Manchmal braucht die Liebe einen zweiten Versuch von Wo_Ai_Ni (...geht weiter) ================================================================================ Kapitel 37: Angeklagt --------------------- Es war der 24. Dezember, Heilig Abend. Ein einsamer Weihnachtsbaum zierte das Wohnzimmer der Familie Chan. Plötzlich betrat ein Berg Kisten mit Füßen den Raum. „Wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht trotzdem ein schönes Weihnachtsfest hin bekommen“ flüsterte Ho Tsung Chan vor sich hin. Er stellte den Kistenberg zu Boden, und begann damit, die erste Kiste zu öffnen. Sie enthielt rote und goldene Weihnachtskugeln, die er sorgsam an die Tannenzweige hängte. Zwei Wochen waren nach dem Ereignis, das das Leben von Ho Tsung Chan und seiner Tochter verändert hat, vergangen.Man hatte die Notwehrsituation der Tat erkannt und die verstörte Chinesin wieder freigelassen. Seit diesem Ereignis war Fu äußerst schweigsam und zurückgezogen geworden. Niemandem teilte sie ihre Gedanken mit. Nun stand das lang erwartete Weihnachtsfest vor der Tür, zu welchem auch Ming Li eingeladen war. Doch Ho Tsung hatte jeglichen Verwandtenbesuch abgesagt. Er wollte seiner Tochter nichts zumuten. Im Gegensatz zu allen anderen hatte er seine Tochter nie nach dem Ereignis befragt. Er selbst hatte es nur von der Polizei erfahren. Ho Tsung hoffte seine Tochter durch ein gemütliches Weihnachtsfest aus der Depression zu holen. Er kannte ihre Gedanken nicht, aber er glaubte zu wissen, was in ihr vorging. Schließlich hatte er den Weihnachtsbaum fertig geschmückt, ein kleines, gemütliches Abendessen, bestehend aus gebratenem Schweinefleisch mit Erdnusssoße und frittierten Eis, gezaubert und suchte seine Tochter nun in deren Zimmer auf. Vorsichtig klopfte er an die Tür. „Fu, möchtest du nach unten kommen?“ Er erhielt jedoch keine Antwort, sodass er langsam die Tür öffnete und herein trat. Seine Tochter saß mit angezogenen Knien unter ihrem Fenster. Sie schaute nicht auf. Ho Tsung setzte sich auf ihr Bett und sah eine Weile aus dem Fenster. Plötzlich fiel ihm eine Geschichte ein. „Weißt du noch, unser letztes Weihnachten in Amerika. Du wolltest unbedingt so feiern, wie deine Freundinnen. Deshalb haben wir einen Weihnachtsmann mit Schlitten besorgt und wollten ihn auf dem Dach befestigen.“ Er schwieg kurz, doch seine Tochter sah nicht auf. „Er war ständig schief. Über zwei Stunden beschäftigte uns diese Sache. Dann hatten wir ihn endlich sicher festgebunden...dachten wir zumindest. Wir haben Weihnachtsgans gegessen und uns einen amerikanischen Weihnachtsfilm angesehen, als es plötzlich laut knallte. Da hast du plötzlich aufgeschrieen „Oh nein, der Weihnachtsmann ist explodiert“. Wir sind hinaus gegangen und da lag unser Santa Claus kaputt im Schnee. Du hast schrecklich geheult, also hab ich mir etwas ausgedacht. Als du versuchtest den Weihnachtsmann wieder aufzurichten, bin ich ins Haus und habe die Geschenke unter dem Baum versteckt. Ich habe dir gesagt, der Weihnachtsmann sei heruntergefallen, weil gerade der echte Weihnachtsmann die Geschenke durch den Kamin geworfen hat. Da war deine Welt wieder in Ordnung, erinnerst du dich?“ „Paps, ich hab jemanden getötet.