Angels fall first von abgemeldet ================================================================================ Mitternachtssonne ----------------- Ninth Chapter - Mitternachtssonne Es war still in dem Passagierraum des Falcon. Nur das stetige, monotone Summen der Maschinen sowie das dumpfe Rauschen des Windes drangen durch die Wände aus Stahl in das Innere. Alucards' Blick glitt kurz zu Major Elija Christopher und seinen Männern herüber, die weiter vorne im Flieger saßen. Christopher nickte ihm kurz zu und fiel dann wieder in das Gespräch seiner Männer ein. Gute Jäger, sie alle, wie Integra immer zu sagen pflegte, trotz der amerikanischen Ausbildung bei der US Air Force und ihrem erst späten Wechsel zur Hellsing Organisation. Alucard hatte schon mehrere Operationen mit ihnen durchgeführt und sich von ihrer tödlichen Perfektion überzeugen können. Dennoch war es ihm garnicht recht, das Integra die Männer praktisch als Aufpasser mitgeschickt hatte. Und spätestens über Rom würde er sich ihrer Begleitung sowieso entziehen. Der Vampir hatte keinesfalls vor, Christopher und seine Leute in den Kampf gegen Gabriel mitzunehmen, von Anfang an nicht. Sie wären so gut wie tot, bevor sie überhaupt eine Kugel abgefeuert hätten. Außerdem war die Sache mittlerweile mehr als persönlich. Alucard bleckte leicht die Zähne. Dieser Bastard von einem ‚Engel’ würde es noch bereuen, überhaupt wieder aus seinem Sarkophag gekrochen zu sein, er würde… Jemand schrie hinter seiner Stirn … und Alucard fuhr leicht im Sitz zusammen. Blut, das war soviel Blut und … Schmerz… Er ertrank darin, bekam keine Luft mehr... Eine rauschende Bilderflut, ein Strudel aus Gefühlen und Schreien stürzte ungefragt in den Geist des Vampirs, ließ ihn leise aufkeuchen, als er die Augen schloß und sich zu konzentrieren versuchte und dann war da eine Stimme inmitten der Bilder voller Angst, so neu und schon so verhaßt … „Verdammt, Priester, du bist verdammt für immer. Deine Seele gehört mir.“… Ein Lachen, dumpf und hohl, schrill und gellend gleichzeitig, das ihn verhöhnte, verspottete und Augen, schwarze Augen, ohne Zeit, ohne Seele, ohne Leben, klaffende Abgründe, die ihn verschlangen, in denen sich Schwärze emportürmte und nach ihm griff und es war nicht die Hölle, nein, es war eine Nichtexistenz, die Negotisierung des Seins, ohne Geräusche, Gefühle oder Farben, es war einfach nichts und es war schrecklicher als alle neun Kreise der Hölle zusammen, denn er wusste, spürte die Verdammnis und konnte nichts dagegen tun… Alucard fuhr im Sitz hoch und schüttelte die Bilder mit einem hasserfüllten Zähneknirschen von sich ab. Was war das gewesen? War das wieder einer von Gabriels Streichen mit seinem Geist? Hatte er ihm diese Bilder geschickt, um ihm zu zeigen, welche Macht er noch über seine Gedanken verfügte? Aber wozu sollte er … “Verdammt, Priester, du bist verdammt für immer. Deine Seele gehört mir.“ Alucard sah auf, als ihn Erkenntniss durchströmte. Es war kein Traum gewesen, keine Spielerei dieses gottverdammten Engels. Es waren die Qualen eines Anderen. Erinnerungen, so stark und eindrücklich, das sie ohne Probleme in seinen Geist eingedrungen waren und er sie gesehen hatte, viel schlimmer, viel mehr, als beim ersten Mal in Heathrow. “…Andersen.