Liebe ist eine Schwäche von abgemeldet (Shulla) ================================================================================ Kapitel 22: Ist eine Beziehung nicht der schönste Alptraum, den man haben kann? ------------------------------------------------------------------------------- Wenn es einen Hauptpreis oder eine Auszeichnung gäbe für besonderes Unglück, dann hätte ich ihn jetzt verdient. Noch bevor ich die Tür hinter mir geschlossen und die Jacke auf die Garderobe gehängt hatte, brach es aus mir heraus. Wie ein Schwall Blut spuckte ich Schmerz, Pein, Gram, irgendetwas aus mir heraus und stand schließlich gebeugt im Flur, die Arme um meine Körpermitte geschlungen. Ich weinte. Nicht, dass dies das erste Mal seit langem war, aber im Moment hatte ich gerade mein Schmerzpensum erreicht und kroch an einer Grenze herum, die ich gehofft hatte, so schnell nicht wieder zu erreichen. So unglaublich viel war gerade grundlegend falsch gelaufen in meinem Leben, dass ich wünschte, ich könnte eine Klappe über mir schließen und somit die Welt vor mir wegsperren. Natürlich schloss sich weder eine Luke über mir, noch tat sich eine Tür vor mir auf. Ich steckte alleine in meinem Leben fest. Wie schaffte man es, innerhalb kürzester Zeit gleich zwei der wichtigsten Menschen zu verlieren? Wie ging man damit um? Es war mir unmöglich, mich vollends für Kaito zu entscheiden, weil ich ihn unweigerlich anlügen hätte müssen. Und Nagi? Was war mit der Option Nagi? Er war einfach ganz verschwunden, war weggerannt vor sich, seinem Leben, mir, der Band, allen, die ihn liebten. War das etwa mutig? Mit welchem Gewissen konnte ER das eigentlich verantworten? War Nagi nicht tausend Mal schwächer als wir? Zorn stieg in mir hoch, als ich mir der Bandbreite dessen bewusst wurde, was Nagi selbst angerichet hatte. Wütend war ich, auf diesen Vollidioten, der mir das Chaos hinterließ und mich an all meinen Gefühlen für ihn zweifeln ließ. Hatte er denn überhaupt eine Ahnung, was es hieß, zurückgelassen zu werden? War es nicht immer viel schwerer für die Hinterbliebenen der Opfer, als für die Opfer selbst? Diejenigen, die die Last des Gewissens zu tragen hatten und das womöglich ein Leben lang? Ich merkte, wie ich in ein Stadium der Wut hineinschlitterte, das womöglich nicht so gesund enden würde, deshalb schloss ich die Tür hinter mir und betrat das Badezimmer, schälte mich erneut aus der Kleidung, in die ich mich doch gerade vor nicht allzu langer Zeit hineingequetscht hatte. Heißes Wasser beruhigte mich immer ungemein und bei meiner Laune war es dringend nötig. Während ich den Wasserhahn aufdrehte und das Badewasser einließ, verebbte meine Aggression langsam mit dem plätschernden Geräusch. Zurück blieb nur das ernüchternde Gefühl der Hilflosigkeit, als ich schließlich nackt in der Wanne saß und die Fliesen an der gegenüberliegenden Wand anstarrte. Was war aus meinem Leben passiert? Wann hatte sich das Gleichgewicht zugunsten der anderen Personen an meiner Seite entschieden? Wann hatte ich die Hauptrolle stillschweigend abgegeben, mich in die nichtssagende Position eines Statisten drängen lassen..? Bevor ich mir dessen richtig bewusst war, war ich mit einem inneren Drang von „Ich habe es satt“ befallen. Allmählich hatte sich diese Tendenz von Minute zu Minute, Stunde, ja, vielleicht sogar Tagen gesteigert, um jetzt ans Tageslicht zu kommen. Ich hatte alles so satt. Dieses ganze Theaterspiel, das sich Leben nannte und in dem es nur Versagen oder noch mehr Versagen gab. Wie konnte man etwas positiv absolvieren, von dem die einzige Regel war, dass man nicht gewinnen konnte? Ich stieg aus der Wanne, setzte meinen Fuß auf den Boden und schnappte mir ein Handtuch. Genauso harsch, wie ich mir das Frottee gekrallt hatte, war ich auch überzeugt, von nun an die Dinge zu regeln. Nagi war verschwunden. Na und? Wen interessierte das? Sollte dieses Arschloch doch in der Wüste verrecken. Kaito war sauer? Spitze. So