Mörderjagd im Lautersdörfle von abgemeldet (Mord auf Schwäbisch) ================================================================================ Kapitel 2: Die Klippenspringerin und eine weitere Leiche -------------------------------------------------------- Teil 2: Die Klippenspringerin und eine weitere Leiche Frau Kornmann lächelte auf rätselhafte Art und Weise: "Ja, ich rede von dem Fall der "Klippenspringerin". Von diesem Fall haben Sie vielleicht schon einmal gehört, oder etwa nicht?" Ich war deutlich interessiert an dem Fall der Klippenspringerin: "Nein, ich habe noch nicht davon gehört. Was soll da gewesen sein? Für mich hört sich das weniger nach einem Mord an, eher nach einem dramatisch inszenierten Selbstmord." "Es hat ja auch jeder der paar Augenzeugen die Frau alleine springen sehen, aber es war unmöglich, dass sie selbst gesprungen ist." "Warum denn das? Man stellt sich an den Abhang und springt. Was soll daran so unmöglich sein? Das hätte jeder normale Mensch geschafft." "Aber doch nicht, wenn man bis obenhin voll mit Schlaftabletten ist.", erwiderte Frau Kornmann nervös, "Bei der Obduktion hat sich damals ergeben, dass die Frau schon betäubt war, als sie herunterfiel. Sie starb zwar erst beim Aufschlag, war aber, als sie abstürzte, schon längst bewusstlos. Im Grunde kann sie also gar nicht von der Klippe den Steilhang herunter gesprungen sein. Aber genau das haben mindestens zwanzig voneinander unabhängige Zeugen bestätigt, dass die Frau den Steilhang herunter gesprungen ist und dass sich niemand anderes zum Zeitpunkt des Sturzes oben befand. Wenn wir das zusammenfügen, können wir mit Sicherheit behaupten, dass sich die Ermittlungen in einer Sackgasse verliefen... Einerseits konnte es nur Selbstmord gewesen sein, da jeder der Zeugen aussagte, dass sie selbst gesprungen ist, aber andererseits konnte es nur Mord gewesen sein, da es unmöglich ist, zu springen, wenn man bewusstlos ist. Der Fall wurde jedenfalls als ungelöst zu den Akten gelegt. Klingt doch interessant, oder?" "Es klingt ein wenig befremdlich, wenn ich das zugeben darf. Warum haben Sie denn ein so großes Interesse an einem Fall, der schon fünf Jahre her ist?", fragte ich zweifelnd. Frau Kornmann zuckte erschrocken zusammen und versuchte nervös zu erklären: "Ich interessiere mich eben allgemein für rätselhafte Kriminalfälle. Wissen Sie, ich finde so etwas einfach spannend. So etwas bietet doch immer guten Gesprächsstoff." "Wie Sie meinen, Frau Kornmann. Wir haben ja noch morgen genügend Zeit, einen inszenierten Kriminalfall aufzulösen. Auch wenn der "Mord" morgen dort stattfinden soll, wo früher einmal eine Frau umgekommen ist, finde ich es etwas unlogisch, beide Dinge in einen Zusammenhang zu bringen. Außerdem würde mich wirklich interessieren, wie Sie herausgefunden haben, wer nun "Mörder" und "Opfer" in dem Mörderspiel sein werden. Sie haben das doch vorhin erwähnt." "Wie schon gesagt: Ich werde es Ihnen nicht verraten, wie ich das herausgefunden habe. Vorerst bleibt es tatsächlich mein kleines Geheimnis." "Aha. Schauen wir mal, wie lange." "Wie lange, glauben Sie, wird unsere Gruppe brauchen, um den Fall zu lösen? Also, um den inszenierten Mord zu klären." Ich versuchte, auf Frau Kornmanns abrupte Frage eine Antwort zu finden: "Wahrscheinlich werden wir schon ungefähr drei, vier Tage brauchen, kommt drauf an..." "Kommt drauf an?", fragte Frau Kornmann irritiert. "Ich