Angels fall first von abgemeldet ================================================================================ Sturmnacht ---------- Sixth Chapter - Sturmnacht ~oOo~ "Das Schwert weg."Walters Stimme war ganz ruhig, hallte durch den hohen Raum, als er den Revolver hob und auf den Kopf des blonden Priesters zielte:"Auf der Stelle." Andersen würdigte ihn nicht eines Blickes, geschweige denn, das er den Befehl befolgt hätte. Wozu auch. Jeder in dem Raum wusste, das sie dem Regenerator mit simplen Schußwaffen nicht zu Leibe rücken konnten. Smaragdene Augen bohrten sich in die eisblauen Integras', beide schienen einen stillen Kampf auszufechten. Jetzt reagierte auch Seras, sie schritt vor und richtete ebenfalls ihre Waffe auf Andersens' Kopf, doch ihre schlanken Finger zitterten merklich:"Lass' sie gehen!" Integra hielt immer noch den Blickkontakt zu den grünen Augen, rührte sich keinen Millimeter, aber in ihrer Stimme schwang etwas Eisiges mit, das keinen Widerspruch duldete:"Seras. Walter ... Keiner von euch beiden wird auch nur einen Schuß abfeuern. Ich dulde nicht, das im Hause Hellsing ein Blutbad stattfindet! ... Und das gilt auch für sie, Paladin..." Andersen verzog nicht einmal das Gesicht:"Ich denke doch, das ich momentan der Einzige bin, der Befehle erteilen kann, Sir Integra Wingates Hellsing..." Integras' Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, ihre Stimme wurde zu einem drohenden Zischen und sie pfählte Andersen mit ihren Blicken, als sie alle Floskeln fallen ließ:"Was willst du hier, verdammter Judaspriester?!" "Ich will Alucard."Andersen hob das Schwert einen winzigen Millimeter, doch es reichte, um Integras' Haut zu ritzen:"Sofort." Die blonde Frau ballte ihre Fäuste und presste kurz die Lippen aufeinander, wich jedoch nicht zurück, als sie spürte, wie winzige Blutstropfen ihren Hals hinabrannen und im Kragen des weißen Hemdes versickerten:"... Der ist nicht hier..." Andersen blieb ganz ruhig und erschien so noch bedrohlicher, als wenn er sein irres, blutrünstiges Lächeln zur Schau getragen hätte:"Sie haben mein Anliegen anscheinend nicht verstanden. Also wiederhole ich mich, auch wenn ich Wiederholungen meinerseits verabscheue. Wo ist der Nosferatu? Antworten sie mir." Integra zog für Sekundenbruchteile die Stirn in Falten. Irgendetwas ... stimmte hier doch nicht. Das war doch nicht Andersen, der Alexander Andersen, den sie bei ihrem ersten Treffen als fanatischen, überheblichen Katholikenpriester kennengelernt hatte. In den funkelnden, grünen Augen ihres Gegenüber war keine einzige, menschliche Regung mehr zu erkennen und wenn es nur die abartige, sadistische Freude daran gewesen wäre, eine 'Ungläubige' derartig in Schach zu halten, wie es Andersen sonst eigen gewesen wäre ... einzig eine eisige Kälte brannte in diesen Augen, eine Dunkelheit, die alles andere verschlang. Das war nicht mehr der Judaspriester, den sie gekannt hatte, der folgsame Lakai des Vatikans, der Untergebene Maxwells' ... In diesem Mann vor ihr gab es nur noch blanken Hass. *Himmel, was ... ist mit ihm passiert?* "Nein, sie sind der, der nicht verstanden hat, Paladin Andersen. Alucard ist nicht mehr hier! Und es liegt nichtmehr in meiner Macht, ihn zurückkommen zu lassen, selbst wenn ich es wollte und selbst wenn sie mich töten würden."antwortete sie jetzt und Walter schritt einen Schritt vor, warnend die Stirn in Falten gezogen, doch Integra brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen, als sie das Erhoffte in den smaragdenen Augen entdeckte. Verwirrung ... und Enttäuschung. Keine Wut mehr, kein Zorn darüber, das der gesuchte Todfeind nicht da war. "Sie wollen garnicht Alucard."stellte sie feste:"Darum geht es nicht, nicht wahr, Paladin Andersen? ... Wen suchen sie?" Die erste Regung in der Mimik des Anderen seit er ihr das Schwert an die Kehle gehalten hatte. Er kniff die Augen zusammen:"Sie sind eine gute Beobachterin, Sir Hellsing ... Aber wie gesagt, ich erteile hier die Befehle und ich stelle auch die Fragen... Also, wo finde ich Alucard, wenn er nicht hier ist und auch nicht kommen wird, wenn sie ihn rufen?" "Das weiß ich nicht."sagte sie wahrheitsgemäß und auf die Reaktionen des Blonden lauernd:"Alucard ist verschwunden ... Wir waren im Begriff ihn suchen zu gehen, als sie aufgetaucht sind." Andersen sah jetzt fast so aus, als wolle er verwirrt die Stirn runzeln, doch er beherrschte sich und fragte stattdessen:"Und ... bedeutet ihnen ihr Leben auch soviel, das sie mir sagen, was der Grund für das Verschwinden des Nosferatu ist?" "Wie kannst du es wagen, mir in meinem eigenen Haus auf so plumpe Weise zu drohen, verfluchter, judäischer Hundesohn?!" Integra kniff die Augen zusammen, Zorn wallte für Sekundenbruchteile in ihr auf, bevor wieder die rationale Seite in ihr gewann, sie maß Andersen mit ihren Blicken und wagte dann einen Schuß in's Blaue. Sie wollte einfach wissen, was hier vor sich ging, was mit dem Judaspriester los war:"So wie es nicht ihre Art ist, sich zu wiederholen, Paladin Andersen, so ist es für gewöhnlich nicht meine, mich einschüchtern zu lassen ... oder Informationen an den Feind weiterzugeben. Aber in diesem Fall will ich Klarheit und die erreiche ich nur auf einem Weg... Der Grund für Alucards' Verschwinden ist unserer Ansicht nach ein Wesen namens 'Gabriel'..." Die erwünschte Reaktion folgte. Andersens' grüne Augen weiteten sich mit Aussprache des Namens und das silberne Schwert sank um ein paar Zentimeter herab, als der Priester einen Schritt rückwärts taumelte. Walter reagierte sofort, warf Integra seine modifizierte Desert Eagle zu und sie packte sie blitzschnell und richtete die Waffe in Verteidigungshaltung auf den Kopf des blonden Mannes:"Sie kennen ihn, diesen Gabriel! Wer ist er?! Andersen! Ist Gabriel der Blutengel, sagen sie schon!!" Die Hand des Blonden krampfte sich um den Griff seines Schwertes, er sah zu Boden und die Brille reflektierte das dumpfe, gelbliche Licht. Der Priester ließ die Frage