Liebe ist eine Schwäche von abgemeldet (Shulla) ================================================================================ Kapitel 8: Möchtest du mein Freund sein? ---------------------------------------- "Warum schmeckt man eigentlich Hagebutten immer heraus, wenn man Früchtetee trinkt? Alle anderen Früchte gehen neben ihrem Geschmack unter" "Vielleicht weil sie glauben, dass sie den Tee besonders erlesen machen. Hagebutten sind wahrscheinlich eingebildet; sie halten sich für etwas Besseres. So wie manche Menschen" Aufmerksam betrachtete er mich, während er die Worte ernst von sich gab. "Meinst du?", erwiderte ich. Er nickte. "Ich kann Hagebutten nicht ausstehen" Kaito lachte leise. "Ich auch nicht" Nachdem ich meinen Tee ausgetrunken und wir die Rechnung bezahlt hatten, verließen wir das Café. Es regnete noch immer. Das war nun der dritte Tag hintereinander, nicht einmal über Nacht hatte er sich beruhigt. Kaito klappte seinen Schirm auf und ich tat es ihm gleich Es war nicht weit bis zu unserem Proberaum, Gott sei Dank. Trotzdem fühlte ich mich ziemlich aufgeweicht, als wir schließlich ankamen. Die anderen Zwei und Nagi warteten schon davor. Kaito hatte ja den Schlüssel. Nagi.. Nach drei schwärmerischen Sekunden schüttelte ich innerlich energisch den Kopf und zwang mich dazu, an das zu denken, was Kaito vor zwei Nächten mit mir gemacht hatte. Es trieb mir die Röte ins Gesicht, was, wenn man meinen Charakter in Verbindung mit dem ersten "männlichen" Mal betrachtete, keine Abnormität war. "Rot, wie immer", feixte Nagi und kicherte dabei. Ich verzog mein Gesicht und boxte ihm in die Rippen. Hinter mir konnte ich Kaitos Lachen hören. "Du sperr' lieber die Tür auf!", funkelte ich ihn an. "Ja, ja, ist ja schon gut...", beschwichtigte er mich und lachte weiter, während er den Schlüssel im Schloss drehte. Die Probe verlief gut. Eigentlich sehr gut. Ich fühlte mich zum ersten Mal fit für eine Tournee. Nachdem ich den letzten Schlag getan hatte, wollte ich meine Drumsticks gar nicht aus der Hand geben, bemerkte aber, dass Sae Ren unaufhörlich Blicke zuwarf und dieser nickte. Ich überlegte, was da vor sich gehen könnte, wurde jedoch nicht schlau aus der Situation. Zwei Minuten später klärte es sich ohnehin auf. Ein offensichtlich sich unwohl fühlender Sae spielte nervös mit seinen Fingern, als er vor uns stand und um Aufmerksamkeit bat. "Ich" Er verbesserte sich. "Ren und ich wollen euch etwas sagen.." Mit einem hilfesuchenden Blick wandte er sich an Ren, der langsam hinter ihn trat und Sae seine Hand auf die Schulter legte. "Wir sind.. anou.. wir sind.. zusammen.." Dass beide ihre Blicke abschweifen und irgendwo im Raum rumgleiten ließen, verlieh dem Ganzen eine gewisse Skurrilität. "I-Ich hoffe, ihr werft uns jetzt nicht aus der Band.." Die letzten Worte hatte er kaum hörbar gesprochen. Kaito prustete als Erster los. "Seid ihr bescheuert, oder was? Warum sollten wir das tun? Seit wann ist Shulla intolerant?" Mit einem äußerst schrägen Blick musterte er Sae. Dieser schüttelte den Kopf, stotterte etwas Unverständliches daher. Da wir alle drei von ihrem "Geheimnis" gewusst hatten, reagierten wir nicht so, wie sie es offensichtlich erwartet hatten. Ren guggte etwas perplex, als der allgemeine Schock ausblieb und Nagi die Zwei zu ihrer Beziehung beglückwünschte. Mein Lächeln machte es ihm wohl nur noch