Eternity III - Sklavenhändler und Drachentöter von Purple_Moon (Dieser Drache ist unverkäuflich!) ================================================================================ Kapitel 7: Der Beginn des Widerstandes -------------------------------------- Danke an alle, die Kapitel 6 kommentiert haben! Macht schön weiter so, damit ich meine momentane Motivation behalte. Euer Gedrängel hat mich inspiriert, und die Inspiration hält bestimmt auch noch für Kapitel 8 (in Arbeit) und eventuell 9 an... Achtet auf mein Weblog, da werde ich über die neuesten Fortschritte berichten. Hm, ich frage mich, ob das mit der Befreiungsaktion in diesem Kapitel nicht zu leicht geht, aber es wird schon noch schwieriger, wenn sich das erst rumspricht... also macht euch auf ein paar fiese Slarivester gefasst und wer weiß, wer noch hinter der ganzen Sache steckt... Kapitel 7: Der Beginn des Widerstandes „Sowas nennt man dann wohl feindliche Übernahme,“ murmelte Tronata, während sie und Danon am Tisch saßen und schmollten. Die Sklaven ihres Sohnes hatten etwas gekocht, das für alle reichte, und Eikyuu mit anständiger Kleidung versorgt. Der Seelenleser bewegte sich in dem Haus, als gehörte es ihm. Gleiches galt für seine Mitverschwörer. Als Magierin hatte Tronata eine gewisse Achtung vor ihm, aber sie verachtete ihn wiederum als Drachen. Das kleine Mädchen benahm sich ganz und gar nicht seinem Alter entsprechend. Es war eine Unverschämtheit, dass sie verlangte, dass Kendra und Tronet eins ihrer Kinder hergeben sollten. Das würde man noch sehen! Besorgniserregend fand das Paar, dass Kendra zwar um die Sicherheit ihrer Kinder fürchtete, andererseits aber fasziniert war, wie Noctivagus mit den Zutaten in ihrem medizinischen Vorratslager umging. Prinz Valerian kannte sich fast noch besser damit aus, und beide waren ständig in Fachgespräche vertieft, die sie in einer fremden Sprache führten, während sie die Sachen zerrieben, hackten oder sonst wie vorbereiteten, um sie dann zusammen zu rühren. Tronet indessen beobachtete alle Vorgänge mit grimmigem Gesichtsausdruck. Er hatte sich eine Weile damit beschäftigt, die Pferde wieder einzufangen, was seine Laune nicht gebessert hatte. Baltron war verschwunden – wenn es tatsächlich er gewesen war, der sich in diese wild gewordene Bestie verwandelt hatte, war das wohl auch besser so... Der Barde, der sich als Angehöriger einer in Slarivestos unbekannten Drachenrasse herausgestellt hatte, lag wieder in seinem Bett. Er war sehr geschwächt von den Verletzungen und Heilungsvorgängen, die er vorher schon erlitten hatte, und nun sah es so aus, als sei er nicht stark genug, um das Fieber zu überstehen. Selbiges war offenbar die Folge einer Vergiftung. Diese wurde zwar behandelt, aber bisher war keine Besserung zu erkennen. Unter normalen Umständen wären Tronata und Danon begierig gewesen, diesen Drachen zu besitzen, aber sie kamen kaum mit der Situation zurecht. Schließlich waren sie praktisch Gefangene. Tronets und Kendras Sklavengruppe hatte angekündigt, dass sie den Hof verlassen würden, sobald alles geregelt war. Was immer das zu bedeuten hatte... So viele Fragen waren noch unbeantwortet... Eikyuu fühlte sich besser, nachdem er seine Sklavenrolle abgelegt hatte. Inzwischen hatten die Freunde sich zusammengereimt, dass Baltron, was immer er gewesen war, etwas mit dem Brand zu tun hatte, bei dem Maris so schwer verletzt worden war. Ihn verband anscheinend eine gewisse Feindschaft mit dem Rächer, aber warum, das hatte dieser ihnen noch nicht sagen können. Es war fraglich, ob Maris überhaupt jemals wieder etwas sagen würde. Sein geschwächter Körper konnte die Medizin nur bedingt verwerten. Sie flößten ihm auch Brühe ein, aber ob es etwas half, konnte man noch nicht absehen. Regelmäßig frischte einer von ihnen das Tuch auf seiner Stirn auf. Irgendwann kam ein Zeitpunkt, an dem Valerian sich seufzend auf einen Stuhl neben dem Bett fallen ließ und sagte: „Das ist alles, was wir tun können... nun liegt es an ihm.