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Liebe ist eine Schwäche

Shulla
von

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In meiner Glaskugel fiel kein Schnee

Immer wenn etwas Unvorhersehbares mein Leben berührt, etwas, das eine Reaktion von mir erzwingt, weil es zu den Dingen gehört, die sich nicht einfach ignorieren lassen, dann steht meine Welt für einige Momente still. Es ist nicht so, dass die Zeit nicht weiterfließen würde. Vielmehr ist nur ihr Ton verschwunden. Vom einen auf den anderen Augenblick bildet sich ein Vakuum rund um mich, welches keine Geräusche zulässt. Und ich fühle mich gefangen, wie in einer Glaskugel, zum Beobachten verdammt, damit ich die volle Bandbreite des Geschehenen mitverfolgen kann, ohne von etwas Unbedeutsamen gestört zu werden.

Erlebnisse, die diese Reaktion meiner Außenwelt hervorrufen, sind immer Geschehnisse, die ich – so sehr ich es auch versuche – nicht vergessen kann. Sie brennen sich in mein Gedächtnis ein und hinterlassen einen dumpfen Schmerz in meiner Magengrube, jedes Mal wenn ich ihrer erinnert werde oder wenn sich Dinge an sie herantasten.

Aber vielleicht sollte ich weiter zurückkehren.
 

Ich war bereits angezogen, als ich den Gedanken erst richtig erfassen konnte.

Wir hatten nur zu wenig gesucht.

Ich musste nur noch einmal gründlich nachsehen.

Da war was.

Ganz bestimmt.

Die Polizisten waren einfach zu schleißig gewesen.

Ich wusste es.
 

Wenige Minunten später nach meinem Entschluss, stand ich bereits vor Nagis Haus.

Die Wohnungstüre war mit einem gelben Plastikstreifen verklebt worden. Wie wenn ein Mord geschehen wäre. Ich schluckte schmerzhaft und managte es, ohne das Klebeband zu beschädigen, ins Haus einzusteigen. Vorsichtig kletterte ich durch den Eingang und stand schließlich, nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte und über die Schwelle getreten war, im Hausflur. Kalte Luft schlug mir entgegen.

Niemand hatte geheizt.

Leise näherte ich mich mit zögernden Schritten Nagis Zimmer. Jedes Mal, wenn mein Fuß den Boden berührte, hatte ich das Gefühl, als durchstieße er gewaltsam die Stille, störte sie in ihrem Frieden. Ich bemühte mich, noch weniger Geräusche zu verursachen, ich wollte, dass die Ruhe weiterhin bestand. Ich hatte kein Recht dazu, laut zu sein.

Nagis Zimmer lag vor mir.

Nach kurzem Zögern schob ich die Schiebetür auf und trat in die Dunkelheit, die vom spärlich hereinfallenden Mondlicht scharf begrenzt wurde. Keinen weiteren Moment vergeudend sank ich auf meine Knie und begann fierberhaft nach dem Etwas zu suchen, was mir keine Ruhe lassen wollte.

Ich hätte fast aufgegeben, wenn ich nicht den etwas dunkleren Schatten unter dem Bett bemerkt hätte. Zuerst tat ich es als Halluzination meinerseits ab. Dann jedoch beschloss ich, keine Möglichkeit unversucht zu lassen und griff nach dem Ding. Es war ein Buch, fest angebracht an die Unterseit des Bettes. Es dauerte eine Weile bis ich es so weit losgelöst hatte, dass ich es herausziehen konnte.

Es fühlte sich kühl in meiner Hand an und seine schwarze, glatte Oberfläche spiegelte mich verzerrt, gab ein seltsam unwirkliches Bild der Realität wieder.

Was das wohl sein mochte?

Ich knipste meine Taschenlampe, die ich klugerweise mitgebracht hatte, an und richtete den Lichtstrahl auf den Buchrücken.
 

Ich öffnete es.

Es gab Nagis Handschrift Preis, fein säuberlich reihte sich Zeichen an Zeichen.

Zeilen.

Sätze.

Seiten.
 

September, am 2., bewölkt

Du wunderst dich wohl, dass ich dir schreibe, oder? Ich meine, ich könnte genauso gut mit meinem besten Freund darüber sprechen. Mit Yuuichi.

Aber es gibt Dinge, über die man besser schweigt. Meine Wahrheit ist eines davon. Und ich kann es nicht länger für mich behalten. Ich muss es irgendjemandem sagen. Dir.

Es existiert schon so lange, ich könnte mich sicher nicht mehr an den Ursprung erinnern, wenn er mich nicht so gezeichnet hätte, dieser eine Tag im Sommer.

Er hat so gelacht.

Wenn ich mich nicht so dumm angestellt hätte, dann wäre es wohl nicht passiert.

Seine Augen haben in diesem Augenblick unbeschreiblich geleuchtet, dass ich für einen Moment geglaubt hatte, sie würden für mich strahlen. Dieser eine Augenblick hatte mein Leben verändert. Ich hatte es gewusst.