schwerer, das zu verstehen. Also half ich ihm auf die Sprünge. "Wir haben euch gesehen.. Damals in der Pension.. Du weißt schon.." Saes Gesicht nahm die Farbe von Nagis T-Shirt an - Kirschrot - während Ren nur nickte und, wie mir schien, wollte, dass wir das Thema künftig vom Diskussionsplan strichen. Ich hätte mir in den Arsch beißen können, als ich kapierte, wie taktlos ich eben gewesen war. Na toll. Bravo Yuuichi. Gott sei Dank war Kaito dann wenigstens so feinfühlig gewesen, ein anderes Thema anzuschneiden. Mein Schuldgefühl wurde deswegen nicht kleiner, aber wenigstens vergaß ich es für kurze Zeit. Wie auch immer; ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich endlich den Raum verlassen konnte und mich auf den Nachhauseweg machte. Schnurstracks hatte ich mit meinem Kopf zum Abschied genickt und war aus der Tür geschlüpft. Das Kaito Anstalten gemacht hatte, etwas zu mir zu sagen, den Mund dann wieder zugeklappt hatte und mir nur stumm hinterhergeschaut hatte, hatte ich nicht bemerkt. Auch nicht den enttäuschten Glanz darin. Wie beschäftigt man sich am besten selbst? Ja, das hätte ich auch gerne gewusst. Vollkommen gelangweilt starrte ich in meine Teetasse - ich hatte mir Tee gemacht, damit ich wenigstens für zehn Minuten eine Arbeit hatte. Meinen besten Freund Nagi musste ich ja meiden, um nicht rückfällig zu werden. Wie hieß es so schön; aus dem Augen, aus dem Sinn? Und Kaito? Sollte ich ihn anrufen? Der Gedanke daran ließ mein Herz nicht gerade Purzelbäume schlagen, aber eine gewisse Verlockung konnte ich auch nicht leugnen. Ich schnappte nach meinem Handy, drehte es in meiner Hand und wog ab, was dafür und dagegen sprach, Kaito jetzt anzurufen. Mir wäre nicht mehr langweilig. Vielleicht würde er sogar etwas ganz Bestimmtes mit mir machen. Ich wurde peinlich verlegen und machte mich rasch daran, den Gedanken abzuwehren. Das war dann wohl der Kontrapunkt; er würde sicher das tun wollen, was ich mir für Nagi auf.. Nein. Ich zog einen gedanklichen Schlussstrich. Kein NAGI. Es gab keinen Nagi in meinem Bett, aber einen Kaito, der genau wusste, wo er meinen Körper zu berühren hatte. Also verflixt noch Mal, zum Teufel mit Nagi! Meine Finger tippten schneller seine Nummer, als meine Hirnzellen diesen Entschluss verarbeiten konnten. Tuuut. Tuuut. "Hallo?" "Kaito? Bist du da?" "Ja" Im Hintergrund konnte ich sein Lachen hören. Das tat meiner Entschlossenheit allerdings keinen Abbruch. "Kannst du vorbei kommen?" Sein "Ja klar" kam viel zu schnell, die Freude, die seine zwei Worte ausströmten, war nicht zu überhören. Ich wusste auch warum. "Wann kommst du?" "Ganz wie du möchtest" Das Bild von einem Diener, der sich vor mir verbeugte, tat sich in mir auf, als ich antwortete: "Komm gleich". Ich schüttelte es ab. Zwanzig Minuten später, für einen Weg, für den man sonst dreißig Minuten brauchte, stand Kaito vor meiner Tür. Er schien etwas atemlos, bemühte sich aber, sich das nicht anmerken zu lassen. Es entging mir trotzdem nicht, als ich ihm seinen wieder trockenen Mantel abnahm und aufhängte. Ich wusste nicht so genau, wie ich ihn begrüßen sollte. Mit einem Kuss? Mit einer Umarmung? Mit einem "Hi"? Ich entschied mich zerknirscht für das einfache "Hi" und hängte gleich noch ein "Willst du einen Tee? Ich hab' auch Kekse da.." dran, um allem anderen, was mir peinlich erschienen wäre, aus dem Weg