“ „Meine Zeit ist noch nicht gekommen.“ Der Schwarzhaarige blickte sich verwirrt um, und auch Eikyuu, der in der Nähe des Fensters stand, hatte es gehört. „Ich bin ein Geist,“ sagte die Stimme. „Aber ich kann mich euch nicht zeigen, dazu fehlt mir die Kraft. Allerdings ist es ganz entspannend, mal die Last des Körpers los zu sein...“ „Maris!“ rief Valerian überrascht. „Lass deinen Körper nicht zu lange alleine, du musst mit deinem Willen um dein Leben kämpfen!“ „Muss ich das? Ja, wahrscheinlich hast du Recht...“ Ein langgezogenes Seufzen war zu hören, geradezu schauderhaft. „Aber für einen Rächer bin ich wohl ein ziemliches Weichei, sobald es um Verletzungen geht...“ Eikyuu musste grinsen. „Naja, ihr seid alle nicht gerade gute Patienten. Shitai wollte immer gleich aus dem Bett flüchten, ob er nun laufen konnte oder nicht. Ist euch das so peinlich?“ „Ganz extrem,“ antwortete Maris ernst. „Wir sind harte Gegner im Kampf, aber bei der Vorstellung, dass uns jemand schwach und krank sieht, wird uns ganz anders... naja und wir hassen es, auf Hilfe angewiesen zu sein.“ Den beiden Zuhörern war klar, dass er sich demnach mit der momentanen Situation überhaupt nicht anfreunden konnte. Aber da musste Maris eben zusehen, dass er schnell gesund wurde. Für die Mission bedeutete es, dass sie warten mussten... aber das ließ sich eben nicht ändern. Vielleicht wäre es das beste, erst einmal unverrichteter Dinge zurück zu kehren. „Denkt daran, den Flammentänzer zu retten,“ ergriff Maris erneut das Wort. „Er saß direkt neben mir, und aus unerfindlichen Gründen ließ er seine Kräfte los... ich vermute, dass Baltron dort war und ihn angestachelt hat... der Arme weiß wahrscheinlich selber nicht, was er tat... Wenn ihr es nicht verhindert, wird er heute Abend getötet. Wahrscheinlich werden sie ihn ertränken... das ist eine beliebte Methode für Flammentänzer... man kettet sie an etwas Schwerem fest und setzt sie in ein Boot, das ein Leck hat...“ Valerian starrte entsetzt zu der Stelle, an der er Maris’ Geist vermutete. „Stimmt, ich... ich erinnere mich...“ Er sprang auf und schnappte sich den unbenutzten Nachttopf, der unter dem Bett stand, um sich in diesen zu übergeben. Eikyuu wurde blass. Mutierte Valerian etwa wieder zu dem Slarivester? „Kariat... alles in Ordnung?“ „Jaja,“ antwortete Valerian schnell, dann war wieder sein Würgen zu hören. „Du hattest ein früheres Leben in diesem Land,“ erklärte Maris ihm fast beiläufig. „Aber auf diese Weise hast du nun ein Wissen, das du für eure Mission benutzen kannst.“ „Wie praktisch... deshalb kann er wohl auch die Landessprache...“ murmelte Eikyuu, während er wartete, dass sein Geliebter wieder auftauchte. „Aber wie kannst du das wissen, Maris?“ „Kleines Rächergeheimnis,“ entgegnete der Geist. Der Seelenleser nahm das etwas grummelig hin. „Und wie kommt es, dass es dich noch gibt? Es hieß doch, alle Rächer wären tot... wie konntest du dich bis jetzt verbergen, ohne vor Rachegelüsten durchzudrehen? Das muss dich doch wahnsinnig gemacht haben...