Der Tag, an dem ich das Gleichgewicht verlor, war auch der Tag, an dem ich mein Herz verlor.
 

September, am 13., Sonnenschein

Warum scheint die Sonne? Ich wünschte, es wäre draußen so düster, wie ich mich in meinem Inneren fühle.

Ich wünschte auch, ich könnte es einfach sagen. Es ist grausam, ihn zu beobachten und so zu tun, als würde es mich kalt lassen. Als wäre ich dagegen. Ist sich selbst zu verleugnen nicht bereits eine Sünde?

Aber ich sollte wohl zuerst von vorne beginnen.

Wir sind in die Ferien gefahren. Nicht lange, nur ein paar Tage.

Wie sehr musste ich mich beherrschen, als ich ihn so sah, wie er war. Weißt du, was ich getan habe?

Ich habe Mädchen angeschleppt. Ist das nicht erbärmlich? Sie machen mich nicht an. Nichts an ihnen interessiert mich.

Aber es war meine Notlösung aus der Situation.

Natürlich weiß ich, dass es nichts zwischen uns gibt, natürlich weiß ich es..

Jede einzelne Sekunde in seiner Gegenwart ist schön und trotzdem gibt es mir einen Stich.

Verliebt zu sein ist nicht das, was ich mir gewünscht habe. Und in einen Mann verliebt zu sein, ist auch nicht das, was sich meine Welt von mir wünscht.
 

Oktober, am 25., Nicht definierbar?

Es tut mir leid, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Es sind nur so viele Dinge passiert, die ich niemandem anvertrauen konnte. Es ist krank, aber nicht einmal einem Buch konnte ich das alles erzählen.

Ich habe beschlossen, dass ich nur noch meine Gefühle niederschreibe – nicht das, was geschehen ist.

Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. In seiner Gegenwart werde ich innerlich unruhig, mein Herz schlägt schneller als sonst und ich starre ihm auf die Lippen. Ohja.. natürlich ist es nicht auffällig, wie auch?! Ich bin scheinbar Meister des Verhüllens. Aber umso besser ich darin werde, den perfekten Homophoben zu mimen, desto mehr schmerzt es in meinem Inneren.

Bitte lass mich sagen, dass ich schwul bin.

Bitte lass mich sagen, dass ich ihn begehre.

Ich weiß, dass das alles leere Wünsche sind, denn eigentlich sollte ich es wissen, dass dieses Sehnen keine Zukunft hat. Nie eine hatte.

Aber ab und zu möchte ich einfach die Karten auf den Tisch legen.

Und mich erleichtert fühlen.

Wenn auch nur für einen Augenblick.
 


 

November, am 3., bewölkt, Nebel

Draußen kann ich jetzt schon den Nebel sehen. Seine Schwaden sind wie düstere Vorboten von etwas, das noch auf uns zukommen wird.

Es ist kalt geworden. Ich habe meinen Mantel ausgepackt und die Handschuhe, den Schal.

Es ist fast so, als würde mein Zustand sich dem Wetter anpassen; ab und zu bin ich wie erstarrt. Aber sobald ich ihn sehe, kann ich wieder der Clown sein. Es ist ganz einfach in seiner Gegenwart. Ich habe – abgesehen davon – auch gar keine Wahl; bin ich es nicht, wird der Schein nicht mehr gewahrt.

Sein Lachen ist in letzter Zeit seltener geworden. Leider habe ich mich nicht getraut, ihn zu fragen, was es für einen Grund hat. Ich glaube, er trägt Dinge mit sich herum, die ihm schwer zu schaffen machen. Wir sind uns fast schon ein bisschen ähnlich.
 

Und immer diese Hoffnungen. Wie er mich ansieht, wie er mit mir spricht. Man könnte meinen, es gäbe noch ein Glück für mich – wenn ich es nicht besser wüsste.
 

Lasst uns den Vorhang des Vergessens fallen lassen.
 


 

Dezember, am 7., Schnee

Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht.
 

Dezember, am 9., Schnee-noch immer

Warum bin ich nur so schwach geworden? Warum habe ich es getan..?

Ich habe alles kaputt gemacht.
 


 

Dezember, am 16., bewölkt

Die Hoffnung erwürgt mich fast. Dauernd gibt es dieses Gefühl in mir, dass mir sagt: „Aber vielleicht doch.. Du musst nur geduldig sein.. Nett zu ihm sein.. Irgendwann wird er es dann bemerken, dass du der Richtige bist..“

Warum lässt mich diese Illusion nicht in Ruhe?
 


 

Dezember, am 22., Schnee

Ich habe jetzt eine Freundin. Es ist nicht derwert, ihren Namen zu erwähnen, aber ich habe beschlossen, normal zu werden.

Wie das so plötzlich kommt?

Irgendwann musste ich ja eine Entscheidung treffen. Es ist nicht meine Art, da zu sitzen und zu warten.
 