“ Alucard nickte kurz Christopher zu, der sich besorgt umgedreht hatte und sein Nicken jetzt beruhigt erwiderte und dann stand er langsam auf und drehte sich um. Rotglühende Augen fielen in den hinteren Teil des Fliegers, auf die Person, die er seit einer Stunde bewusst ignoriert hatte. Der Paladin saß so weit von ihm und den Soldaten entfernt wie möglich, hatte die Augen geschlossen und einen elfenbeinernen Rosenkranz in den behandschuhten Händen. Alucard wusste hinterher nichtmehr, wie lange er dort gestanden und den Judas angestarrt hatte, aber es war das erste Mal seit ihrem Zusammentreffen in Heathrow ... eigentlich, seit er ihn kennengelernt hatte ... das er sich die Mühe machte, den heiligen Mann einfach nur anzusehen. Doch während dieser Zeit nahm Alucard jedes einzelne Detail an Andersen wahr. Wie zusammengesunken die sonst so starke, selbstbewußte Figur des Priesters war. Welche dunklen Schatten unter seinen sonst so blitzenden, grünen Augen lagen. Wie die langen Finger um jede einzelne Kugel des Rosenkranzes zitterten, wie die Lippen des Regenerators bei jedem leise gemurmelten Wort des Ave Maria bebten. Wie … durchsichtig Alexander auf einmal schien. Ein Schatten … nur noch ein Schatten seiner Selbst. *Du verdammter Schweinepriester… Du zerstörst dich nur selbst…* Er legte den Kopf leicht schief, als er den Priester so betrachtete, seine Gedanken las, die ein einziger, schrecklicher Albtraum waren. Wie ein Horrorfilm spielten sich die Szenen hinter der Stirn des Judas ab, immer wieder, ohne Pause, die Worte des Gebetes nichts weiter als eine nicht enden wollende Litanei ohne Sinn und Verstand. Wenn das so weiterging bis Rom konnte er Andersen direkt nach ihrer Landung als Katatonie-Patient in die nächste Anstalt einweisen und musste alleine weiter. Und das war garnicht der Plan… Alucard seufzte leise und schüttelte den Kopf. *Zur Hölle mit dir, Alexander, wie kann man nur so pathetisch sein… Nichts als Ärger hat man mit diesen Katholiken.* Er erinnerte sich daran, wie das Zittern des Priesters aufgehört hatte, auf der Rollbahn, nachdem er ihm die Wahrheit gesagt hatte. Warum Andersen sich wieder beruhigt hatte und nicht völlig durchgedreht war. Weil er selbst ihn provoziert hatte, ihn abgelenkt hatte von diesen dunklen Gedanken. Nun, wenn es weiter nichts war… Im Judaspriester provozieren war er mehr als Weltklasse. Alucard grinste leicht und schritt auf Andersen zu. Der nahm gerade eine neue Kugel zwischen die Finger, er hatte den Vampir noch nicht bemerkt, sah aus, als wäre er tief im Gebet versunken, aber Alucard wusste, was hinter den geschlossenen Lidern des Priesters vor sich ging. Und es war kein Gebet. Die Stimme des Mannes, den er mittlerweile so gut kannte und die immer klangvoll, stark und -vor allen Dingen - arrogant geklungen hatte war mit einem Mal rauh, müde und sie klang … unglaublich alt. “Ave Maria, gratia plena. Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui, Jesus. Sancta Maria, Mater Dei, ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae. Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto, sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum. Amen...” Grüne Augen öffneten sich langsam, wie nach einer langen Nacht und als Andersen aufsah traf er den Blick des Vampirs. Stumm blickten sie sich an, keiner von ihnen sagte ein Wort, Minuten, die wie eine Ewigkeit schienen. Solange, bis es der Priester nicht mehr aushielt. “Was? Was willst du, maledetto bastardo?” “Dein Gebet wird dich nicht aus dem Abgrund retten können, Priester.“Alucard sprach leise, sodass die Männer weiter vorne nichts verstehen konnten:“Selbst wenn du für den Rest deines Lebens betest. Du hast das Nichts gesehen. Es wird für immer in dir sein. Solange, bis du akzeptierst, was du bist, was du immer warst... Ein wildes Tier.” Andersens grüne Augen hatten sich bei seinen ersten Worten weit geöffnet, blickten ihn jetzt mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Entsetzten an, bohrten sich in seine feurigen Rubine und Alucard entblößte seine langen Fangzähne, als das Grinsen sich langsam auf seinem Gesicht ausbreitete:”Wie ich es euch schon immer sagte... eure Eminenz.” Und damit drehte