiel ihm gar nicht. Er wusste, seine Mutter hasste Flecken im bett, aber wie sollte er ihr diesen Fleck erklären? Er huschte ins Bad, holte sich einen Waschlappen und ein Handtuch und versuchte, die Flecken so gut wie möglich zu beseitigen. Dann legte er sich wieder hin. ,Jetzt träum' ich schon von dir, Cyri...und dann noch solche Sachen...!', dachte er sich. Langsam schloss er die Augen und schlief wieder ein. Am nächsten Tag wurde Ryu von der Stimme seiner Mutter geweckt: "Hey, wach auf! Wir müssen dann bald los!" Ryu öffnete nur langsam seine Augen. Dann wusste er wieder, was er an diesem Tag vorhatte: Die Schule, auf die er gehen sollte, hatte eine Infoveranstaltung...und er lag noch im Bett! Blitzschnell sprang er auf, zog sich um, aß einen Happen und lief dann zum Auto: "Kann's dann endlich mal losgehen?" Seine Mutter stand nur neben Alex in der Tür: "Muss er grad sagen..." Als Alex in das Auto einstieg, kamen die beiden gleich in ein lebhaftes Gespräch: "Wie kommst du denn hierher?" - "Ich komm' auch mit auf die neue Schule, schon vergessen?" Und genau an dieser Stelle war das Gespräch auch schon wieder beendet. "Okay, also kommt ihr dann gelaufen!" Mit diesen Worten fuhr Ryus Mutter mit dem Auto wieder nach Hause. Als die beiden in der Schule ankamen, gingen die zunächst zum Infostand, um in Erfahrung zu bringen, wo das Programm der Schule stattfand. "Also...die Aula ist irgendwo im fünften Stock..." Alex ging zuerst durch die Tür. Die beiden schleppten sich schier endlose Reihen von Treppen hoch und kamen nach einigen Minuten - ihnen kam es wie Stunden vor - im fünften Stock an. Ryu schaute sich um: "Hmmm...ich würde sagen...wir gehen nach links." - "Also ab nach rechts...", erwiderte Alex kühl und bog ab. "Heeey! Was soll das jetzt wieder heißen!?", rief Ryu. "Och, nichts..." Alex ging voraus. "Ob es wohl hinter dieser Tür hier ist...?" Vorsichtig drückte Alex die Klinge herunter und öffnete die Tür. Er war sich so sicher, dass hier die Aula sein würde, dass er schnurstracks in das Zimmer ging...und ebenso schnell, begleitet von einem Schrei, wieder austrat. "Was war das denn?", fragte Ryu erschrocken. "Och...da haben sich nur grad einige Mädchen umgezogen..." - "Dass du so eine Tür findest, war mir klar..." Plötzlich stürmte eine Frau um die Ecke und rannte ins Zimmer. Man hörte ihre Stimme: "Was ist passiert? Warum schreit ihr?", fragte sie mit einem besorgten Ton. "Da war ein braunhaariger Spanner!", ertönte die Antwort. Als die Frau im nächsten Moment wieder aus dem Zimmer trat, stand sie Alex gegenüber. "Sag mal...was hast du hier verloren?", fragte die jetzt sehr energisch wirkende Frau. "Ich...ich, äh, suche die...die Aula...", erwiderte Alex eingeschüchtert und blickte ihr irgendwo in das Gesicht, aber nicht in die Augen. Die Frau packte ihn und schleifte ihn geradeaus. Ryu ging hinterher: "Ich sagte dir doch, hier ging es links lang...", sagte er mit einem monotonen Gesichtsausdruck. "Gut...das nächstes Mal hören wir auf dich." Als die beiden in die Aula traten, war diese schon recht gut besetzt. Doch sie fanden noch Platz und warteten auf die Ansage des Schulleiters. Diese Rede über das Prinzip der Schule war für die beiden mehr als langweilig. Sie waren froh, als ein paar musikalische Stücke zwischendurch gespielt wurden. Der Schulleiter sprach weiter: "Nun möchten Ihnen die Schüler der oberen Klassenstufe, geleitet durch Frau Stredtke, ein kleines Stück darbieten. Wir wünschen Ihnen dabei viel Vergnügen!" Kurz darauf kam eine Gruppe in den Saal. "Das ist jetzt die