Eternity III - Sklavenhändler und Drachentöter von Purple_Moon (Dieser Drache ist unverkäuflich!) ================================================================================ Kapitel 6: Machtkämpfe ---------------------- Ooookay, ich danke all jenen, die mich in letzter Zeit dazu aufgefordert oder gebeten haben, Eternity fortzusetzen. Da das alles erst seit einigen Wochen läuft, kommt es mir vor, als wäre da irgendwo ein Nest. Aber ich freu mich, dass ihr euch solche Mühe macht, ihr müsst die Story ja sehr mögen. Insofern bin ich mal so frei und fühl mich geehrt. XD Manchmal braucht man einfach nen Tritt, damit man sich bewegt... Im Moment kommt es mir echt so vor, als verginge mein Leben zu schnell. Mann, wir haben schon 2007! Wann ist das passiert?! Ich hab lange überlegt, ob ich das mit dem Kampf machen soll... naja ich hoffe ihr mögt es. Das Wort "Chimäre" kommt in der Mythologie vor, hier benutze ich es aber in seiner generellen Bedeutung für "Mischwesen". Kapitel 6: Machtkämpfe Während der Nacht blieben sie abwechselnd bei dem Patienten. Eikyuu war überrascht, dass auch die Sklaven mit einer Wache betraut wurden. Aber so schonten sich die Herrschaften, insofern war es noch nachvollziehbar. Maris durfte sich nicht allzu sehr bewegen, damit das Mittel eine Kruste bilden konnte, unter der bei Drachen anschließend Schuppen hervorkamen. Noctivagus packte heimlich schon einmal alle Sachen zusammen. Leider konnte er das schöne Schwert des Barden nicht finden. Im Laufe der restlichen Nacht wurde Maris’ Wimmern leiser und hörte schließlich auf. Er fiel irgendwann in einen unruhigen Schlaf. Seine Freunde sahen die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Wenn das Mittel wirkte, konnten sie einerseits aufatmen, andererseits hatten sie dann ein neues Problem am Hals. Und so kam es, dass am Morgen Tronet die hart gewordene Kruste zerschlug, die sich aus der Heilpaste gebildet hatte. Valerian stand genauso staunend dabei wie das Slarivesterpaar. Eikyuu, Noctivagus und Shisei hielten sich zurück, aber auch sie sahen es. Maris hatte schimmernde, elfenbeinfarbene Schuppen. „Ich glaube, du bist uns eine Erklärung schuldig,“ stellte Kendra fest. „Die möchte ich auch gern hören,“ fügte Valerian hinzu. Doch Maris schwieg natürlich und blickte trotzig zur Seite. „Kümmern wir uns erst einmal um den Rest,“ meinte die Slarivesterin. Tronet und Valerian drehten Maris für sie auf den Bauch, so dass sie die Wunden auf dem Rücken ebenfalls behandeln konnte, während die anderen ihn wieder festhielten. Noch während sie ihr Werk taten, begann unter den Nicht-Drachen eine Diskussion, wem Maris rechtlich gesehen gehörte und was aus seinen Sklaven werden sollte. Valerian hätte sich eine Geschichte ausdenken können, indem er zum Beispiel behauptete, er habe seinen eigenen Sklaven als Barden verkleidet, damit er Informationen sammeln konnte. Aber in dieser Situation wäre dies ungültig gewesen, selbst wenn es wahr gewesen wäre. „Nach slarivestischem Recht hat der Hausherr, in dessen Haus der Drache gefangen wird, das Vorrecht,“ bestimmte Tronet. „Aber ich will Euch ein faires Angebot machen, Valerian. Es sind insgesamt drei, also sucht Euch einen aus, und Kendra und ich nehmen die anderen beiden.“ „Ich brauche kein Kleinkind,“ entschied Valerian sofort. „Vagas wäre brauchbar, aber ich will lieber Maris haben, der mich so wirkungsvoll getäuscht hat… ich werde ihm klarmachen, dass er so etwas lieber nicht noch einmal versuchen sollte.“ „Ich bin damit zufrieden, das Kind hat mich ja eh interessiert,“ grinste Tronet. „Aber etwas schade ist es schon, Euer Freund hat eine seltene Farbe. Zu welcher Art gehört er wohl?