im Raum schweben und Integra spürte, wie es eiskalt ihren Rücken herablief, als Andersen schließlich wieder aufsah und mehr zu sich selbst sprach als zu den anderen Anwesenden:"Blutengel...? Ja... natürlich... Ich kenne die Geschichte.. Aber das ist unmöglich... Er ist ein Teufel." Die grünen Augen waren so ausdruckslos wie bei einem Katatoniepatienten, alles war von einer unbeschreiblichen Dunkelheit verschlungen, völlig gebrochen worden und diese Schwärze ergriff jetzt wieder Besitz von ihm:"Ein Teufel in Menschengestalt." Integras' Stimme war auf ein Flüstern herabgesunken:"Andersen... Was, zur Hölle ist passiert?" Sekundenlang blickte der blonde Mann sie an, ausdruckslos, mit zitternden Lippen und es schien ihr fast, als würde er mit ihr reden wollen ... dann verhärtete sich der Zug um seinen Mund, wurde bitter und grausam und der Priester hob das Schwert wieder und richtete es gegen ihre Brust. Für einen Augenblick glaubte Integra wirklich, das er auf sie losgehen würde. Ihr Finger krampfte sich um den Abzug der Desert Eagle, die silbrigen Fäden in Walters Händen waren zum Angriff gespannt und Seras ließ einen leisen Schrei verlauten als sie alle den wilden, ungezügelten Ausdruck des Hasses in den grünfunkelnden Augen auflodern sahen... Dann sank das silberne Schwert millimeterweise herab und fiel schließlich klirrend zu Boden. Andersen stand schwer atmend vor ihnen, sah starr in die eisblauen Augen Integras'. Und sie senkte wie in Zeitlupe die Hände mit der Waffe im Anschlag und deutete Seras mit einem Kopfnicken, es ihr gleich zu tun. "Und jetzt... Fangen wir nocheinmal von vorne an, Paladin Andersen." ~oOo~ Der Sturm draußen war stärker geworden, fegte jetzt Blätter und Unrat gegen die hohen Glasscheiben des Flughafenhauptterminals von London Heathrow. Wie Maschinengewehrsalven prallten dicke Regentropfen an das Glas und übertönten so beinahe die leise Musik, die im Hintergrund gespielt wurde. Leutnant Philippe Striker, Mitglied und Soldat des königlich-protestantischen Hellsing-Ordens seit sieben gottverdammten Jahren, starrte in die Dunkelheit draußen, gegen die die wenigen Laternen mit ihrem schummrigen Licht kaum ankamen. "Schwachsinn..."murmelte er dann leise, zündete sich eine Zigarette an und ließ seinen Blick durch die erleuchtete Halle schweifen, in der er und drei weitere Hellsing-soldaten in Zivil standen und 'die Augen aufhielten', so wie man es ihnen von oberster Stelle angeordnet hatte. Als wenn dieser Vampir hier auftauchen würde, so ein Quatsch... Dafür das sie sich immerhin in Heathrow aufhielten, war es verhältnissmäßig ruhig im Ersten der vier Terminals des Flughafens. Nur wenige Menschen saßen auf den Sitzbänken oder in dem Cafè und warteten entweder im Halbschlaf oder mit einem Kaffee bewaffnet auf ihren Flug oder auf ankommende Freunde und Verwandte. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, das es kurz vor vier Uhr morgens war. "Na, nicht einschlafen, Striker."Einer seiner neu zugeteilten Kollegen, ein junger Spund von vielleicht zwanzig Jahren mit dem Namen Bauer, der ursprünglich aus Deutschland vom SEK kam gesellte sich neben ihn und reichte ihm einen Pappbecher mit heißem, schwarzen Kaffee. "Hmm...."Striker brummte, klemmte sich die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Becher. Es schmeckte gräßlich. Eben Flughafengesöff. "Ich frag' mich ja, was wir verbrochen haben, das wir hier die Aufpasser spielen müssen, anstatt mit den Anderen in London die Suchktionen durchzuführen."meinte Bauer dann mit seinem gräßlichen, deutschen Akzent:"Als ob dieser flüchtige Blutsauger hier auftauchen würde ... Außer, er will einen Trip nach Transilvanien machen." Der Ältere unterdrückte energisch den Impuls, seinen Revolver zu zücken und Bauer den Schädel von den Schultern zu schießen. Stattdessen nahm er noch einen Schluck bitteren Kaffe. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ein selbsternannter Witzbold, der über seine eigenen, dämlichen Witze lachte. Er verfluchte bestimmt schon zum siebten Mal in dieser Nacht Fargason, der ihm das hier auf's Auge gedrückt hatte. Striker machte ein paar abweisende Schritte von Bauer weg, nickte unauffällig den anderen beiden Soldaten ihrer Organisation zu, die sich am anderen Ende der Halle aufhielten und nahm noch einen tiefen Zug von der Zigarette. Und im nächsten Moment hätte er sich fast an dem beißenden Rauch verschluckt. Die Gestalt in dem charakteristischen, roten Mantel und Hut, sowie der Sonnenbrille, die gerade durch die automatischen Türen schritt hätte er unter tausenden wiedererkannt. Er hörte, wie Bauer hinter ihm nach dem kleinen Funkgerät in seinem Ohr griff, es aktivierte und etwas hektisches hineinflüsterte und Striker wusste, das das Hauptquartier nun Bescheid bekam und sie in wenigen Minuten mit Verstärkung rechnen konnten. Aber er wusste auch, das Alucard aufgehalten werden musste. Wohin auch immer er zu verschwinden gedachte, wenn er hier am Heathrow-Airport auftauchte. Ihre Instruktionen waren eindeutig, der Hellsing-Vampir war nicht mehr ganz er selbst und unberechenbar. Striker ließ die Zigarette achtlos zu Boden fallen und griff nach seiner mit Silberpatronen geladenen Waffe, die unter dem langen, schwarzen Mantel verborgen gewesen war. Er hatte diesem Blutsauger noch nie über den Weg getraut... Auch wenn er wusste, das er Alucard mit seinen Geschossen nicht töten konnte, sondern nur verletzen und kampfunfähig machen, freute sich Striker dennoch grimmig über die Gelegenheit, dem Vampir zu zeigen, was genau er von ihm hielt. Alucard war eben doch nicht besser als die anderen Untoten, die sie Nacht für Nacht erlegten. Kurz bedachte er die andere Gestalt vor dem hochaufgeschossenen Rotgewandeten mit einem abschätzenden Blick. Dieser trug einen langen, dunklen Mantel, war blass und die schwarzen, schulterlangen Haare verdeckten jeden genauen Blick in sein Gesicht. Striker hatte keine Ahnung, wer er war, aber ohne Zweifel gehörten Alucard