Mörderjagd im Lautersdörfle von abgemeldet (Mord auf Schwäbisch) ================================================================================ Kapitel 4: Orlow - Mörder oder Opfer? ------------------------------------- Nach langem Zittern kommt endlich: Teil 4: Orlow - Mörder oder Opfer? Jetzt war an diesem Fall überhaupt nichts mehr normal: Warum wurde der Mann, der bei der inszenierten Mörderjagd den Mörder spielen sollte, selbst ermordet? Und warum ist das auserkorene Opfer spurlos verschwunden, sprich: auf der Flucht? Sah man sich dieses Konstrukt genauer an, erkannte man ein eindeutiges Muster: Mörder und Opfer hatten die Rollen getauscht. Doch warum ist das passiert? Um diese Frage beantworten zu können, musste ich erst einmal hinter die Maske von jedem der Verdächtigen sehen. Denn es war nicht gesagt, dass Herr Orlow tatsächlich der gesuchte Täter war. Es konnte genauso auch eines der anderen Tourmitglieder sein, das Herrn Esserle auf dem Gewissen hatte. Aber warum um alles in der Welt ist Herr Orlow dann verschwunden? Mit diesen Zweifeln im Hinterkopf nahm ich mir vor, das Rätsel um diesen Mord zu lösen... War da nicht noch etwas? Ja, genau! Ich sollte doch auch die Hintergründe von dem Fall der Klippenspringerin ermitteln, bei dem nun vier Möglichkeiten in Frage kamen, und zwar Mord, Selbstmord, Unfall und Irrtum. Was war das Geheimnis der Klippenspringerin, die mit Schlafmitteln betäubt eine Schlucht hinabstürzte? Und gab es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen, wie es Frau Kornmann bereits vermutet hatte? Ich wusste es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daher musste ich wohl oder übel in beiden Fällen - sowohl bei Herrn Esserle als auch bei der Klippenspringerin - die Wahrheit ans Licht bringen... Mir wurde trotz meines warmen Mantels langsam kalt. Eine halbe Stunde in der Kälte war wohl doch zuviel des Guten. Also zog ich mich - im Gegensatz zu den anderen Tourmitgliedern - in meine Hütte zurück, um auf das erste Opfer meiner Verhöre zu warten - nämlich auf Herrn Gessmann. Er war mir zwar unsympathisch. Ich war ihm auch ganz klar unsympathisch. Doch irgendwie würde ich ihn schon zum Reden bringen, das wusste ich. Ich bereitete mich auf das Verhör vor, indem ich nochmals alle Informationen über ihn aus meinem Gedächtnis abrief. Also, was war da noch mal? Zunächst die Tatsache, dass er vor dem Betreten unserer gemeinsamen Hütte noch ziemlich verwahrlost aussah, aber nach dem Betreten geduscht hatte und danach wirklich säuberst herausgeputzt war. Als Nächstes war zu erwähnen, dass er sich das Schild mit dem Hinweis auf regelmäßiges Putzen an die Hütte gehängt hatte, und das in hochschwäbischem Dialekt. War da nicht noch etwas? Ach ja, die grüne Stofftasche, die Herr Gessmann bei der Entdeckung der Leiche mit sich herumgetragen hatte und dessen Inhalt ich nicht erkennen konnte! Außerdem half er Herrn Riedling beim Transport von Herrn Esserles Leiche. Das musste für ein erstes Verhör vorerst ausreichen. Ich wartete. Währenddessen trank ich ein paar Schlücke Tee, um mich wieder aufzuwärmen. Ich dachte über die Details nach, die mir spontan zu Herrn Gessmann einfielen, als dieser plötzlich mit durchnässten Stiefeln die Hütte betrat. Er zog seine Schuhe noch am Eingang der Hütte aus und legte dazu auch noch seinen Mantel ab. Es würde wahrscheinlich aufgrund der zwischen uns herrschenden Antipathie schwer für mich, mit ihm zu reden, aber ich