“ „Das weiß ich natürlich auch nicht, aber wir können ihn in seine Drachengestalt zwingen, sobald er wieder laufen kann,“ schlug der Prinz vor. „Ich habe gestern doch noch Baltron zu meinen Schwiegereltern geschickt, was sich als Glück erweist, sie werden bald hier sein,“ warf Kendra ein. Baltron musste demnach der seltsame kleine Mann sein, denn der grinste bei der Nennung des Namens breit. Offenbar hatte er keinen weiten Weg gehabt. „Meine Mutter kann diesen Drachen ausbrennen, nur für den Fall,“ fügte Tronet hinzu. „Wenn wir es machen, solange er geschwächt ist…“ „Aber das wird ihn umbringen!“ rief Eikyuu entsetzt. Valerian warf ihm einen scharfen Blick zu. „Willst du wieder Schläge, Eien? Oder vielleicht sollte die Frau mit dir anfangen?“ Der Seelenleser wäre vor der Kälte in Valerians Stimme zurückgewichen, wenn er nicht Maris festgehalten hätte. Kendra war noch nicht damit fertig, ihre Medizin zu verteilen. „V-verzeiht,“ murmelte er deshalb nur. Erinnerte sich sein Kariat denn nicht mehr an die eigentliche Mission? Oder daran, was sie füreinander empfunden hatten? //„Eikyuu! Wir müssen weg von hier!“// teilte Maris dem Seelenleser mit. //„Wir müssen uns selbst retten… und den Flammentänzer, der die Kneipe in Brand gesetzt hat. Sonst wird er heute Abend getötet wie ein tollwütiger Hund!“// //„Aber du bist am Ende deiner Kräfte! Und was ist mit Valerian?“// //„Nimm ihn mit, egal wie. Und ich werde es schon schaffen. Ich habe mich ein bisschen erholt, seit es passiert ist…“// //„Das Mittel wird dich weiter schwächen, denn Heilmittel zehren immer an der Kraft des Verletzten.“// //„Das ist nicht zu ändern. Wir müssen warten, bis es gewirkt hat.“// //„Warum lässt du mich nicht mit meiner Gabe deine Schmerzen lindern?“// //„Das geht bei mir nicht.“// Maris vergrub sein geschupptes Gesicht in seinem Kissen. //„Lass sie mich nicht versklaven… bitte…“// Eikyuu erkannte erschüttert, dass dies für Maris offenbar ein gänzlich unerträglicher Gedanke war. Schon seine momentane Lage kratzte extrem an seinem Selbstwertgefühl. Dann schon lieber tot als versklavt. Aber soweit würde es nicht kommen, nahm der Seelenleser sich vor. Während nun die Heilpaste auf dem Rücken des neu entlarvten Drachen trocknete, erschien ein weiteres slarivestisches Paar auf der Bildfläche: Tronata und Danon, die Eltern von Tronet. Beide waren rothaarig. Der Mann sah Tronet sehr ähnlich; dessen Mutter trug einen strengen Dutt. Er hatte eine große Tasche voll mit Halseisen, Handschellen und allerhand anderem Gerät zum Festhalten und Markieren von Sklaven dabei, sie einen Beutel mit unbekanntem Inhalt magischer Art. Die Magier konnten genau erkennen, dass diese Frau sich auskannte. Zweifellos hatte sie selbst eine entsprechende Ausbildung genossen, sonst wäre sie auch nicht in der Lage, einem anderen Magier die Kräfte zu nehmen. Tronata wartete einige Stunden, bis auch Maris’ Rücken geheilt war und Schuppen darauf glänzten. Dann nahm sie ihn interessiert in Augenschein. Sie griff mit einer Hand in sein Haar und hielt ihn so fest, die andere legte sie auf seine Stirn und schloss konzentriert die Augen. Eikyuu, der mit Noctivagus und Shisei in einer Ecke kauerte, vermutete, dass sie über gewisse hellseherische oder telepathische Kräfte verfügte. Valerian und die anderen Slarivester standen in der Nähe und warteten gespannt auf den Befund, bereit zum Eingreifen, falls Maris sich wehrte. Das tat er noch nicht, aber er atmete hektisch und hatte deutlich einen Anflug von Panik angesichts seiner eigenen Hilflosigkeit. Falls er irgendwelche Kräfte hatte, war er im Moment kaum stark genug, sie wirkungsvoll einzusetzen. „Er blockiert mich,“ stellte Tronata fest. „Das zeugt von großer geistiger Kraft. Sehr wahrscheinlich besitzt er auch Magie, aber ich kann nicht sagen, wie stark sie ist. Normalerweise würde ich dazu raten, dass er sich erst erholen soll, aber in diesem Fall denke ich, dass wir ihn sofort ausbrennen müssen. Er könnte sonst fliehen, wenn er seine Kräfte zurückerlangt.