und dieser dünne Typ zusammen, wie sie jetzt nebeneinander an einen der Informationsschalter traten und die Flughafenangestellte irgendetwas fragten. Bauer trat neben Striker und flüsterte nocheinmal in das Funkgerät, das nun auf Nahkommunikation eingestellt war und die beiden anderen Hellsing-soldaten kontaktierte, die noch nichts von ihrem Gast bemerkt hatten. Es wurde Zeit zu handeln. "Zugriff!" ~oOo~ "Ich werde keinerlei Informationen preisgeben, Sir Hellsing..."Andersen stand an das Fensterbrett gelehnt, hielt die Arme verschränkt:"Diese ganze Unterredung ihrerseits ist Zeitverschwendung!" "Nun, wenn dem so ist..."Integra wechselte einen kurzen Blick mit Walter, zog dann an ihrer Zigarre und blies den Qualm in Richtung des Priesters:"Dann frage ich mich, warum sie noch hier sind, uns sogar zurück in das Konferenzzimmer gefolgt sind und noch nichts unternommen haben, Alucard im Alleingang zu finden..." Andersen knirschte mit den Zähnen, machte ein abfälliges Geräusch und sah zur Seite. Um die Lippen der blonden Hellsing-Leiterin zuckte auf diese Reaktion hin zum ersten Mal, seit Alucards' Verschwinden wieder ein leichtes Lächeln:"Sie brauchen uns... Weil sie ihn alleine nicht finden. Weder Alucard ... Noch diesen Gabriel. Warum wollen sie ihn?" "Ich sagte schon, das sie das nichts angeht!"fauchte Andersen, er drehte sich herum und sah aus dem großen Panoramafenster in die Dunkelheit. Dabei fuhr er sich mit den Fingern durch die blonden Haare und fischte dann zu Integras Erstauen eine Zigarettenschachtel aus der Manteltasche. Das Metallfeuerzeug klickte leise, als Andersen einen der weißen Stängel anzündete und der weiße Qualm vermischte sich mit dem von Integras' Zigarre. "Alucard befindet sich also - unfreiwillig - bei Gabriel?"fragte er dann, ohne sich umzudrehen. "Das vermuten wir..."antwortete Integra und sie kniff die Augen zusammen:"Aber ich werde ihnen keine Fragen mehr beantworten, ehe sie mir die meinen nicht beantwortet haben, Paladin Andersen! Sie sollten nicht vergessen, wo sie sich befinden! Also wiederhole ich mich: Warum wollen sie Gabriel? Ist er der Blutengel, hat Maxwell das herausgefunden? Die Division Iskariot hat hier in England nichts verloren, Maxwell weiß das! Als ich ihn anrief' habe ich nur um Antworten gebeten, nicht darum, das er mir seinen räudigen Bluthund auf den Hals hetzt!" Andersen schwieg kurz, dann neigte er leicht den Kopf:"Enrico weiß nicht, das ich bei ihnen bin. Er hat damit nichts zu tun ... Ich wusste nichteinmal, das sie ihn bereits von Gabriels' Existenz in Kenntniss gesetzt haben." Integras' Auge weiteten sich und Walter trat einen Schritt vor, sein Gesichtsausdruck trug Verwirrung zur Schau:"Wie bitte? ... Was soll das?" Der Priester drehte sich langsam zu ihnen um und wieder bemerkte Integra den leeren Blick Andersens', diese Dunkelheit in den grünen Augen, die ihr schon in der Halle aufgefallen war. "Das hier... ist meine Sache."sagte er langsam und seine Smaragde fixierten die blonde Frau:"Ich weiß, das mein Verhalten für sie irrational sein mag. Aber weder Enrico noch sie haben damit etwas zu tun, also fragen sie mich nicht mehr nach meinen Gründen, Sir Hellsing ... Es gibt sie, soviel sage ich ihnen. Das muss reichen." Integra zog noch ein letztes Mal an ihrer Zigarre, drückte sie im Aschenbecher auf dem Schreibtisch aus und richtete dann mit einer knappen Bewegung das kleine Silberkreuz, das an ihrem Kragen befestigt war. Dann sah sie wieder auf:"Sie wissen, das ich diese Antwort nicht gelten lassen kann, Paladin Andersen... Dieses Land steht unter dem Schutz des königlich-protestantischen Ritterordens der Hellsings. Ich werde nicht dulden, das sie hier einen persönlichen Kleinkrieg vom Stapel lassen, haben sie mich verstanden?! Mögen ihre ... Gründe auch noch so schwerwiegend sein, es ist mir völlig gleich. Wenn Gabriel der Blutengel ist, dann stehen wir vor einem Problem, einem sehr großen. Er ist gefährlich, und damit meine ich einen Grad der Gefahr, welcher den bei weitem übertrifft, der unseren gewöhnlichen untoten Feinden eigen ist-" "Verstoßen von unserem Herren, weil er die Gebote brach, weil Neid und Missgunst auf die Menschen, Wut und Zorn auf Gottes Geschöpfe sein himmlisches Herz in Asche verwandelten."zitierte Andersen mit leerem Blick und er zog an der weißen Zigarette:"Keine Waffe von Menschenhand ersonnen vermag den zu töten, der auf die Erde verbannt worden ist, um zu bereuen... Ich weiß, wovon wir reden, wenn sie das meinen. Ich habe mich zu spät erinnert. Die Apokryphen des Johannes, ich habe sie einmal gelesen, vor langer Zeit... Ich hielt sie für einen Mythos..." "Sie haben etwas nicht stillschweigend geglaubt, was einmal Bestandteil der Bibel war?"fragte Walter leicht spöttisch:"Und das als katholischer Priester, als Mitglied der 13. Kongregation des Vatikans?" Andersen verzog das Gesicht und sein Ton wurde eine Spur schärfer:"An Gott zu glauben heißt nicht, allem blind zu vertrauen, was von Menschenhand vor Urzeiten niedergeschrieben wurde..." Integra schritt auf den Andersen zu:"Wie auch immer... So wie die Situation im Moment sehe, wollen wir doch beide mehr oder weniger das gleiche, Paladin. Wir wollen diesen Gabriel. Wenn auch unsere Gründe dafür verschiedener Natur sind ... Aber lassen sie es sich nocheinmal gesagt sein, ich werde keinen Judaspriester mit blutdürstenden Klingen durch London streifen lassen um die Stadt zu seinem eigenen, kleinen Kriegsschauplatz zu machen!" Sie stand jetzt direkt vor ihm, hielt ihm mit einer knappen Bewegung den metallenen Aschenbecher unter die Nase. Die grünen Augen zeigten keinerlei Regung, als Andersen die halbe Zigarette ausdrückte, sich aufrecht hinstellte und sie von oben herab ansah:"Ich verstehe... Aber sie wissen genau, das ich ihnen nicht gehorchen muss, Sir Hellsing." Integras eisblaue Augen durchbohrten den blonden Mann:"Das sollten sie aber, wenigstens in dieser Hinsicht, wenn ich ihre zwangfreie, agressionslose Anwesenheit