weiß ja nicht, wie schwer der Fall ausfallen wird. Wahrscheinlich wird es nicht einfach für uns, den Fall zu lösen, sonst würde ja nicht die Hälfte der Reisekosten wieder an den Gewinner ausgezahlt." "Sowie ich das verstanden habe...", entgegnete Frau Kornmann, "...ist der Fall, den wir da lösen müssen, ein klassisches Whodunit. " "Ein was???", unterbrach ich. "Ein Whodunit ist ein Krimi, bei dem man eine begrenzte Anzahl an Verdächtigen hat, von denen einer der Täter war. Der Begriff kommt aus dem Englischen und ist eine phonetische Umschreibung des Fragesatzes "Who has done it?" . Man sucht also unter wenigen Personen einen Täter. In unserem Fall ist das einer von uns. Und ich weiß jetzt schon, wer von uns der Täter und wer das Opfer sein wird... In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch eine gute Nacht." Frau Kornmann verabschiedete sich daraufhin freundlich von mir und verließ die Blockhütte. Davor dachte ich noch, sie wäre als Einzige in der Reisegruppe halbwegs normal, doch ihre übertriebene Neugierde ließ mich langsam von dieser Ansicht abkommen. Sie war in gewisser Hinsicht genauso verrückt wie alle anderen Mitglieder der Reisegruppe es auch waren. Was mich hingegen doch nun beschäftigte, war der Fall der "Klippenspringerin". Eine Frau, die sich vor einigen Zeugen eine Schlucht hinabstürzt, das war noch halbwegs logisch. Auch die Theorie, dass die Frau mit Schlafmitteln betäubt wurde und von der Klippe geworfen wurde, war noch relativ gut nachvollziehbar. Aber wie war das, wenn man beides zusammenfügte? Eine Frau die zwar bewusstlos ist, aber dennoch vor mehreren Zeugen eine Klippe herab springt? Mord oder Selbstmord? Tatsache oder Irrglaube? Ein leichtes Gefühl des Unbehagens stieg in mir auf. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht wusste, was Frau Greta Kornmann an dem Fall so sehr interessierte. Auf jeden Fall verbarg sie etwas vor mir, das wusste ich. Es hatte irgendetwas mit dem Fall vor fünf Jahren zu tun, das konnte ich mir denken. Ich versuchte meinen Kopf frei von solchen Gedanken zu halten, doch der Gedanke daran, dass das merkwürdige Verhalten der anderen Tourmitglieder möglicherweise mit diesem Fall zusammenhängen könnte, überzeugte mich davon, weiterhin darüber nachzudenken. Als ich mehrmals im Kopf die Informationen über die Klippenspringerin durchging, erkannte ich, dass es nichts bringen würde, einen Todesfall von vor fünf Jahren neu aufzurollen. Es waren vergangene Zeiten, die keine Spuren mehr offenbaren würden. Höchstens noch Gerüchte, die einen weiter in die Irre führten. Ich wurde langsam müde, schließlich war es schon 23.30 Uhr und mein Tag hatte schon um 8.00 Uhr begonnen. Die Hinfahrt und das Herumtragen der Koffer hatten mich vollkommen erschöpft. Also ging ich in das Schlafzimmer, das das Schlafzimmer jeder anderen Herberge hätte gewesen sein können. Ich duschte noch schnell; leider musste ich feststellen, dass sich Herr Gessmann schon seinen Rachefeldzug gegen mich begonnen hatte, indem er das gesamte Warmwasser aufgebraucht hatte. Notgedrungen musste ich mich mit dem Kaltwasser zufrieden stellen. Ich zog meinen Schlafanzug an und versuchte im zweiten Schlafzimmer - Herr Gessmann schlief im ersten Schlafzimmer - einzuschlafen, als ich hörte, dass Herrn Gessmanns Schnarchen durch die gesamte Hütte tönte. Wollte er mich vielleicht provozieren? Oder war das sein normales Schlafverhalten? Letztendlich