“ Sie blickte in die Runde und sprach schließlich Valerian an. „Er gehört Euch, nicht wahr? Seid Ihr einverstanden?“ Zu Eikyuus Entsetzen zögerte Valerian nicht einmal, sondern nickte sofort. „Ich bin auch ein bisschen magisch geschult, sagt mir, wenn Ihr Hilfe braucht,“ bot er auch noch an. Der Seelenleser war nicht der Einzige, dem das einen Stich ins Herz versetzte. Maris sah den Prinzen flehend an. „Val... das kann nicht dein Ernst sein! Erinnere dich doch an dich selbst! Shitai!“ Valerian runzelte die Stirn, als suche er die Bedeutung des Namens, aber dann überwog wieder die Person, zu der er mutiert war. „Sollen wir ihn fesseln?“ Irgendwo im Hintergrund war Baltrons Kichern zu hören. „Das hast du nun davon, deine genialen Pläne gehen nach hinten los,“ flüsterte der Typ. Eikyuu wurde es zu dumm. Er fällte eine Entscheidung, und sie fiel nicht zu Valerians Gunsten aus. „Finger weg von ihm!“ verlangte er. „Ich werde nicht zulassen, dass ihr so etwas Grausames mit meinem Freund macht!“ „Eien! Du hältst dich da raus! Ab in mein Zimmer!“ befahl Valerian, doch sein angeblicher Sklave hörte nicht auf ihn. „Ich hatte gehofft, dass du von selbst wieder zu dir kommst, Kariat. Aber anscheinend muss ich es aus dir rausprügeln!“ „Was erlaubst du dir! Am besten, wir kümmern uns doch zuerst um dich!“ Valerian stapfte auf ihn zu und baute sich bedrohlich vor ihm auf, dabei war er nicht viel größer. Eikyuu wich keinen Millimeter und war auch von der Drohgebärde nicht sonderlich beeindruckt. Seine Augen glühten silbern. „Meine Kräfte auszubrennen, dürfte sich schwierig gestalten, immerhin bin ich der Allmeister von Athrya. Oder willst du es mit mir aufnehmen? Das hast du noch nicht drauf, Prinz!“ „Ich weiß alles über deine Magie! Du kannst mich nicht einschüchtern!“ zischte Valerian. „Lass uns auf den Hof gehen,“ schlug Eikyuu vor. „Sonst wird noch jemand verletzt.“ Tronata bekam den Mund nicht mehr zu. „Du behauptest, ein Magier zu sein? Aber es gibt nur noch einen lebenden Allmagier. Eikyuu.“ „Was Ihr nicht sagt.“ Der Magier ging zum Bett und half Maris beim Aufstehen. Tronata wich vor seiner aus dieser Nähe deutlich spürbaren Macht zurück. „Wusstet ihr nicht, das Eikyuu ein Drache ist?“ Er lächelte selbstgefällig. Maris stützte sich auf Eikyuu. Er war schwächer, als er gedacht hatte. Noctivagus eilte ebenfalls zu Hilfe, während Shisei nicht von seiner Seite wich. Der Schattenmagier hatte seine Zauber ebenfalls fallenlassen, so dass man auch bei ihm die Silberaugen sah. Gemeinsam halfen sie Maris in ein Sklavengewand aus Leinenstoff, das bereits für ihn bereitgelegen hatte, denn seine alte Kleidung - oder die Reste davon - trug er natürlich längst nicht mehr. „Was ist das hier, ein Sklavenaufstand?“ wollte Tronet wissen. „Ich kümmere mich darum. Eien überschätzt sich, würde ich sagen,“ versicherte Valerian. Er begab sich mit den Drachen auf den Hof, wo sich kurz darauf auch alle Mitglieder des Haushaltes versammelt hatten. Die drei Kinder hielten sich auf Anweisung ihrer Eltern im Hintergrund, jedoch nicht ohne zu maulen. Indessen zeigten die Sklaven sich schüchtern in der Nähe der Scheune. Der Wachhund war bei ihnen. Eikyuu ließ Maris los, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Noctivagus ihn allein stützen konnte. Er hatte lange nicht mehr als Allmeister gekämpft. „Ich frage mich, warum sich Val an die Magie erinnert, wenn er doch alles andere vergessen hat...