“ Erschrocken blickte Ho Tsung seine Tochter an. Er hatte mit keiner Reaktion gerechnet und musste das eben gesagte erst einmal begreifen. „Ich hab das Leben eines Menschen einfach so beendet“ sprach sie weiter. Ho Tsung wusste, dass sie nicht ewig schweigen und sich zurückziehen konnte, und nun war wohl der Zeitpunkt da, da sie das Geschehene verarbeiten musste. „Möchtest du darüber reden?“ „Was gibt es da zu reden? Ich bin eine Mörderin.“ „Du weißt, dass das nicht wahr ist. Du hattest keine Wahl, und ich verspreche dir, du wirst nie wieder in eine solche Situation geraten. Ich passe auf dich auf.“ Ho Tsung setzte sich neben seine Tochter. „Was soll ich denn jetzt tun?“ „Lass uns hinunter gehen. Wir werden eine Möglichkeit finden.“ Fu zweifelte einen kurzen Moment, ging dann dennoch mit ihrem Vater nach unten. Sie redeten. Fu erzählte alles, was geschehen war und ihr Vater hörte ihr zu. Seit langer Zeit hatten Vater und Tochter kein so enges Verhältnis mehr. Weihnachten ging vorüber und auch das neue Jahr kam schneller als erwartet. Doch es war noch nicht ausgestanden. „Sie wissen, dass es sich um Notwehr handelt?“ „Ja, das ist mir bewusst. Roqueraltiques wird sich damit aber nicht zufrieden geben. Er wird uns ganz Frankreich auf den Hals hetzen. So Leid es mir für das Mädchen tut, wir müssen sie verurteilen.“ „Das können Sie nicht tun. Es gibt mehr als genug Beweise für Notwehr.“ Angeregt diskutierten die beiden Männer in schwarzen Mänteln. Einer von Ihnen war klein, trug einen Schnauzbart und sprach mit einem englischen Akzent. Der andere war etwas größer, hatte eine Glatze und eine dunkle Sonnenbrille. „Dann müssen wir die Beweise eben manipulieren. Ich will, dass Sie das Mädchen für mich auseinander nehmen. Wer sind ihre Freunde, was sind ihre Hobbys, einfach alles. Irgendwo müssen wir etwas finden, was für eine Verurteilung reicht“ forderte der Kleine. „Sie glauben wirklich, dass Roqueraltiques eine solche Macht besitzt?“ Der Größere zweifelte. „Wenn wir nicht wollen, dass Roqueraltiques in unser Rechtssystem einwirkt, müssen wir das Mädchen opfern. Aber denken Sie einmal nach. Wenn wir sie nicht verurteilen, können Sie sich gewiss sein, dass Roqueraltiques Leute sich darum kümmern, und Sie wissen was ich meine.“ „Ich verstehe. Gut ich werde recherchieren.“ Damit wandte sich der Größere zum Gehen. „Einen Moment noch, Koyama. Diese Unterhaltung hat niemals stattgefunden, verstanden?“ „Natürlich.“ Nachdem Fu Gérard Roqueraltiques in Notwehr getötet hatte, wurde sie sogleich verhaftet. Doch bereits am selben Tag ließ man sie wieder frei, nachdem die Polizei unweigerlich die Notwehrsituation festlegte. Doch so plötzlich und unerwartet diese Situation und die Veränderungen begonnen hatte, mit einer Geschwindigkeit, die man nie erwartet hätte, so unerwartet und gravierend würden sie auch weiter gehen. Denn Hector Roqueraltiques war äußerst ungehalten aufgrund des Schicksals seines Sohnes, und wollte sich am Liebsten selbst darum kümmern. Doch die japanische Polizei war alarmiert. Bevor Roqueraltiques und seine dubiosen Handlanger ein Chaos an Selbstjustiz und Rechtslosigkeit anrichteten und sich womöglich noch Interpol in die Angelegenheiten einmischte, beauftragten sie einen Spezialisten des Geheimdienstes, der die Angelegenheit regeln sollte. Edward Garp, ein