fiel gleich noch eine Last weg. Ich würde keinem von beiden eine Träne nachweinen, denn im Grunde war ich alleine immer am glücklichsten gewesen, oder? Und ganz genau das wollte ich auch wieder werden. Alleine. Und ein freudloses Kapitel abschließen, um eine vielleicht auch nicht schöne, aber dafür sinnvollere Zukunft zu beschreiten. Ja, genau. Ein Abschluss für immer. Diese lächerlichen Gefühle für noch lächerlichere Männer loswerden. Damit würde vielleicht nicht alles gut werden, aber besser denn je. Meine erneuten Tränen straften meine Worte Lügen. Es war Montagmorgen, als ich durch den Supermarkt ging und die nötigsten Dinge für die nächsten beiden Tage einkaufte. Ich stapfte schnell durch die Reihen, auf der Suche nach einer frischen Packung Reis, in der Hand bereits diverse Säcke mit Gemüse. Kochen war jetzt mein neues Hobby, seit ich mich nicht mehr mit meinen Freunden beschäftigte. Kochen hatte auch mein Essverhalten zugunsten meines Körpers verändert. Als ich gerade um ein Eck bog und dabei mit einem Röntgenblick die Regale nach eben meinem gewünschten Reis absuchte, klopfte mir eine Person ziemlich hastig auf die Schulter. Von hinten hörte ich Keuchen. Ich drehte mich um, mehr als zwiegespalten über diese äußerst unfreundliche Art, mich auf sich aufmerksam zu machen, und merkte, wie ich erstarrte beim Anblick, der sich mir bot, sogleich mich aber eines Besseren besinnte und irgendwie auf lässig tat. „Hi“ Die Person mir gegenüber lächelte unsicher, schnaufte weiter vor sich hin, was wohl nicht von sexueller Erregung kam, wie ich befürchtet hatte, sondern von schnellem Rennen. Ich nickte leicht, tat, als wäre es mir gleichgültig, wer vor mir stand. „Hi Kaito“ „Mann, du hast echt ein Tempo drauf..“ Als Antwort zog ich etwas meine Augenbraue hoch und schwieg. Nachdem Kaito keine Anstalten machte, weiter etwas zu sagen, rang ich mich doch dazu durch, ihn wenigstens zu fragen, was er wollte. „Was möchtest du von mir?“ Offensichtlich war meine Wortwahl ziemlich harsch gewählt, denn man konnte deutlich sehen, wie Kaito zusammenzuckte. Irgendwo in meinem Inneren schrie etwas schmerzlich auf, ich musste an ein Tier denken, dass man quälte. Jedoch ließ ich mich von dem nicht abbringen und blickte stur weiterhin Kaito ohne irgendeine Regung an. „I-ich..“, begann er zu stottern. „Ich habe dich vermisst“ Er war so unglaublich leise, als er das sprach, dass ich ihn nur deshalb verstand, weil nicht viel im Laden los war und wir in Stille gehüllt waren. Das schmerzhafte Schreien in meinem Inneren wurde lauter, nahm die Dimension eines Tieres in unerträglicher Folter an. Ich ging nicht darauf ein und schüttelte innerlich den Kopf, um dieses Gefühl los zu werden. Dezent ignorierte ich die Tatsache, dass ich seit drei Wochen jeden Kontakt zu Kaito vermieden beziehungsweise ihn sogar abgeblockt hatte. Unsere Band stand am Ende. Von unseren Beziehungen untereinander gar nicht erst zu sprechen. „Warum?“ Abermals zuckte Kaito zusammen. Diesmal hatte er sich nicht so gut im Griff und sein Gesicht überzog sich mit einem dunklen Schatten. „Yuuichi.. Tu das nicht.. bitte..“ Der Laut seiner Stimme war gerade zu einem Flehen geworden. Ich registrierte es, ohne seine Mimik sehen zu müssen. Das hielt mich jedoch nicht von meinen bösen Worten ab, die ich jetzt sprach. „Ich habe die Schnauze voll. Nagi haut ab, ja? Er ist ein egoistischer Bastard, wenn er mir so etwas aufhalst, obwohl er wusste, dass ich ihn liebte. Du verlässt mich? Okay, von mir aus, kannst du ruhig tun. Lebt alle euer eigenes Leben. Aber dann erwartet nicht von mir, dass ich noch etwas mit euch zu tun haben will. Ich habe keine Lust mehr auf eure bescheuerten Anwandlungen!