“ seufzte er traurig. „Kannst du in deinem Zustand mit ihm fertig werden? Diese Sache muss dich doch seelisch mitnehmen!“ gab Noctivagus zu bedenken. Eikyuu lächelte schief. „Für solche Bedenken ist es zu spät. Flieh mit Maris und Shisei, wenn du musst. Vielleicht kannst du auch die Sklaven mitnehmen.“ Es interessierte ihn nicht besonders, dass Kendra ihn gehört hatte und wütend in seine Richtung blickte. Die drei bauten sich etwas entfernt von den Slarivestern auf. Maris entdeckte Baltron ganz in der Nähe, wie er Eikyuu und Valerian beobachtete. „Pass auf den Buckligen auf,“ flüsterte er Noctivagus zu. „Er könnte uns arge Probleme bereiten. Naja. Eigentlich hat er das schon.“ Der Schattenmagier runzelte die Stirn. „Heißt das, er hat etwas damit zu tun, dass du verletzt wurdest? Hat er den Brand verursacht?“ „Er ist böse!“ kommentierte Shisei. „Und er kann auch zaubern, aber anders als du.“ „So wie ich,“ fügte Maris hinzu. Noctivagus sah ihn verwirrt an, aber der Blonde gab keine weitere Erklärung ab. „Macht Euch keine Sorgen, ich bin selbst ein Allmagier,“ sagte Valerian zu Tronet und Kendra. „Ich werde ihn besiegen. Er ist ein Zweihorn, die sind zu sensibel.“ Eikyuu hatte ihn gehört. „Wie kannst du eigentlich die Tatsache, dass du das alles von mir gelernt hast, mit deiner jetzigen Persönlichkeit in Einklang bringen? Davon abgesehen solltest du wissen, dass ich wie ein Rächer kämpfen kann. Außerdem bist du nur beinahe ein Allmagier, während ich es schon seit Jahrhunderten bin.“ „Wenn du verlierst, wirst du gar nichts mehr sein, denn dann wird Tronata dich zu einer leeren Hülle von einem Magier machen.“ „Einverstanden.“ Gemurmel ging nach diesem Austausch durch die Reihe der Zuschauer. Baltron kicherte, wie fast immer. „Halt dich da raus!“ zischte Maris dem Kleineren zu. Das Männchen schaute ihn von unten schief an. „Was willst du dagegen tun, hm? Im Moment kannst du mir gar nichts, sei froh, dass du stehen kannst!“ Maris enthielt sich vorerst eines weiteren Kommentars und beschloss abzuwarten, was Eikyuu erreichen würde. Letzterer stand nun Valerian gegenüber, und beide sahen sich lauernd an. Gab es sowas wie ein Startzeichen? Die Anwesenden konnten keines erkennen, aber auf einmal vibrierte förmlich die Luft. Es war, als wäre sie plötzlich zu geladen zum Atmen. Selbst der unsensibelste unter den Zuschauern merkte den Unterschied, als die beiden Allmeister aufeinander losgingen. Allerdings passierte rein gar nichts. Valerian machte eine Geste, als wolle er einen Angriff starten, schaffte es aber nicht. Man hatte den Eindruck, er würde sich angestrengt gegen einen unsichtbaren Widerstand stemmen. Eikyuu bewegte sich überhaupt nicht. Er stand ruhig da, wobei er leicht angespannt wirkte und entschlossen blickte. Alle warteten gespannt auf irgendeine Aktion. Niemand hatte diese Art von Duell jemals miterlebt. Nach einigen Minuten begann Eikyuu, gelassen auf und ab zu schreiten. Er sah selbst in dem einfachen Hemdchen eines Sklaven würdevoll aus. „Na was ist nun, zeigst du es mir heute noch?“ Valerian lief rot an vor Wut. „Was soll das? Du hast mich verhext!“ „Nicht doch,“ wies Eikyuu die Anschuldigung von sich. „Das hast du selbst getan, indem du zu dieser anderen Person mutiert bist. Diese Person war kein Magier. Wie willst du also auf Kräfte zugreifen, die nicht deine sind? Aber du bemühst dich ganz gut, das muss ich zugeben.“ „Ich bin ein Allmagier wie du, wie kannst du es wagen…!“ regte der Schwarzhaarige sich auf. „Ich merke doch, dass du alles blockierst, was ich versuche! Das ist die Kampftechnik eines Feiglings!