zu gehen. Was er gewollt hätte, wusste ich nicht, aber meine ausgeprägte Schüchternheit ließ mich in solchen Situationen rot sehen. Sein gerade eben erwidertes Lächeln im Kopf widerhallend tappte ich voran in die Küche und goss Wasser in einen Teekessel. Kaito lehnte sich hinter mir gegen den Fensterrahmen und schaute nachdenklich hinaus. "Siehst du etwas Bestimmtes?" Mein Mund formte ein Grinsen. Wie aus einem Traum aufgewacht, drehte er sich langsam um seine Achse, blinzelte. "Dich" Mein Grinsen verwandelte sich in einen verwunderten Ausdruck. "Mich? Ich stehe hier und nicht dort unten" Es kam keine Antwort mehr. Stattdessen spürte ich seine Arme um mich und seine Stimme an meinem Ohr, die leise flüsterte: Du bist so süß" In meinem Kopf bildete sich innerhalb von Tausendsteln zig Katastrophenpläne. Schade, dass ich keinen einzigen in dieser Situation anwenden konnte. Also stammelte ich ein dümmliches "Danke..", für das ich mich hätte ohrfeigen können. Bevor ich registriert hatte, dass auch ich eigentlich meine Arme um ihn legen hätte können, war er schon von mir getreten und deutete auf das Teewasser. "Ich glaub', es ist fertig" Hastig nickte ich und beeilte mich, das kochende Wasser vom Herd zu nehmen und in eine Teekanne einzuschenken. Nachdem ich es geschafft hatte, ohne dabei jemanden zu verletzen, Tee in eine Tasse zu gießen, setzte ich mich neben Kaito aufs Sofa. Was tat man jetzt in so einer Situation? Was hatte ich mit meinen Ex-Freundinnen gemacht? Okay.. das Wort "Freundinnen" sollte wohl auf "zwei Freundinnen" beschränkt werden. Und da mein Talent aus irgendeinem Grund das Führen von Fernbeziehungen war, konnte ich mir von denen nicht sonderlich viel abschauen. Vielleicht erwartete Kaito, dass wir uns küssten? Vielleicht dachte er sich ja genau in diesem Moment, wie prüde und verklemmt ich war? Ein Schrecken durchfuhr mich. Ich war nicht verklemmt! Nein, ganz bestimmt nicht. Ich musste mich nur trauen. "Kaito-kun..? Was würdest du gerne machen?" "Ah, ich weiß nicht. Was willst du machen?", kam es von ihm. Ich verdrehte innerlich die Augen; das war genau die Art von Antwort, die ich jetzt brauchte. "Eigentlich bin ich müde", hörte ich mich selbst sagen. Wahnsinnig sexy, muss man schon sagen. Mit dem Anmachspruch hätte ich Tote wecken können. "Dann soll ich besser wieder gehen?", erwiderte Kaito unsicher. "Nein! Bleib da" Was war heute bloß mit mir los.. Mein inneres Ich hatte schon längst den Kopf demonstrativ in den Sand gesteckt, während ich an einer Antwort herumbastelte, von der ich nicht einmal wusste, wie sie aussehen sollte. "Willst du nicht mit mir ins Bett kommen?" Aber hallo? Was sagte ich da? Aufgrund meiner Direktheit, die eigentlich natürlich ganz anders gemeint war, als es rüberkam, wurde Kaito verlegen und nickte nervös. "I-Ich mein' das nicht so. Auch nicht so. Sondern so. Du weißt schon" Ich fuchtelte wild in der Gegend herum, rief dabei nur zweideutige Gedanken auf den Plan und ließ es schlussendlich resignierend bleiben. Na toll. Bei zwei Schüchternen auf einem Fleck lief wohl alles zig Mal holpriger ab. Irgendwie fahrig schlich ich vor ihm her ins Schlafzimmer. In meinem Kopf kreisten die exotischsten Vorstellungen herum, was er jetzt wohl von mir halten würde. Aber er liebte mich ja, oder? Da durfte ich mir so was doch erlauben.. Zumindest für den Rest des Weges