der Vampir sich um und schritt zurück zu seinem Platz. Er kam nicht weit. “Bleib stehen!” Alucards Grinsen wurde noch etwas breiter und er gehorchte, sah über seine Schulter. Der Priester war aufgesprungen, seine Augen sprühten Hass, Gift und Galle, jede Faser seines Körpers war gespannt, in der rechten, geballten Faust der kleine Rosenkranz, die linke zuckte zu den, im langen Mantel verborgenen Schwertern und der Vampir roch das Blut des Regenerators, voller Adrenalin, hörte den pulsierenden Herzschlag, der diese Süße durch Adern schießen ließ wie flüssiges Feuer. So, wie er immer gewesen war. So, wie Alucard ihn kannte. Ein vertrauter Anblick. Ein beruhigender Anblick. Der Vampir drehte sich wieder um und bedeutete den Soldaten hinter ihm, die bei Andersens Schrei aufgesprungen waren, sich wieder hinzusetzten. “Und ich hatte schon Angst, als du sagtest, du wolltest nicht mehr gegen mich kämpfen, Schweinepriester.”Das dunkle Lachen in seiner Stimme war deutlich herauszuhören:”Aber alte Gewohnheiten sind nunmal schwer in den Griff zu bekommen, nicht wahr?” “Du... verfluchter...”Andersen knirschte mit den Zähnen und Alucard schnitt ihm das Wort ab, mit funkelnden Augen:”Heb’ dir deine Kraft für Gabriel auf. Du wirst sie noch brauchen.” Und im nächsten Moment brach die Hölle los. Vampir und Priester wurden zu Boden geschleudert, als das Flugzeug unvermittelt einen Schlag zur Seite machte. Mit einem genervten Fauchen sprang der Vampir fast sofort wieder auf, und wäre beinahe von dem heulenden Wind, der plötzlich den Passagierraum erfüllte und dem heftigen Schwanken des Flugzeugs zu Boden gerissen worden. Schwarzer Rauch wirbelte um sie herum, durch den Raum und aus einem klaffenden Loch in der Außenwand des Falcon ins Freie. Über allem heulte ein schriller, ohrenzerfetzender Warnton, der vor dem kritischen Druckabfall innerhalb des Jets warnte. Alucard sah auf, in Richtung des Cockpits und binnen Sekunden brachten ihn seine psychokinetischen Kräfte in den kleinen Raum. Die beiden Piloten des Falcon, Captain Phillips und Leutnant Cartwright, sahen aus, als wären sie kurz vor einem kollektiven, panischen Nervenzusammenbruch. Ihre Finger flogen mit hektischen Bewegungen über Knöpfe, Tasten und Hebel, überall leuchteten und blinkten grelle Warnlichter um sie herum wie bei einem Feuerwerk. Das gesamte Flugzeug vibrierte und irgendetwas knirschte über die Aussenhaut, als würde Metall von einer ungeheuren Kraft zermalmt. “Was ist passiert?” Andersen erschien wie aus dem Nichts neben ihm, eine tragbare Sauerstoffmaske über Mund und Nase, seine vorherige Schwäche wie verschwunden und nie dagewesen, die grünen Augen des Priesters glühten regelrecht im schummrigen Licht. “Ich weiß es nicht!”Phillips drehte sich nichteinmal zu ihnen um, kalter Schweiß stand dem Mann auf der Stirn:”Es war wie eine Kollision - neunzig Grad, Thomas, verdammt nochmal!- aber da war nichts, absolut nichts! Die Systeme reagieren nicht mehr, es ist alles wie tot! Ich kann nichteinmal eine Notlandungssequenz einleiten!” In diesem Moment erschütterte ein weiterer, dumpfer Schlag den Falcon, ein ohrenbetäubendes Knirschen und Bersten ging dröhnend durch die gesamte Hülle und dann explodierte irgendetwas in der Instrumentenkonsole, eine grellweiße Stichflamme schoß durch die Kabine und explodierte an der Rückwand. Schwarzer Rauch erfüllte binnen Sekunden das Cockpit. Alucard schloß mit einem Mal die Augen. Er war hier... Ganz nah... Der Vampir konnte ihn fast spüren, so stark war seine Präsenz. “Hundesohn...” Glühend rote Augen blickten auf, durch dichten, giftigen Qualm, Funken und Flammen nach vorne aus den Frontscheiben. Und dann sah er. Und Andersen neben ihm auch. Der Himmel um sie herum