Brüder auf Reisen von Mondvogel ================================================================================ Kapitel 16: Die Macht von zwei ------------------------------ Nach langer Zeit ist jetzt endlich ein neues Kapitel da! Viel Spaß damit. Kommis sind gern gesehen. ^^ Die Blicke des Schlossherren wanderten argwöhnisch von Inuyasha zu Sesshomaru und wieder zurück. Verwirrung spiegelte sich in seinen Augen. "Was soll jetzt dieses Spielchen?" fragte er niemand bestimmten. Er fixierte den verwandelten Inuyasha mit kalten Augen und musterte ihn abschätzend von Kopf bis Fuß. Eines war klar: Vor ihm stand nicht länger der Hanyou von vorhin, sondern ein Dämon, oder wenigstens eine Gestalt, die Youki verströmte. "Du hast dich also verwandelt." stellte Kagee sachlich fest und verzog seinen Mund zu einem dünnlippigen Lächeln. "Na, mir soll es nur recht sein. Dadurch bekommt der Kampf vielleicht etwas mehr Schwung. Also was ist? Greif mich an, Hanyou!" Das ließ sich Inuyasha nicht zweimal sagen. Mit einem knurrenden Schrei stieß er sich schwungvoll vom Boden ab, direkt auf Kagee zu, der sich kampfbereit anspannte. Er hatte schon gegen viele verschiedene Dämonen gekämpft und kannte ihre Art und Weise, wie sie sich in einem Kampf verhielten. Aber mit Inuyashas unkontrollierte Raserei hatte er bei weitem nicht gerechnet. Der Halbdämon war für seine Verhältnisse erstaunlich schnell und verpasste Kagee einen derart heftigen Schlag, dass dieser überrascht aufkeuchte und ein Stück nach hinten rutschte. "Was..." zu weiteren Äußerungen kam er nicht, denn Inuyasha hatte nicht die Absicht ihm eine Atempause zu gönnen und griff sofort wieder an. Seine Klauen fuhren auf Kagee nieder, zerfetzten seine Kleidung, zerkratzten seine Haut. Kagee schnaubte wütend. Erfolglos versuchte er Inuyasha von sich zu stoßen, aber der war nicht zu bremsen. Immer wieder hieb er auf seinen Gegner ein, sprang zurück und wieder vor, schlug mit beiden Klauen zu. Die Schläge prasselten nur so herab. Trotzdem hatte für Inuyasha die Glückssträhne bald ein Ende. Nach der ersten Attacken- Salve hatte Kagee seine Überraschung soweit überwunden, dass er Inuyasha erstmals zurückdrängen konnte. Davon ließ sich der Halbdämon nicht beirren. Aufs Neue griff er Kagee an und war so sehr in seiner blinden Zerstörungswut gefangen, dass er nicht einmal merkte, wie Kagee nun seinerseits die Krallen einsetzte. Er schlug damit Inuyasha immer wieder zurück, verletzte ihn, aber der Halbdämon ließ sich nicht aufhalten. Er gab nicht einmal einen Schmerzenslaut von sich. "Was ist denn mit dem los?" rief Kagee verärgert, als er Inuyasha erneut von sich wegstieß. Der Getroffene flog quer durch die Luft, fing sich mit der rechten Hand geschickt vom Boden ab und schnellte wieder auf Kagee zu. Die Augen des Halbdämons hatten einen fiebrigen Glanz und leuchteten wie im Wahn. "Ich habe dir doch gesagt, dass du es bereuen wirst." wiederholte Sesshomaru seine Worte mit leisem Unmut. Er stand etwas abseits, damit ihn sein wahnsinnig gewordener Bruder nicht angriff. Mit finsterer Miene beobachtete er den Kampf, wobei sich sein Gesicht zunehmend verfinsterte. Das alles entwickelte sich gar nicht nach seinen Vorstellungen. Inuyasha in Dämonenform war zwar stärker, aber er konnte seine Kräfte nicht klug einsetzten und war somit wieder im Nachteil. Er musste wieder Tessaiga in die Hände bekommen. Beim Gedanken an das Schwert huschten Sesshomarus Augen zu dem Haufen Felstrümmern, wo er das Schwert vermutete. Und tatsächlich- zwischen den schwarzen Steinen nahm er das helle Funkeln einer Klinge wahr. Aber wie sollte er Inuyasha das Schwert bringen? Anfassen