versuchte mein Bestes, ihn zum Reden zu bringen, indem ich einfach drauflos redete: "Sagen Sie mal, Herr Gessmann. Sie sind doch bestimmt auch an der Lösung dieses Falles interessiert, oder? Wir könnten doch solange das Kriegsbeil begraben, bis der Fall geklärt ist." "Jo, i würd scho allzu gern wissa, wer Herrn Esserle umg'bracht hat. Do hat oiner onsre Freizeit versaua wolla. I als Anwalt find au, dass an Mord bestroft werda muss. Dr Herr Esserle war nämlich 'n guter Mensch." "Sie waren doch nicht mit ihm in einer Hütte. Heißt das also, dass Sie ihn kannten?" "D' Frau Kornmann hat do vorhin g'sagt, dass dr Herr Esserle mit 'nem Firmekonto rumg'schlampt hat. Sie erinnret sich do no, oder?" "Ja, Sie hat mir sogar persönlich davon erzählt. Es soll um eine hohe Summe gegangen sein, sowie ich das verstanden habe. Um wie viel hat es sich denn gehandelt? Jetzt können Sie es mir ja sagen... jetzt wo Herr Esserle tot ist." "Muss des sei? I mein, über so was sott mr au net reden, jetzt wo dr Herr Esserle dod ischt. Über so was red i erscht recht net mit Ihna!" "Vielleicht bringt uns das ja weiter. Oder wollen Sie etwa nur deshalb so wichtige Informationen zurückhalten, weil Sie mit mir nicht auskommen? Ich dachte, Sie wären an der Aufklärung dieses Mordes interessiert. Nur weil Herr Orlow ein bisschen länger weg ist als üblich, heißt das noch lange nicht, dass er auch tatsächlich der Täter war. Sie haben jetzt die Wahl: Entweder kooperieren Sie, oder Sie lehnen ab. Wenn Sie wirklich so erpicht darauf sind, den Mörder zu finden, empfehle ich Ihnen Variante Eins. Also, was ist Ihre Entscheidung?" "Scho recht. I sag do, was Se wissa wollet. Also, was wollet Se von mir wissa?" Scheins hat meine Methode ein weiteres Mal funktioniert, mit der ich die Leute zum Reden brachte. Wirkungsvoller als eine Polizeimarke... Ich fing mit dem "Verhör" an: "Nun gut, inwiefern hatten Sie mit Herrn Esserle zu tun? Hat er etwa Ihre Dienste als Anwalt in Anspruch genommen?" "Jo, so ischt es. Dr Herr Esserle war a mol mei Klient. Er hat da mit so 'ner komischa Sache zu do g'habt. I glaub, des war so was mit 'm Firmekonto. Und d' Frau Kornmann hat's Maul in dr Ang'legaheit ganz weit offa g'habt, so wie's bei ihr immer ischt. Die wollt den sogar anklaga." "Sind Sie sich sicher, dass sie ihn nur anklagen wollte? Kam es eigentlich in der Angelegenheit mit dem Firmenkonto zu einem Prozess?" "Jo, d' Frau Kornmann hat Herrn Esserle ang'klagt und hat au no den Prozess g'wonna. Und des nur, weil dr Herr Esserle ehrlich g'nug war, bei dr Sach mit dem Firmekonto zuz'geba, dass er g'schlampt hat. Aber d' Leut vom Herrn Esserle seiner Bank habet ihm des net übel g'nomma." "Aha, Frau Kornmann hat also nur deswegen den Prozess gewonnen, weil Herr Esserle sich den Fehler eingestanden hat... Aber wie groß war eigentlich die Summe, die kurzzeitig verschwunden ist? Um wie viel Geld hat es sich bei dem Firmenkonto gehandelt?" 'S hat sich um vier Milliona Euro g'handelt. Also so g'seha eigentlich net viel für so'n großa Konzern. 