“ Es wunderte ihn wirklich, denn jeder überlebende Rächer hätte alles getan, um seine Art zu rächen, oder er hätte dafür gesorgt, dass sie wieder auflebte, indem er möglichst viele Kinder in die Welt setzte... „Die Rache muss dieses Mal etwas größer angelegt werden. Ein Einzelner kann das nicht schaffen,“ erklärte Maris. „Ihr müsst dieses Land ins Chaos stürzen, indem ihr die Sklaven aufwiegelt und denjenigen findet, der die Rächer auf dem Gewissen hat.“ Eikyuu starrte Maris’ Körper an, obwohl der sich natürlich nicht regte. „Aber... Kyuunan hat die Rächer getötet... oder töten lassen... wir können das nur nicht beweisen...“ „Hast du dich nie gefragt, warum er das getan hat?“ erkundigte Maris sich. Seine Stimme klang schwächer, dann war seine geisterhafte Präsenz fort. Offensichtlich war der Geist in den Körper zurückgekehrt. „Was weißt du denn darüber?“ fragte Eikyuu noch, aber er bekam keine Antwort mehr. Valerian musste erstmal auf den Hof gehen und Luft schnappen. Oh ja, er hatte als Slarivester gelebt... vor einer ganzen Weile, aber viel hatte sich seither nicht verändert. Deshalb wusste er auch, dass Hinrichtungen von Sklaven immer eine Volksbelustigung waren, zu der sich viele Leute einfanden, und manchmal wurde sowas auch nur zum Spaß gemacht. Der Rächer in ihm wurde stärker in dem Wunsch, es ihnen allen heimzuzahlen. So etwas gab es in seinem Land nicht... wie konnte man die Unterdrückung einer anderen Art so als gegeben hinnehmen? Gut, man konnte argumentieren, dass auch Schweine und Rinder zum Wohl des Menschen gehalten wurden. Aber Drachen waren ja fast schon ein Teil der Menschen. Sie konnte ihre Gestalt annehmen und sich sogar mit ihnen paaren. Außerdem wurden Tiere meistens besser behandelt als Sklaven. Er dachte über Maris’ Worte nach, und irgendwie kamen sie ihm bekannt vor... die Erinnerung war direkt unter der Oberfläche. Dass Maris ein Rächer war, sollte ihn wohl überraschen, aber seine Anwesenheit schien so sein zu müssen... Valerian hatte den Eindruck, dass er ihn kannte, wahrscheinlich aus einem Leben als Rächer. Er wusste, dass er mehrere geführt hatte, aber er konnte sich zum Glück nicht an jedes erinnern. Ihm schwirrte ja jetzt schon der Kopf. Gut, erstmal einen Sklaven vor der Hinrichtung retten... danach konnte man weitersehen. Er überlegte, wie sie es am besten anstellten. Jemand musste hinfliegen, und das am besten nicht allein. Auch durfte Maris nicht schutzlos bei den Slarivestern bleiben, immerhin war zumindest Tronata eine ernstzunehmende Magierin. Sie wussten nicht, ob Noctivagus mit ihr fertig werden konnte, also war es vielleicht das Beste, wenn entweder Eikyuu oder er selbst hier blieb. Andererseits musste ein Heiler zurückbleiben. Letztendlich entschied Valerian, dass es wohl am besten war, wenn Noctivagus mit Eikyuu auf diese Mission ging, denn der Flammentänzer kannte den Ort... nein, er kannte den Ort, wo die Kneipe abgebrannt war, nicht aber den der Hinrichtung. Es war zum Haare Raufen, er wusste einfach nicht, was er tun sollte. Zumal er sehr gerne selber gehen wollte, um Rache zu üben... Während er noch so grübelte, kam Shisei zu ihm. „Shitai.“ Valerian fuhr herum. „Was? Warum nennst du mich bei diesen Namen?“ Sie lächelte irgendwie seltsam, auch ihr Blick war anders. „Shisei war so freundlich, mir ihren Körper zu überlassen, und passt solange auf meinen auf.“ „Maris?! Sag mal, spinnst du? Sie ist ein Kind, wie kannst du ihr das zumuten! Außerdem solltest du dich lieber schonen, statt Energie für solche Spielchen zu verbrauchen!“ Das Kind lachte leise. „Du redest wie ein Prinz, Shitai. Sei ein Rächer!