konnte er es nicht, also musste er seinen Bruder irgendwie hinlocken und ihn dazu bringen Tessaiga aufzuheben. "Du bist ja schon blutbeschmiert, Hanyou! Gib endlich auf!" rief Kagee in diesem Moment und lenkte Sesshomarus Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf. Mittlerweile hatte Kagee die Oberhand gewonnen und ein sieggewisses Lächeln huschte über sein eingefallenes Gesicht. Inuyasha stand etwas keuchend vor ihm. Er bot einen erbärmlichen Anblick. Seine Kleider hingen in Fetzten und frisches dunkles Blut klebte an ihnen. Kagee war allerdings auch nicht gerade unverletzt. Inuyashas dämonische Kräfte hatten ebenso ihre Spuren hinterlassen. Zwar blutete Kagee nicht so stark, da sein toter Körper teilweise dazu nicht fähig war, aber man sah deutlich, dass er ebenfalls einige schwere Verletzungen hatte. Inuyasha schnaubte und schwankte etwas hin und her, machte jedoch keine Anstalten Kagees Forderung nachzugehen, falls er überhaupt seine Worte aufgenommen und verstanden hatte. Er hob nur den Kopf und versetze seinem Onkel einen vernichtenden Blick, den dieser ungerührt erwiderte. Dass es dieser Halbdämon wagte ihn so anzusehen... Ein hohes und wahnwitziges Lachen drang plötzlich aus Inuyashas Kehle, das Kagee unwillkürlich dazu brachte, sich anzuspannen. Dieses verzerrte Lachen passte so gar nicht zu dem sonst so impulsiven und etwas naiven Hanyou. Langsam hob er seine blutbeschmierte Klaue und ließ spielerisch die Knöchel knacken. Gierig taumelte er auf Kagee zu, bereit ihn zu zerreißen. "Du dummer Hund." war Kagees einziger kühler Kommentar. Er hob seine rechte Hand, in der sich rasch ein schwarzer Energieblitz formte. Er knisterte und zischte in der blassen Handfläche. Als er groß genug war, schleuderte ihn Kagee mit aller Kraft gegen Inuyaha, der sich der Gefahr nicht bewusst war. Unbeirrt ging er weiter, behielt sein Ziel ganz genau im Auge und beachtete alles andere gar nicht. Der Energieblitz schwirrte pfeifend auf sein Opfer zu und hätte es mit Sicherheit in hundert Stücke zerrissen, wenn nicht etwas anderes Inuyasha zur Seite geschleudert hätte. Abermals flog der Hanyou durch die Luft und prallte etwas unsanft am Boden auf. Zornfunkelnd stand er sofort wieder auf und warf dem Störenfried einen giftigen Blick zu. Auch Kagees Kopf war nach hinten geruckt, um zu sehen wer ihn hier so unhöflich in seinem Kampf unterbrach. Sein Blick fiel auf Sesshomaru, der gerade seine gelbe Energiepeitsche wieder einzog, mit der er Inuyasha weggestoßen hatte. Anmutig landete er neben einigen Felstrümmern. Kagee beachtete er gar nicht. Er konzentrierte sich viel mehr auf seinen Bruder und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Inuyasha seinerseits starrte ihn wie ein hungriges Raubtier an. Leise begann er zu knurren, während er die spitzen Zähne fletschte. "Du eilst ihm zu Hilfe?" höhnte Kagee. "Obwohl er allem Anschein nach ein denkunfähiges Monster geworden ist?" Sesshomaru schwieg. Der Schlossherr spuckte verächtlich zu Boden. Nach wie vor hielten diese törichten Hundebrüder also zusammen. Er wollte gerade eine gehässige Bemerkung hinzufügen, als Inuyasha jäh aufschrie und blind vor Wut auf Sesshomaru zulief. Kagee vergaß sofort seinen Missmut und beobachtete begeistert die Szene, die sich ihm nun bot. "Na, das ist doch mal was Amüsantes. Bruder gegen Bruder." Erwartungsvoll blickte er von einem zum anderen. Vielleicht würde er jetzt doch noch seinen Spaß bekommen. Auf jeden Fall versprach es spannend zu werden, wenn beide Brüder aufeinander losgingen. Sesshomaru zeigte sich völlig unerschrocken und blieb vollkommen gelassen. Er zog, fast gemächlich, Tokejin