“ Eikyuu hielt einen ermahnenden Zeigefinger hoch. „Nein, nein, du bist kein Allmagier, Valerian. Ein Allmeister, ja. Lass mich dir den Unterschied erklären.“ Er sprach laut genug für alle. „Heutzutage machen die meisten Leute keinen Unterschied mehr zwischen diesen beiden Begriffen, weil sie es nicht besser wissen und die Worte sich ja auch wirklich ähneln. Aber: Jemand, der wie du jedes einzelne Element gemeistert hat, darf sich Allmeister nennen. Ein Meister aller Elementarmagien. Ein Allmagier dagegen unterscheidet gar nicht mehr wirklich zwischen den Elementen. Für ihn ist alles eine einzige große Magie, derer er sich beliebig bedienen kann, denn sie gehorcht ihm willig. Elementarmagie ist nichts weiter als die Spezialisierung auf ein Thema, im Prinzip könnte man auch alles beliebig durcheinander lernen. Früher wurde das tatsächlich so gemacht, bevor sich jemand ein sinnvolles System dafür ausgedacht hat. Vergleich es mit einem Künstler: Er spezialisiert sich zum Beispiel auf Gesang, Tanz, Lyrik, Poesie, die Malerei oder Bildhauerei. Man ist besser auf seinem Gebiet, wenn man sich spezialisiert. Bei Magiern ist es nicht viel anders. Einige von uns haben besonders großes Talent. Sie können Allmeister und Allmagier werden. Jeder Allmagier ist ein Allmeister, aber nicht jeder Allmeister ist ein Allmagier.“ Valerian starrte Eikyuu geradezu hasserfüllt an, aber der Seelenleser schaffte es, ihn im Moment nicht als seinen Geliebten zu betrachten, sondern als einen Slarivester. Auch das gehörte zur Ausbildung: Mann musste in der Lage sein, sich einem Freund zu stellen und ihn sogar zu vernichten, sollte dieser sich plötzlich als Feind erweisen. „Ich habe immer gewusst, dass ich irgendwann gegen einen Magier kämpfen muss, der mir viel bedeutet,“ sagte er etwas leiser. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass das mein eigener Kariat sein würde. Er ließ die Sperre fallen, mit der er Valerians Magie blockiert hatte. Der Allmeister merkte es sofort und erschuf eine Feuerkugel, die er voller Zorn in Eikyuus Richtung warf. Sie wurde jedoch einfach nach oben umgelenkt, wo sie wirkungslos verpuffte. „Na was ist, war das schon alles?“ provozierte der Ältere seinen Schüler weiter. „Um mich zu besiegen, musst du dich schon etwas mehr anstrengen.“ Valerian zeigte grimmig die Zähne. Er versuchte es noch einmal mit einem Feuerangriff, ließ aber gleich darauf einen Blitz niedergehen. Eikyuu lud ein Stück entfernt ein Fleckchen Luft elektrisch auf, so dass der Blitz dorthin gezogen wurde. Die Feuerkugel jedoch fing er auf, indem er sie zwischen den Händen fixierte, ohne sie direkt zu berühren. „Schon besser, Valerian. Aber Feuer verbraucht viel Energie, wenn du es aufrecht erhalten willst.“ Tatsächlich verglühte das Geschoss kurz darauf, da sein Erschaffer es nicht weiter speiste. Solche Dinge waren dazu da, einen schnellen, effektiven Angriff auszuführen, darüber hinaus lohnte es sich nicht, Energie dafür zu investieren. Eikyuu ließ Valerian noch ein bisschen herumprobieren. Der Schwarzhaarige war nicht richtig in Form, denn er konnte ihm nicht wirklich etwas entgegensetzen. Zwar hätte sein Meister ihn wohl immer besiegen können, aber etwas mehr Gegenwehr hatte er schon erwartet. Er wusste, dass Valerian das nicht spielte. Dessen Angriffe waren unüberlegt und voller Zorn. Offensichtlich konnte er in seiner jetzigen Persönlichkeit nicht so gut mit der Magie umgehen wie als Prinz. Als der Schwarzhaarige sich ein bisschen ausgetobt hatte, schien er sich etwas zu besinnen, denn er hörte auf, wild um sich zu schießen. „Na endlich… du hast mir in unseren Übungsgefechten mehr entgegenzusetzen gehabt,“ neckte der Seelenleser ihn. „Ich kenne deine Magie besser als du selbst. Du dagegen irrst dich, wenn du meinst, dass du alles über meine weißt. Kein Lehrer verrät seinem Schüler alles.