schlief ich dann doch irgendwie ein. Am nächsten Morgen wachte ich um 8.34 Uhr auf, was mir der Blick zur Wanduhr verriet. Insgesamt hatte ich also nur sieben Stunden Schlaf. Ich war müde; sehr müde. Wovon war ich aufgewacht? Wieder klopfte es an der Tür der Pension; ich war also vom Klopfen ausgewacht. Wer würde um diese Uhrzeit klopfen?, fragte ich mich. Ich ging müde in Richtung der Tür und stellte fest, dass die Person, die meinen Schlaf gestört hatte, niemand anderes als Frau Kornmann war. Wieder wollte sie mir einen Besuch abstatten. Was war es diesmal, was sie mir sagen wollte? Ich öffnete ihr die Tür und führte sie wortlos ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die veraltet wirkende Couch setzte. Sie ächzte klagend: "Puh!!! Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen." "Ihnen ging es also genau wie mir?" "Ja, leider. Dieser Esserle redet im Schlaf, wirklich abnormal. Die ganze Nacht hat er irgendwelchen Stuss geredet. Ich bin so fertig, das kann ich Ihnen sagen. Ich bin mit den Nerven am Ende." "Haben Sie wenigstens verstanden, was er da geredet hat?" "Er hat gelallt wie ein Besoffener. Beantwortet das Ihre Frage?" Ich nickte. "Es ist wirklich unglaublich, wie viele Verrückte es auf dieser Welt gibt. Dieser Esserle ist echt das Hinterletzte. Vorhin hat es an der Türe der Hütte geklopft, da ist er aus seinem Bett aufgesprungen und voll auf meine Reisetasche drauf getreten. Er ist sofort aus dem Schlafzimmer raus zum Eingang gehetzt." "Sie haben mit ihm in einem Zimmer geschlafen? Es gibt doch zwei Schlafzimmer in jeder Hütte, oder?" "Wirklich? Dann hätte ich also gar nicht mit dem Typen in einem Zimmer schlafen müssen? Warum muss ausgerechnet mir so etwas passieren?" "Frau Kornmann, seien Sie froh, dass Sie nicht in derselben Hütte übernachten mussten wie Herr Gessmann. Sein Schnarchen dringt durch alle Wände hindurch, da ist es egal, ob Sie nun in seinem oder einem anderen Schlafzimmer übernachten." "Ach ja, Herr Schmittchen, haben Sie jetzt eine Idee, was den Fall mit der Klippenspringerin angeht?" "Nein, eigentlich nicht. Was interessiert Sie überhaupt an einem Fall, der fünf Jahre her ist? Der Fall ist Geschichte. Warum also an der Vergangenheit hängen? Oder kennen Sie die Klippenspringerin, wie Sie die Frau immer nennen, etwa?" Frau Kornmann hielt auf einmal inne. An ihrer Wange floss eine Träne entlang. Frau Kornmann sprach traurig: "Ja, ich kenne die Frau. Sie war eine meiner damaligen Angestellten. Ich verstand mich sehr gut mir ihr, daher war ich auch schockiert, als ich erfuhr, dass sie, mit Schlafmitten betäubt, eine Klippe auf der Schwäbischen Alb herunterstürzte. Sie können sich doch sicher denken, dass dies ein schwerer Schicksalsschlag für mich war." "Das tut mir Leid für Sie." "Schon gut.", Frau Kornmann wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, "Vielleicht haben Sie tatsächlich recht und ich hänge wirklich zu sehr an der Vergangenheit... Aber ich habe als Vorgesetzte der Frau auch das Recht zu erfahren, was tatsächlich mit ihr passiert ist." "Deswegen also haben Sie überhaupt erst an der Tour teilgenommen?" "Ja, das ist der Grund, warum ich mich in der Liste der Mitreisenden eingetragen habe. So hätte ich zumindest die Gelegenheit gehabt, nach Beweisen suchen zu können." "Warum aber haben Sie sich ausgerechnet an mich gewendet, wenn ich das mal so fragen darf?" "Weil Sie die