in meinem Hause als Bereitschaft zu einer wie auch immer gearteten Kooperation ansehen möchte... Paladin Andersen. Ich habe nie gesagt, das ich die brauche. So tief würde ich niemals sinken. Aber sie brauchen uns um Gabriel zu finden." Der blonde Mann betrachtete sie kurz schweigend:"Ich habe ihnen nie meine Kooperation angeboten..." Bevor Integra zu einer Antwort ansetzen konnte, wurde die Türe des Konferenzraumes schwungvoll geöffnet, Seras stürmte hinein und ihre roten Augen funkelten ihnen entgegen. "Meister Alucard!"keuchte sie:"Sie haben ihn gefunden! Heathrow Airport, Leutnant Striker und seine Truppe sind dort, Verstärkung ist angefordert! Kommen sie, der Helikopter ist schon bereit!" "Ist er allein?"fragte Integra schnell und Seras schüttelte den Kopf:"Eine Person befindet sich bei ihm, es scheint unser Verdächtiger zu sein!" Integras Blick flog zuerst zu Walter, dann zu Andersen:"Walter, meine Waffe!.... Und sie, Paladin. Ich kann sie nicht davon abhalten, im Alleingang zu gehen, das wissen wir beide. Aber rechnen sie damit, das sie dann von unseren Leuten als der Feind empfangen werden, der sie immer noch sind!" "Sparen sie sich ihre Reden, Sir Hellsing."Andersen trat auf sie zu:"Ich habe keine Möglichkeit, schneller als mit einem Helikopter nach Heathrow zu gelangen..." Integra kniff die Augen zusammen, während sie rasch den Revolver und den Hüftgurt entgegennahm, den Walter ihr reichte:"Ist das jetzt ein Angebot zur Kooperation?" Andersen sah sie mit einem undefinierbaren Blick an:"Nun... wenn sie es so sehen wollen." "Ich warne sie, Paladin Andersen..."Sie entsicherte ihre Waffe:"Wenn sie hier irgendein Theater abziehen, bereuen sie das ... Denn nichteinmal ihre Regeneratorkräfte werden sie retten können, wenn ich das gesamte Magazin meiner Quecksilbergeschosse in ihrem Katholikenschädel versenkte." ~oOo~ Schwarze Wolken. Dunkelheit. Und dahinter ein tosender Sturm aus wispernden Stimmen und brodelnden Emotionen. Blitzen gleich die Bilder, irreal und verzerrt. Ein großes Gebäude aus Glas, Licht und Menschen. Der Geruch ihres Blutes, selbst aus dieser Entfernung wahrzunehmen, das leise Geräusch, wenn es durch ihre Adern pulsiert. Und diese Augen, diese schwarzen Augen, dennen er folgt. Überallhin. "Sie kommen." Die Stimme, die ihm durch Mark und Bein geht, die seine Seele erschüttert, sein eigenes Blut zum Kochen bringt. "Sie wollen dich von mir wegholen... Sie wollen mich angreifen." "Mein Herr..."flüsterte Alucard leise:"Was soll ich tun?" Ein leises Lachen, das sich an sein Ohr schmiegte:"Das, was du am besten kannst... Töte sie!" "Ja, Herr." ~oOo~ Striker hob seine Waffe, als sie kaum mehr drei Meter von Alucard und dem andern, jungen Mann entfernt standen. Er achtete nicht auf die Schreie der Zivilisten um sie herum, als seine Kollegen es ihm gleichtaten, fixierte mit seinen Augen nur den hochgewachsenen Vampir der Hellsings. "Komm freiwillig mit, Alucard!"sagte jetzt Bauer neben ihm mit dem Revolver im Anschlag:"Und allen ist ein Gefallen getan!" Der Vampir sah sie an und kurz fiel Striker das eisige Lächeln des schwarzhaarigen Mannes neben Alucard auf, dann bleckte der Hellsingvampir geifernd seine Zähne. Striker feuerte in dem Moment auf die weiße Stirn, als Alucard wie ein Wolf vorsprang und sich auf sie stürzte. Die Kugel durchbohrte den Vampirschädel, ohne den leichtesten Schaden zu verusachen. Das letzte, was Striker sah, waren die krankhaft weißen Augen Alucards, der im zähnefletschend die Kehle zerriss. ~oOo~ Andersen strich sich durch die blonden Haare, die von dem Kopfhörer in Zaum gehalten wurden. Sein Blick war starr aus einem der kleinen Fenster des Apache gerichtet, beobachtete die Regentropfen, die vom heulenden Wind durch die schwarzgrauen Wolken gepeitscht wurden. Der Sturm, der über dem nächtlichen London tobte schüttelte die Maschine durch und verursachte zusammen mit dem lauten Motorengeräusch einen Höllenlärm in dem zweckentfremdeten Militärhelikopter. Der Priester wusste, das der kritische, lauernde Blick aller Hellsing-mitglieder, die sich ebenfalls in dem Passagierraum befanden, auf ihm ruhten, aber er beachtete sie nicht. Ebensowenig wie den Gedanken an Enrico, der ihn warscheinlich töten würde, wenn er wüsste, wo sich sein bester Mann gerade aufhielt und vor allem mit wem er unterwegs war. Das alles war nicht mehr von Belang. Garnichtsmehr war das. Nur eines, das Blut des Teufels, wenn es an seinen Klingen herablaufen würde... "Wir erreichen in Kürze Heathrow Airport."knarzte es in dem Kopfhörer, Andersen identifizierte die Stimme als die des Piloten. Kurz darauf drückte ebenjener ohne Vorwarnung den Steuerknüppel des Apache hinunter und die Maschine vollführte eine Neigung um 50°, die alle Passagiere in die Sicherheitsgurte drückte. Mit einem protestierenden Motorenheulen, als er in den starken Wind geprügelt wurde, ging der Militärhelikopter nieder. Unter ihnen kam im peitschenden Regen das erleuchtete Glasgebäude von Heathrow in Sichtweite. Die kleine, rothaarige Vampirin, von der Andersen nur wusste, das sie ein Kind Alucards' war und Seras Viktoria hieß, presste sich plötzlich einen Kopfhörer energisch ans' Ohr und ihre Augen flackerten, als sie aufsah:"Sir Hellsing... Die in Heathrow stationierte Truppe um Striker hat soeben einen Notruf an die Verstärkungstruppen um Leutnant Fargason gesendet! Offensichtlich werden sie angegriffen!" Integra verzog keine Miene:"Wer ist der Angreifer?" "... Es ist ... Meister Alucard..."Seras presste die Lippen aufeinander und Andersen sah, wie Integras' Augen flackerten, ihre Hände sich in den Stoff der dunkelgrünen Jacketthose gruben. Der Blick der Frau flog zu ihm und er verstand den stummen Befehl, der darin lag, neigte leicht den Kopf. Nein, dieses Mal war es nicht der Nosferatu, gegen den er kämpfen wollte. Alucard war ihm völlig gleich ... Ob es überhaupt jemals wieder ein nächstes Mal geben würde für ihn, noch eine Zeit des Kampfes nach diesem? Andersen