'S wurdet halt a paar G'hälter g'kürzt, und des au bloß in Frau Kornmanns Abteilung." "Das heißt also, dass in dieser Firma für jede Abteilung ein eigenes Firmenkonto existiert, habe ich Recht?" "So ischt es. Jede Abteilung hat ihr eigenes Firmekonto. So hat mr des jedafalls dr Herr Esserle damals erzählt." "Aber warum hat man dann nur das Gehalt von Frau Kornmann gekürzt und nicht die Konten von anderen Abteilungen auf Frau Kornmanns Abteilung verteilt?" "Des ischt a gute Frage. Wahrscheinlich wollt mr koin Saustall in de Finanza han. I weiß au net wirklich, was die Firma für Gründ g'habt hat. Uff jeda Fall habet die Leut von dr Firma, wo au d' Frau Kornmann schafft, beim Herrn Esserle seiner Bank gekündigt. Scho a komische Sach, oder?" "Da haben Sie allerdings Recht. Aber wie meinten Sie das, als Sie sagten, Frau Kornmann habe ihr Maul in der Angelegenheit ganz weit offen gehabt, wie es bei ihr immer sei? Hatte Herrn Esserles Bank etwa noch weitere solche Vorfälle mit Frau Kornmann erleben müssen?" "Dr Herr Esserle hat mr immer g'sagt, dass d' Frau Kornmann scho immer Theater g'macht hat, seit der ihre Firma bei Herrn Esserles Bank Geld ang'legt hat." "Verstehe. Soviel zum Thema mit Ihrer Beziehung zu Herrn Esserle... Nur würde mich noch etwas anderes auch interessieren: Was befand sich in der grünen Stofftasche, die Sie am Tatort bei sich hatten? Das würde mich interessieren." "Da waret nur a paar Holzscheit drinna. Se wisset, dass in dr Wohnung au an Kamin ischt. I hab vorhin oifach nur Brennholz g'holt, in dr Nähe vom Parkplatz." Ich versuchte Herrn Gessmann aus der Reserve zu locken: "Ach, kann man da Brennholz holen? Kann es sein, dass einer Ihrer Holzscheite die Waffe war, mit der Herr Esserle niedergeschlagen wurde, um ihn letztendlich an Hütte Nummer 57 aufzuhängen?" Herr Gessmann wehrte sich: "Wollet Se mir etwa unterstella, i hätt Herrn Esserle umg'bracht? Wenn i dr Täter g'wesa wär, hätt i d' Waff scho längscht entsorgt. Oder glaubet Se etwa, i hätt die Waff mit mr rumg'traga?" "Ich bitte Sie! Es war doch nur eine Hypothese, nichts weiter. Wenn Sie der Täter waren, hätten Sie die Tatwaffe wirklich nicht mit sich herumgetragen. Deshalb würde auch niemand die Tatwaffe bei Ihren Holzscheiten vermuten. Da würde doch auch nie jemand nachschauen..." Entgegen meiner Vermutung, Herr Gessmann würde nun nervös, sagte dieser eher sauer: "I merk do, dass Se andeuta wollet, dass I dr Täter g'wesa sei soll. I war's net. I hätt net mal an Grund, den Herrn Esserle umz'bringa." Ich merkte, dass weitere Fragen wahrscheinlich unangenehme Folgen nach sich ziehen konnten, darum beendete ich dieses kurze Gespräch: "Vielen Dank, dass Sie mir Auskunft gegeben haben. Ich werde bei Bedarf nochmals auf Sie zukommen. Wären Sie damit einverstanden?" "Ne, wär i net! Wenn Se mir noch mal versuchat, den Mord unterz'schieba, könnet Se bald 'n G'richtssaal von inna seha. Des nennt mr Rufmord, was Se da machet!" Es sah so aus, als wollte mir Herr Gessmann mit dem Gesetz drohen. Ich wollte tunlichst vermeiden, mit einer Klage am Hals das Lautersdörfle zu verlassen, also verließ ich unsere Hütte, um mit der nächsten Person zu reden. Nur wen sollte ich nun befragen? Vielleicht den Sensationsjournalisten Herrn Huber? Aber der würde mir sowieso nur in allen Punkten widersprechen. Oder vielleicht den Reiseleiter, Herrn Riedling? Allerdings war ich neugierig geworden durch Herrn Gessmanns Aussage, es gäbe eine Stelle für Feuerholz in der Nähe des Parkplatzes. Also ging ich den relativ weiten Weg durch die vielen Hütten hindurch zum Parkplatz ganz am Rand des Lautersdörfles, nur um nachzuschauen, ob sich unter den massenhaft vorhandenen Holzscheiten vielleicht tatsächlich ein Totschläger befand. Nach ungefähr fünfzehn Minuten kam ich schließlich beim Parkplatz an. Doch nirgendwo war eine Stelle mit Feuerholz in Sicht. Ich sah mich