“ Und Eikyuus Gesicht verfinsterte sich plötzlich, genau wie der Himmel. Die Sonne war noch zu sehen, und die Zuschauer konnten auch noch ihre Umgebung erkennen, trotzdem war es finster wie in der Nacht. Es war eine Methode, um Licht und Schatten zu kombinieren. Doch noch aus einem anderen Grund verfinsterte sich der Himmel. Es wurde windig und kühl, während sich ein schwerer Sturm zusammenbraute. Nach kürzester Zeit entluden Wolken, die vorher gar nicht vorhanden gewesen waren, ihre Fracht. Alle Anwesenden wurden bis auf die Haut durchnässt, was bei Eikyuus Hemdchen interessante Einblicke ermöglichte, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Ein Blitz schlug heftig donnernd dicht neben Valerian ein. Dieser wich aus, doch unter ihm tat sich in diesem Moment eine Erdspalte auf. Er konnte sich gerade noch mit einem Windstoß selbst davon wegschubsen. Der Vorgang erschütterte die ganze Umgebung, doch das Wohnhaus blieb verschont. Dafür verzog sich die Holzkonstruktion des Stallgebäudes, als der Boden darunter sich bewegte. Pferde wieherten und flohen, als der Sturm das große Tor aufriss. Eikyuu peitschte das Wasser, das sich nun in Pfützen sammelte, gegen seinen Gegner auf. Es wurde zu Eisstücken und bombardierte ihn regelrecht. Valerian riss schützend die Arme hoch und wehrte sich mit etwas Feuer. //„Bei Areth! Selbst bei allen Prüfungen, die ich nicht bestanden habe, hat er nicht so tief in die Trickkiste gegriffen! Das ist ja alles auf einmal!“// Unbewusst sandte er es telepathisch. //„Dann erinnerst du dich an deine missglückten Allmagierprüfungen?“// antwortete Eikyuu ihm hoffnungsvoll. Er erreichte Valerian, das allein war schon ein gutes Zeichen. Sein Schüler starrte auf einen Fleck in der Luft und schien das Inferno, das um ihn herum tobte, gar nicht mehr zu bemerken. „Towa… was… was machen wir hier? Warum bekämpfen wir uns so? Ich… hab so seltsame Erinnerungen im Kopf…“ Eikyuu merkte, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Er riss sich zusammen, um nicht die Kontrolle über seine entfesselten Kräfte zu verlieren. „Kariat… ich hab dich wieder!“ „Ja, wieso, wo war ich denn?“ fragte Valerian verständnislos. Eikyuu beruhigte seinen Sturm allmählich. Auch die künstliche Nacht verging. „Du warst etwas… verwirrt, könnte man sagen, und—“ Eine Bewegung zu seiner Linken ließ ihn stocken. Etwas erschien auf einmal dort und sprang mit gefletschten Zähnen auf ihn zu. Er sah es wie in Zeitlupe: Ein Wesen wie ein übermannsgroßer Hund oder Wolf, nur mit rauen Schuppen statt Fell. An Hinterkopf und Nacken trug es jedoch eine strubbelige Mähne, sein Schwanz war der eines gigantischen Skorpions, und seine Krallen ähnelten stark denen eines Drachen. Der Seelenleser dachte nicht nach, sondern ließ instinktiv seine beiden Schwerter erscheinen, seine Hörner. „Nicht, Eikyuu! Mit ihm wirst du nicht fertig!“ hörte er Maris’ Stimme, doch er stürzte sich bereits in Todesverachtung auf die Chimäre, ganz wie er es vor langer Zeit von Shitai gelernt hatte. Doch seine Klingen prallten vom Hals des Wesens einfach ab, als er versuchte, dort zuzustoßen. Eikyuu wurde von der Wucht des springenden Geschöpfes zu Boden geworfen, rollte sich jedoch gleich wieder ab und stellte sich ihm. Wo in aller Welt kam das her? Und was war das überhaupt? Die Slarivesterfamilie floh, um die Kinder in Sicherheit zu bringen. Sie rannten nicht ins Haus, sondern brachten soviel Entfernung wie möglich