“ „Gerade deshalb wollte ich ein Mensch sein... damit ich nicht mehr den Tod eines Rächers sterben muss,“ bemerkte Valerian. „Davon abgesehen, dass ich als Rächer eh nicht mehr geboren werden konnte, außer vielleicht, indem du mich zeugst. Warum hast du das eigentlich nicht getan, sondern dich statt dessen versteckt?“ „Aber das habe ich nicht, Shitai. Ich kann mich nur nicht nach Belieben zeigen und erst recht nicht einfach Kinder in die Welt setzen, obwohl ich das gerne täte. Allerdings würde das das Gleichgewicht der Mächte erheblich ins Schwanken bringen.“ Maris’ Worte hörten sich seltsam mit Shiseis Stimme gesprochen an. Valerian konnte sich irgendwie nicht daran gewöhnen. Das Kind schritt umher wie ein Mann, der selbstbewusst seine Weisheiten verteilte. Und auf einmal kam dem Prinzen etwas an dieser Art wirklich sehr bekannt vor... „Ich sehe, langsam dämmert dir die Erkenntnis, mein Lieber,“ sagte Maris, der den anderen aufmerksam beobachtete. „Umso peinlicher, dass ich mich von dir verarzten lassen muss...“ Er lachte ironisch. „Und jetzt stehe ich vor dir in Gestalt eines Kindes. Ich fühle mich total klein...“ Valerian setzte einen leicht sarkastischen Gesichtsausdruck auf und nahm Shisei auf den Arm. „Tja... das geht uns allen mal so,“ meinte er. „Jetzt sei ein braves Mädchen und geh schön wieder rein in dein Bettchen...“ Maris kniff ihn in die Nase. „Was erlaubst du dir! Ich habe lediglich die *Gestalt* eines Kindes, und das gleiche gilt für Shisei. Ihre Seele ist schon alt.“ „Na gut, alter Mann. Geh ins Bett.“ Valerian musste allerdings dabei grinsen. Er trug ‚Maris’ ins Haus, um sich mit den anderen zu beraten. Er musste diese Entscheidung ja nicht alleine treffen. Und irgendwie tröstete es ihn, einen weiteren Rächer dabei zu haben... einen, um dessen Identität Shisei wahrscheinlich schon längst gewusst hatte. *** Hätte Valerian sich in einen Drachen verwandeln können, wäre er geflogen, so aber blieb er im Haus und kümmerte sich zusammen mit Noctivagus um Maris, oder besser, dessen Körper. Eikyuu war mit Shisei, in deren Körper sich Maris’ Geist befand, unterwegs. Seine Drachengestalt hatte bei den Slarivestern für Staunen gesorgt, das hatte er gespürt. Anscheinend sah man in Slarivestos nur selten einen Seelenleser mit so großen Hörnern, der dann auch noch gesund aussah. Die meisten starben, bevor sie so alt wurden, weil sie seelisch verkümmerten. Maris wusste, wohin sie sich wenden mussten. Eykyuu fragte nicht, sondern folgte einfach seinen Anweisungen. Irgendetwas wurde ihm verheimlicht, aber das kannte er ja von den Rächern. Irgendwie war es schön, ihre Gesellschaft wieder spüren zu können, auch wenn er es mit drei sehr außergewöhnlichen Exemplaren zu tun hatte, von denen einer ja auch noch ein Mensch war. Valerian hatte nicht alle Kräfte eines Rächers, aber das war ihnen beiden auch ganz recht. So lebte es sich gesünder. Die Flugroute führte zu einem Fluss, wo sich bereits eine Menschenmasse versammelt hatte. Man konnte meinen, es sei ein Volksfest. Einige Gruppen hatten Picknicksdecken ausgebreitet wie bei einem Familienausflug. Aus der Luft konnte Eikyuu hier und da halbnackte Gestalten sehen, offenbar Sklaven, auf denen die Herrschaften hergeflogen waren. Sie kauerten meistens etwas abseits von ihren Herren am Boden oder standen mit gesenktem Haupt da. Jenseits des Flusses senkte sich die Sonne ihrem Untergang entgegen. //„Sieh mal!“// rief Maris telepathisch, um den Wind besser zu übertönen. //„Da in den Käfigen! Da sind sogar mehrere drin!