ein wenig um; doch das einzige, was ich sehen konnte, war Herrn Riedlings Kleinbus, der mir irgendwie kleiner schien als bei der Ankunft. Ich hielt mich nicht lange an diesem Anblick auf, sondern überlegte, wo den nun die Stelle mit dem Feuerholz sein sollte. Ich ging eine Treppe am Parkplatz hoch, und lief dort ein wenig weiter durch den Schnee, bis ich zwanzig Meter weiter doch letztendlich das fand, wonach ich suchte: Ein sorgfältig mit einer Plastikplane abgedeckter Haufen aus Holzscheiten. Würde sich unter diesem harmlos wirkenden Holzhaufen möglicherweise eine gefährliche Waffe verbergen? Ich nahm die Plastikplane ab, um nachzuschauen, ob sich unter den Scheiten ein geeigneter Prügel befand. Auf den ersten Blick nichts Verdächtiges; nur eine Menge Holz. Ich sah mir die Scheite genauer an. Als ich noch immer nichts entdeckte, wühlte ich in wenig in dem Haufen herum; es war ja auch möglich, dass sich der Totschläger ganz unten verbarg. Als ich gerade am Suchen war, hörte ich hinter mir plötzlich leise, durch den hohen Schnee gedämpfte Schritte, die auf mich zukamen. Ich drehte mich um und sah eine dunkle Gestalt langsam auf mich zugehen. Die Gestalt war vermummt, wie ich das erkennen konnte. Sie hatte einen schwarzen Mantel mit Kapuze an und einen tiefschwarzen Schal ins Gesicht geworfen. War das die Kleidung eines Mörders? Die Person ging weiter auf mich zu, bis sie nur noch circa drei Meter von mir entfernt war. Ich fragte nervös: "Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?" Die Person nahm den Schal und die Kapuze aus dem Gesicht. Zum Vorschein kam Frau Grieberts Gesicht. Mit betrübtem Blick erklärte sie mir: "Tut mir Leid, wenn ich Sie erschrocken habe. Ich vertrage keine Kälte. Daher habe ich mich ein wenig vermummt." "Ach so, und ich dachte schon..." "Nein, nein. Machen Sie sich da keine Sorgen." Ich musste also Frau Griebert irgendwie jetzt befragen. Ich versuchte mich an die wichtigsten Details zu erinnern, die mir zu ihr einfielen: Zunächst waren da ihre starken Depressionen und ihre Liebe zu der Farbe Schwarz. Sie hatte schwarze Haare und schwarze Kleidung, was auf mich in gewisser Weise beängstigend wirkte. Dann die Tatsache, dass sie so gut wie nie sprach und Gespräche von Anderen nur mitverfolgte. Und zu guter Letzt war da noch, dass sie sich mit dem verschwundenen Herrn Orlow eine Hütte teilte. Sie sprach mich nicht an, sondern nahm sich Holzscheite aus dem Holzhaufen. Also musste ich ein Gespräch mit ihr einfädeln: "Frau Griebert, was war Herr Orlow eigentlich für eine Person?" "Hm? Was soll mit Orlow gewesen sein?", fragte Frau Griebert mit unveränderter Miene, ohne mir einen Blick zuzuwenden. "Was war Herr Orlow für ein Mensch? War er eher ruhig oder eher aufgeweckt? Benahm er sich normal oder verdächtig? Ich will einfach nur wissen, was sie für einen Eindruck von Orlow hatten, bevor er verschwunden ist. Könnten Sie mir darüber etwas erzählen?" "Na ja, jetzt wo sie es sagen. Er war unangenehm hektisch. Andauernd hat er irgendetwas in der Hütte gemacht. Er konnte nicht still dasitzen." "Wie hat sich dieses 'unruhige' Verhalten geäußert? Was hat er andauernd gemacht? Könnten Sie mir das genauer beschreiben?" "Wenn Sie meinen... Er ist alle paar Minuten auf die Toilette gegangen. Er war seit unserer Ankunft unnatürlich nervös. Und dann noch sein Blick die ganze Zeit..." "Sein Blick? Hat er nervös ausgeschaut?", fragte ich Frau Griebert, in der Hoffnung, mehr