aus der Scheide und hielt die Klinge schräg vor sich hin. Inuyasha beachtete dieses Hindernis gar nicht und spreizte ungerührt seine blutigen Finger. Als er nur noch einen knappen Meter von Sesshomaru entfernt war, riss er den Arm hoch, um einen kraftvollen Schlag auszuführen, aber dazu kam er nicht mehr. Überrascht schrie er auf, als Tokejins Druckwelle ihn heftig nach hinten drückte. Abermals schlitterte der Halbdämon nach hinten und rollte über den Boden davon. Benommen schüttelte er den Kopf und versuchte sich sogleich wieder aufzurichten. Sesshomaru jedoch schien sich nicht mehr für ihn zu interessieren. Er ignorierte Inuyasha, wirbelte herum und sprang direkt auf Kagee zu, der ihn verständnislos anblinzelte. Was sollte das jetzt? Hatte er seine Taktik geändert? Stirnrunzelnd beobachtete Kagee den näher kommenden Sesshomaru. Es sah ganz danach aus, als ob er nicht weiter gegen seinen Bruder kämpfen wollte. Das gefiel dem Schlossherren gar nicht. Er war es gewohnt, dass andere nach seiner Pfeife tanzten, aber Sesshomaru schien sich nicht so leicht beeinflussen zu lassen. Plötzlich fiel Kagees Blick auf das Schwert, welches Sesshomaru nun in der Hand hielt, und stutzte. Es handelte sich nicht länger um Tokejin. Unbemerkt hatte Sesshomaru sein erstes Schwert mit Tenseiga umgetauscht. Aber wie war das möglich? Kagee hatte das überhaupt nicht bemerkt. Normalerweise entging seinen Augen nichts. Wie hatte er nur so unvorsichtig sein können? Alles deutete darauf hin, dass er seinen Enkel wohl unterschätzt hatte. Und das nicht nur ein bisschen. Sesshomaru landete nun dicht vor seinem erstarrten Onkel. Ohne zu zögern schlug er mit dem blau leuchtenden Schwert direkt neben Kagee ein. Die Klinge verfehlte nur ganz knapp Kagees Körper. Er spürte sogar den scharfen Luftzug, der sein seidenes Gewand flattern ließ. Ansonsten passierte absolut nichts. Im ersten Moment starrte der Schlossherr vollkommen konsterniert in die goldgelben Augen Sesshomarus. Offensichtlich mangelte es ihm an Treffsicherheit, oder was sollte diese lächerliche Aktion gerade? Rasch gewann Kagee sein Selbstvertrauen wieder zurück und begann leise zu lachen. Nie im Leben hätte er sich so etwas von Sesshomaru erwartet. Immerhin hatte er die ganze Zeit so groß getan und das sollte jetzt seine Stärke sein? "Du bist wohl etwas außer Übu..." Der Rest blieb ihm buchstäblich im Halse stecken. Entsetzt keuchte er jäh auf und stolperte unbeholfen einige Schritte zurück. Seine Augen quollen ihm ungläubig aus den Höhlen, während er seinem Gegenüber einen, von Panik gekennzeichneten Blick, zuwarf. Ein durch und durch grauenvolles Gefühl schwappte wie eine kalte Welle über ihn her. Leben. Leben durchflutete ihn, wärmte seine kalten Glieder auf, löste den trüben Schleier von seinen toten Augen und vertrieb die blasse Farbe aus seinem Gesicht. Für andere wäre dieses Gefühl wahrscheinlich ein wertvolles Geschenk gewesen. Wer wollte schließlich nicht leben? Aber für Kagee war es das reine Grauen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Abscheu. Dunkelrotes Blut floss nun aus seinen zahlreichen Wunden, die Inuyasha ihm beigebracht hatte. Sprachlos betrachtete er seine Hände, fühlte den sachten Herzschlag in seiner Brust. Dann passierte es. Von einem Wimpernschlag auf den anderen verblasste Kagees Sicht. Ein dunkler Vorhang legte sich über seine Augen, ließ ihn nichts als Finsternis sehen. Das einzige, das er wahrnahm, waren wirre Erinnerungsfetzen, die ungeordnet vor seinem inneren Auge abzogen. Sie flogen bunt durcheinander, zeigten Bilder aus seiner Vergangenheit, die teilweise gar keinen Sinn ergaben. Einige