war schwarz. Brodelte. Kochte, wie das Innere einer Gewitterwolke, die aus dem Nichts gekommen war. Wie eine lebende Masse, die das Flugzeug gepackt hatte, sich in sein Inneres fraß. Und über all den Lärm war es dem Vampir, als höre er diesen verteufelten Engel lachen. “Signore del cielo, aiutaci...”Andersen hatte nur geflüstert und doch hatte Alucards sensibles Gehör ihn über das Chaos hinweg verstanden und die roten Augen des Vampirs glühten in die Dunkelheit vor ihnen:”Priester... Ich glaube nicht, dass dein Gott uns jetzt noch helfen kann... ” “Festhalten!”schrie Phillips, nur Sekunden, bevor der Jet sich in der Luft aufbäumte, zwei, drei, vier harte Stöße, als würden sie von einer gewaltigen Faust gepackt und geschüttelt, ein gewaltiger Ruck und sie standen beinahe kopfüber, bevor sie wieder zurück in die normale Fluglage kippten und Alucard konnte sich gerade noch an der Rückenlehne des Co-piloten festkrallen um nicht umgeworfen zu werden. Andersen neben ihm hatte nicht soviel Glück, er wurde mit brutaler Wucht seitwärts geschleudert, in die nächste Konsole, die funkensprühend zersplitterte. Ein magenumdrehendes Gefühl der Schwerelosigkeit ergriff sie alle, als zöge man ihnen den Boden unter den Füßen weg, als sich die Nase des Flugzeugs plötzlich ohne Vorwarnung senkrecht nach vorne neigte. Jedes Geräusch um sie herum verstummte. Eine grässliche, grauenvolle Stille, die sich ausbreitete wie ein Krebsgeschwür in gesundem Fleisch und für ein paar Sekunden, die wie eine Ewigkeit schienen, hingen sie so in der Luft. Und dann ließ die gewaltige Faust sie los. ~oOo~ Enrico seufzte leise, als er wieder in seinem Büro angekommen war. Die Besprechung hatte länger gedauert, als er erwartet hatte. Aber jetzt waren alle seine Untergebenen unterrichtet, vier der Kampfpriester aus Venedig mittlerweile schon unterwegs nach London, um Alexander endlich ausfindig zu machen. Außerdem hatte er einige seiner besten Männer beauftragt, sich diese ganze Sache um diesen mysteriösen Blutengel nocheinmal genauer anzusehen… Und vor allen Dingen, ihm das Evangelium des Johannes hier rauf zu schaffen. Er musste sich diese Schriften ansehen, am besten gestern. Sein Blick fiel auf den Brief Franceso de'Lyonells, der auf seinem Schreibtisch lag, darunter ein weiteres, altes Pergament, die Schriften die bei dem Brief gelegen hatten, verfasst von einem gewissen Bruder Nikodemus, der an Lyonells Seite vor über siebenhundert Jahren gegen Gabriel gekämpft hatte. Darauf stand, in altlateinischer Schrift, wie die Templer es geschafft hatten, Gabriel zu überwältigen und in den Steinsarg zu bannen. Er hatte versucht, den Text zu übersetzten, aber es gestaltete sich ein wenig schwierig. Das Pergament war alt, brüchig, die Schrift verblasst. Enrico hätte vor Wut am liebsten den nächstbesten Papierbeschwerer an die nächstbeste Wand geworfen, als er nach etlichen Stunden immernoch nicht weitergekommen war als die ersten drei Sätze des Textes. Außerdem hatte er immernoch nichts von Alexander gehört. Es nagte an ihm, Gott, wie sehr es das tat. Er hoffte, dass die Priester, die er nach London geschickt hatte den blonden Paladin endlich ausfindig machen konnten. Ansonsten würde er höchstpersönlich auf diese verdammte Protestanteninsel fliegen und dann Gnade ihnen Gott, wenn er nicht- Im nächsten Moment spürte Enrico, wie sich seine sämtlichen Nackenhaare aufrichteten und er sah langsam auf von seinen Papieren. „Was...” Er stand auf, ließ seinen Blick durch den gesamten Raum schweifen, aber der Raum war leer. Er kannte dieses Gefühl, Vater im Himmel, wie sehr er es kannte. Enrico hatte lange genug Monster gejagt, Schatten verfolgt und getötet und sich jeder Dunkelheit bis jetzt gestellt, die