“// Eikyuu schaute hin. Seine Drachenaugen ließen ihn gut erkennen, dass in der Mitte des Spektakels mehrere Käfige aufgebaut waren. Sie bestanden aus Holzbrettern und Eisenstangen und wurden noch zusätzlich bewacht. Ob diese Sklaven wohl wussten, dass sie sich befreien konnten, wenn sie nur wollten? Allerdings trugen sie wahrscheinlich alle irgendwelche Sicherungen, die sie daran hinderten, ohne Erlaubnis ihre Drachengestalt anzunehmen. Es war in Slarivestos ein begehrter Beruf, solche Dinge herzustellen, denn wer das konnte, hatte ein geregeltes Einkommen. //„Offensichtlich richten sie gleich ein paar andere mit hin, so eine Sauerei!“// empörte sich Eikyuu und brüllte laut. Einige Köpfe wurden nach oben gewand, aber im Grunde geriet bei seinem Anblick und dem Geräusch keiner in Panik. Wahrscheinlich dachten sie, der Drachenbesitzer wollte nur angeben und ließ ihn deshalb brüllen. Eikyuu landete unbehindert und ließ seinen Reiter absteigen. Als die Leute sahen, dass es sich um ein Kind handelte, wurden sie doch aufmerksam. Eine besonders mutige Frau näherte sich. „Hee, Kleine... wohl Papis Drachen ausgeliehen, was? Weiß er das?“ Maris drehte sich so, dass man Shiseis spitze Ohren sah. „Papi lebt nicht mehr.“ Er nahm ein Bündel von Eikyuus Rücken und holte eine einfache, dunkle Robe hervor, während der Seelenleser seine Menschengestalt annahm, und reichte sie ihm dann. Der Magier zog das Kleidungsstück über und musterte die Menschen auf gar nicht sklavenhafte Weise mit einem selbstbewussten Blick. Dann schritt er einfach mit dem Kind an seiner Seite auf die Mitte zu und ließ es so aussehen, als sei er auf einer Mission... oder so musste es zumindest wirken, denn niemand hielt ihn auf, obwohl ihn einige Leute verwundert ansahen. Sie nahmen es einfach als gegeben hin, dass ein Drache durch ihre Reihen ging, der offenbar etwas suchte – vermutlich seinen Meister. Allerdings nahm er nicht sehr viel Rücksicht. Er drängelte sich durch und schob zur Seite, was oder wer im Weg war. Amüsiert stellte er fest, dass einige entrüstet den Kopf schüttelten. Kurz vor dem Ziel, den Käfigen, packte ihn jedoch jemand am Arm. „He. Da kannst du nicht hin, es sei denn du willst auch auf den Grund des Flusses.“ Der Typ sah ihn ernst an, aber auch irgendwie leicht belustigt. Er war groß, wohl ein Aufpasser. Eikyuu funkelt ihn mit silbernen Augen an, vor denen der Mann etwas zurückzuckte, ihn aber nicht losließ. „Ich würde das nicht tun,“ warnte er ihn und ließ eines seiner Schwerter erscheinen. „Der Drache hat eine Waffe!“ schrie der Mann und ließ ihn los, aber zahlreiche andere sprangen auf und bewaffneten sich. Eikyuu erlaubte sich ein hochmütiges Lachen. „Falsch. Ich *bin* eine Waffe. Ein Drache! Und ich weiß, dass hier noch mehr Drachen sind! Erkennt, dass ihr euch befreien könnt, Freunde!“ Er blickte zu den Käfigen, die auf allen Seiten Gitter hatten, so dass jeder die Verurteilten sehen konnte. Die Schlösser an den Türen zersprangen durch seinen Willen, dann auch die Ketten, mit denen die Gefangenen gesichert waren. „Im Namen aller Drachen und Draconer, die in Slarivestos zu Tode gekommen sind!“ rief Maris mit Shiseis Stimme. „Wir werden diese Verurteilten befreien und mitnehmen!“ Er flüsterte ein paar unverständliche Worte vor sich hin, und Eikyuu spürte etwas ähnliches wie schon auf seiner Insel: Die Geister der rastlosen Toten kamen. „Erinnert euch an früher, Drachen... gewiss sind einige von euch gefangen und versklavt worden, statt in Gefangenschaft geboren zu sein,“ sprach der Seelenleser weiter. „Ich warne euch, Slarivester! Wagt es, uns aufzuhalten, und ich werde keine Gnade kennen. Lasst eure Sklaven gehen. Wenn ihr ihnen ein Haar krümmt, töte ich euch auch.