Sad Smiling von Schattenwald ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Am nächsten Morgen wachte Ryu halbsitzend im Bett auf. Er war in der Nacht über dem Grübeln eingeschlafen. Cyril hatte er dabei nicht angerufen; wiedersehen wollte er ihn aber so bald wie möglich. Jetzt war er sich endlich des letzten Tages bewusst. Eilig packte Ryu seine Sachen und ging zu Alex. "Ich weiß auch nicht, was er damit bezwecken wollte.", sagte Alex, als er von Cyrils Kuss erfuhr. "Hast du nicht irgendeine Ahnung?", fragte der Rothaarige schon fast verzweifelt. "Nein...wirklich nicht." Alex musste dabei wegschauen, denn er mochte es nicht, seinen Freund zu enttäuschen. "Außer vielleicht..." - "Ja?", fragte Ryu erwartungsvoll. "Außer vielleicht, dass er'n Homo ist.", entgegnete Alex mit einem musternden Blick. "Wer weiß, vielleicht hat er dich ja in Trance geküsst und dann schlimme Sachen mit dir angestellt...?" - "Ach komm, hör' auf! Soweit war ich noch bei Bewusstsein!", stritt der Kleinere ab. "Aber eine Sache ist schon merkwürdig...", fuhr er fort. "Welche?" - "Er hat mir eine Handynummer untergejubelt...wahrscheinlich beim Kuss...ich weiß nicht...soll ich ihn anrufen? Wiedersehen will ich ihn ja..." Als Ryu sich nach Alex umschaute, saß dieser nur zusammengekauert in einer dunklen Ecke: "Mein bester Freund ist also doch ein Homo...wie bringt ich das bloß seinen Eltern bei...?" - "Hey, hör' mir gefälligst zu!!!", schrie Ryu. Alex ging wieder auf ihn zu: "War doch nur Spaß..." Er legte einen Arm um ihn. "Ist ja deine Sache, mit wem du's tust, oder, Kurzer?" - "Mhm..." Stille. Anhaltende Stille. Sehr lang anhaltende Stille. Plötzlich wurde Ryu wieder lauter: "Willst du mich jetzt doch als Homo abstempeln?!?" - "Nun ja, es sieht danach aus, was?" Ryu war durch Alex' Worte leicht genervt, reagierte aber nicht weiter drauf. "Ryu?" - "Ja?" - "Du hast aufgehört zu diskutieren..." - "Ja, und?" - "Du bist doch schwul..." - "Nein, verflucht! Das bin ich nicht!!!" Ryu beharrte sehr auf seiner Aussage. "Und warum warst du dann so hingerissen von ihm, hm?" - "Na...weil er halt berühmt ist oder so..." - "Ach, Ryu...mir kannst du doch nichts vormachen...", sagte der Braunhaarige ruhig. "Willst du es dir vielleicht selbst nicht eingestehen, dass du ihn magst?" Ryu wurde von dieser Antwort wie vom Blitz getroffen. Er schwieg. "Ist schon gut...", meinte Alex, "Ich habe kein Problem damit." Ryu starrte weiter auf den Boden. ,Irgendwie...hat er Recht...', dachte er. Dann begann er langsam ein paar Sätze herauszuwürgen: "Und was ist mit dir...? Du hast mich doch geküsst...bist du etwa schwul, hm?" - "Nein..." - "Warum dann?" - "Ich wollte dich nicht so dasitzen lassen." - "Weißt du, wie du mich dadurch in's Grübeln gebracht hast...?" - "Tut mir leid..." - "Schon gut...nur...wie soll mich ein Kerl bitteschön glücklich machen? Ich meine...er hat noch nicht mal Brüste...!" Alex verwunderte diese Aussage etwas: "Na ja...vielleicht braucht er die ja auch gar nicht..." - "Wenn du meinst..." - "Nein...du musst es meinen. Es ist ja deine Entscheidung..." Ryu verstummte. "Mhm..." Doch Alex ließ nicht locker: "Du kannst doch auch noch Bi werden." - Und wie soll das dann bitteschön aussehen? An der linken Hand ein Mädchen und an der rechten einen Kerl!?" - "Du musst ja nicht mit beiden zusammen sein..." Ryu schwieg hierauf wieder. "Über was denkst du nach, Kurzer?" Ryu blieb noch ein paar Sekunden still, bevor er schließlich erwiderte: "Es ist nur...bisher