Brite der vor Jahren nach Japan ausgewandert war. Er sollte die Beweise manipulieren und für eine Verurteilung Fu Chans sorgen. Die nationale Sicherheit und die Beziehungen zu Frankreich sollten nicht an dem Schicksal einer Person scheitern. Schließlich wurde Fu erneut festgenommen und verhört. Koyama, der Informant von Garp hatte anscheinend ein Detail entdeckt, welches manipuliert zu einer Verurteilung Fus beitrug. Wenige Wochen später begann der Prozess. „Habt ihr schon gehört? Diese Fu Chan soll jemanden umgebracht haben. Die war doch aus der Parallelklasse, oder?“ „Kann ich mir gar nicht vorstellen. Die wirkte doch immer so harmlos.“ „Wie sagt man doch so schön? Stille Wasser sind tief.“ Die Schüler der Domino Oberschule beschäftigte kein anderes Thema mehr, als dass eine der Ihren als Mörderin verurteilt werden sollte. Auch an Yugi und den anderen ging dies nicht spurlos vorbei. „Was haltet ihr von den Vorwürfen?“ fragte Tristan nachdenklich. „Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen. Außerdem war es denn nicht anfangs Notwehr? Ich glaube, da ist irgendwas im Busch“ meinte Téa. „Natürlich. Immerhin war das doch der Sohn so eines hohen Tieres aus Frankreich. Ist doch klar, dass sie Fu nicht so einfach davonkommen lassen“ ergänzte Joey. „Hoffentlich kommt sie da irgendwie wieder raus. Wir können zwar als ihre Freunde für sie aussagen, aber mehr können wir auch nicht tun.“ Yugi traf den Nagel auf den Kopf. Gegen die Justiz war schwerlich anzukommen. „Hey, Seto. Hast du auch schon davon gehört, dass man Fu angeklagt hat diesen Gérard Roqueraltiques getötet zu haben?“ Mokuba war gerade in das Büro seines Bruders gekommen. Erst seit gestern wurde der Fall in den Medien behandelt. Seto blickte nur einen Moment auf. In der Tat hatte er noch nichts davon gehört. Er interessierte sich generell nur für die wirtschaftlichen Nachrichten, alles andere war ihm ziemlich gleichgültig. Er antwortete darauf auch nichts, obwohl er sich doch etwas wunderte. „Was hältst du davon? Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass da etwas dran ist.“ „Eigentlich interessiert mich das recht wenig, Mokuba.“ Mokuba seufzte kurz, eh er das Büro seines Bruders wieder verließ. Ohne weitere Störungen arbeitete Seto Kaiba weiter. Unterdessen befanden sich zwei Personen in ganz eigener Sache auf dem Weg zur Kaiba Corporation. Wenig später traten eine Dame in einem roten Rock und rotem Blazer, sowie der kleine Mann mit Schnauzbart die Eingangshalle der Kaiba Corporation und gingen auf die Empfangsdame zu. „Guten Tag, womit kann ich Ihnen dienen?“ „Wir müssen dringend Herrn Kaiba sprechen, die Angelegenheit duldet keinen Aufschub“ meinte die Dame. „Es tut mir Leid, aber Herr Kaiba ist den ganzen Tag nicht zu sprechen.“ „Nun, dann wird er sich die Zeit nehmen müssen.“ Damit begaben sich die beiden unaufhaltsam zu den Fahrstühlen. Kaiba, der seelenruhig weiter arbeitete, ahnte noch nichts von dem baldigen Besuch. Plötzlich jedoch klopfte es an der Tür. „Ich hatte doch gesagt, dass ich heute nicht zu sprechen bin.“ Kaiba war nicht gerade erfreut über die Störung, da öffnete sich jedoch bereits die Tür. „Ich fürchte, diese Zeit müssen Sie sich nehmen“ meinte der Mann und schloss die Tür wieder. „Und wer sind Sie?