einzige Person sind, die halbwegs normal in dieser Reisegruppe ist. Ich brauche für die Lösung des Falles jemanden, der auch wirklich bodenständig ist." "Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich Ihnen dabei helfe? Ich bin auch nur auf der Schwäbischen Alb, um meine Freizeit interessant zu gestalten. Was soll ich Ihnen also schon groß helfen?" "Ich bitte Sie, Herr Schmittchen. Können Sie sich nicht vorstellen, in was für einer Lage ich mich befinde? Ich lebe in der Ungewissheit, ob meine Angestellte einem Selbstmord oder einem Mord zum Opfer gefallen ist. Also helfen Sie mir bitte!" Ich gab langsam nach: "Ich kann Ihre Sorgen verstehen, aber..." "Jetzt kommen Sie, helfen Sie mir bei dem Fall. Ich meine, Sie sind doch auch interessiert an dessen Lösung." Wieder erinnerte ich mich an meinen Frankreichurlaub, bei dem auch ein Mord geschah. Nur sagte damals jeder, der Surfer Pierre sei vor mindestens hundert Zeugen in die Welle hereingefahren und so ertrunken. Also deklarierte man die Sache als Badeunfall. Nur ich war damals anderer Meinung, da die Leiche einige Minuten zu spät wieder aufgetaucht ist. Vielleicht wäre es einmal wieder eine kleine Herausforderung, herauszufinden ob die Klippenspringerin tatsächlich Selbstmord begangen hat oder tatsächlich ermordet wurde. Ich stimmte Frau Kornmann zu: "Na gut, ich werde versuchen, Ihnen in diesem Fall zu helfen. Sobald wir morgen an der Klippe angekommen sind, erklären Sie mir den Ablauf der Ereignisse vor fünf Jahren, in Ordnung? Ich werde dann versuchen, daraus den Ablauf der Geschehnisse zu konstruieren, die vor fünf Jahren zum Tod Ihrer Angestellten führten. Aber ich kann Ihnen nicht garantieren, dass ich dabei zu einer Lösung kommen werde." "Zumindest versuchen Sie es. Vielen Dank, Herr Schmittchen. Sie sind die erste Person, die mir in diesem Fall hilft. Sie sind ein Schatz!" "Ich bitte Sie, das ist doch Ehrensache. Ich brauche nur den Ort des Geschehens und den Hergang des Sturzes zu kennen und der Fall ist so gut wie gelöst." "Brauchen Sie etwa keine Spuren, um den Fall zu klären?" "Ich kann mich auf Spuren nicht verlassen, zumindest nicht in den Bergen, wo die Spuren schon seit fünf Jahren verschwunden sind. Ich muss mich also voll und ganz auf mein Gedächtnis und meine Kombinationsgabe verlassen. Es gibt nur noch den Tathergang, mehr nicht." "Ich verlasse mich ganz auf Sie, Herr Schmittchen." "Ich werde mein Bestes geben. Das können Sie mir glauben, Frau Kornmann." "Vielen Dank." Frau Kornmann sah auf die Uhr und bemerkte: "Die Wanderung beginnt in einer Viertelstunde. Bis nachher. Ich stehe wirklich tief in Ihrer Schuld." "Keine Ursache. Bis nachher." Frau Kornmann verließ die Blockhütte. Nun war ich also mit meinem zweiten Fall beauftragt worden, wobei ich bei dem Fall mit dem Surfer Pierre eher auf eigene Faust ermittelt habe als dass ich mit dem damaligen Fall wirklich beauftragt wurde. Wie aber sollte die Sache jetzt weitergehen? Bei der inszenierten "Mörderjagd" bin ich jetzt so weit gekommen, dass ich nun auch noch in einem anderen Fall klären musste, ob ich einen Mörder oder eine Selbstmörderin überführen sollte. Was ich allerdings befremdlich fand, war, dass Frau Kornmann jahrelang keine Hilfe in diesem Fall bekommen hatte. Besaßen die Menschen in der heutigen Zeit wirklich so wenig Aufrichtigkeit? Hoffentlich konnte ich Frau Kornmann überhaupt helfen, schließlich bin ich