hatte ich nur schlechte Erfahrungen mit Mädchen..." - "Na und? Jede ist doch anders..." - "Ja, ich weiß...aber es schreckt schon ab..." - "Vielleicht bist du auch einfach nur verwirrt...und würdest gern mal probieren, wie es wohl mit einem Jungen wäre." - "Ja...vielleicht hast du Recht." Mit diesem Satz stand für Ryu fest: Er wollte Cyril wiedersehen! Noch am selben Abend rief er Cyril an. Dieser meinte, dass sie in ein paar Tagen ihr Können in einem etwas bekannterem Club zeigen würden. Ryu schnappte sich eine Karte und machte den Weg ausfindig. Es war nicht unbedingt nahe dran, aber er kam noch zu Fuß dort hin. Weniger Tage später lief Ryu zum Club. Drinnen war die Luft etwas stickig und er beschloss, wieder herauszugehen. Weibliche Fans standen schon vor Cyrils Zimmer und hatten alle einen Strauß Blumen in der Hand. ,Vielleicht sollte ich ihm ja auch etwas mitbringen...?', schoss es Ryu durch den Kopf. Kurz darauf ging er fort und kam mit einem recht großen Paket wieder. Dann betrat er wieder die Innenräume des Clubs. Fans standen überall herum und warteten schon gespannt auf Burning Ice. Als die Band dann endlich die Bühne betrat, fing die Menschenmasse an zu kreischen und zu schreien. Ryu bemerkte auch ein paar Mädchen, die vor Cyrils Kabine standen. Mit der Zeit roch Ryu mehr Schweiß und Deo als Luft. Um ihn dreht sich langsam alles; er versuchte, seinen Kopf zu senken und noch nach draußen zu kommen. Doch wenige Schritte vor der Tür war es einfach zuviel für ihn: Ihm wurde schwarz vor Augen und er kippte um. "Ich nehm' ihn mit. Wie? Ja...ich kenn' ihn flüchtig..." Als Ryu seine Augen wieder öffnete, sah er Cyril, wie er sich über ihn beugte. ,Ist das ein Traum?', dachte er sich. Was war eigentlich mit ihm passiert? Er war doch noch eben im Club gewesen...wie kam er dann so plötzlich hier herein? Wie vom Blitz getroffen schreckte Ryu auf. "Na, endlich wieder wach?", hörte er Cyrils Stimme. Dieses Mal war er nicht halb nackt, hatte aber das Hemd, was er auf dem Konzert trug, recht weit aufgeknöpft. "Hallo, Feuermelder? Was starrst du mich so an...?" Ryu schaute weg. Zufällig iel sein Blick auf sein Geschenk. Es war tatsächlich heil geblieben! "Hier, für dich, Cyri!", entgegnete er mit leicht rotem Kopf. "Hä?" - "Na los, pack's aus!", lächelte der Rothaarige. Cyril zögerte nicht weiter und riss das Papier auf. "Eine...Blumenvase...?" - "Nun ja...die Fans schenken dir doch immer Blumen, oder?" - "Äh..." Cyril war sprachlos. Ryu bemerkte es und fand es sehr süß. Doch noch bevor er weiterträumen konnte, wurde er durch einen Lärm von draußen aus seinen Erinnerungen gerissen: "Hey, Devliiin! Bist du da drin? Sag' doch was!!!" - "Ja! Ja, ich bin hier drin, verdammt!", entgegnete Cyril entnervt. Von draußen hörte man jetzt Gekreische. "Wer ist das?", fragte Ryu entgeistert. "Meine Fans, wer denn sonst?", antwortete Cyril kühl. Kurz darauf klopfte er mehrmals an die Tür. Stille. Noch mehr Stille. Rums! Mit einem Lauten Knall wurde die Tür aufgetreten und Scharen von Mädchen rannten auf Cyril zu. Ryu war von alledem völlig geschockt, fragte sich aber insgeheim, ob er wohl später auch solchen Erfolg haben würde. "Was wollt ihr hier? Das ist meine Kabine, verdammt! Könnt ihr nicht warten, bis ich wieder draußen bin?" Cyrils Rufe wurden jedoch vom Gekreische verschluckt: "Lasst mich vor!" "Ich will ein Autogramm!" "Devliiin, ich liebe dich! Ich will ein Kind von dir!!!" Cyril wandte sich nur schnell zu Ryu: "Entschuldige, Kurzer!" - "Hä?" Noch