“ Zur Warnung ließ er ein Schwert, das jemand gegen ihn erhoben hatte, heiß aufglühen. Es fiel mit einem dumpfen Laut auf den Boden. „Die Rächer kehren zurück. Höret meine Worte, Drachen!“ „Die Rächer!“ Eine weibliche Stimme aus der Menge. „Lasst mich los! Ich will mit euch kommen, Seelenleser!“ Also hatte sie seine Art erkannt, und anscheinend war sie auch eine eingefangene Sklavin, keine geborene. Eikyuu sah sich nach ihr um. Ihre Besitzer wollten sie festhalten, aber sie riss sich los. Andere folgten, während die Slarivester nur hilflos zusehen konnten. „Das können wir uns doch nicht gefallen lassen!“ rief ein Mensch. „Ergreift sie und weist sie in ihre Schranken!“ Doch einer derer, die aus den Käfigen befreit worden waren, nahm seine Drachengestalt an. Es war ein Windsegler. Er brüllte erleichtert und machte Wind mit den Flügeln. //„Kommt zu mir, Drachen. Ich trage euch von hier fort.“// Er schaute kurz zu Eikyuu. //„Wir werden auf den Seelenleser warten und ihm folgen.“// Der Mann, der protestiert hatte, wurde von einem seiner eigenen Sklaven niedergeschlagen. Dieser und sein Kollege eilten zu dem Windsegler. Die Frau, die zuerst gesprochen hatte, kämpfte sich durch die Menge, gefolgt von einer weiteren Frau mit einem Kind. Eikyuu behielt die Leute im Auge. Als die Sklaven an ihm vorbeiliefen, zerstörte er magisch ihre Ketten und Banneisen. Die erste Frau verwandelte sich in einen Lichtsänger und ließ andere aufsteigen. Es war fast zu einfach, aber Maris hatte die Geister unter die Menge geschickt, und alle Menschen konnten einen kalten Schauer auf der Haut spüren, einige sogar Eikyuus magische Kraft. Das machte ihnen Angst. Es kam zu überraschend, als dass viel Widerstand zu erwarten gewesen wäre. Aber nun waren sie gewarnt. Es würde nie wieder so schnell gehen. Aus der Menschenmenge waren bald alle Sklaven versammelt. Jene, die unschlüssig waren oder sich nicht trauten, wurden von anderen mitgezogen. Insgesamt fünf waren in den Käfigen gewesen, vierundzwanzig weitere kamen herbei. Einige verwandelten sich und trugen die restlichen weg. Eikyuu wartete, bis alle fort waren. Dann verwandelte er sich ebenfalls, ohne Rücksicht auf sein Kleidungsstück, und ließ Maris wieder aufsteigen. Der Rächer rief die Geister zurück, als alle in sicherer Entfernung waren. *** Sie führten alle befreiten Sklaven zum Haus der Slarivester, das sie *erobert* hatten. Die Familie war natürlich nicht sehr begeistert, bis auf die Kinder vielleicht, denn unter den Befreiten waren insgesamt acht, die jünger als fünfzehn waren, die Jüngste war sechs Jahre alt. Kendra musste mit ansehen, wie diese sich ganz nach Kinderart mit ihrem eigenen Nachwuchs zusammentaten und zögerlich zu spielen anfingen. Die vier erwachsenen Slarivester verhielten sich ruhig, wurden aber ständig beobachtet. Die Sklavenkinder waren anfangs sehr verunsichert, aber nachdem Eikyuu ihnen versichert hatte, dass sie nicht mehr einem Meister gehorchen mussten, wurden sie langsam lockerer. Ähnliches galt für die Erwachsenen. Viele verstanden sich auf Hausarbeiten und nahmen erst einmal die Küche in Beschlag. Drei Schafe aus Tronets und Kendras Bestand fielen ihnen zum Opfer und wurden schon bald lecker zubereitet und aufgetischt. Es war ein ziemliches Gedränge in dem Haus, als alle versuchten, irgendwo einen Platz