“ Kaiba war sichtlich genervt. „Mein Name ist Michiko Shino und das hier ist Edward Garp. Wir ermitteln im Fall von Frau Fu Chan.“ Seto verstand nicht, was diese beiden Personen von ihm wollten, doch ehe er sie hinauswerfen konnten, fing Frau Shino erneut an. „Ich arbeite für die Staatsanwaltschaft im Fall von Frau Chan. Sie haben sicher in den Nachrichten davon gehört. Nun, ich mache es kurz, in welcher Beziehung stehen oder standen Sie zu Frau Chan?“ „Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir wollen“ gab Seto zur Antwort. „Sie brauchen uns keine Unwissenheit vortäuschen, wir wissen aus zuverlässigen Quellen, dass sie durchaus in einer Beziehung zu Frau Chan standen, ebenfalls jedoch auch in Angelegenheit mit der Familie Roqueraltiques. Nun, und da wir seit Wochen verzweifelt nach dem Verbindungsstück zwischen der Täterin und dem Opfer suchen, blieb uns einzig Ihre Person.“ „Ich habe leider immer noch keine Ahnung, weswegen Sie hier sind. Und deswegen werden Sie nun auch auf der Stelle mein Büro verlassen.“ „Sie wissen, dass Frau Chan Herrn Gérard Roqueraltiques getötet hat, auf einem verlassenen Weg außerhalb der Stadt, seltsamerweise ohne jegliche Zeugen. Zwar ging man anfangs von einer Notwehrsituation aus, doch seltsamerweise fand man die Fingerabdrücke von Herrn Roqueraltiques nur an der Klinge der Mordwaffe. Bisher ergaben unsere Ermittlungen kein Ergebnis, weswegen Frau Chan Herrn Roqueraltiques hatte töten sollen, bis uns der Weg zu Ihnen führte. Wir wissen nun, dass Frau Chan ein intimes Verhältnis zu Ihnen führt, und sie zufälligerweise mit der Firma Roqueraltiques zu kämpfen haben, da diese seit geraumer Zeit versucht Anteile an Ihrer Firma zu erwerben“ führte Garp unmissverständlich aus. „Was Sie da sagen ist völliger Unsinn“ antwortete Kaiba entrüstet. Er konnte noch nicht richtig glauben, was ihm diese Vermittler versuchten anzuhängen. „Ach ja? Ich sage Ihnen wie es war. Sie wussten genau, wie sehr Frau Chan an Ihnen hängt und nutzten Ihre Treue schamlos aus. Sie beauftragten sie womöglich Gérard Roqueraltiques zuerst zu verführen und ihn so an einen einsamen Ort zu bringen, und anschließend sollte sie ihn töten. Sie wussten, dass sein Sohn Hector Roqueraltiques Schwäche ist, so wollten Sie Herrn Roqueraltiques loswerden.“ „Sie wissen, dass das an den Haaren herbeigezogen ist, und wenn Sie Ihre Anschuldigungen nicht sofort zurücknehmen, werde ich rechtliche Schritte wegen Verleumdung gegen Sie einleiten“ Kaiba war nun völlig ungehalten. Es war ihm unbegreiflich auf welch schamlose Art und Weise man versuchte ihn in diese Angelegenheit hineinzuziehen. „Bitte, meine Herren, beherrschen Sie sich. Nun, bisher sind das nur Vermutungen. Wir bitten Sie jedoch, Herr Kaiba, auf die Ladung zum Zeugen einzugehen. Wir alle sind doch an der Findung der Wahrheit interessiert, nicht wahr?