wusste es nicht. Seine Hände schmerzten, als er sie stumm zu Fäusten ballte, seine Fingernägel sich in sein eigenes Fleisch bohrten. Er wollte nicht über die Zukunft nachdenken, nicht jetzt. Jetzt zählte nur noch eines, Gabriel. Er würde ihn töten, wie auch immer er das anzustellen gedachte. Danach war alles Dunkelheit. Holprig setzte der Helikopter auf dem Landeplatz des Daches von Heathrow auf, sie entledigten sich der Sicherheitsgurte und der Kopfhörer und traten ins Freie, wo sie von einigen Beamten des Flughafens empfingen wurden. Regen, Hagel und ein eisiger Wind prasselte auf sie ein und Walter schütze seine Augen mit den Händen, als er sich zu Sir Hellsing umwand:"Leutnant Faragson meldet mir gerade, das sie ebenfalls eingetroffen sind. Alle Zufahrtsstrassen wurden von unseren Mitarbeitern abgeriegelt und für die wenigen Zivilisten in Heathrow stehen Spezialisten bereit. Die Mitarbeiter des Flughafens sind in dem Maße informiert, wie es die Situation erfordert, der Flugverkehr wurde für die Dauer des Zwischenfalls umgeleitet ... Die Öffentlichkeit wird später von einem Terroistenanschlag ausgehen, dafür sorgen unsere Pressestellen." Integra nickte und sie schrie zurück, die einzige Möglichkeit sich bei dem Sturm verständlich zu machen, während sie alle zu der in einen gläsernen Außengang eingelassenen Schiebetüre gingen, der in das Innere des Flughafens führte:"Die Evakuierung muss rasch folgen, wenn die Umstände es erfordern. Ich will keine zivilen Opfer, das kann sich der königlich-protestantische Orden nicht leisten! Ich hoffe, das auch sie das verstanden haben, Paladin Andersen!" Er neigte den Kopf, sagte nichts. Seine grünen Augen scannten die Umgebung, aber in der sturmgepeitschten Dunkelheit war nichts zu erkennen. Die Glasbauten von Heathrow, die um den Helikopterlandeplatz herum in die Höhe ragten waren hell erleuchtet, nichts ließ darauf schließen, das darunter ein Kampf tobte. Dennoch schlugen seine Regeneratorsinne Alarm. Er spürte, das etwas nicht in Ordnung war und als sie in das Innere des Gebäudes traten wurde dieses Gefühl übermächtig. "Ich bin McKarthy, Chef der Flugsicherheit London Heathrow. Die Männer befinden sich im ersten Terminal. Es sind zwei von ihnen und es scheint, als wollten sie zu den Flugzeugen auf der Rollbahn kommen. Unsere Mitarbeiter haben ihnen den Weg abgeschnitten, sie machen von ihren Waffen Gebrauch!"sagte jetzt einer der Sicherheitsbeamten, die sie vorhin empfangen hatten. Der Mann musterte sie nervös, schien mit seinen Nerven am Ende:"Und sie sind sich sicher, das ihre Spezialtruppen diese Kerle stoppen können? Haben sie denn Erfahrung mit solchen Terroristen? Herrgott, ich habe ja schon viel erlebt, aber das hier sprengt alles! Da unten herrscht ein Krieg! Diese Typen sind nicht von dieser Welt!" "Lassen sie das meine Sorge sein."erwiederte Integra knapp:"Sagen sie ihren Leuten, das sie sich zurückziehen sollen. Ab jetzt fällt alles in unseren Bereich." Blitzartige Schüsse, die durch die Wände des Flughafens hallten, ließen sie alle herumfahren und Andersen kniff die Augen zusammen. Es war an der Zeit, ihre Zweckgemeinschaft zu lösen. Der blonde Mann griff nach seinen Schwertern, zog zwei von ihnen heraus, nicht auf das entsetzt Keuchen des Sicherheitsbeamten achtend:"... Danke für den Flug, Sir Hellsing." "Paladin Andersen!"schrie sie ihm aufgebracht nach, doch der Priester reagierte nicht mehr, lief mit gezückten Klingen den Gang entlang, der in den Hauptterminal von Heathrow führte. Seras entsicherte ihre Waffe, wandte sich ebenfalls in die Richtung, in die der Paladin verschwunden war:"Ich werde zu Leutnant Fargason stoßen, Sir Hellsing... " Integra nickte nur, als die junge Vampirin losrannte und sie sah halb zur Seite:"Walter... Wenn es nicht anders geht... Verletz' ihn. Tu alles, um Alucard zu stoppen. Ich weiß zwar nicht warum, aber er ist nicht er selbst." Walter neigte den Kopf:"Natürlich, Mylady." Dann lief auch er los, Seras und Andersen folgend. Integra wandte sich wieder an McKarthy:"... Sie sagten, die beiden Männer wollten zu den Flugzeugen?" "Ja. Einer von ihnen hat bei ihrer Ankunft einen der Informationsmitarbeiter, der sich momentan in Sicherheit befindet nach dem nächsten Flugzeug gefragt, das nach Rom abgeht. Und kurz danach ist da unten die Hölle losgebrochen." "Nach Rom?"murmelte Integra mehr zu sich selbst und sie blickte in den Gang, in den die Anderen verschwunden war:"Der Vatikan..." *Andersen... Weiß er davon? Was will dieser Gabriel in Rom?* ~oOo~ Alucard lächelte boshaft, als die Kugeln der Menschen durch sein Fleisch drangen und mit einer langsamen Bewegung wischte er sich das noch warme Blut vom Kinn, ließ die Leiche dumpf zu Boden fallen. Die Dunkelheit in seinem Inneren war zu einem Sturm angewachsen, der ihn mit sich riß, ein Fauchen und Kreischen, das ihn wahnsinnig machte. Vor Hunger. Er existierte nur noch für den Moment, in dem er seine Fänge in weiche Haut bohren konnte, für die schillernde Extase die ihn hinabstieß in eine Hölle aus Dunkelheit und Lärm, die feurige Nordlichter durch seine untoten Adern jagte. Seine Augen waren wie Nebel, als er sich den verbliebenen Menschen zuwand, die sich wie ängstliche Ratten vor ihm versteckt hatten und unaufhörlich und völlig unsinnigerweise Schüsse abfeuerten. Vor ihm und seinem Herren hatten sie sich versteckt, sein Herr, der hinter ihm stand und ihn lächelnd musterte. Alucard wusste das und kurz glitt sein Blick zu der schwarzgekleideten Gestalt. Gabriel glühte in seinen Augen in einem unwirklichen, schwarzen Licht, war von einer Aura umgeben, die ihn blendete. Sein Herr... Ja, er würde alles für ihn tun, jeden seiner Befehle befolgen. War es nicht immer so gewesen, war es nicht die einzige Bestimmung seiner Existenz, dies zu tun? Er wusste es nicht, wusste nicht, was vor Gabriel gewesen war. Alles davor war Dunkelheit, noch schwärzer als die, die in seinem Inneren wütete. Aber es war auch egal. Alles was jetzt noch