von ihnen nahmen Gestalt an, wurden immer größer und schärfer, bis Kagee erkennen konnte, was sich hinter ihnen verbarg... Er sah sich selbst und seinen, um fünf Jahre jüngeren Bruder, auf einer großen Wiese. Es war wohl Frühling, da das Gras ein zartes Grün aufwies und hier und dort bereits einige Blumen schüchtern den Kopf aus der Erde steckten. Die Brüder gingen friedlich nebeneinander her und sogen den erfrischenden Morgenduft ein. Für Menschen mochten sie wie zwei Jugendliche aussehen, obwohl sie in Wirklichkeit schon an die hundert Jahre alt waren. Beide trugen edle Kleider, an denen man deutlich erkannte, dass sie aus einem vornehmen Haus stammten. Auf einem Hügel machten die beiden halt und blickten in die Talsenke hinab, die sich wie ein grüner Teppich unter ihnen ausbreitete. Unmittelbar am Fuß eines Berges schmiegte sich ein kleines Dorf an den grauen Fels. Begeistert richtete der Jüngere der Brüder seinen Blick darauf. "Sie mal ein Dorf! Ich würde da gerne mal hingehen und es auskundschaften." "Ts. Wozu denn? Willst du wieder irgendwelchen Menschen helfen? Vergiss es, klar? Vater sieht es eh nicht gern, dass du dich immer bei diesem schwächlichen Gewürm aufhältst." "Sie sind nicht so schwach wie du denkst! Wenn du einmal mit mir kommen würdest, dann könntest du sehen, dass Menschen zu sehr viel fähig sind." Der Ältere schnaubte nur und drehte sich abrupt weg. "Vater hat es nicht gern, wenn du zu ihnen gehst." wiederholte er kühl. "Er hat es auch nicht gern, wenn du jeden von ihnen umbringst!" entgegnete der Jüngere trotzig. Kagee schüttelte nur den Kopf und sagte nichts mehr. Eigentlich kam er recht gut mit seinem Bruder aus, aber seine seltsame Zuneigung zu den Menschen, und allen schwächeren Geschöpfen, widerte ihn an. Eines Tages würde das noch schwere Folgen haben.... Ja, Kagee hatte nichts gegen seinen Bruder gehabt, bis etwas passierte, das alles verändern sollte. Ein schwerer Schicksalsschlag, der Kagees Leben vollkommen verändern sollte. Die Erinnerung daran drang fast gewaltsam in Kagees Kopf. Er wollte sie nicht sehen, aber er konnte sich nicht davon abwenden, er konnte sich nicht bewegen. So war er gezwungen alles mit anzusehen und diesen grauenhaften Tag noch einmal zu durchleben. Er sah wieder sich selbst in einem großen Saal. Diesmal stand er vor seinem Vater, das Haupt demütig gesenkt. Er war nun älter, schon fast erwachsen. Sein Vater blickte mit finsterer Miene auf ihn herab und sein Zornverzerrtes Gesicht kündigte Unheil an. "Kagee, du hast mich schwer enttäuscht." sagte er vorwurfsvoll. "Du hast zum wiederholten Male ein Menschendorf angegriffen und alle die dort lebten getötet. Du bist, nein warst, mein zukünftiger Erbe! Deine Aufgabe wäre es dein Land zu beschützen, aber du tust genau das Gegenteil! Warum Kagee. Warum?" Der Angesprochene warf stolz seinen Kopf in den Nacken und blickte seinem Vater direkt in die Augen. "Einer von diesem Menschenpack hat mich provoziert, Vater. Du willst doch nicht, dass ich den Menschen so nachlaufe, wie mein Bruder es tut. Das ist erniedrigend!" "Dein Bruder weiß wenigstens, wie er sein Volk behandeln soll. Ich verlange nicht, dass du mit den Menschen Freundschaft schließt, aber wenigstens Frieden. Dazu solltest du imstande sein. Außerdem bedrohst du nicht nur die Menschen, sondern auch alle anderen Lebewesen, die dir zu nahe kommen. Mir scheint du tötest nur aus Lust und Vergnügen. Und was sollte dieser Angriff auf ein Mitglied unseres benachbarten Clans letzte Nacht? Weißt du nicht, dass es nur eines kleinen Funken bedarf um einen Kampf zwischen beiden Sippen zu entfachen? Willst du deine ganze Familie