Klasse, in die wir kommen werden, oder?", fragte Ryu. "Jap. Mal schauen, wie die so sind...", murmelte Alex immer unverständlicher. "Ich meine...wenn ein paar hübsche Mädchen... Moment!", schreckte Alex auf. "Das sind die Mädchen, die sich vorhin umgezogen haben! Und die Lehrerin...diese Frau Streckbank...die hat uns vorhin hier in die Aula gewiesen...!" Ryus Blicke wurden nun um einiges aufmerksamer. Er schaute sich auch die tanzenden Mädchen an. Und eines kam ihm sehr bekannt vor: Christin! Sie war an dieser Schule, in der Klasse, in die Ryu kommen sollte! Wie vom Blitz getroffen versuchte Ryu, sich zu verstecken. Ihm gelang es auch - zumindest, bis das Stück zu Ende war. Als die beiden danach den Raum verließen, lief Christin ihnen über den Weg. "Ryu...? Und der Spanner?", fragte sie mit großen Augen. "Ich bin kein Spanner!" - "Was machst du hier, Ryu?" - "Heeey, hör' mir gefälligst zu!!! Es war ein Versehen!" - "Sag' nicht, dass du auf diese Schule wechselst..." - "Ein Verseeehen, hörst du!? Haaallooo!!!" Ryu schwieg. Dann erwiderte er ihre fragenden Blicke: "Gut...dann sag' ich's halt nicht..." Christin schien wie vom Blitz getroffen. "Hast du ein Problem damit?" Sie zögerte. "N...nein..." - "Wirklich?" Seine Härte tat ihr weh. Auch Ryu selbst verspürte Schmerz, aber er wollte keine Schwäche zeigen. "Wann hast du denn endlich deinen Spaß gehabt?", rief sie, "Weißt du denn gar nicht, wie weh mir das tut...?" Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte ins nächste Zimmer. "Du kennst sie?", fragte Alex nach einer Weile des Schweigens. "Ja...", erwiderte der Rothaarige. "Scheint wohl eine schwere Eingewöhnungszeit zu werden, hm?" - "Ja, schon...du kennst die Lehrerin und ich Christin..." - "Christin heißt sie also...hmh...ach was, das werden wir schon schaffen!", sagte Alex voller Zuversicht und wuschelte seinem Freund durch die Haare. "Mmh..." Auf dem Nachhauseweg schien Ryu völlig neben sich selbst zu stehen. Er sah nur seine Vergangenheit: Da, der Laden...den hatte er beim ersten Date mit Melanie getroffen...und dort drüben...Melanies Wohnung...irgendwie wollte Ryu es ihr heimzahlen, was sie ihm angetan hatte, aber er wusste einfach nicht, wie er es anstellen sollte. Und dort drüben steht die Bushaltestelle, an der letztes Jahr im Winter ein Obdachloser gestorben war. Ryu schwelgte nur so in Erinnerungen. Auf der Straße verabschiedeten sich die beiden Freunde. Alex musste nach Hause, seiner Mutter im Haushalt aushelfen. Sie war über die Tage leicht krank geworden. Ryu ging derweil zu sich nach Hause. Als er um die Ecke zu seinem Haus einbog, sah er Cyril im Garten stehen. Sollte Ryu nun loslaufen und ihn überfreundlich begrüßen? Nein...Cyril würde vielleicht wieder abblocken. Also beschloss er, sich dem Schwarzhaarigen, der sich gerade ein paar Strähnen aus dem Gesicht strich, langsam zu nähern. "Ich hab' heute frei...wenn du willst, können wir was unternehmen.", sagte Cyril. "Gerne...hmh...hast du was geplant?" - "Ja." - "Und was?" - "Komm' doch einfach mit!", zwinkerte Cyril. Er sah heute - wie immer - unverschämt gut aus: Ein Hemd, das nicht ganz zugeknöpft war, eine lange, schwarze Hose und elegante Schuhe. Dazu seine kinnlangen Haare, die so schön glänzten und seine tiefen Augen. Ryu verlor sich alleine in Cyrils Aussehen. Die beiden gingen zunächst in einen Plattenladen. Ryu stürze begeistert auf die Regale zu und durchsuchte sie. "Ich bezahl' dir eine, ja?" - "Warum?", fragte Ryu mit großen Augen. "Na ja...weil ich dir doch so wehgetan habe..." - "Cyri..." - "Hm?" - "Das