wichtig war, stand hinter ihm und wartete darauf, das er den Weg freiräumte. Und er würde dies tun. Sehr zu seinem eigenen Vergnügen. Alucard grinste und bleckte die blutverschmierten Zähne, als er vorwärtssetzte und die Menschen angriff, deren betörender Angstschweiß und das kochende Adrenalin in den so wunderbar lebendigen Adern ihn zu einem reißenden Raubtier degradierte. ~oOo~ Andersen hörte die jämmerlichen Schreie der Sicherheitsleute schon von weitem, reihte sich in die Reihen der Hellsingsoldaten ein, die von einem anderen Gang aus ebenfalls in Richtung Hauptterminal unterwegs waren. Niemand der Soldaten versuchte auch nur, ihn aufzuhalten. Offenbar hatten sie von Sir Hellsing entsprechende Befehle bekommen und irgendwo war der Paladin der blonden Frau dafür dankbar, sich nicht noch mit diesen Menschen herumsschlagen zu müssen. Er hätte jetzt gnadenlos jeden aus dem Weg geräumt, der sich ihm in den Weg zu stellen gedachte. Er wollte nur noch Gabriel. Wahlweise in kleinen Scheiben oder seinen Kopf auf einem Silbertablett. Sie erreichten den ersten Terminal von London Heathrow, eine große, hell erleuchtete Halle aus Glas. Schreie und Schüsse peitschten durch die Luft. Ein kurzer Blick auf die Leichen der in Zivil gekleideten Hellsingmitglieder genügte dem Regenerator. Mehrere Soldaten schossen ihnen gerade Silberkugeln in den Kopf um zu verhindern, das sie als Ghouls wieder auferstehen würden. Bei den Zivilisten, die sich schon verwandelt hatten und sie jetzt mit heiserem Gebrüll in Empfang nahmen war dies schon schwieriger. Doch sein Interesse lag anderswo. Andersen rannte weiter durch die langgestreckte Halle, vorbei an Hellsingmitgliedern, die gegen Untote kämpften und vor Angst zitternden, überlebenden Zivilisten und dann sah er sie endlich. Alucard war von oben bis unten mit einem roten Glanz beschmiert, sah aus, als hätte er sich im Blut seiner Opfer gewälzt, die Hände waren zu Krallen verzerrt, als er die verbliebenen Sicherheitsleute angriff, die nicht den Hauch einer Chance hatten und jetzt verstand Alexander, was Integra mit 'er ist nicht ganz er selbst' gemeint hatte. Dieser Vampir war eine blutrünstige Bestie, mehr ein reißendes, wildes Tier als ein Vampir, kein Vergleich mehr zu dem stolzen Nosferatu, als den er Alucard kennengelernt hatte, sein immer beherrschter, und wie sich Andersen eingestehen musste, respektabler Todfeind. Sein Blick fing die Gestalt, die hinter dem grausigen Szenario stand und für Sekundenbruchteile wäre er fast gestrauchelt, als alle Erinnerungen, die er so erfolgreich verdrängt hatte wie eine Flutwelle über ihn hereinbrachen. Gabriel. Wie ein düsterer Gott stand er da, ihm den Rücken zugewand, sein schwarzer Mantel fiel bis auf den Boden, mutete wie lange, dunkle Flügel an, die hinter den Schultern gefaltet waren. Die schwarzen Haare glänzten im Neonlicht wie der Nachthimmel, unterstrich diese ganze Erscheinung noch, diese mächtige Aura, die den jungen Mann jetzt umwogte wie düstere Wellen aus Unlicht. Ja, das war der Blutengel. Es gab keinen Zweifel mehr. Nicht für ihn, Alexander Andersen, der erlebt hatte, wie grausam dieses Wesen sein konnte, der die Ewigkeit in den schwarzen Augen gesehen hatte, diese Zeitlosigkeit, die etwas in ihm für immer verbrannt hatte. Die Leere, die von Andersen Besitz ergriffen hatte wurde plötzlich verdrängt, als Wut und Hass in ihm aufloderten wie brüllende Feuerwalzen. Rache. Das war alles, woran er noch denken konnte. Seine Klingen sangen ein blutdürstendes Lied, als er den letzten Abstand überwand und im Laufen ausholte, auf den Nacken Gabriels' zielte. Mitten in der Bewegung schien die Zeit plötzlich einzufrieren. Wie in Zeitlupe sah er, das Gabriel seinen hübschen Kopf wand, sah das Profil, wie aus Elfenbein geschnitzt, die spöttischen Augen, die ihm entgegenblitzen, ohne das der junge Mann sich rührte. *Er wusste, das ich da bin... Die ganze Zeit.* Dieser Gedanke durchzuckte den Paladin, dann war der Sekundenbruchteil vorbei. Und Andersen zog das Schwert durch. Es zerfetzte die pure Luft, als Gabriel sich schneller zur Seite wand und der gesegneten Klinge auswich, als seine menschlichen Augen ihm folgen konnten. "Ah, mein kleiner Priester..."hörte er ihn lachen:"Ich habe mich schon gefragt, wann wir uns endlich wiedersehen. Hast du mich vermisst?" In Andersens' grünen Augen loderte der Hass, als er dem schwarzhaarigen Mann nachsetzte, der ohne große, sichtbare Anstrengungen vor ihm zurückwich, aber er sagte keinen Ton, keine Worte, nichteinmal ein wütender Schrei hätte den Zorn ausdrücken können, der den Paladin in diesem Moment von innen heraus zerfraß, als er seinen Peiniger durch die von Schüssen erfüllte Halle trieb. Doch Gabriel spielte mit ihm, wie eine Katze mit einer Maus und Andersen wusste das. Mit einem verzweifelten, wütenden Schlag streckte er nocheinmal sein Schwert nieder und dieses Mal wich Gabriel ihm nicht aus. Andersen sah ihn grinsen, dieses widerliche Lächeln, das er nur zu gut kannte, in dem Moment als die Klinge auf ihn niedersauste. Und mit einem knirschenden Geräusch aufgehalten wurde, als sie mit Alucards vorgestrecktem Unterarm kollidierte, das untote Fleisch zerschnitt und im Knochen steckenblieb. Grüne Smaragde fraßen sich in blendendes Weiß, als Alucard den Paladin anstarrte und leise mit einer unnatürlich verzerrten Stimme zischte:"Lass' meinen Herren in Frieden..." Andersen hatte nicht genügend Zeit, diese Worte zu verarbeiten und zu verstehen, als schon die ersten Kugeln an seinem Kopf vorbeizischten und sich in die Schultern des Hellsingvampirs bohrten. Der lachte nur auf, stieß Andersen mit unmenschlicher Kraft zurück und attakierte den Paladin mit einem tierischen Schrei. Andersen riß seine Schwerter hoch, fühlte wie seine Regeneratorkräfte in ihm aufwallten und mit einem fauchenden Rascheln stoben die Seiten der heiligen Schrift, die vampirischen Bannsiegel aus seinem Mantel, wirbelten durch die Luft und um den kämpfenden Paladin und den rasenden Vampir wie ein wildgewordener Tornado. Alucard schien es nicht zu stören, ebensowenig wie die Schreie der Hellsingsoldaten, die immernoch versuchten, ihn mit ihren Silberkugeln zu verwunden. Als ob sie nicht wüssten, wie sinnlos das bei diesem Untoten war. Doch auch seine Schwerter schienen Alucard nichts auszumachen. Von mehreren Klingen durchbohrt kämpfte er immer noch wie ein Tier gegen den Regenerator, der sich vehement zur Wehr setzte. *Alucard... Was ist los mit dir?