kein Kriminologe. Ich frühstückte. Es war das Übliche, was ich sonst auch immer frühstückte: Spiegeleier mit Speck. Ich habe mir diese Unart, den Magen mit diesen fetten Speisen schon früh morgens zu belasten, von den Engländern abgeschaut. Obwohl mir der Typ eigentlich ziemlich egal war, fragte ich mich, warum Herr Gessmann eigentlich noch immer nicht am Küchentisch erschienen ist. Schlief er nur oder befand er sich schon draußen in der Landschaft der Schwäbischen Alb? Eigentlich war mir das ja ziemlich egal, ob Herr Gessmann nun wach war oder nicht. Wie schon erwähnt, habe ich mir nur angewöhnt, andere Menschen genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese Angewohnheit hatte ich schon seit diesem Frankreichurlaub. Ich ließ einen kleinen Rest meines Essens stehen, da ich aus irgendeinem Grund keine Lust mehr hatte, etwas zu essen, sei es nun wegen der leicht angespannten Atmosphäre in der Hütte oder auch aufgrund der Tatsache, dass mein Mitbewohner ein unsympathischer Typ von Mensch war. Wieder ertappte ich mich dabei, dass ich über diesen unangenehmen Zeitgenossen nachdachte. Ach, was soll's, dachte ich mir, Frau Kornmann würde es sicher genau wie mir gehen, zumal sie genau wie ich mit einem verhassten Geschäftskollegen - in meinem Fall war es ein von mir abgelehnter Anwalt, in ihrem Fall ein Bankangestellter, der mit Firmenkonten nicht umgehen konnte - unter einem Dach wohnen musste. Wieder einmal ist es mir gelungen, dass der Urlaub zu einer vollkommenen Katastrophe ausartete, wie auch schon damals in Frankreich, als der Surfer Pierre ermordet wurde. Ich versuchte mich an den Fall zu erinnern, doch mir fiel nur noch die Hälfte des Falls ein. Das einzige, was noch vor meinem geistigen Auge vorschwebte, waren der starke Wellengang, die vielen Surfer, Pierres Leiche und sonst nichts. Dass ich den Fall damals gelöst hatte, daran erinnerte ich mich auch noch dunkel. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuschte, dann habe ich damals den Fall ähnlich wie dieser eine Detektiv Hercule Poirot gelöst. Ich hatte damals die drei Verdächtigen zusammengerufen, wild drauflos kombiniert und auf diese Weise letztendlich den Übeltäter, Pierres Mörder, überführt. Wann war das eigentlich?, fragte ich mich. Es war schon länger her, das wusste ich. Und dass es im Sommer war, war mir auch klar. Doch an das Jahr konnte ich mich trotzdem nicht mehr erinnern. Als ich gerade vor mir hin sinnierte, hörte ich auf einmal den lauten Schrei einer Frau - es war Frau Kornmann, die geschrieen hatte. Ich dachte keine Sekunde nach, als ich meinen Mantel anzog und die Hütte verließ. Wieder hörte ich Frau Kornmann schreien. Inzwischen hatte ich schon die Hütte verlassen. Von wo kam der Schrei? Diese Frage beantwortete sich, als ich Frau Kornmann ein drittes Mal schreien hörte: Sie befand sich hinter Hütte Nummer 57, als sie schrie. Aber diese Hütte war von niemandem von uns belegt. Warum aber stieß Frau Kornmann solche unnatürlich lauten Schreie aus? Ich rannte, so schnell ich konnte, hinter Hütte 57, wo ich Frau Kornmann auf dem Boden kniend sah. Sie war unversehrt. Was also hat sie so erschrocken, dass sie so laut kreischte? Ich fragte sie verwundert: "Was haben sie denn, Frau Kornmann? Ist etwas passiert?" Sie deutete mit dem rechten Zeigefinger in die Höhe, während sie sich mit der linken Hand weinend die Augen verdeckte. Ich sah nach oben und musste erstaunt feststellen, dass Herr Esserle, der Bankangestellte aus Frau Kornmanns Hütte, mit einem Seil aufgeknüpft an dem drei Meter hohen Dachbalken von Blockhütte 57 hing. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er war tot. Frau Kornmann stotterte: "Herr Esserle... Herr Esserle ist... Er ist... tot. Er... hängt da oben." Was mir sofort auffiel, war, dass Herrn Esserles Haare völlig zerzaust waren. Das deutete auf einen heftigen Kampf hin. Herr Esserle hat also mit jemandem gekämpft, bevor er schlussendlich überwältigt wurde. War es also Mord?, fragte ich mich. Natürlich war es Mord, was sonst?!, war mein erster darauf folgender Gedanke, Selbstmord kann es schließlich nicht gewesen sein. Es fehlte ein Podest, auf das sich Herr Esserle hätte stellen können. Nun kam auch Herr Gessmann zu dem Ort des Verbrechens hingelaufen. In der Hand hielt er eine grüne Stofftasche, die mit irgendetwas gefüllt war, was ich aber nicht erkennen konnte. Herr Gessmann ging auf uns zu. Er fragte enerviert: "Was ischt denn do los?" Als er den toten Herrn Esserle sah, rief er erschrocken: "Herrgottssack!!! Wie konnt denn des passiera? Ischt dr Herr Esserle etwa dod?" Ich bedauerte: "Ja, er ist tot. Er wurde erhängt." Herr Gessmann fragte besorgt: "Ko mr denn nix meh macha? Kennet mr dem Herrn Esserle nimmer helfa?" "Nein, leider nicht. Wir können ihm leider nicht mehr helfen. Wie Sie sehen können, hängt Herr Esserle tot am Dachbalken. Das einzige, was wir jetzt noch machen können, ist, die Leiche herunterzunehmen und so schnell wie möglich die Polizei zu rufen." "Des ko do net sei! Des war do alles net so g'plant. Dr Herr Riedling, onser Reiseleiter, hat do gesagt, 's sott do bei dr Mörderjagd an falscher Mord gscheha, koi echter. Ond des sott net hier sei, sondern erscht nachher, beim Wandra uff dr Schwäbischa Alb." Das brachte mich auf die sehr waghalsige Vermutung, dass dieses Geschehnis möglicherweise mit der inszenierten Mörderjagd in Verbindung stand. Sofort fragte ich Frau Kornmann hektisch: "Frau Kornmann! Sie sagten doch vorhin, Sie wüssten, wer der Mörder in diesem mysteriösen Mörderspiel war. So wie ich das jetzt sehe, hat der Mörder in dem Spiel wahrscheinlich etwas mit diesem Mord zu tun. Wer ist in dem Spiel der Mörder? Sagen Sie es, Frau Kornmann!" Frau Kornmann stotterte nervös: "Es... es..." "Nun sagen Sie schon! Wer war der Mörder in dem Spiel? Vorhin wussten Sie es doch noch." "Es... es war... es war Herr Esserle..." Frau Kornmann brach nach dieser Aussage in Tränen aus. Der Anblick der Leiche hat sie scheinbar sehr betroffen gemacht. Es war aber bestimmt nur der Anblick der Leiche, der Frau Kornmann so erschütterte, schließlich konnte sie Herrn Esserle überhaupt nicht leiden, sowie ich das erfahren habe. Wie sie aber beim Anblick der Leiche reagierte, zeigte mir, dass sie bestimmt nicht die Täterin gewesen sein konnte. Oder war sie einfach nur eine gute Schauspielerin? Wäre das auch eine Möglichkeit gewesen? Eine Möglichkeit von vielen... Herr Esserle, der, wie sich eben herausstellte, den Mörder spielte, hing nun also erhängt am Dachbalken von Hütte 57; so also konnte es passieren, dass der Mörder in der inszenierten Mörderjagd selbst zum Opfer eines Mordes wurde... Wird fortgesetzt... Sagt mir bitte, wie ihr diesen Fall findet. Über Verbesserungsvorschläge, Kritik, etc. würde ich mich freuen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)