über ihre Persönlichkeit und Herrn Orlow herauszufinden. "Ja, er hat die ganze Zeit gestarrt wie jemand, der von irgendjemandem verfolgt wird. Wirklich merkwürdig war das. Und er hatte ein übles Zwangsverhalten..." "Ein Zwangsverhalten, sagen Sie? Meinen Sie etwa, er hatte einen Tic oder eine neurotische Art an sich? Normalerweise hat doch jeder Mensch so etwas wie einen Tic. Was war denn seine Eigenart?" Frau Griebert überlegte mit leiser Stimme: "Er hat Fingernägel gekaut. Und das hat mich sehr nervös gemacht. Ich habe ihn des Öfteren darauf angesprochen, aber er hat mir nur entgegnet, es sei nichts los mit ihm." "Sonst hat er nichts gesagt?", fragte ich erstaunt, "Hat er nicht mit Ihnen gesprochen oder Sie zumindest begrüßt? Hat er sonst nichts zu Ihnen gesagt?" "Nein, hat er nicht. Er war sowieso eine sehr schweigsame Persönlichkeit. Er hat kaum geredet." Ich bemerkte: "Sie reden doch auch kaum. Oder war Herr Orlow ein noch ruhigerer Mensch als Sie? Das kann ich mir schwer vorstellen, dass es jemanden gibt, der weniger spricht als Sie." "Finden Sie wirklich, dass ich wenig spreche? Ich bin lediglich ein wenig nachdenklich. Aber ich rede doch eigentlich viel, oder etwa nicht?" "Ich weiß, dass Sie sehr ruhig sind. Nur warum streiten Sie ab, dass Sie wenig reden? Sie reden wirklich kaum. Und depressiv sind Sie auch. Warum sind Sie überhaupt so depressiv? Ist bei Ihnen etwa in letzter Zeit etwas vorgefallen. Sie können es mir ruhig sagen, ich werde es niemandem weitererzählen." Frau Griebert wurde noch ruhiger als sie es zuvor schon war und hielt einen Moment lang inne. Dann atmete sie kurz auf. Sie gab mit betrübtem Blick meiner Bitte nach: "Na gut, ich sage es Ihnen. Sie können doch hoffentlich dichthalten, oder?" Ich nickte, hoffte aber auch gleichzeitig, dass mir Frau Griebert wichtige Informationen übermittelte. Diese Frau war in gewisser Hinsicht interessant. Etwas Wichtiges würde sie mir so oder so sagen, das war mir klar. Frau Griebert erzählte mir unter Tränen: "Es war vor zwei Jahren an der Klippe, wo schon drei Jahre zuvor die Klippenspringerin abgestürzt ist. Mein damaliger Ehemann fuhr dort jeden Tag über die Klippe zur Arbeit. Es war eigentlich immer unsicher, dort zu fahren. Aber mein Mann hat jede Warnung außer Acht gelassen. Jeden Tag ist er über die verdammte Klippe zur Arbeit gefahren. Mein Mann war ein sehr wagemutiger Mensch und hat das Risiko geliebt. Und eines Tages - es war im tiefen Winter - hat er die Kontrolle über sein Auto verloren und ist mit seinem Auto die Klippe hinabgestürzt. Fünfzig Meter im freien Fall! An jenem Tag saß ich völlig ahnungslos zu Hause und habe an meinem Computer gearbeitet. Und dann hat das Telefon geklingelt. Ich nahm ab und hörte einen Polizisten sprechen: 'Es tut mir Leid, Ihnen das mitzuteilen. Aber Ihr Mann ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wir vermuten, dass Alkohol im Spiel war.' Dann legte der Polizist auf. In diesem Moment habe ich die Welt nicht mehr verstanden. Mein Mann wäre nie in betrunkenem Zustand Auto gefahren. Und die Gerichtsmediziner haben mir auch noch mitgeteilt, dass mein Mann, als er mit dem Auto über die Klippe fuhr, drei Promille Alkohol im Blut hatte. Die Straße wurde nach dem Zwischenfall gesperrt und wird seitdem nicht mehr benutzt. Aber ich musste seit dem tragischen Tod meines Mannes diesen großen Schmerz mit mir herumtragen. Und das, ohne zu wissen, warum er letztendlich betrunken