Flüstern im Morgenwind von Amunet ================================================================================ Kapitel 2: Der Schmerz in ihm ----------------------------- Eine ganze Woche wohnte er bereits bei mir. Eine Woche, die mir so unwirklich schien wie einst Hagrids Worte, dass ich ein Zauberer wäre. Draco sprach nicht viel und wenn er etwas sagte, dann meistens nur, weil ich ihn angesprochen hatte. Er saß fast die ganze Zeit auf meinem Bett und blickte zum Fenster hinaus. Sein Blick war dann trübe und ich konnte keinen Glanz mehr in den grauen Augen erkennen. Es tat mir weh, ihn so zu sehen, doch ich wusste nicht, was ich tun sollte, um ihm den Schmerz der Erinnerungen zu nehmen. Die Dursleys hatten seine Anwesenheit mit derselben Furcht akzeptiert wie die meine. Sie redeten nicht mit Draco und behandelten ihn, als er wäre er überhaupt nicht da. Ich weiß noch genau, wie er mich fragend angesehen hatte, als er zum ersten Mal meinen Verwandten gegenübergestanden und nicht gewusst hatte, was er von ihrer entsetzten, fast schon panischen Reaktion halten sollte. Ich denke, Draco hatte an diesem Tag begriffen, dass wir alle unsere Masken trugen – er wie ich und ich wie er. Es war das gleiche Prinzip, wir trugen unsere Masken, teils willentlich und teils erzwungen, und doch änderte es nichts an dem, was wir waren – alleine. Die Eule, welche nach genau sieben Tagen für Draco erschien, überraschte uns beide. Mit zitternden Fingern band Draco dem gefiederten Geschöpf den Brief vom Bein, doch er öffnete ihn nicht, starrte mich stattdessen an. „Ich denke, du solltest es tun“, sagte ich, nicht sicher, ob meine Empfehlung richtig war. Kurz kaute er auf seiner Unterlippe und jäh überflog mich ein brennendes Verlangen, diese roten Lippen zu küssen. Auch wenn wir nicht darüber gesprochen hatten, der Kuss stand wie ein unsichtbarer Schild zwischen uns. Nachts, wenn wir uns mein Bett teilten, unsere Körper sich berührten und meine Sehnsucht, ihn zu berühren, erwachte, ignorierten wir beide das Vorgefallene und was wir dabei empfunden hatten. Ich wollte Draco unter keinen Umständen mit meiner erwachten Begierde überrumpeln oder ihn zu jenen Dingen zwingen, wie es die Todesser getan hatten. Das Pergament raschelte, als Draco es auseinander faltete. Seine Augen huschten darüber und ich konnte seiner Miene ansehen, dass der Brief einen sehr überraschenden Inhalt hatte. Mit einem Seufzer der Erleichterung legte er den Brief auf das Bett und ein Lächeln, wie ich es noch nie bei ihm gesehen hatte, erschien auf seinem Gesicht. Er sah schlicht entzückend aus und mein Herz machte einen Hopser, kaum dass ich das Funkeln in seinen Augen sah. „Es geht ihnen gut“, sagte er dann und erst verstand ich nicht, was er meinte. „Es geht ihnen gut, Harry. Meine Eltern, sie sind in Sicherheit, Voldemort kann ihnen nichts mehr anhaben.“ Nun hatte ich begriffen. „Das freut mich für dich, Draco.“ Ich war überrascht, dass er vom Bett aufsprang, zu mir hinüber kam und seine Arme um meinen Hals schlang. „Oh Harry...“, seufzte er in mein Ohr und meine Beherrschung geriet ins Wanken. Draco roch so verlockend und seine Nähe ließ mein Blut fast überkochen. Es brachte mich schier um den Verstand. Wie konnte ich von einem Tag auf den anderen nur so intensives Verlangen nach meinem Feind entwickeln? Weshalb wollte ich sein feines, blondes Haar mit meinen Händen zerzausen und ihm die sinnlichen Lippen bis zur Besinnungslosigkeit küssen? Draco musste meine jähe Erregung gespürt haben. „Wenn“, sagte er leise, „wenn du mich noch möchtest… ich werde mein Angebot nicht zurücknehmen.“ „Draco“, entgegnete ich sanft, „es wäre nicht Recht. Ich will dich nicht benutzen, ich will deinen Körper mit meinem lieben.“ „Dann liebe mich, Harry.“ Mein Herz schlug mir bei diesen Worten Dracos bis zum Hals. Seine wunderschönen Augen blickten mich erwartungsvoll und hoffend an, umso mehr erforderte es Willensstärke, das verführerische Angebot abzulehnen. „Nein, nein, ich kann nicht. Sollte ich jetzt mit dir schlafen, dann würde ich dich genauso missbrauchen wie die anderen.“ „Seit wann bist du so ein Klugscheißer, Potter?