“ Frau Shino versuchte die Situation zu entschärfen. Der Staatsanwältin war nicht klar, welch perfides Spiel hinter alldem steckte. Die Tür des großen Verhandlungsraumes öffnete sich und der Richter mit seinen Beratern betrat den Raum. Die Verhandlung wurde ohne Zuschauer abgehalten. Fu war eine Pflichtverteidigerin zugewiesen worden, nicht sehr erfahren, frisch von der Uni. Fu hatte längst begriffen, dass dies alles nur dazu diente, sie zu verurteilen. Egal, wie es wirklich gewesen war, die Roqueraltiques waren eine zu bekannte und angesehene Familie, als dass man eine solche Tat ungesühnt lassen könnte, geschweige denn veröffentlichen, dass Roqueraltiques selbst eine Straftat begangen hatte, und noch schlimmeres begehen wollte. Zwar hatte ihr Vater alles versucht, was in seiner Macht stand, doch viel hatte er nicht erreicht. Fu war sich bewusst, dass es keine Möglichkeit geben würde, sie hatte längst resigniert. Doch inwieweit die Ermittler die Wahrheit verdreht hatten, war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Schließlich begann die Verhandlung. „Ich bitte die Angeklagte in den Zeugenstand“ begann der Richter, ein Mann mittleren Alters mit leicht ergrauten Schläfen und modischer Brille. „Ihr Name ist Fu Chan, sind 18 Jahre alt und gebürtige Chinesin. Sind die Angaben alle korrekt?“ „Ja“ antwortete Fu monoton. „Gut, dann berichten Sie uns doch bitte, was an jenem Abend geschehen ist?“ „Sie kennen doch alle meine Aussage. Warum sollte ich sie wiederholen?“ Ausdruckslos schaute Fu zu Boden. Sie sah keinen Grund, sich weiter zu verteidigen, da es in ihren Augen sinnlos schien. „Sie bleiben also bei dieser Geschichte?“ fragte nun der Staatsanwalt, ein junger, robuster Mann mit scheinbar vorgefertigter Meinung. „Ich wüsste nicht, was ich sonst sagen soll.“ „Na schön, dann werde ich Ihnen einmal auf die Sprünge helfen.“ Fu sah dem Mann in die Augen. Sie wusste, alles was nun kommen würde, war eine Lüge. „Aufgrund meiner neuesten Nachforschungen haben sich mir ganz neue Motive für Ihre Tat aufgetan. Ist es denn nicht so, dass Monsieur Roqueraltiques seit geraumer Zeit Interesse an Ihnen hegte, Sie dieses Interesse jedoch nicht teilten. Seine häufigen Annäherungsversuche gingen Ihnen auf die Nerven, oder?“ Fu schwieg. „Außerdem hatten Sie selbst eine andere Person, die Sie auf keinen Fall enttäuschen oder verlieren wollten.“ Nun wurde Fu hellhörig. Wovon redete dieser Staatsanwalt, und welche Geschichte würde sich nun auftun? „Gérard Roqueraltiques wusste von dieser anderen Person, nicht wahr? Und er war eifersüchtig.“ Fu begann zu ahnen, worauf dies alles hinaus lief. Irgendwie schien die Staatsanwaltschaft von den Ereignissen damals erfahren zu haben, als Gérard fälschlich annahm, Fu und Kaiba seien ein Paar. Aber was hatte dies mit der Tat zu tun? „Beantworten Sie bitte die Frage“ forderte sie nun der Richter auf. „Was?“ fragte Fu verständnislos. „Gérard Roqueraltiques wusste von Ihrer Beziehung zu Seto Kaiba, und war damit gar nicht einverstanden, ist es nicht so?“ „Nein, das stimmt nicht. Gérard nahm an, wir seien ein Paar, aber das ist nicht der Fall“ versuchte Fu nun doch die Wahrheit klar zu stellen. „Sie brauchen hier niemanden zu schützen, Frau Chan. Wir werden die Wahrheit ohnehin erfahren.“ Der Staatsanwalt blickte sie überheblich an. „Das ist aber die Wahrheit. Seto Kaiba würde nie etwas mit mir anfangen, er hasst mich.“ „Ach, das glaubt Ihnen doch keiner mehr.“ „Ich verstehe nicht, wie Sie auf einen solchen Unsinn kommen? Und was hat das mit alledem zu tun?“ Fu verstand nicht mehr die Zusammenhänge, geschweige denn die Hintergründe dieser Befragung. „Ich denke, das können Sie uns am Besten sagen.