ehe Ryu es sich versehen konnte, wurde er von Cyril lang und innig geküsst. Das Gekreische nahm er jetzt gar nicht mehr war. Als der Kuss jedoch beendet war, hörte er es wieder. Jetzt aber mit anderen Sätzen: "Neeein, Devlin ist schwul!!!" "Willst du es dir nicht noch mal überlegen? Ich geb' mir auch Mühe im Bett, versprochen!!!" "Tut mir Leid...", grinste Cyril in die Masse, "...er ist nun mal mein Freund." Ryu bekam von alledem nichts mit. Sein Blick schweifte so durch den Raum, wie Cyril ihn umherschleuderte. ,Ach ja, die tolle Vase von mir...', ging es zähflüssig durch Ryus Kopf. Dann spürte er wieder ein Ziehen: Cyril nahm ihn mit heraus. Er ging einfach mit, bekam aber von alledem nichts mit. Sie rannten durch die Gänge und vorbei an den Lichtern, die schon angegangen waren. Es war Nacht geworden. Die Gänge waren etwas komplizierter aufgebaut als es für Clubs üblich war und schließlich hängten sie die Fans ab. Als die beiden endlich draußen angekommen waren, ließ Cyril ihn los. Ryu - immer noch in Trance - klammerte sich an dessen Brust. "Hey, was soll das?", rief Cyril und stieß Ryu von sich. Der Rothaarige war nun schlagartig wieder bei Bewusstsein. "Wie meinst du das?", sagte er erschrocken. "Na was denkst du, was das hier soll? 'Ne Homo-Party, vielleicht!?" Ryu erschrak noch mehr. "Cy...Cyri-?" - "Hey, ich hab' keine Lust drauf, als Homo beschimpft zu werden, klar? Schlag' dir das ganz schnell aus dem Kopf!" Ryu hörte über sich ein Donnern. Erste Regentropfen fielen auf den Asphalt. "Wie...wie bitte?" - "Du hast mich schon richtig verstanden, Feuermelder! Ich will nichts von dir und damit basta!" Ryu schwieg lange. Der Regen setzte nun voll ein. "Aber..." - "Was aber?" Ryu zögerte. Er spürte in seinem Kehlkopf und unter seinen Augen ein gewisses Drücken. Gleich würde er anfangen zu weinen. Aber warum? Selbst bei Christin hatte er doch nicht geweint...! "Aber was war das dann eben?" - "Ich wollte halt diese lästigen Fans loswerden." Ryu zuckte zusammen. Er spürte eine Träne, hob seinen Kopf aber schnell, damit der Regen sie vertuschte. "Und der Kuss von neulich? Was war damit?" - "Was soll schon damit gewesen sein?" Ryu verzog die Miene. "Jetzt hör' auf, zu heulen! Ich hab' dich geküsst, damit du endlich verschwindest! Meinst du, da steckten Gefühle dahinter? Red' dir das besser ganz schnell aus dem Kopf, Kurzer!" Ryu ging nun wutentbrannt auf Cyril zu, packe ihn am Kragen und schrie ihn an: "Weißt du eigentlich, was du mir damit angetan hast? Am liebsten würde ich dich jetzt-" - "Was würdest du?" - "Ich würde..." Ryu hob seine Faust und fixierte Cyril. "Ich würdeee...!!!" - "Ja, warum tust du's dann nicht???", schrie Cyril. Im selben Moment rollte ein lauter Donner über die Straßen. Ryu holte aus und wollte Cyril schlagen, doch sein Arm stoppte wie automatisch vor seinem Gegenüber. "Was ist?", fragte Cyril mit wütender Miene. "Kannst du es etwa nicht, du Penner?" Ryu wurde von seinen Worten förmlich geschlagen. Er wollte einfach nicht wahr haben, dass er das gerade hören musste. Langsam sank er nieder und ließ von Cyril ab. "Erwarte ja nicht, dass ich jetzt Mitleid mit dir habe!", rief er und drehte sich um. "Du...duuu...!!!", schrie Ryu immer lauter. Cyril blieb stehen und drehte sich kurz um, so dass er Ryu gerade so aus dem Augenwinkel heraus sah. "Ja?" Doch Ryu stockte. ,Warum kann ich es nicht einfach sagen?', hallte es durch seinen Kopf. "Verarschst du mich mit Absicht? Macht dir das Spaß...?", rief