für sich zu finden, und Eikyuu hatte alle Hände voll zu tun, das Durcheinander zusammen mit seinen Freunden zu ordnen. Da sie erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückgekehrt waren, wurde es bereits hell, als langsam Ruhe einkehrte. Die Gruppe aus Athrya hatte Maris’ Krankenzimmer für sich beansprucht. Als Shisei das nächste Mal auftauchte, war sie wieder sie selbst und Maris in seinem eigenen Körper. Der Rächer kämpfte noch immer gegen ein Fieber, das ihn nach und nach an den Rand der totalen Erschöpfung brachte. Er wachte aber im Morgengrauen auf, als er die Gegenwart eines Besuchers spürte, den Valerian hereingelassen hatte. Der Mann war fast noch ein Junge, vielleicht sechzehn Jahre alt. Er war von schmaler Statur und sah unterernährt aus. Seine Augenfarbe erinnerte an den Himmel, wenn es regnete. Maris erkannte ihn wieder und lächelte schwach. „Ah… du bist es… Yanis.“ Der schwarzhaarige Flammentänzer nickte schwach. „Ich… wollte Euch nichts tun, Herr… ich wusste nicht einmal, dass ich das kann. Plötzlich war es, als hätte jemand Kontrolle über mich…“ „Ja, ich weiß. Das war ein bösartiges Wesen, das mir schaden wollte. Seinetwegen bin ich jetzt in diesem Zustand…“ Maris atmete heftig, als hätten ihn die leise gesprochenen Worte sehr angestrengt. „Ich will Euch helfen, Herr,“ sagte Yanis eifrig. „Ihr und Eure Freunde habt mich nicht im Stich gelassen, deshalb will ich für Eure Sache leben oder sterben!“ Maris nickte nur, zu mehr hatte er keine Kraft. Valerian legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. „Komm, ich bringe dich zu Noctivagus, oder Taika, wie er als Flammentänzer heißt. Er wird dir erklären, was du eigentlich bist. Du wurdest in Gefangenschaft geboren, nicht wahr?“ Yanis bestätigte das. Valerian fragte sich, ob ein nicht ausgebildeter Flammentänzer ihnen nützlich sein konnte oder eher im Weg wäre. Aber erst einmal musste sowieso entschieden werden, was mit all den Befreiten geschehen sollte… Am Morgen sah Kendra sich in ihrem Haus um, das nun einem Obdachlosenheim glich. Die Drachen konnten hier nicht bleiben, oder ihre Familie bekam auch noch Schwierigkeiten. Überall schliefen Männer, Frauen und Kinder, einige in Betten, andere begnügten sich mit Decken oder dem blanken Fußboden. Manche hatten als Kleidung nur einen Fetzen an, die meisten aber hatten sich an den Sklavenhemden bedient, die es im Haus genug und in verschiedenen Größen gab. ‚Sie sind das so gewöhnt’, fiel es Kendra auf. ‚Sie kennen es teilweise nicht anders...’ Eine Frau lag im Bett eines Gästezimmers, ihr kleines Kind an sich gedrückt. ‚Normalerweise ist es bald groß genug, um verkauft zu werden,’ dachte Kendra. Dann hielt sie erschrocken inne, als sie sich erinnerte, dass man ihr angedroht hatte, ihr eines ihrer Kinder wegzunehmen. ‚Und wie nehmen ihnen die ihren ganz selbstverständlich weg...’ Beschämt wandte sie sich ab. Gerade sie konnte eigentlich von Glück reden, nicht auch versklavt zu sein... wenn sie das Erbe ihrer Mutter mitbekommen hätte, dann... Kendra blieb plötzlich stehen, als dieses kleine Mädchen, Shisei, vor ihr auftauchte. Das Kind sah sie an, als hätte sie noch nie einen Menschen gesehen. „Willst du nicht auch bei uns mitmachen, Tante?“ Die Rothaarige war überrascht. „Mitmachen?“ Shisei nickte eifrig. „Ja, und Tronet und die andern auch! Ihr könnt viele Leben retten und alle würden sich freuen, das ihr helft! Ist das nicht toll? Die Drachen denken alle eh schon, ihr wärt Helden!