Luzifer auf die Erde entlassen hatte um zu wissen, was dieses dumpfe Gefühl war, das an ihm emporkroch wie eisige Schatten. Irgendetwas... stimmte nicht! Als sein Blick zum immernoch geöffneten Fenster glitt, begriff er, was nicht stimmte. Es war still draußen. Zu still für den Petersplatz an einem Samstagnachmittag. Kein Lufthauch strich durch das geöffnete Fenster. Nichteinmal der leichteste Wind. Keine Menschenstimmen, keine Automotoren, kein Flügelschlagen und Gurren der ewig auf den Simsen des Domes anwesenden Tauben. ...Totenstill. Enrico war binnen Sekunden an der Brüstung, sah herab auf den Platz. Die Menschen unten waren nichtmehr als kleine Punkte, die dicht nebeneinanderstanden, doch selbst von hier aus konnte Enrico sehen, das keiner von ihnen sich bewegte. Der blonde Mann kniff die Augen zusammen. Was ... war hier los? Er konnte kaum seine Gedanken richtig sortieren, bevor es anfing dunkel zu werden. Und als Enrico verwirrt in den Himmel sah, keuchte er leise auf:“Santa Madre di Dio...“ ~oOo~ Der Lärm um sie herum war so ohrenbetäubend, das man nicht einen klaren Gedanken fassen konnte. Alles in der Maschine schien zu heulen, zu jaulen und zu kreischen, wie tausende von verdammten Seelen im Höllenfeuer. Das Armageddon konnte nicht schlimmer sein. Andersen hatte sich in die nächstbeste, feste Oberfläche gekrallt und hielt sich mit aller Macht daran fest, um nicht wie ein Spielball durch das gesamte Cockpit des trudelnden, bockenden und alles in allem ziemlich schnell abstürzenden Falcon zu rutschen. Alucard stand vor ihm, immer noch auf beiden Beinen, und schien sich um die Schwerkraft wenig Gedanken zu machen. Allerdings auch nicht darum, das sie ziemlich bald den Boden erreichen würden. Der Vampir starrte immer noch nach draußen, durch die Frontscheiben. “Tu’ doch was! Verflucht nochmal!”brüllte Andersen über den Lärm hinweg und der Vampir sah ihn doch tatsächlich von oben herab an... und grinste. Er grinste! Dem Priester verschlug es die Sprache und er spürte, wie ein Wutanfall sich in ihm manifestierte. Wie konnte dieser dreckige Bastard sich erlauben, in so einer Situation auch nur ansatzweise zu grinsen?! Hatte er jetzt vollends seinen Verstand verloren?! Das war doch- *Gabriel ist noch hier...* Alucards Stimme war nur ein Flüstern in seinem Kopf und dennoch verstand Andersen ihn klar und deutlich. *Ich kann noch nichts tun, ohne das er es bemerkt... Und übrigens... Priester sollen doch nicht fluchen. Gerade du solltest das wissen.* Und er schenkte ihm noch ein breites Grinsen inklusive Fangzähne. Sprachlos starrte Andersen den Vampir an, dann flog sein Blick nach draußen. Dort brodelte und wirbelte immer noch diese schwarze, irritierend lebendig aussehende Wolke vor den Scheiben. *Sobald er verschwindet, versuche ich, uns alle hier in einem Stück raus zu holen. Das wird schnell gehen müssen und sich nicht gerade angenehm anfühlen, Priester, aber ich sehe hier keine andere Möglichkeit...* Andersen keuchte auf, als ein besonders harter Schlag ihn quer über den Boden rutschen und seine Beine gegen den Pilotensitz krachen ließ und feuerte instinktiv in Gedanken die Frage zurück an den Vampir:*Und wenn Gabriel nicht rechtzeitig verschwindet, was dann?* Alucards rote Augen ruhten trotz des Chaos um sie herum ganz ruhig auf ihm:*Er muss. Ansonsten solltest du anfangen darüber nachzudenken, ob deine Regeneratorenkräfte dich auch dann noch zusammenflicken können, nachdem wir mit über hundert Stundenkilometern am Boden zerschellt sind.* Die Luft um Alucard herum begann plötzlich zu flimmern, nicht sichtbar oder spürbar für die anwesenden Menschen, aber der Vampir bemerkte sofort, das sich etwas verändert hatte. Er brauchte nicht einmal hinzusehen, um zu wissen, das die schwarze Wolke um sie herum verschwunden war. *Auf’s Stichwort...