ins Verderben reißen? Du weißt genau, dass wir zur Zeit genug Probleme haben. Den Angriff eines ganzen Clans wird uns schwere Verluste bringen." "Einer von diesem Pack hat mich angegriffen Vater. Ich habe es ihnen nur heimgezahlt." "Aber denkst du nicht an deine eigenen Leute? Der andere Clan ist viel größer als unserer. Wir haben schon zu viele Krieger verloren. Noch ein Angriff und..." Er brauchte nicht weiter zu sprechen, um zu verdeutlichen, was dann geschehen würde. Aber Kagee ließ das völlig kalt. Er zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und schwieg. Kagees Vater seufzte tief. So war das also. Was hatte er mit seinem Sohn bloß falsch gemacht? Was hatte ihn nur so verdorben? "Ich verstehe Kagee." sagte er nun. War seine Stimme bisher ruhig, ja fast sanft geblieben, so war sie nun hart und ohne jegliche Gefühle. Überrascht blinzelte Kagee seinen Vater an. "Ich verstehe." Wiederholte der große Hundedämon. "Nun, wenn das so ist, dann bleibt mir nichts anderes übrig als dich zu verbannen, mein Sohn und mein Erbe an deinen Bruder zu übergeben." "WAS?!" Ungläubig starrte Kagee seinen Vater an und versuchte diese Worte irgendwie zu verdauen. Das meinte er doch nicht im Ernst! Sein elender Bruder sollte das ganze Erbe bekommen? Er allein? Dieser.... dieser jämmerliche Menschenfreund? "Nein." flüsterte Kagee. "Oh doch. Deine Vergehen, die du begangen hast sind zu zahlreich. Sie sind nicht wieder gut zu machen. Du wirst aus der Familie verbannt und ich will dich hier nicht wieder sehen, hörst du?" Kagee ballte wütend die Fäuste und funkelte seinen Vater voller Verachtung an. Ohne noch ein Wort zu sagen stürmte er aus dem Saal. Draußen vor dem Schloss stieß er mit seinem Bruder zusammen. "He Kagee, pass doch auf! Was... wo willst du hin?" "Lass mich in Ruhe!" fauchte Kagee seinen Bruder an, der ihn am Arm zurückzuhalten versuchte. Fast gewaltsam riss er sich von ihm los und knurrte ihn wütend an. "Du bist an allem Schuld!" rief er. Seine Stimme überschlug sich fast vor Wut. "Du hast mich um mein Erbe gebracht! Du warst schon immer Vaters Liebling, weil du dich ständig um andere sorgst und jeden beschützen willst!" "Aber..." "Das wirst du eines Tages bereuen. Du wirst schon sehen. UND SIEH MICH NICHT SO AN!" schrie er, da sein kleiner Bruder ihn mitleidvoll anblickte. Diesen Blick hasste Kagee zutiefst. Wieso musste ihn sein missratener Bruder immerzu provozieren? Wieso war er immer besser in allem, als er, Kagee, der ältere der beiden? Wieso gelang ihm immer alles mit so großer Leichtigkeit, während Kagee darum kämpfen musste, um seine Ziele zu erreichen? Schnaubend wirbelte Kagee herum und ließ seinen Bruder einfach stehen. Eines war sicher: Er würde es seinem Bruder niemals verzeihen, dass er das Erbe bekommen hatte. Das würde er nicht einfach auf sich ruhen lassen. Dafür würde er schon sorgen. Ganz bestimmt. Eine weitere Erinnerung drängte sich nun vor. Sie zeigte den harten Kampf, den der jüngere Bruder mit Ryukossei abzog. Zum Schluss konnte der Drache nur gebannt werden und sein Gegner trug schwere Verletzungen davon. Kagee dachte schon voller Vorfreude daran, dass sein Bruder in diesem Zustand nicht mehr lange durchhalten würde. Endlich würde er ihn dann los sein. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Bruder mehr als nur sehr zäh war. Überrascht bemerkte Kagee, dass er doch tatsächlich einem elenden Menschenweib zu Hilfe eilte. Er hatte sogar noch die Kraft gegen einen so genannten Takenmaru zu kämpfen. Missmutig beobachtete er den hitzigen Kampf der beiden. Sein Bruder konnte ihn einfach nicht überleben. Mit seinen Verletzungen war das beinahe unmöglich. Aber eben nur beinahe. Nachdem er Takenmaru besiegt hatte, wirbelte er mit einer plötzlichen Bewegung herum und starrte seinen Bruder mit einem Ausdruck der Verzweiflung an. Sein Blick war vor Schmerz und Erschöpfung eingefallen, aber ein brennender Ausdruck lag in seinen Augen. "Kagee..." flüsterte er heiser. "Du hast das alles eingefädelt. Warum hast du mich verraten, deinen einzigen Bruder?" Kagee schritt aus seinem Versteck heraus, ging gemächlich auf den schwer Verletzten zu und grinste ihn hämisch an. "Seit meiner Verbannung verachte ich dich nur mehr. Aber jetzt krepierst du allmählich und dein Erbe gehört endlich mir." "Nein, das stimmt nicht." entgegnete sein Bruder mit schwacher Stimme. Er taumelte etwas, aber hielt Kagees Blick weiterhin stand. Der Ältere blickte ihn einige Sekunden fragend an. Dann verstand er und sein Grinsen wurde noch breiter. "Ah, ich verstehe. Du meinst, dass dein Sohn, Sesshomaru, alles bekommen soll und mir das Erbe somit gar nicht zusteht? Nun, dieses Problem ist schnell beseitigt. Ich werde meinem Enkel gleich einen kleinen Besuch abstatten..." Der Jüngere Bruder zuckte bei diesen Worten erschrocken zusammen und stöhnte qualvoll auf. Er musste seinen Sohn beschützen, koste es was es wolle. Dazu gab es jedoch nur eine einzige Möglichkeit... Mit neu gewonnener Kraft riss er Souunga aus der Scheide und richtete die Klinge gegen seinen Bruder. "Du wirst meiner Familie nichts zu Leide tun Kagee! Wenn ich sterbe reiße ich dich mit in den Tod!" Nach diesen Worten wurde Kagee von einem gleißenden Licht eingehüllt. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und es wurde dunkel um ihn... Keuchend öffnete Kagee seine müden Augen. Der schwarze Vorhang fiel von ihm ab, vertrieb diese schrecklichen Erinnerungen aus seinem Geist. Das erste, was er sah, war die karge steinige Landschaft vor ihm. Es konnten nur Sekunden vergangen sein, da Sesshomaru immer noch vor ihm stand und ihn ausdruckslos anstarrte. Kagee brachte kein Wort heraus. Er fühlte sich völlig ausgelaugt und kraftlos. Am ganzen Körper zitternd sank er auf den Boden. Er nahm es nicht mehr wahr, dass sich Sesshomaru langsam von ihm entfernte. Überhaupt kam ihm alles plötzlich seltsam irreal vor, als ob er das hier gar nicht miterleben würde. Nachdem sein Bruder ihn mit Souunga besiegt hatte, war er nicht wirklich gestorben. Souunga war ein Schwert, welches lebende Tote, Zombies, hervorbrachte. Kagee musste wohl auch einer von ihnen gewesen sein. Ganz genau wusste er das nicht, da sein Bruder ihn zusätzlich gebannt hatte, sodass er nicht mehr erwacht war. Aber vor ungefähr einer Woche war dieser Bann von ihm genommen worden. Er erinnerte sich an eine Erschütterung, an ein helles Licht und im nächsten Moment lag er auf einer Wiese im Reich der Harpyien. Die Erschütterung musste wohl ein Erdbeben gewesen sein, das ihn aus seinem Grab katapultiert hatte. Kaum war sich Kagee bewusst, dass er wieder im Reich der Lebenden weilte, hatte er zwei Ausstrahlungen gespürt, die sich so ähnlich wie die seines Bruders angefühlt hatten. Eine größere und eine kleinere. Gleich darauf hatte er begonnen einen Plan auszuhecken, um die zwei zu sich zu locken. Er hatte das Gebiet der Harpyien in Besitz genommen und die nervenden Vögel vertrieben. Alles war perfekt gelaufen, aber jetzt... Jetzt kam ihm sein Dasein merkwürdig sinnlos vor. Er hatte das Gefühl von innen zerfressen zu werden. War es das ungewöhnliche Gefühl wieder am Leben zu sein, das ihn so niederschmetterte? Die Antwort darauf blieb ihm verborgen. Er wusste nur eines: Was mit ihm nun passieren würde war ihm vollkommen