“, fauchte er mich unerwartet an. „Draco, bitte…“ „Lass es bleiben, Potter – ich verstehe. Du findest mich geil und würdest mich gerne ficken, tust es aber nicht, weil du weißt, was für dreckige Todesserschwänze in mir waren!“ PATSCH! Ich hatte Draco eine Ohrfeige gegeben. Eisige Stille herrschte zwischen unseren erstarrten Körpern. Auf seiner Wange bildete sich ein roter Handabdruck, der einen krassen Kontrast zu seiner milchig-weißen Haut bildete. „Sag so etwas nie wieder!“, befahl ich ihm, doch er ließ mich einfach stehen. In jener Nacht schlief Draco so nahe an der Bettkante, dass er es tatsächlich fertig brachte, mich trotz des schmalen Bettes nicht zu berühren. oooOOOooo Am nächsten Tag herrschte unbarmherzige Stille zwischen uns. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte, was er von mir erwartete. Natürlich fühlte ich mich körperlich zu ihm hingezogen, doch warum verstand er nicht, dass ich ihm meine Nähe nicht aufzwingen wollte? Dass er die Todesser erwähnt hatte, verursachte mir immer noch absoluten Ekel. Zum ersten Mal ging mir auf, wie beschmutzt sich Draco fühlen musste. Alleine der Gedanke daran, wie es war, seinen Feinden schutz- und hilflos ausgeliefert zu sein, ließ meine Nackenhärchen sich aufrichten. Ich wusste, ich musste unbedingt mit ihm reden, doch jedes Mal, wenn ich einen Anlauf machte, blockte er mich total ab. Zwei weitere Tage später hatte ich immer noch nicht mit ihm geredet und inzwischen hatte sich die Situation zwischen uns sogar noch verschlechtert – Draco schlief auf dem Boden. Es verletzte mich, dass er meine Nähe anscheinend als so abstoßend betrachtete, doch was sollte ich tun? Meine Verwandten beobachteten uns inzwischen mit Argusaugen, da sie bemerkt hatten, dass etwas vorgefallen sein musste und mehr als einmal erwischte ich Dudley dabei, wie er Draco beobachtete. Draco aß zwar regelmäßig, doch die Mengen waren mehr als kümmerlich. Mir schien es sogar, dass er noch weiter abgenommen hatte und seine schlanke Gestalt wirkte so zerbrechlich. „Draco, bitte lass uns reden“, wagte ich einen neuen Anlauf, als ich ihn alleine in der Küche vorfand, die Überreste seines Essens gerade in den Mülleimer werfend. „Ich werde morgen gehen“, sagte er zu mir, den Teller in die Spüle stellend. „Was? Nein! Das kannst du nicht tun, sie werden dich finden.“ „Ich weiß.“ Er drehte sich zu mir herum, blickte mich mit hoffnungslosen Augen an. „Ich habe nichts mehr zu verlieren, was also können sie mir noch antun?“ „Sie können dich töten!“ „Und? Vielleicht wäre das besser so, dann müsste ich nicht mit diesen Erinnerungen leben.“ „Du machst es dir gerne so einfach, oder? Immer läufst du davon, ob im Verbotenen Wald oder im richtigen Leben. Warum kämpfst du nicht einmal?“ Seine Worte machten mich wütend. Wie konnte er so einfach aufgeben und mich alleine lassen? „Ich bin nicht du, Harry. Nicht jeder kann so viel Kraft haben, nicht jeder ist der Auserwählte.“ „Denkst du, ich hätte es mir ausgesucht? Ich wollte immer nur eine Familie haben und glücklich sein, mir ist Voldemort und dieser ganze Krieg zuwider. Warum denkt ihr alle nur, dass ich ein Übermensch bin? Nach Sirius Tod konnte ich auch nicht mehr. Meine Welt erschien mir so leer. Sirius war für mich die letzte Chance auf eine Familie und Voldemort hat sie mir genommen und dafür möchte ich Rache – deshalb kämpfe ich.“ „Und für was soll ich kämpfen? Meine Würde und meinen Stolz haben sie mir bereits genommen, meine Eltern sind Dank Severus in Sicherheit und mein Leben… Mein Leben bedeutet nichts, denn es gibt nichts, für das es sich noch zu Leben lohnt.“ „Sag so etwas nicht, Draco.“ „Warum nicht? Es würde doch keinen kümmern, wenn ich sterbe.“ „Das ist nicht wahr. Ich würde um dich trauern.“ „Ja, klar“, entgegnete er mir voller Bitterkeit. „Du würdest wahrscheinlich sogar noch um den Dunklen Lord persönlich trauern.“ „Bestimmt nicht!“ „Weshalb solltest ausgerechnet du wegen mir auch nur eine einzige Träne vergeuden? Hast du schon vergessen, was ich dir alles angetan habe? Dass ich an Dumbledores Tod schuld bin?“ „Nein, das habe ich nicht, doch es ist mir inzwischen egal – Draco, ich will dich für immer in meiner Nähe haben.“ „Wieso, Harry?