kann man nicht mit Geld wiedergutmachen..." - "Mit was dann?", fragte Cyril fast schon ahnungslos. "Zeige mir einfach, dass es dir Leid tut...aber nicht mit Geld..." Cyril wirkte unentschlossen. Wie sollte er das machen? "Dass es...mir Leid tut?", fragte er nachdenklich. Ryu wirkte etwas enttäuscht. Er wusste mittlerweile, was er wollte, aber das konnte er nicht von Cyril verlangen. Dafür war ihm alles noch zu wackelig und auch er wollte nach diesem kurzen Gespräch Cyril erst ein bisschen besser kennen lernen. "Ja...", erwiderte er mit einem ausweichendem Blick. "Es tut mir leid...", erwiderte der Schwarzhaarige zögerlich. "Ich weiß...das hast du doch schon einmal gesagt..." Ryus Blick wurde trauriger: "Ich geh' mal eben auf die öffentlichen Klos dort..." Doch eigentlich wollte er momentan nur von Cyril weg. Der Rothaarige machte sich auf den Weg. Es war nicht unbedingt um die nächste Ecke, aber auch nicht allzu weit. Cyril setzte sich derweil auf eine Bank im Park. Ryu kam an der Leichenhalle vorbei. Drinnen brannte Licht und über dem Eingangstor stand groß "Ewiger Frieden" geschrieben. Es dämmerte schon und Ryu hatte Mühe, die Buchstaben zu entziffern. ,Was sie wohl damit meinen?', dachte er. ,Ewiger Frieden als ewige Ruhe oder dass man nie wieder Stress hat...?' Nachdenklich zog er weiter: ,Ob Cyri wohl weiß, was er tun soll?' Bei den öffentlichen Toiletten angekommen, fand Ryu nur eine Putzfrau vor: "Die sind im Moment defekt.", sagte sie. Ryu kam sich vor wie ein Ball, der selbst von nichtssagenden Ausdrücken in eine völlig andere Richtung gelenkt wurde. Er entschloss sich fast schon mit aller Mühe, hinter den nächsten Busch zu gehen. Als er wieder zurück zu Cyril ging, fingen Ryus Fantasien an, mit ihm durchzugehen: Er stellte sich vor, wie Cyril dort saß...nach hinten gelehnt, die Arme ausgestreckt auf der Banklehne liegend, der Blick verträumt in die Sterne. Ryu würde zu ihm gehen und sich auf seinen Schoß setzen, ihn umarmen und küssen. Doch diese Gedanken wurden genauso schnell wieder aus Ryus Kopf gejagt, wie er um die Ecke zum Park ging und Cyril sah. Er saß wirklich genauso da, wie Ryu es sich vorgestellt hatte. Doch anstatt sich auf seinen Schoß zu setzen, nahm Ryu am Ende der Bank Platz. "Warum setzt du dich so weit weg?", fragte Cyril und sah Ryu an. "Ist es...weil du was von mir willst?" Seine Stimme wurde ruhiger. Ryu lief rot an, nickte leicht und starrte auf den Boden. Da Cyril seine Arme auf der Lehne liegen hatte, griff er, ohne das Ryu es merkte, nach dessen Schulter und zog ihn zu sich heran. Ryu wollte wieder weg, doch Cyril hielt ihn fest, legte seinen Arm um ihn und drückte ihn an seine Brust. "Cyri, was-" - "Ist schon okay..." - "Nein...ich will nur nicht wieder verletzt werden..." Cyril schwieg. "Warum sollte ich das tun, hm?" - "Ich...ich weiß es nicht..." Ryu merkte, dass es Cyril wirklich Leid tat, sonst hätte er sich seit dem Besuch, als er krank war, nicht so benommen. Nach einigen Momenten des Schweigens spürte Ryu, wie sein Herz immer wilder pochte. Er konnte Cyrils Deo wieder riechen. "Cy...Cyri...?" Sein Herz schlug wie wild. "Hmh?" - "Das ist schön...so...so vergesse ich alles, was passiert ist..." Cyril schwieg. "Cyri...ich lieb-" Da spürte Ryu einen Finger auf seinem Mund. Er schaute in Cyrils Augen: "Bitte...sag es nicht...ich will dir nicht schon wieder wehtun..." Ryu verstand es und behielt diesen Satz für sich. Beide wussten nicht, wie lange sie nun dort gesessen hatten; irgendwann gingen sie einfach los und Cyril brachte Ryu noch nach Hause. "Sag