egal... Sesshomaru wandte sich zufrieden von Kagee ab. Der Schlossherr hatte einen sichtlichen Schock erlitten wieder am Leben zu sein. Sesshomaru hätte sich nicht erwartet, dass ihn das so erschüttern würde. Der Ausdruck in den Augen seines Onkels war beinahe furchterregend gewesen. Seltsam. Es kam ihm so vor, als ob er etwas gesehen hätte, das ihn zutiefst bestürzen würde... Doch im Moment hatte Sesshomaru ein ganz anderes Problem: Inuyasha. Jetzt, da Kagee für eine Weile außer Gefecht gesetzt war, musste noch der Halbdämon auf Vordermann gebracht werden. Inuyasha war in der Zwischenzeit wieder aufgestanden und knurrte drohend, als sein kalter Blick auf Sesshomaru fiel. Man sah deutlich, dass er müde war, aber das Dämonenblut kochte in ihm und zwang ihn weiter zu kämpfen. Inuyasha schrie gequält auf und stürmte gleich darauf auf seinen Bruder zu, der geschwind in die Luft sprang. Mit einer schnellen Bewegung packte Sesshomaru sein Fell und ließ das lange Ende auf Inuyasha zuschnellen. Der Hanyou wurde eingewickelt und bewegungsunfähig gemacht. Voller Zorn versuchte er sich zu befreien. Er biss wie wahnsinnig in das weiche Fell und keifte ununterbrochen. Ungerührt schwenkte Sesshomaru sein Fell nach links und schleuderte Inuyasha zielsicher gegen einige Felstrümmer. Der Hanyou prallte an ihnen ab und verkeilte sich zwischen einigen Steinen. Er knurrte wütend und versuchte sich sofort aufzurichten, als er abrupt innehielt. Sein Arm streifte zufällig Tessaigas Griff, welches unter ihm lag. Für einen kurzen Moment wurden seine Augen wieder klar und goldbraun. Bevor man sich jedoch dessen vergewissern konnte, erhielten sie wieder ihr dämonisches Antlitz. Trotzdem- diese flüchtige Berührung mit Tessaiga genügte, um Inuyasha wieder zur Vernunft zu bringen. Er stöhnte kurz auf, als sein Schwert sachte zu pulsieren begann und ihn dazu aufforderte es anzufassen. Mit einer unglaublichen Willensanstrengung drehte sich der Hanyou um und blickte verschwommen auf sein Schwert hinab. Langsam streckte er die Hand aus, näherte sich dem zerschlissenen Griff und packte ihn unnötig heftig. "Ah..." Erleichtert seufzte der Hanyou auf, als er spürte wie er sich zurückverwandelte. Ächzend rappelte sich auf die Beine. Erschöpft blickte sich um. Zum Glück waren keine Menschen in der Nähe gewesen. Die hätten seine blinde Raserei bestimmt nicht überlebt. Dafür war einer anscheinend quicklebendig, im wahrsten Sinne des Wortes. Inuyasha sackte in sich zusammen, als er Kagee am Boden hocken sah. Er hatte ihn in seiner Dämonen Form nicht besiegen können? Das hieß der Kampf ging weiter, aber Inuyasha war so müde... Er war sich gar nicht sicher, ob er das noch lange durchhalten würde. "Rasch Inuyasha! Wie müssen Kagee besiegen bevor er wieder zu sich kommt." erklang plötzlich Sesshomarus Stimme in seiner Nähe. Inuyasha sah zur Seite und erkannte seinen Bruder rechts von sich. Er hielt immer noch Tenseiga in der Hand und forderte Inuyasha mit einer Geste auf, Tessaiga zu aktivieren. Sofort ging der Hanyou dem nach und hob kampfbereit sein breites Schwert. "Was hat er denn?" fragte er, während er Kagee fast angeekelt musterte. Der Schlossherr hatte das Gesicht in den Händen verborgen und verhielt sich vollkommen reglos. "Ich habe ihn mit Tenseiga wieder belebt. Seitdem befindet er sich in einem geistig gestörten Zustand. Das müssen wir ausnutzen." Eigentlich hatte er vorgehabt mit Tokejin zu kämpfen, aber irgendwie spürte er, dass Tenseiga für diese Aufgabe geeigneter war. "Wie greifen zusammen an." sagte er. Inuyasha nickte zustimmend und fragte sich gleichzeitig, woher Sesshomaru die Gewissheit nahm, dass es