Es ist schrecklich. Ich lüge. Natürlich will ich ihn. Sie bedeutet mir nicht das kleinste Bisschen, ich will, dass sie weggeht und mich in Ruhe lässt. Aber ich muss ein Mensch werden. Ich muss mein lächerliches Schwärmen vergessen.

Es ist nur Schwärmen. Nichts weiter.

Es geht sicher vorbei.

Hetero zu sein, schaffe ich auch.
 


 

Januar, am 9., Schnee

Nein.

Das ist nicht wahr.

Es ist alles eine Lüge.

Ein erneuter Trick meines Schicksals.

Er darf das nicht sagen.

Nein.

Er soll nicht lügen.

Ich möchte weinen.
 

Februar, am 23.,bewölkt

Ich halte das nicht mehr aus. Ich will einfach nicht mehr. Lasst mich einfach gehen. Du tust mir so weh.

Hörst du?

DU TUST MIR SO WEH!

Warum verstehst du einfach nicht? Warum versuchst du es nicht wenigstens?

Straf' mich nicht mit Ignoranz.. Bitte.. Es ist so schon unerträglich.. dich zu sehen und nicht zu haben..

Du entfernst dich so weit von mir.. wie Lichtjahre..

Die Distanz kann ich nie wieder einholen.. dich nicht mehr erreichen..

Es ist jetzt vorbei.

Ich sage mein stummes Auf Wiedersehen an dich, in der Hoffnung, dass du mich aufhalten wirst. Aber wie sollst du auch.

Du weißt es ja nicht.

Deine Ohren hören mich längst nicht mehr, oder?

Es tut so weh..
 


 

Ich habe dich so geliebt, Yuuichi.
 


 

Es war sein letzter Eintrag.

Die Seiten danach waren so leer, wie mein Inneres.

Zuerst blätterte ich verzweifelt weiter, auf der Suche nach etwas, nur einem weiteren Satz von ihm, aber dann erkannte ich, dass nichts mehr kam, dass hier seine Worte zuende waren. Er alles gesagt hatte.

Ich konnte sie nicht aufhalten, die Tränen, die über meine Wangen liefen, wie Sturzbäche.

Nein, das war alles nicht wahr.

Wie konnte ich nur so derart am Glück vorbeigelaufen sein?

Warum hatte ich es nicht bemerkt?

Ich begann zu weinen und während mein Körper sich wie von selbst krümmte, hallte ein einzelnder Satz in meinem Kopf wieder und wieder; „Ich habe dich so geliebt Yuuichi“

Meine Arme um mich geschlungen presste ich meine Augen zusammen und gab mich dem Schmerz hin, der jetzt wie ein unsichtbarer Prügel unbarmherzig auf mich niederschlug und mir eine Wunde nach der anderen verursachte.

„Nagi..“, war alles, was meine heisere Stimme hervorbrachte – es war als Schrei gedacht gewesen, aber es endete in einem leisen, tränenerstickten Krächzen.

Warum hatte ich alles falsch gemacht?

Warum war alles so gekommen?

Wer tat mir das an?
 

Nichts lässt sich mit meinem Schmerz vergleichen.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Wart ihr überrascht?

Über Nagis wahre Gefühle?

Also ich hätte mich sehr dumm gefühlt, wenn ich Yuuichi in diesem Moment gewesen wäre. Aber vor allem hätte ich das Gefühl gehabt, mich grün und blau schlagen zu wollen.

Yuuichi wird noch ziemlich viele Gefühle durchleben müssen.

Ich bin froh, dass ich sowas nicht mehr mitmachen muss ^^"

Ich bin Single auf Lebenszeit (haha..)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KyokaiKodou
2007-01-09T16:28:46+00:00 09.01.2007 17:28
Schreib weiter! Bitte!
Von: abgemeldet
2006-12-22T19:09:37+00:00 22.12.2006 20:09
Nagi ist solch ein idiot >.<
und als lösung sieht er es wegzurennen?
die tagebucheintragungen haben mir herzrasen verschafft und ich bin gespannt wie es mit yuiichi weitergeht
du schaffst es wirklich immer, dass die gefühle beim lesen auf hochturen laufen!
Von: abgemeldet
2006-12-18T15:16:07+00:00 18.12.2006 16:16
Deine Worte verleihen mir Herzklopfen.
Deine Worte verursachen Tränen.

Yuiichi.Geplagt von dem Wunsch die Zeit zurück zu drehen und alles anders zu machen.Doch es ist zu spät.

Ich frage mich,was er wohl tun wird? Bei Kaito bleiben? Mit Nagi zusammenkommen? Liebt er Nagi denn noch?

Ich muss zugeben,ich bin überrascht.DAS hätte ich wirklich nicht erwartet.
Eine tolle Wendung,sehr rührend.

Bitte schreib weiter,ich möchte unbedingt wissen wies weitergeht.


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