er dem Schwarzhaarigen hinterher, der schon wieder auf dem Weg war. Dessen Antwort war kühl: "Nein." Er drehte sich herum und schaute Ryu mit einem wütenden Blick an: "Ich weiß nicht, was du von mir willst und das ist mir auch egal! Du hast dir einfach zuviel eingebildet!" Ryu stand auf und ging zu Cyril. "Du bist doch nichts weiter als nur irgendein schwuler Fan von mir! Ihr seid doch alle gleich!!!" Ryu ackte ihn wieder und holte weit aus. "Noch ein Wort, und ich-" - "Ja?" Ryus Augen brannten förmlich. So außer sich hatte er sich noch nie erlebt. "Na los! Du kannst es doch sowieso nicht!!!" In diesem Moment zuckte ein weiterer Donner über den Himmel; lauter als der erste. Cyril lag auf der Straße und hielt sich die Wange. "Arschloch...", ertönte es von Ryu, der über ihm stand und immer noch die Faust gehoben hatte. Cyril rappelte sich auf und griff nach Ryu. Doch dieser war schneller und schleuderte sein Gegenüber an die nächste Wand: "Bevor du an mir irgendwas auszusetzen hast...", sagte er mit immer hasserfüllterer Stimme, "...sorge erst mal dafür, dass du selbst nachdenkst, was du eigentlich für Gefühle auslösen kannst!" Ryu presste ihn noch einmal an die Wand und wollte dann loslassen. Doch Cyril hielt ihn fest: "Wenn ich will, könnte ich dich jetzt zum Heulen bringen, du kleiner Penner!" Ryu nahm seine Handgelenke und drückte sie gegen die Wand. Er wusste nicht, wo er auf einmal die Kraft her hatte, doch sie kam ihm gerade recht. Er sah Cyril in die Augen: "Du meinst also, dass du mich besitzen kannst?" Cyril grinste darauf nur. Ryu drückte sich gegen ihn und küsste Cyril auf den Mund. Cyril wehrte sich mit Zappeln und Tritten, kam aber nicht los. Nach kurzer Zeit ließ Ryu gänzlich von ihm ab: "Niemand besitzt hier irgendwen!" Der Regen lief langsam sein rotes Haar heunter. Cyril stand wie angewurzelt da. Wie konnte jemand wie dieser kleine, rothaarige Bengel plötzlich so ausrasten? Hatte er wirklich Gefühle in ihm ausgelöst? Noch ehe er weiterdenken konnte, drehte Ryu sich um und ging einfach fort. Abends rief er Alex an, um mit ihm über den Tag zu plaudern. Alex meinte, dass er am nächsten Tag einmal vorbeischauen würde, weil sie da mehr Zeit hätten zu reden. Ryu machte sich schnell bettfertig und schlief dann ein. Am nächsten Tag merkte Ryu, dass etwas mit ihm nicht stimmte: Der Regen vom Vortag hatte ihn arg durchnässt: Er hatte eine Grippe. "Du bleibst heute besser daheim, ich bin ja auch da.", sagte seine Schwester zu ihm. Ryu hatte für den Tag sowieso nichts vor. Er frühstückte und schlich sich dann wieder in sein Zimmer. Noch völlig gestresst vom Vortag schlief er wieder ein. Ryu erwachte auf ziemlich ungewöhnliche Weise: Er hörte zwei Stimmen, die heftig miteinander diskutieren. Die eine Stimme war Alex und die andere...Cyril? Cyril! Er war hier! Aber wie konnte er den Weg zu Ryu finden? "Na gut, dann geh' halt zu ihm, aber erwarte keine guten Reaktionen auf dein Erscheinen!", hörte er Alex rufen. Kurz darauf knallte eine Tür. Schon im nächsten Augenblick stand Ryu in der Tür und raunte Cyril an: "Was machst du hier? Und woher weißt du überhaupt, wo ich wohne?" - "Ich habe vom Handy deine Festnetznummer genommen und dich hier angerufen...eine Frauenstimme sagte mir, dass du krank seist. Und wie ich hierher gekommen bin? Ich bin einfach dem braunhaarigen Typen gefolgt; der war doch neulich mit dir auf dem Konzert, oder?" - "Und was willst du hier?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)