diesmal klappen würde. Aber auch er spürte ein seltsames warmes Gefühl und Tessaiga fühlte sich anders an als sonst. Eine mächtige Kraft strömte durch das Schwert und wartete nur darauf freigelassen zu werden. Die Kraft seines Vaters. Auch Sesshomaru hatte eine ähnliche Empfindung. Noch nie fühlte er sich so sehr mit Tenseiga verbunden. Das Schwert, welches er so sehr verachtete und abwies. Nun aber, kam es ihm so vor, als ob es selbstverständlich wäre mit Tenseiga zu kämpfen- als ob er noch nie ein anderes Schwert benutzt hätte. Wie auf einen stummen Befehl hin sprangen beide Brüder unvermittelt auf Kagee zu, der schweigend auf dem kalten Boden sitzen blieb und die tödliche Gefahr nicht bemerkte. "Kaze no Kizu!" rief der Hanyou mit kraftvoller Stimme. Sesshomaru schwang ebenfalls, aus einem reinen Impuls heraus, sein Schwert. Eine blaue Energiewelle rauschte auf Inuyashas Kaze no Kizu zu. Beide Energien verschmolzen knisternd zu einer leuchtenden Kugel, die nun rasend schnell auf Kagee zuwirbelte. Erst jetzt hob der Schlossherr den Kopf und blickte mit ausdruckslosem Gesicht seinem Tod entgegen. In seinen Augen trat ein fast verzeihender Ausdruck. Schließlich glitt ein trauriges Lächeln über Kagees Gesicht. Es war kein hasserfülltes oder verachtendes Lächeln. Es war das endgültige Lächeln eines Wesens, das ganz genau wusste bald zu sterben und sich sogar danach sehnte. Ergeben senkte Kagee seinen Kopf und wartete auf den Aufprall der Energiewelle. Die beiden haben wirklich gute Arbeit geleistet, dachte er bitter. Ich hätte sie gerne etwas besser kennen gelernt. Sie scheinen sehr stark zu sein. Und mutig. Sie kommen genau nach meinem Bruder. Genau in diesem Moment erreichte die gemeinsame Attacke von Sesshomaru und Inuyasha den Schlossherrn, hüllte ihn ein und riss ihn vollkommen auseinander. Verzeih mir Bruder... War der letzte Gedanke von Kagee. "Ist es endlich vorbei?" fragte Inuyasha matt. "Ja." Erleichtert ließ sich der Hanyou zu Boden gleiten und steckte Tessaiga in die Scheide zurück. Endlich hatte dieser Alptraum ein Ende. Endlich konnte er seine Freunde wieder sehen und vor allem Kagome in die Arme schließen. Glücklich lächelte er bei dieser Vorstellung. Er würde seinen Freunden jede Menge zu erzählen haben. Ob sie ihm das alles auch glauben würden? Wenn Inuyasha jetzt an das Erlebte zurückdachte, konnte er es selbst kaum fassen, alles überstanden zu haben. "Er hat uns geholfen." sagte Sesshomaru plötzlich. Verwirrt hob Inuyasha den Kopf und blinzelte seinen Bruder fragend an. "Wer?" "Vater. Es war seine Energie, die in Tenseiga und Tessaiga innewohnte. Wir haben sie nur freigesetzt. Er hat uns auf diese Weise beschützt." Inuyasha schwieg. So musste es wohl gewesen sein. Das würde dann auch dieses seltsam vertraute Gefühl beschreiben, das er verspürt hatte, als er sein Tessaiga aktivierte. Das war also das zweite Mal, dass ihr Vater den eigenen Bruder besiegt hatte. Inuyasha war froh, dass ihm und Sesshomaru nicht das gleiche widerfahren war. Sie hatten sich zwar verachtet, aber nun schien sogar das in den Hintergrund getreten zu sein... Inuyasha musste ganz ehrlich zugeben, dass sie ein gutes Team waren. Seufzend lehnte er sich gegen einen kleinen Felsen und beobachtete einen zerrissenen Kleidungsfetzen, das einzige Überbleibsel Kagees, der vom Wind sanft davongetragen wurde. Der Kampf ist zu Ende und diese FF wird es auch bald sein, denn das nächste Kapitel ist voraussichtlich das letzte. Tja leider muss diese FF auch bald mal ein Ende haben. So kann ich mich dann auch mehr meiner anderen Inuyasha FF widmen. ^.^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)