zwischen sich und das fremde Monster. Noctivagus scheuchte Shisei in die entgegengesetzte Richtung weg, doch sie lief nur einige Schritte, traute sich anscheinend ohne ihn nicht. Der Schattenmagier wollte Maris stützen und mit ihm flüchten, doch dieser stand auf wackeligen Beinen da und blickte zu dem Ungeheuer. Wo war eigentlich Baltron hin? „Shisei, geh mit Noctivagus,“ sagte der Barde ernst, während er zusah, wie Eikyuu Magie gegen den Feind benutzte und diese einfach absorbiert wurde. Der Magier versuchte es daraufhin nicht noch einmal. Maris blickte sich kurz mit seinen unergründlichen Augen zu seinen beiden Begleitern um. „Dieses Geschöpf ist nicht von dieser Welt. Es wurde ursprünglich erschaffen, damit die unsterblichen Drachen sich nicht zu sehr ausbreiteten. Ein Geschöpf, das Drachen besiegen kann, aber nicht immer gewinnt. Dieses spezielle jedoch muss ich mir vornehmen.“ „Nein, du bist zu schwach!“ protestierte Noctivagus. Maris lächelte nur, als wüsste er das selbst. Er schloss die Augen, und seine Gestalt veränderte sich. Der Flammentänzer war unfähig, sich von dem Anblick loszureißen. Ein elfenbeinfarbener Drache erschien vor seinen Augen, mit gefiederten Flügeln und einem Kopf, der mit einem stattlichen, senkrechten Horn mitten auf der Stirn geschmückt war. So einen hatte er noch nie gesehen. Aber er wusste, welcher Art er angehörte, und deshalb konnte es ihn eigentlich gar nicht geben. Ein weiterer heimlicher Überlebender vielleicht? Der Rächer stürmte auf das Mischwesen zu, wobei er Eikyuu fast umrannte. Der Magier starrte ihn ungläubig an, sprang aber reaktionsschnell aus dem Weg. Der geschuppte Riesenwolf, oder wie immer das Geschöpf auch hieß, wandte sich dem Drachen zu. Es war etwas kleiner, aber sehr schnell und wendig. Zwischen beiden entbrannte ein blutiger Kampf. Eikyuu indessen fand Valerian noch immer an der Stelle, wo er während des Magierduells gestanden hatte. Der Erdspalte ausweichend, eilte er an die Seite seines Kariat. „Alles klar mit dir? Schnell, lass uns machen, dass wir hier wegkommen. Dieses… Ding… widersteht anscheinend allen Angriffen…“ Er war verwirrt, wie es einen weiteren Rächer außer Shisei geben konnte, aber es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber zu wundern. Sein Geliebter musterte ihn seltsam. „Was hast du denn da an? Waaah, ich bin ganz durcheinander!“ Erstmal brachten sie sich in Sicherheit. Aus der Entfernung beobachteten sie, wie der Drache ganz nach Rächerart auf seinen Gegner einschlug, ohne dabei darauf zu achten, ob er selbst zu Schaden kam, Hauptsache, der andere wurde erledigt. Er wurde von dem giftigen Stachel am Schwanz der Chimäre erwischt, merkte es aber anscheinend gar nicht. Eikyuu wusste, dass Rächer im Eifer des Gefechts kaum Schmerz spürten, aber hinterher... Noctivagus und Shisei stießen zu ihnen. „Ihr werdet es kaum glauben,“ keuchte der Schattenmagier. „Aber das da ist...“ „Maris...“ begriff Valerian. „Deshalb hatte er das Horn... das war tatsächlich seins...“ Shisei sah sehr zufrieden aus, als wäre das alles keine Überraschung für sie. Nun, im Prinzip hatten sie ja alle damit gerechnet, dass Maris zumindest ein Draconer war, aber ein Rächer? Das war doch sehr erstaunlich. „Wie kann das sein, waren sie nicht alle tot? Oder gibt es vielleicht noch mehr, die irgendwo versteckt leben?