“ Die letzten Worte hatte ich geschrien. An Kaitos geöffnetem Mund, aus dem kein Wort durchdrang, war zu erkennen, dass ich ihn schwer getroffen hatte. Punkt für mich. Die Wut stand mir immer noch ins Gesicht geschrieben, während ich den Reis gewalttätig in meinen Einkaufskorb warf, als ginge es darum, wer seine Packung schneller zerstören konnte. „Bitte komm zu mir zurück“ Fast verloren wirkte diese Aussage von Kaito, die im Meer der agressiven Laute, die ich von mir losgegeben hatte, drohte unterzugehen. Meine gerade eben noch zur Faust geballte Hand sakte kraftlos neben meiner Hüfte hinab. Das Schreien in meinem Inneren hatte das Level eines Orkans angenommen und ich spürte, wie ich bereits zitterte. Wenn ich mich nicht beeilte, das Gespräch zu beenden, würde der Widerstand, den ich so verzweifelt in den letzten drei Wochen versucht hatte, aufzubauen, niederbrechen und alle meine Gefühle würden einfach wie durch ein Loch im Staudamm herausfließen, ohne Halt. „Warum stößt du mich von dir, wenn du mich zurück willst..“ Ich flüsterte, damit er nicht erkennen konnte, wie meine Stimme unsicher war, kämpfte mit aller Macht gegen den Wunsch an, von Kaito in den Arm genommen zu werden. Wieso musste mir genau in diesem Moment erst so richtig klar werden, dass ich den Menschen vor mir trotz alledem, was vorgefallen war, liebte? Warum hatte ich es nicht geschafft, in der von ihm getrennten Zeit, diese Tendenz, deren ich mir durchaus bewusst geworden war, abzuwürgen? Weshalb war ich so ein schwächlicher Versager, der nicht einmal das auf die Reihe brachte.. Warum lenkte mich das Leben von einer Kompliziertheit in die nächste..? „Geh nicht weg. Ich will dich nicht gehen lassen! Wenn du mich einfach zurück lässt, dann folge ich dir! Du bist nicht nur ein Freund, den ich nicht verlieren will, sondern auch der Mensch, der mir schon so lange wirklich wichtig ist“ Kaito wurde verzweifelt und die Lautstärke seiner Stimme war mittlerweile so laut, dass man es ihm Geschäft überall hören konnte, der Ladenbesitzer irritiert zu uns herüber starrte. Ich nahm es nicht wahr. Alles, was zählte, stand direkt vor mir. Bevor mein eiserner Vorhang Maßnahmen treffen konnte, hatten meine Gefühle Überhand gewonnen. Ich weinte. Stand mitten im Laden und heulte, als hätten alle Staudämme der Welt ihre Schleusen geöffnet. Mich in einem so weit fortgeschrittenen Stadium befindend, dass ich nicht realisierte, wie peinlich ich mich als Mann, als Mensch benahm. Durch den Schleier meiner Tränen sah ich, dass Kaito an mich getreten war. Seine Arme schlossen sich um meinen bebenden Körper. Ich drückte mich an ihn und presste mein Gesicht an seinen Hals. Die Verbissenheit und Wut, die mich die letzten drei Wochen begleitet hatten, fiel von mir und ich konnte nur daran denken, dass ich ernstlich verleugnen hatte wollen, dass ich Kaito liebte, dass ich den Weg der Einsamkeit gewählt hätte, nur um nicht weitere Probleme zu wälzen. „Ich liebe dich irgendwie.. Aber ich weiß nicht, warum – nur weil Nagi weg ist..? Das ist alles nicht logisch.. Nichts passt zusammen..“, weinte ich tränenerstickt in seinen Nacken. Der Griff rund um meinen Körper verstärkte sich, ich spürte die Wärme, die von ihm ausging. „Niemand hat je gesagt, dass Liebe logisch ist. Oder dass es keine Opfer gibt. Liebe ist die grausamste Art, jemanden zu verletzen. Und der schönste Weg, jemanden glücklich zu machen“ Aus Kaitos Antwort war kein Urteil zu hören, er hatte mir lediglich die Realität mitgeteilt, mir damit gezeigt, dass es nicht komplett meine Schuld war, wie ich fühlte. Ich schob meine Beine noch näher an ihn heran und schloss meine Augen. „Dann gehe ich jetzt wohl den unlogischen Weg, was?!“ ~~+~~ Ich persönlich finde nicht, dass es peinlich ist, wenn Männer weinen. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich dennoch dafür schämen. Jeder hat so seine Grenzen und wenn er sie überschreiten muss, ist es nicht leicht. Ich denke, dass Yuuichi innerlich so fertig ist, dass er es nicht kontrollieren konnte, im Laden nicht loszuweinen. Ach ja, wie gefällt euch eigentlich der Gedanke, dass Yuuichi Kaito liebt? ^_^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)