* Er hörte die Schreie der beiden Menschen vor ihm in der Sekunde, als er selbst aufsah, aus den nun wieder klaren Frontscheiben, sah noch für einen winzigen Augenblick die grünen Kronen der Bäume unter ihnen, die viel zu schnell näher kamen. Alucard schloss die rotleuchtenden Augen und seine telekinetischen Kräfte entluden sich in einer Explosion aus dunklen Schatten, die durch das Innere des zerstörten Jets barsten. ~oOo~ Enrico rannte durch die dunklen Gänge des Apostolischen Palastes, vorbei an der Vatikanischen Bibliothek, in Richtung der Sixtinischen Kapelle, der schnellste Weg nach draußen auf den Petersplatz. Unterwegs traf er auf dutzende Menschen, Geistliche, Beamte und Schweizer Gardisten, alle genauso verwirrt und aufgescheucht wie er selbst. Viele standen an den hohen Fenstern und sahen hinauf in den düsteren Himmel, ein Stimmgewirr aus Fragen hallte ihm durch die Gänge nach. Der blonde Exorzist hatte dafür keine Zeit. Er musste das von draußen sehen. Außer Atem kam er endlich auf der Großen Treppe, die in den Petersdom führte an, zwängte sich durch die Menschen, die sich vor dem Eingang bereits versammelt hatte und alle nach oben starrten. Kein Windhauch ging über den Petersplatz. Außer den Stimmen der Menschen um ihn herum gab es nicht das kleinste Geräusch in der Luft, die sich merkwürdig dumpf und elektrisch anfühlte, wie vor einem Jahrhundertgewitter. Es war, als wäre er mit einem Mal taub geworden. Und als er selbst hochsah, glänzte die goldene Korona am Himmel noch intensiver als wie er sie zuvor in seinem Arbeitszimmer gesehen hatte, der ganze Horizont in ein tiefes, dunkles Rot getaucht, wie geronnenes Blut und von Minute zu Minute wurde es noch dunkler. “Eine Sonnenfinsterniss!” Pater Ronaldo tauchte aus dem Nichts hinter ihm auf, vielleicht war er aber auch schon die ganze Zeit da gewesen und Enrico hatte es nicht einmal bemerkt. “Enrico! Siehst du das?!” “Natürlich! Ich bin nicht blind!”fauchte der Exorzist, ohne den Blick vom Himmel zu wenden und senkte dann seine Stimme:”Die Frage ist, spürst du es?! Das ist keine normale Sonnenfinsterniss, zum Teufel, das hier ist ...” “Ich spüre es... Die Luft... sie ist wie tot.” Enrico neigte den Kopf, seine blauen Augen sprühten Funken und seine Gedanken gingen durch wie wildgewordene Pferde. Er war schon lange genug in diesem ‘Geschäft’, um mit tödlicher Sicherheit zu wissen, das etwas Großes auf sie zukam. Das alles war mit Sicherheit kein Zufall. Alexanders Verschwinden, die beunruhigende Nachricht über diesen mysteriösen Engel, die Sonnenfinsterniss... Irgendetwas ging hier vor. Und es wurmte Enrico gewaltig, das er keinen blassen Schimmer hatte, was vor sich ging. ”Pater Ronaldo, treiben sie sämtliche Iskariot-mitglieder auf, die sie finden können. Die meisten dürften noch im Vatikan sein, wir hatten erst vor kurzem eine Besprechung. In einer Viertelstunde sollen alle in der Audienzhalle sein. Etwas passiert, und was auch immer da auf uns zu kommt, ich will vorbereitet sein.” Er wandte sich zum Gehen. “Pater Maxwell! Wo wollt ihr hin?” ”Es wird Zeit, seine Eminenz zu unterrichten.” Und damit wandte sich Enrico um und schritt zielstrebig über den Petersplatz zurück in Richtung des Apostolischen Palastes, in dem sich die Gemächer des Papstes befanden, während die schwarze Scheibe am Himmel, umgeben von der gleißenden Korona, unheilvoll über ihnen glühte wie ein schwarzes, bösartiges Auge. ~oOo~ Maledetto bastardo; it. = Verfluchter Bastard Signore del cielo, aiutaci.; it. = Herr im Himmel, hilf uns. Santa Madre di Dio; it. = Heilige Mutter Gottes Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)