“ fragte Noctivagus. Sie hörten den Drachen ohrenbetäubend brüllen. Er hatte einen fatalen Treffer landen können und schleuderte seinen Gegner brutal zu Boden. Sofort war er über ihm und biss Stück für Stück Schuppen und Fleisch von den Knochen des noch lebenden Mischwesens, das unter Schmerzen kreischte, aber schon bald still wurde und sich dann in einer Rauchwolke auflöste. Es war ein schlimmes, blutiges Schauspiel, aber sie konnten nicht anders, als gebannt hinzustarren. Shisei schien von allen am wenigsten entsetzt, trotz ihrer Jugend. Nach einer Weile erwachten sie aus ihrer Starre und gingen zögernd zurück. Alle vier waren schlammbedeckt und durchnässt von Eikyuus Machtdemonstration. Eikyuu war so gut wie nackt, da seine im nassen Zustand durchsichtige Kleidung an ihm klebte und alles zeigte. Aber das interessierte jetzt niemanden. Vor ihren Augen verwandelte sich Maris in seine Menschengestalt zurück, nun wieder ohne Schuppen – und ohne Kleider. Dass er dazu noch in der Lage war, erstaunte alle. Er taumelte, sah die Freunde kurz an und brach dann zusammen. Sie waren fast sofort bei ihm, drehten ihn auf den Rücken und umringten ihn besorgt. Valerian nahm den blonden Kopf auf seine Knie. Maris war auch in dieser Gestalt von Blut bedeckt, und es war wohl zu einem großen Teil sein eigenes. Sein Körper war übersäht von Kratzern, und das Gift der Chimäre wirkte jetzt. Die erste Untersuchung endete nicht sehr erfreulich. „Wir verlieren ihn, fürchte ich,“ murmelte Valerian. Er strich dem Rächer eine Strähne aus dem verschwitzten Gesicht, dass sich bereits fiebrig anfühlte. „Er hat einen Kampf gewonnen... aber ein weiterer steht ihm erst noch bevor...“ Eikyuu war stehengeblieben und sah sich zum Haus um. Die Familie näherte sich der Gruppe. Alle sahen etwas... verwundert aus. Der männliche Sklave des Hauses eilte herbei und bot an, Maris hinein zu tragen, während die Frauen versprachen, ihn zu waschen und zu versorgen. Valerian ließ sie gewähren und schloss sich ihnen an, blieb dann aber vor Tronet und den anderen stehen. „Ich bin Prinz Valerian von Athrya, Meisterschüler Eikyuus und Meister der Drachenheilkunst. Mit Eurer Erlaubnis werde ich mich in Eurem Labor bedienen.“ Tronet nickte nur, ebenso seine Frau. Das ältere Paar wirkte etwas grimmig, hielt sich aber raus, während der Schwarzhaarige im Haus verschwand. Die Kinder wurden auf ihre Zimmer geschickt. Nun trat Eikyuu auf sie zu, wobei er entschuldigend, aber doch irgendwie leicht hochmütig lächelte. „Eikyuu, Allmagier Athryas, ehemaliger Hüter des Schokoladenkelches und reinblütiger Drache der Art, die Ihr *Zweihorn* nennt.“ Er ging ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei. Noctivagus verneigte sich halb spöttisch. „Noctivagus, der Schattenmagier, oder Taika, Halbblut der... ach ich hab vergessen, wie Ihr meine Art nennt.“ Auch er folgte den anderen nach drinnen, wartete aber noch auf Shisei. Diese trat nun mit ernstem Gesicht auf die Hausbesitzer zu. „Ich bin Shisei, die letzte einer Art, die Ihr wahrscheinlich gar nicht mehr kennt. Wir waren niemals Sklaven von Euch. Aber wir werden alle rächen, die in Eurem Land jeden Tag umkommen, und hier fange ich an. Ich verlange eines Eurer Kinder. Es soll mit uns kommen und von uns lernen. Vielleicht wird es dann aufgeschlossener als Ihr.“ „Nein!“ schrie Kendra auf. „Du bekommst weder Sohn noch Tochter von mir!“ Danon hielt sie fest. „Ruhig bleiben, es wird sich noch zeigen, wen die mitnehmen und ob überhaupt.“ Ohne weiter darauf einzugehen, trat Shisei an Noctivagus’ Seite und folgte ihm ins Haus. Er war von ihrem Auftritt ziemlich erstaunt. Konnten sie wirklich ein fremdes Kind bei sich gebrauchen? Und was genau war da eigentlich gerade passiert? Wo war die Chimäre hergekommen? Warum hatte sich Shisei als Letzte ihrer Art bezeichnet, obwohl Maris doch auch ein Rächer war? Und... war Baltron jetzt weg? Es gab immer mehr Fragen statt Antworten... *** Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)