ins Bett beruhigte mich dieser Gedanke. Ich entledigte mich meiner Kleider und stand etwas unschlüssig in Boxershorts und meinem T-Shirt vor dem Bett. "Dann geh' ich mal rein..", war mein äußerst kluger Kommentar. Er zog sich auch aus und folgte mir. Nun lagen wir also schweigsam nebeneinander im Bett und meine Müdigkeit, die bis vor ein paar Sekunden noch deutlich spürbar da gewesen war, hatte sich vertschüsst. "Na toll. Ich schaff' es wohl immer, äußerst skurrile Situationen heraufzubeschwören..", dachte ich ernüchtert. "Soll ich meine Arme um dich legen..?", platzte Kaito in die Stille. Ich nickte, registrierte, dass das Licht ausgeschalten war und sprach leise: "Ja" Seine Hände tasteten sich zu mir vor, berührten etwas ganz anderes, als meine Taille - Kaito stammelte leise "'Tschuldigung" von hinten - und ruhten schließlich auf meiner Hüfte. Nach seinem Vergriff traute er sich wohl nicht mehr, weiter nach meiner Körpermitte zu suchen. Dass diese kleine Begebenheit meinen Herzschlag bedrohlich ansteigen hatte lassen, ignorierte ich netterweise und zog seine Arme um meinen Bauch, während ich rückwärts an ihn rutschte. Nachdem ich eine Weile so gelegen hatte, richtete ich wieder das Wort an ihn. "Ich kann nicht schlafen" Seine Antwort kam prompt. "Ich auch nicht" "Dann können wir ja etwas sprechen.." flüsterte ich zurück. Warum redete ich eigentlich so leise? "Über was möchtest du denn sprechen?", kam es von ihm mindestens genau so still. "Darf ich dich etwas fragen?" "Hai" Ich zögerte, überlegte mir meine Worte noch mal. "Willst du mit mir zusammen sein? Ich meine, willst du, dass ich mit dir zusammen bin?" Das auszusprechen, fiel mir unheimlich schwer, meine Stimme wurde vielleicht deshalb gegen Ende immer leiser, bis ich kaum mehr zu verstehen war. "Ich möchte viel Zeit mit dir verbringen" Das hatte meine Frage nicht so beantwortet, wie ich es gerne gehabt hätte. Wie sollte ich Klarheit in unser zwischenmenschliches Verhältnis schaffen, wenn ich schon aus diesem Satz nicht schlau wurde? Meine inneren Zahnräder drehten sich, hakten aber lose ineinander und hinterließen nur eine vage Andeutung dessen, was sich zwischen uns abspielte. Wollte er nun mit mir zusammen sein, oder nicht? "Du denkst nach", hauchte Kaito in meinen Rücken. Ich bejahte. "Was geht dir durch den Kopf?", flüsterte er weiter. "Was du möchtest.. Was für eine Beziehung wir zueinander haben.. Im Moment" Wieder verschwand meine Stimme in der Ferne. Sie klang merkwürdig verloren, so wie fast nicht da. "Möchtest du mein Freund sein?" Die Worte kamen so plötzlich. Für einen Moment wollte ich einfach dem inneren Verlangen, eine Beziehung zu führen, nachgeben, zu erleichternd wäre es gewesen, mich an ihn zu schmiegen und alles zu vergessen, dann zögerte ich jedoch, ließ mir seine Frage langsam durch den Kopf gehen, auch wenn ich meine Wahl schon vor Tagen getroffen hatte. Sollte ich wirklich? War es das, was ich wollte? Liebe kann sich entwickeln. Als ich meine Entscheidung festlegte, hielt ich mich an diesen Leitsatz. Die leise Stimme in meinem Ohr, die mir zuflüsterte: "Und wenn nicht?" versuchte ich, zu überhören. ~~+~~ [Anmerkung der Autorin]: diesmal: Wer "Hagebutten" liest (eine andere FF) wird nun endlich verstehen, wie es zu dem Titel gekommen ist. Moi liebt Wortspiele u//u Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)