“ Erwartungsvoll blickte der Staatsanwalt sie an. „Tut mir Leid, ich habe keine Ahnung wovon Sie reden.“ Und damit begann Fu auch wieder zu schweigen. Das alles ergab keinen Sinn für sie. „Nun gut, wir werden später wieder darauf zurückkommen. Als Nächstes hören wir den Vater des Opfers, Herrn Hector Roqueraltiques, bitte in den Zeugenstand. Die Tür des Verhandlungsraumes wurde aufgestoßen und ein aufbrausender Monsieur Roqueraltiques betrat den Raum. „Für den Tod meines Sohnes wirst du büßen“ fauchte er hasserfüllt in Fus Richtung. Diese blickte gar nicht auf, sondern heftete ihre Blicke an das Wasserglas vor ihr. „Sind Sie Monsieur Hector Roqueraltiques, 45 Jahre, Vorstand der Spielfirma und leben in Frankreich?“ Begann der Richter. „Ja, das bin ich.“ „Gut, dann bitte ich Sie nun um Ihre Aussage. Wie viel wussten Sie über die Beziehung zwischen Ihrem Sohn und der Angeklagten?“ „Er hatte sie vielleicht einmal erwähnt, ich habe nicht darauf geachtet. Gérard hatte viele Beziehungen, die wenigsten kannte ich. Was ich aber wusste war, dass er seit geraumer Zeit einen besonders großen Hass gegen Seto Kaiba hegte...“ „Sie meinen Herr Kaiba, Firmenchef der Kaiba Corporation?“ Unterbrach der Staatsanwalt hellhörig. „Ja, natürlich. Wir hatten seit einiger Zeit Probleme mit dieser Firma, und mein Sohn wusste auch, dass ich Herrn Kaiba nicht sehr schätzte. Doch sein Hass hatte noch einen anderen Ursprung.“ „Können Sie uns auch sagen, was Sie genau damit meinen?“ „Natürlich. Gérard schien ein Auge auf dieses Mädchen geworfen zu haben, die jedoch mit Kaiba zusammen war. Nun mein Sohn konnte es nicht leiden, wenn man ihm etwas weg nahm, was er für sich beanspruchte.“ Wieder warf Hector Fu einen rachelüsternen Blick zu. „Sie verstehen das alles falsch. Kaiba und ich waren nie ein Paar“ unternahm Fu einen weiteren Versuch die Wahrheit zu verkünden. „Geben Sie sich doch keine Mühe. Wir wissen längst, dass Herr Kaiba in diese Sache involviert ist.“ Der Staatsanwalt blätterte in seinen Unterlagen. „Mehrere unabhängige Zeugen berichteten uns, dass Sie sehr häufig in seiner Nähe auftauchen. Das wird wohl kaum Zufall sein.“ Fu konnte nicht verstehen, wie man die Wahrheit auf diese Art und Weise verdrehen konnte. Es war ihr bewusst, dass Staatsanwalt und Roqueraltiques nur darauf aus waren, sowohl sie als auch Kaiba aus dem Weg zu räumen. Womöglich tat die Staatsanwaltschaft dies nur, aus Angst vor Roqueraltiques Verbindungen. „Herr Richter, wie Sie erkennen, wird ein komplett neues Motiv hier aufgedeckt. Zu diesem Zweck möchte ich auch die Zeugenaussage von Herrn Kaiba einholen. Er ist bereits als Zeuge geladen.“ Bei diesen Worten des Staatsanwaltes erschauerte Fu. Sie wusste nicht, dass sie Seto bereits diese Geschichte aufgetischt hatten. Noch mehr Furcht vor einer Verurteilung bekam sie nun von der Vorstellung, wie Seto auf sie reagieren würde, da sie für seine Situation allein verantwortlich war. „Sie wissen, Herr Staatsanwalt, dass Sie normalerweise keine nicht aufgelisteten Zeugen vorladen dürfen, aber bitte, wir werden eine Ausnahme machen. Ich bitte also als nächsten Zeugen, Herrn Seto Kaiba.