* Die zwischen seinen Schwertern durchblitzenden Augen, irritierenderweise völlig weiß ohne die Spur einer Iris oder Pupille, waren in Wahnsinn getränkt. Die schmalen Lippen zu einem grotesken Grinsen verzerrt. Nichts war mehr übrig von dem Vampir der Hellsings, den er gekannt hatte. Es musste etwas mit Gabriel zu tun haben. Herr... warum hatte Alucard dieses Monster Herr genannt? Andersen hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Alucard war immer schon ein würdiger Gegner für ihn gewesen, auch wenn sich der Paladin das nicht gerne eingestand, aber jetzt schien er über noch größere Kräfte zu verfügen als jemals bisher. Ob das auch an Gabriel lag? Der Vampir schlug die Schwerter zur Seite, als er einen erneuten Angriff startete, packte Andersen an den Schultern und warf ihn mit einem irren Lachen quer durch die Halle. Alexander drehte sich im Fallen, landete krachend auf seinen Knien. Eine Welle gesegneter Klingen stob mit einem Zischen aus der Richtung des Paladins, pfählte Alucard gnadenlos, der ihm schon nachgesetzt hatte und ihn anfiel wie ein gigantischer Panther seine Beute. Der Vampir wurde zurückgeworfen und Andersen sprang auf die Beine, setzte mit gezogenen Klingen vor, nur um sofort in den vorgehaltenen Lauf einer Casull 454 zu blicken. Für die Dauer eines Wimpernschlages sah er das wahnsinnige Grinsen im Gesicht des Vampirs, ein überschnappendes, rötliches Flackern in den blassen Augen und plötzlich verzog sich dieses Lächeln zu einer gequälten Mimik voll Schmerz, ein leises Flüstern, das nur Alexander verstehen konnte:"Judaspriester... Hilf' mir!" Dann feuerte Alucard. Die Kugel durchschlug Andersens Stirn, weißglühender Schmerz explodierte in seinem Kopf, als das große Geschoss seinen Schädel spaltete und sich in sein Gehirn bohrte. Die Wucht des Schusses warf ihn mit Gewalt rückwärts, hart schlug er auf und rutschte über den von Blut glitschigen Boden. Sekundenlang war er wie taub, blind, ohne jedes Gefühl, dann spürte er wie die normalerweise tödliche Wunde geheilt wurde. Wie es immer war. Doch Alucard war schneller, stand über ihm und richtete die Waffe wieder auf seinen Kopf. Raschelnd fielen die Blätter der gesegneten Schrift um sie herum zu Boden, als Andersen seine ganze Kraft darauf konzentrierte, seine Wunde zu heilen. "Nosferatu... "Alexander sah in die Augen des Vampirs. Der Wahnsinn hatte wieder Einzug gehalten, das merkwürdige, trübe Funkeln, das diese sonst feurigen Rubine in fahle Nebelfelder verwandelte. "Töte ihn nicht zu schnell, Vampir... Mach es langsam und schmerzhaft. Es wäre eine Verschwendung, wenn der Schmerz in diesen hübschen, grünen Augen zu schnell erlischt."erklang eine Stimme hinter ihnen und Andersen brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, das es Gabriel war, der da sprach und ihn böse lächelnd musterte. Diese Stimme hätte er unter tausenden wiedererkannt. Alucard grinste wie ein Wahnsinniger, dann hob er die Waffe noch ein Stück und sein Finger krümmte sich um den Abzug. Und dann schoß jemand. Ein dumpfer Schuß, als würden zwei große Bleiplatten aneinanderschlagen, ganz anders als das helle Peitschen der Hellsingdienstrevolver, die die ganze Zeit zu hören gewesen waren. Alucard keuchte auf, als er zur Seite torkelte, sich die Hand auf die Brust presste. Jetzt erkannte Andersen hinter dem Hellsingvampir Walter C. Dolneaz stehen. Mit der schwarzen Jackal Alucards' in den erhobenen Händen zielte er nun auf Gabriel und schien erhebliche Mühe zu haben, die schwere Waffe aufrecht zu halten. "Lass' Alucard gehen. Und dann ergib' dich."sagte der Mann ganz ruhig, aber seine schwarzen Augen bohrten sich in die des jungen Mannes, der eine der gesegneten Klingen Andersens aufgehoben hatte und interessiert musterte Gabriel sah ihn für Sekunden mit einem undefinierbaren Ausdruck an und ignorierte die um seine Gestalt zischenden Kugel, dann lächelte er. Aber ein Lächeln, das die Sonne dazu gebracht hätte, zu einem gigantischen Eisblock zu gefrieren. "Und was tust du, wenn ich mich weigere... Alter Mann?" "Dann töte ich dich." Gabriels' Lächeln wurde bestialisch:"Mich töten? Ihr könnt mich nicht töten, ihr verfluchten Sterblichen ... Ihr seid nichts weiter als unreiner Schmutz, der sich die Krönung einer jämmerlichen Schöpfung schimpft, die Kakerlaken eines anmaßenden Gottes, der auf euch herabblickt und sich an eurem Leid ergötzt, an eurem sinnlosen Herumgekrieche auf diesem toten Erdball, daran wie ihr euch gegenseitig abschlachtet. Nein, du kannst mich nicht töten, keiner von euch und jeder der es versucht wird eines qualvollen Todes sterben, der ihn zurück zu diesem abartigen Gott bringt, aus dessen Eingeweiden er dereinst gekrochen kam..." "Du redest zuviel."sagte plötzlich eine andere Stimme und als sie zur Seite sahen stand dort Seras Viktoria, ihre Harkonnen im Anschlag und neben ihr Fargason, der Gabriel kalt musterte:"Stirb', du Scheusal!" Die roten Augen der jungen Vampirin glühten rachsüchtig auf, als sie schoß und der Knall der Waffe hallte in dem Terminal wieder, zeitgleich mit dem Schuß, den Walter aus der Jackal abfeuerte. Andersen war binnen Sekunden wieder auf den Beinen, seine Schwerter kampfbereit in den Händen und sah auf die Rauchwolke, die eben noch Gabriel gewesen war. Alucard neben ihm schwankte wie in einem schweren Wind und Seras ließ ihre Waffe fallen und wollte auf ihn zulaufen, doch der Paladin hielt ihr ein Schwert an die Kehle, das andere auf den Hellsingvampir gerichtet, falls