“ Seine Stimme klang so traurig und sehnsüchtig zugleich und auch, wenn er sich bemühte, es zu unterdrücken, ich konnte das verräterische Glitzern von Tränen in seinen Augen sehen. „Weil ich dich brauche.“ Draco wimmerte auf. „Du weißt nicht, was du sagst.“ „Doch, das weiß ich und auch wenn ich nicht sagen kann, weshalb es so gekommen ist – Ich brauche dich und das ist die Wahrheit.“ Für mich stand die Zeit still, während ich in seine Augen blickte, die mich schier zu durchbohren schienen, auf der Suche nach einer Lüge, die es nicht gab. Er war so verletzlich, wie ich es ihm nie zugetraut hätte, selbst nachdem ich ihm im vergangen Jahr beim Weinen gesehen hatte. Die Qualen, welche die Todesser ihm zugefügt hatten, hatten seinen weichen Kern noch sensibler gemacht und so verwunderte es mich nicht im Mindesten, als tatsächlich silbrige Tränen flossen. Mein Herz, welches vor Mitgefühl und Liebe zu ihm fast überfloss, ließ mich die Arme ausstrecken und ich umarmte ihn, in der Hoffnung, Geborgenheit zu spenden. Zuerst war er steif in meiner Umarmung, doch nur wenige Sekunden später schmiegte er sich Halt suchend an mich, während er unaufhaltsam weiter weinte und mein T-Shirt durchnässte. Wie von selbst fand eine meiner Hände seinen Kopf und streichelte ihm über das weiche Haar, während die andere Hand beruhigend über seinen Rücken strich. Ich vermag nicht, zu sagen, wie lange wir so dastanden, ineinander verschlungen, die Herzen im gleichen Takt schlagend, doch mir erschien es wie eine Ewigkeit und als Draco seinen Kopf wieder hob und ich in die geröteten Augen eintauchte, welche mich nun leicht verlegen ansahen, war es um mich geschehen. Meine Lippen fanden instinktiv zu den seinen und er erwiderte meinen Kuss. Wir küssten uns so zart, wie wir es bei unserem ersten Kuss getan hatten und doch war es eine ganz neue Erfahrung für mich. Sein Kuss war süß und salzig zu gleich. Süß von seinem eigenen Ambrosia gleichen Speichel und salzig von seinen Tränen. Er schmeckte so köstlich, dass ich mich am liebsten in ihm verloren hätte. Sein Körper presste sich fest gegen meinen und entlockte mir fremdartige Emotionen der Leidenschaft. Niemals zuvor war ich von solch einem intensiven Gefühl erfüllt gewesen und ich fragte mich, ob Draco ebenso empfand. „Harry“, wisperte er, als ich meine Lippen für einen kurzen Moment von den seinen nahm. „Harry, was geschieht mit uns?“ „Ich weiß es nicht“, entgegnete ich und dann versanken wir abermals in einem sehnsüchtigen Kuss. Es war ein tiefes Räuspern, welches uns aus den himmlischen Gefilden zurückholte, in denen wir uns befanden. „Du bist so ein kranker Freak, Harry.“ Dudley stand in der Tür, ein Grinsen im Gesicht, das zwischen Ekel und noch etwas anderem – Undefinierbarem – schwankte. Augenblicklich wurden sowohl Draco als auch ich rot. „Verschwinde, Dudley“, sagte ich, vielleicht eine Spur zu befehlend, denn er drehte sich wirklich um, mit einem Funkeln in den Augen, welches nichts Gutes ahnen ließ. „Tu mir leid, Draco.“ Aus irgendeinem Grund musste ich mich dafür entschuldigen, weil Dudley uns unterbrochen hatte, und zu meinem Bedauern war die prickelnde Spannung zwischen uns verpufft. „Schon in Ordnung. Seine Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen.“ War das etwa ein versteckter Hinweis auf Dracos Familie? Hatte Draco Probleme mit seinen Eltern, wegen seiner Unfähigkeit, zum Mörder zu werden? Ich traute mich nicht, zu fragen. Draco hatte in letzter Zeit schon genug durchgemacht, da wollte ich ihn nicht auch noch mit meiner Neugier belästigen und so gingen wir schweigend in Richtung meines Zimmers. In dieser Nacht schlief Draco wieder bei mir im Bett. Unsere Körper ineinander verschlungen, als wäre es einer. Sein warmer Atem streifte über mein Gesicht und ich lag stundenlang wach, um sein entspanntes Gesicht zu betrachten. Ich fühlte mich dermaßen wohl in seiner Nähe, dass mir mein Herz fast zu zerspringen drohte, denn während ich ihn so betrachtete, erkannte ich, dass Liebe keine Regeln befolgte und egal, wie groß der Schmerz in ihm noch werden würde, ich würde mein Bestes tun, um ihn zu lindern und irgendwann, als das Flüstern im Morgenwind begann, schlief auch ich zufrieden ein. Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)