mal...", kam es schüchtern aus Ryus Richtung, "...warum bist du eigentlich seit diesem Abend so anders, hm?" Er sah Cyril direkt in die Augen, denn er wollte eine Antwort. Doch dieser nahm nur seine Hand, strich dem Rothaarigen über die Wange und erwiderte: "Das ist doch nicht wichtig..." Doch Ryu ließ nicht locker. Er nahm Cyrils Hand und führte sie wieder herunter: "Doch...bitte sag es mir..." Cyril schwieg einen Moment. Dann schaute er Ryu an: "Ich weiß es eigentlich nicht...irgendwas an dir ist seltsam...aber ich weiß nicht, was es ist..." Ryu schaute etwas fragender. "Ich weiß es wirklich nicht..." Ryus Blick durchdrang Cyrils Augen. "Also gut, ja!", rief Cyril, kniff die Augen zusammen und wandte sich dem Boden zu. "Ich weiß es, verdammt! Ich weiß, was an dir anders ist! Aber ich weiß nicht, warum ich das hier tu'!" - "Und was ist an mir anders?", fragte Ryu vorsichtig. "Das...das kann ich dir noch nicht sagen...ich muss erst einmal meine Gedanken ordnen..." - "Okay..." Sie hielten immer noch ihre Hände. Cyril hatte die Augen wieder geöffnet. "Kann...kann ich bei dir übernachten?" Langsam hob er seinen Kopf und schaute Ryu an. War das eine Träne in seinem Augenwinkel? "Darfst du das denn?" - "Mach' dir keine Sorgen, es geht schon in Ordnung." - "Wirklich?" - "Ja.", erwiderte der Schwarzhaarige mit einem Blick, den Ryu nicht mehr hinterfragen wollte, weil er instinktiv wusste, dass es ehrlich gemeint war. Die beiden schlichen sich durch das Haus und traten vorsichtig in Ryus Zimmer. "Schön hast du's hier...", sagte Cyril "Da...danke!" Ryu wusste nicht so recht, was er sagen sollte. ,Er ist in meinem Zimmer!!!', schoss es ihm durch den Kopf. "Ich, ähm, ich hab' noch eine Luftmatratze, wo du drauf schlafen kannst!" - "Danke, das ist lieb von dir." Diese Worte flossen an Ryu herunter wie ein warmer Strom und er fühlte sich sehr wohl dabei. Den Rest des Abends verbrachten die beiden damit, dass Ryu den Fernseher anschaltete. Aber sie wechselten kaum noch Worte. Irgendwann rutschte Ryu langsam ein Stück vom bett herunter und lehnte sich an Cyril. "Ryu?" - "Mmmn..." Es ertönte nur ein verschlafener Laut. Der Rothaarige drehte sich zu Cyril hin und schlief ein. Langsam strich Cyril Ryu seine Haare aus dem Gesicht, legte seinen Kopf etwas schief und betrachtete den Schlafenden mit nachdenklichem Blick. Langsam öffnete Ryu wieder seine Augen. Er sah den Umriss von Cyrils Gesicht; die einzige Lichtquelle war der Fernseher. "Cy...ri...?", fragte er völlig verschlafen. "Komm, ab in's Bett mit dir!", sagte der Schwarzhaarige bestimmend und legte Ryu hin. Doch er wurde mitgezogen: Sein Gegenüber klammerte sich an ihm fest: "Neeein...", ertönte das Geräusch. Ryu murmelte weiter: "Morgen bist du weg, ich will jetzt nicht schlafen..." Cyril konnte ihn zunehmend schlechter verstehen. Langsam nahm er seine Hände: "Du bist doch völlig müde...", sagte er mit warmer Stimme. "Mmmn..." Als Ryu das zweite Mal erwachte, war es dunkel. Er spürte, wie sich jemand zu ihm kuschelte: Es war Cyril! "Hey...was machst du da?", fragte er verschlafen. "Du hast doch die Luftmatratze..." Doch er wurde von Cyril nur zurück ins Bett gedrückt: "Hey...ist doch egal..." Der Schwarzhaarige beugte sich über ihn und küsste Ryu kurz aber sehr sanft. Ryu klammerte sich an seinem Shirt fest. Plötzlich schoss es ihm durch den Kopf: ,Der Traum!!! Alles ist genau wie im Traum...! Aber das heißt ja, Cyri-' Noch bevor er weiter nachdenken konnte, spürte Ryu eine Hand auf seinem Bauch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)