“ Starr vor Furcht blickte Fu zur Tür, die sich wenige Sekunden später öffnete. Beim Anblick des Hereintretenden krampften sich ihre Eingeweide zusammen. //Er wird mich noch mehr hassen, als er es eh schon tut. Warum haben sie ihn da hinein gezogen?// schwirrte es Fu verzweifelt durch den Kopf. Doch wider Erwarten warf Seto ihr keinen hasserfüllten Blick zu. Wie immer machte er einen imposanten, selbstsicheren Eindruck. Er wirkte sogar fast etwas gelangweilt. //Ist ihm vielleicht nicht klar, was ihm bevor steht? Warum wirkt er so ruhig?// Fus Gedanken fuhren Achterbahn. Trotz der Situation, in welcher sie sich befand, drehten sich all ihre Gedanken mal wieder nur um ihn. „Sie sind Seto Kaiba, 19 Jahre und Inhaber der Kaiba Corporation, ist das korrekt?“ Begann der Richter wie üblich. „Ja“ Antwortete Seto knapp, aber vollkommen gelassen. „Sie wissen, weshalb Sie hier sind? Sie werden verdächtigt in den Todesfall von Gérard Roqueraltiques verwickelt zu sein. Wenn Sie sich selbst belasten müssten, brauchen Sie keine Aussage zu machen.“ „Das ist mir bewusst.“ Fu wurde immer ungläubiger, dass dies Seto Kaiba sein sollte. Sie hatte mit wütenden Äußerungen gegenüber ihr gerechnet, mit Drohungen und allem Möglichen, aber nicht mit einer solchen Gelassenheit. „Nun gut.“ Der Richter warf dem Staatsanwalt einen Blick zu, dass er mit der Befragung beginnen könne. „Herr Kaiba, wie gut kannten Sie Gérard Roqueraltiques?“ Kaiba zögerte keine Sekunde ehe er antwortete. „Ich bin ihm nur einmal begegnet, daher habe ich selbst nicht viel über diesen Mann zu sagen.“ „Sie selbst nicht, sagen Sie? Wer kann dann etwas über ihn sagen?“ Der Staatsanwalt schien zu ahnen, dass Kaiba einen Plan hatte. Er wurde skeptisch. „Ich kann nur sagen, was mir berichtet wurde.“ Seto ließ sich durch Nichts aus der Ruhe bringen. Langsam dämmerte es auch Fu, dass er anscheinend eine Möglichkeit gefunden hatte, diese Verhandlung zu seinen Gunsten ausgehen zu lassen. „Und von wem wurde Ihnen über Gérard berichtet?“ fragte der Richter nun. „Von der Angeklagten, Fu Chan.“ //Was redet er denn da? Ich habe nie lange und oft genug mit ihm reden können, um ihm so genau von Gérard zu berichten.// dachte sich Fu nervös. „Aha, und in welcher Beziehung stehen Sie zu Frau Chan?“ Der Staatsanwalt sah seine Chance die Verhandlung wieder in die richtige Richtung zu lenken. „Nun, ich liebe sie.“ Fus Herz setzte aus. Wie ein Pistolenschuss waren diese Worte, die Fu im Zusammenhand mit Seto Kaiba für unmöglich hielt, über Setos Lippen gegangen. Sie wirkten so wahr, so echt, dass Fu einen Moment tatsächlich an diese Aussage glaubte. Immer noch hatte ihr Herz keinen Schlag von sich gegeben. Sie konnte nicht begreifen, was er eben gesagt hatte, obgleich ihr so langsam bewusst wurde, dass dies zu Setos Plan gehörte. Was er dem Gericht auftischte, war eine perfekte und bis ins kleinste Detail geplante Lüge. Niemand würde ihm diese Lüge ansehen. Seto Kaiba war viel zu intelligent, um sich von so einer Intrige erwischen zu lassen. Er selbst würde als ungeschlagener Sieger aus dieser Geschichte hervorgehen. Aber wie würde es für Fu enden? Langsam begann ihr Herz ganz leise zu schlagen. Ihr wurde die Unwirklichkeit seiner Worte bewusst, und obwohl ihr Herz zerrissen schien, war sie glücklich, dass sie nicht für Setos Unglück verantwortlich sein würde. Wie konnte sie auch so dumm sein, und nicht einsehen, dass niemand Seto Kaiba überlistet? Doch dieses Geständnis kam auch für den Staatsanwalt überraschend. In seiner Planung war vorgesehen, dass Kaiba alles abstritt. Doch nun musste er sich eine neue Strategie überlegen. „So, Sie bezeichnen es also als Liebe, dass Sie die Angeklagte in ihrer Verliebtheit zu Ihnen zu dem Mord an Gérard Roqueraltiques angestiftet haben?