Auto gefahren ist. Sie können doch jetzt sicher verstehen, warum ich ständig so bedrückt bin, oder?" Frau Griebert brach unter Tränen zusammen. Ich wurde nachdenklich durch die Geschichte, die mir Frau Griebert erzählt hatte. Dann sprach ich ihr mein Beileid aus: "Es tut mir Leid für Sie. Ich bin zwar nicht verheiratet, dennoch kann ich Ihre Sorgen verstehen. Ich hoffe für Sie, dass Sie bald erfahren, warum Ihr Mann dieses Schicksal erleiden musste." Frau Griebert nahm ein Taschentuch aus ihrem Mantel und wischte sich damit die Tränen aus dem Gesicht. Dann fing sie traurig zu lächeln an: "Ha! Wäre ich doch nur mit meinem Mann in dem Auto gesessen, hätte ich das alles nicht miterleben müssen." Ich brach dieses Thema ab: "Es tut mir Leid, wenn ich Sie jetzt noch etwas Anderes fragen muss im Bezug auf Herrn Esserles Tod..." "Schon gut, fragen Sie ruhig. Aber ich kannte Herrn Esserle doch gar nicht. Ich weiß praktisch überhaupt nicht über ihn." Frau Griebert wirkte wieder sehr betrübt. "Ich weiß, aber dennoch können Sie mir sagen, was Sie in dem Zeitraum von 8.29 Uhr bis 8.50 Uhr gemacht haben, als Herr Esserle ermordet wurde." "Ich saß die ganze Zeit in der Hütte, die ich mir zuvor noch mit Herrn Orlow teilte, bis ich plötzlich um 8.50 Uhr den Schrei dieser Frau gehört habe. Sie hieß doch Kornmann, genau?" Ich nickte, woraufhin ich auf einmal Herrn Riedling vom Parkplatz aus etwas rufen hörte, was ich allerdings aufgrund der schlechten Akustik kaum verstehen konnte. Ich ging zusammen mit Frau Griebert zu dem ungefähr zwanzig Meter entfernten Parkplatz, wo ich Herrn Riedling vor seinem Kleinbus stehen sah. Weil er fluchte, beruhigte ich ihn und fragte ihn, was denn nun los sei. Er entgegnete mir wütend: "Herr Orlow hat die Reifen von meinem Kleinbus durchgestochen. Das war sicher er. Wir können nicht mehr von hier weg. Herr Orlow hat uns hier eingesperrt, dieser Hund!" Darum also war der Kleinbus tiefer als zuvor. Jemand hatte nämlich die Reifen durchgestochen, weswegen aus diesen die Luft draußen war, ergo: das Auto war tiefer, weil die Reifen keine Luft mehr hatten. Und was nun? Ich machte Herrn Riedling den Vorschlag, die Polizei mit dem Telefon des Hüttenverwalters anzurufen, obwohl ich ganz genau wusste, was mit dem Telefon los sein würde, was mir Herr Riedling sogar bestätigte: "Vergessen Sie es! Herr Orlow hat die Telefonleitung gekappt. Und gleich neben der Schnittstelle in der Leitung lag eine Zange. Wir sitzen in der Falle!" In dem Moment, in dem ich das hörte, verstärkte sich mein schon lange gehegter Verdacht, dass Herr Orlow nicht der Mörder in dieser Geschichte war, sondern jemand Anderes aus dieser Reisegruppe. Nur wer sollte der wahre Täter gewesen sein? War es wirklich eine der restlichen vier Personen, die auch an der Mörderjagd teilnahmen? Es gab vier Verdächtige, nämlich Frau Kornmann, Herrn Huber, Herrn Gessmann und Frau Griebert. Nur wer von ihnen war es? Wenn man aber annahm, dass es eine von diesen Personen war, stellte sich sofort die Frage, warum jemand ein Interesse daran hatte, es so aussehen zu lassen, als ob Täter und Opfer die Rollen getauscht hätten. Und warum wollte diese Person uns von der Außenwelt abkapseln? Es würde ein Wettlauf mit der Zeit, bis wahrscheinlich ein weiteres Verbrechen geschehen würde... Wird fortgesetzt... Ich würde mich wie immer über Kritik und Kommentare zu der Geschichte freuen :-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)