“ Das Mädchen hatte eine einleuchtende Logik. Zumal Kendra immer den Wunsch gehegt hatte, etwas ändern zu können... aber in letzter Zeit hatte sie es schon aufgegeben, daran zu glauben, dass das möglich war. Vielleicht... für ihre Mutter... Sie sah noch einmal zu der Drachenfrau mit dem Kind. Im Grunde waren sie doch alle schon zu tief drin in der Sache. Und wer weiß, vielleicht ließ sich ja auch Tronet überreden. Aber er wusste nichts von ihrer Herkunft... Seufzend und unentschlossen schob sie sich an Shisei vorbei, um sich etwas zu trinken zu besorgen. Unterwegs zur Küche kam sie an ihrem Labor vorbei. Der Halbblut-Drache mit den Silberaugen hantierte darin herum. Er war fast schon ein vertrauter Anblick für sie, nach so kurzer Zeit. Dass er auch ein Magier sein konnte, faszinierte sie. Zwar wusste sie, dass manche Drachen Magie hatten, aber sie hatte immer geglaubt, das wäre eine andere als die, die zum Beispiel Tronata beherrschte. „Schlaft Ihr denn nicht?“ fragte sie ihn und war überrascht, dass sie eine höfliche Anrede benutzte. Aber es kam ihr richtig vor. Er war offensichtlich nicht erstaunt von ihrer Anwesenheit. Lächelnd drehte er sich um. Sein offenes Haar glänzte rötlich im einfallenden Morgenlicht. „Ich bin ein Schattenmagier, im Dunkeln fühle ich mich wohl. Nachher werde ich mich etwas hinlegen. Aber erst braucht Maris noch seine Medizin.“ Sein Slarivestisch hatte einen deutlichen Akzent, aber sie verstand ihn gut. Neugierig trat sie näher, um sich anzusehen, was er zusammengerührt hatte. „Aber Ihr habt doch auch silberne Augen, wie die anderen beiden...“ „Ja, ich bin auch ein Lichtmeister, aber das wissen nicht viele. Mein Hauptelement ist Schatten. Wenn ich als Magier auftrete, benutze ich einen Schattenzauber...“ Er zeigte ihr, wie er seine Haare und Augen dunkel färbte. Es passte aber momentan nicht zu seiner Kleidung, die aus Maris’ Bestand stammte, da er ja anfangs dessen Diener gemimt hatte, daher ließ er den Zauber gleich wieder fallen. „Aber... das ist Magie, wie sie Magier benutzen, nicht wahr?“ hakte Kendra nach. Er nickte. „Mein Drachenelement ist Feuer. Ihr wisst ja sicher, dass jeder Drache und Draconer – so nennen wir die Halbsterblichen – eine bestimmte Gabe hat, die seiner Art zu Eigen ist. Viele von meiner Art tanzen gerne. Daher nennen wir uns passend dazu die Flammentänzer. Wahrscheinlich habt Ihr nie gesehen, wie wir tanzen, und auch nie einen Lichtsänger singen gehört... es ist Verschwendung, was hier gemacht wird. Aber vielleicht kann man das ja nachholen.“ Eine Idee dämmerte auf seinen Zügen. Aber er arbeitete weiter an dem, was er tat, und hatte schließlich ein Gebräu fertig, das Kendra nicht kannte. Er stellte es zum Abkühlen hin und füllte etwas davon in eine Tasse, bereit zur Verwendung. Sie wollte zu gerne wissen, was das für ein Zeug war, aber noch scheute sie sich davor, ihn zu fragen. Als sie schließlich doch noch in die Küche gelangte, waren dort schon drei unbekannte Frauen am Werk und stellten geschickt Brot fürs Frühstück her. Ein ausgemergelter Mann saß an einem Tisch und schlürfte etwas Suppe, er sah aus, als hätte er es nötig. Kendra nahm nur etwas Wasser und machte sich dann wieder aus dem Staub. Auf dem Gang wäre sie schon wieder fast mit jemandem zusammengestoßen. Diesmal war es aber kein Kind, sondern ihr Ehemann Tronet. Etwas erschrocken blickte sie zu ihm auf. „Bist du schon wach?“ fragte er unnötigerweise. „Du ja auch,“ stellte sie fest. „Du, ich... muss dir was sagen... es... geht um meine Mutter...“ *** Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)