“ Es wurde deutlich, dass der Staatsanwalt nun verzweifelt um seine Strategie, sein vorgefertigtes Ende für diese Verhandlung kämpfte. Seine Aussage wirkte an den Haaren herbeigezogen, und dies ließ ihn Kaiba noch deutlicher spüren. „Was reden Sie für einen Unsinn? Wegen dieser Gefühle für sie hätte ich sie niemals einer solchen Gefahr ausgesetzt. Es wäre meine Aufgabe gewesen, sie vor Roqueraltiques zu schützen. Sie hätte die Firma niemals verlassen dürfen.“ //Ich weiß, das alles ist eine perfekte Lüge, aber es klingt so verdammt echt, und wenn er es so sagt, möchte ich es am Liebsten glauben.// Fus Herz schlug nun in einem äußerst ungesunden, holprigen Rhythmus. „Was genau meinen Sie damit?“ Mischte sich nun der Richter ein, der die Unfähigkeit des Staatsanwaltes bemerkt hatte. „An besagtem Tag hatte ich eine Diskussion mit ihr. Ich hatte ihr verboten alleine in die Stadt zu gehen und sie fühlte sich dadurch wie ein Kind behandelt. Wir stritten uns und sie lief davon. Doch direkt vor der Firma wurde sie bereits von Gérard aufgegriffen und entführt. Alles Weitere kennen Sie.“ „Woher sollen wir wissen, dass sie uns keine Lüge auftischen?“ Der Staatsanwalt unternahm noch einen letzten Versuch, die Verhandlung zu „retten“. „Denn erwähnten Streit kann ich nicht beweisen, allerdings die Entführung. Das Sicherheitssystem meiner Firma zeichnet jede Bewegung im und um das Gebäude auf. Sie können sich das Überwachungsband gerne ansehen.“ Mit dieser Aussage zauberte Seto Kaiba eine DVD hervor und übergab sie dem Richter, der sie sogleich abspielte. In der Tat zeigte diese DVD den Platz vor Kaibas Firma und zufälligerweise auch, wie Fu wütend aus dem Gebäude rannte, sich zuerst eine Weile auf dem Boden niederließ, ein schwarzes Auto vor fuhr und Gérard sie, mit Gewalt in den Wagen zog. Kaibas Plan war aufgegangen. Zwar war Fu nicht bewusst, wie wann und wie lange er diesen Plan ergriffen hatte, doch sie wusste, dass Kaiba, als er von der Staatsanwaltschaft kontaktiert wurde, sofort erkannt hatte, dass nur ein eindeutiger Beweis seine und auch Fus Unschuld beweisen konnte. Wie er auf die Idee gekommen war, dass alles an dem damaligen Tag vor der Firma geschehen war, würde sie wohl niemals erfahren. Zwar war noch nicht bewiesen, dass Fu Gérard in Notwehr getötet hatte, doch der Richter hielt die Tatsache, dass Gérard sie entführt hatte, anscheinend als Beweis dafür, dass er zumindest nicht das Opfer war, das er darstellen sollte. Weil dieser Fall zuvor bereits als Notwehr behandelt wurde, entschied das Gericht schließlich für Fu und sprach sie frei. Sie erzählte ihrem Vater nicht, wie es zu dieser Freilassung gekommen war, doch eines nahm sie sich ganz deutlich vor. Sie wollte Kaiba dafür danken, auch wenn er es nur für sich selbst getan hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)