der ihn wieder angreifen würde:"Bleib' stehen." Der Lärm um sie herum legte sich etwas. Die Hellsingsoldaten hatten den Terminal unter Kontrolle, die meisten der Ghouls waren vernichtet. Aber die vier Kämpfer in der Mitte starrten immernoch auf die schwelende Rauchwolke. "Ein netter Versuch."klang plötzlich eine Stimme von der Decke und alle Blicke flogen in die Höhe. Gabriel schwebte vier Meter über ihren Köpfen wie an unsichbaren Seile aufgehangen. Er lächelte und seine dunklen Obsidiane fixierten Seras:"Aber nicht gut genug..." Bei diesen Worten kam plötzlich ein Wind wie aus dem Nichts auf, eine Druckwelle, die alle Anwesenden, Menschen wie Vampire von den Beinen fegten. Gabriels Mantel wogte hinter ihm wie gigantische, gespreizte Raubvogelschwingen in der Luft, schwarze Schlangenaugen glühten in einem unheimlichen Licht auf. „Kleine, junge, dumme Vampirin. Hat dir denn niemand gesagt, das man sich aus den Angelegenheiten von Erwachsenen rauszuhalten hat?“Gabriels Stimme war ein Fauchen über dem Wind:“Vielleicht muss ich es dir erst beibringen…“ Mit diesem Worten hob er das Bajonett Andersens, der Wind um sie herum wurde noch tosender, die schwarze Gestalt Gabriels flackerte und schimmerte wie unwirklich und dennoch sah Andersen, das er Seras mit seinen Schlangenaugen fixierte. *Er wird sie töten!* Für Sekundenbruchteile erfüllte den Paladin eine tiefe Verwunderung darüber, das ihn diese Gewissheit so aufwühlte. Sie war nur eine Nosferatu, eine, die er selbst bereits mehr als einmal hatte töten wollen. Aber es war Gabriel, der es jetzt beabsichtigte, diese Kreatur, dieses Monster… Er hatte kein Recht dazu. Seine grünen Augen flogen zur Seite. Alucard. Sie war sein Kind. Der Hellsingvampir stand als einziger von ihnen noch aufrecht, hielt sich die Schulter mit der gewaltigen Wunde, die die Jackal geschlagen hatte. Seine fahlen Augen blickten verwirrt zu dem Wesen empor, das er vor kurzem noch ‚Herr‘ genannt hatte. *Judaspriester… Hilf mir!* *Alucard!* Er schrie den Namen in Gedanken. Und der Nosferatu sah ihn an, blickte ihn direkt an mit diesen Nebelaugen. *Erinner dich! Ich weiß, das du es kannst! Du warst vorhin bei mir, du warst es!*Der Priester wusste nicht, ob Alucard ihn überhaupt hören konnte, seine Gedanken hören konnte. Es war ihm egal. *Erinner dich, du gottverdammter, neunmal verfluchter Nosferatu oder ich prügel dich durch das Fegefeuer bis in den tiefsten Kreis der Hölle und werfe dich höchstpersönlich in Luzifers Rachen!* Im nächsten Moment flammten Alucards Augen auf. Gleißend rot, wie zwei explodierende Sonnen. Der Vampir schaute ihn immernoch an und Andersen wusste, jetzt sah er ihn wirklich. Alucard grinste, sein altbekanntes, spöttisches Lächeln. *Angel Dust… Diese liebenswürdige Art erkenne ich doch unter Tausenden.* Und dann ging auf einmal alles ganz schnell, zu schnell, um es genau zu sehen. Seras neben ihm schrie auf, als Gabriel abwärts stieß wie ein gigantischer Greifvogel. Alucards Körper zerbarst in schwarzen Schatten, gespickt mit unzähligen, rotfunkelnden Augen, die sich auf den Engel stürzten. Ein widerliches Knirschen von Metall auf Metall, der Wind implodierte regelrecht um sie herum. Und dann … war alles still. Als Andersen aufsah, stockte ihm fast der Atem. Alucard stand halb über Seras, schützte sie mit seinem Körper, in seiner hoch erhobenen Hand die Casull 454, die mit seinem Bajonett in Gabriels Händen kollidiert war und den tödlichen Schlag aufgehalten hatte. Und darüber… schwebte Gabriel in der Luft wie ein unheilvoller Schatten. Sie starrten sich in die Augen, glühende Rubine und schwarzes Obsidian. Alucard lächelte nicht mehr:"Niemand tut meiner kleinen Polizistin etwas an. Niemand, du Bastard!" Und mit diesen Worten stieß er den Kleineren zurück. Gabriel landete ohne weiteres auf seinen Beinen, das Schwert fiel klirrend zu Boden. Seine schwarzen Schlangenaugen musterten Alucard verwirrt, fast neugierig, dann verzog sich sein schönes Gesicht zu einem bösartigen, grausamen Lächeln. „Ich hatte recht. Du bist etwas besonderes … Vampirfürst. Kein einziger von euch hat bis jetzt das geschafft, was du gerade getan hast…“ „Wirklich… Interessant. Du kannst dich ja in der Hölle weiter darüber wundern.“knurrte Alucard sarkastisch und hob seine Waffe, zielte auf den Kopf des Engels. "Meister..."sagte Seras leise, sie sah zu der blutverschmierten Gestalt über ihr auf und Tränen füllten ihre roten Augen, glitten über ihre Wangen. Er war wieder da. Endlich. Andersen trat neben Alucard und fixierte Gabriel mit einem vor Hass gleißenden Blick, hob seine Schwerter auf Kampfhöhe:"Lass es uns zuende bringen..." Gabriel musterte ihn und den Vampir, wie sie dort nebeneinander standen, dann blieb sein amüsiertes Grinsen an dem Paladin hängen:"Nein... Ein andermal bestimmt, Priester. Ich habe keine Zeit für euch ... Auf bald." Sie alle begriffen in dem Moment die Worte, als sich die schwarze Gestalt in durchsichtig schimmernde Luft auflöste, das kalte Lächeln vor ihren Augen verschwand. "NEIN! Bleib hier, du Monster!"schrie Andersen hasserfüllt, er setzte vor und zog die Klingen durch, aber es war schon zu spät. Gabriel war verschwunden. Sekundenlang sagte niemand etwas. Dann drehte Alucard sich um, kniete herab und sah Seras in die glänzenden Augen. Langsam hob er eine Hand und legte sie auf die tränenüberströmte Wange, sagte kein einziges Wort. "Meister..."schluchzte sie leise, zitterte am ganzen Leib. Alucard lächelte ganz leicht, dann umfasste er die schmale, junge Frau mit einem Arm und drückte sie an sich, hauchte gegen ihre Stirn:"Kleine Seras... Ist schon gut." Seras schluchzte und vergrub ihr Gesicht in dem roten Mantel, klammerte sich an den großen Mann, als habe sie Angst, er würde wieder verschwinden. Alucard sah auf, in das Gesicht von Walter, der immernoch die Jackal in den Händen hielt. "Es ist noch lange nicht vorbei..." Walter neigte den Kopf:"Ich weiß." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)