Shackles von winterspross ================================================================================ Kapitel 3: 03: LSD ------------------ 03: LSD ~für zoeS~ Als er wieder zu sich kam, lag er am Boden. Irgendetwas war passiert, doch zuerst hatte er keine Ahnung, was es denn sein könnte. Sein Blick fiel auf die pochende linke Hand, aus der sich gerade zuckend ein neuer Daumen hervorquetschte. Unfertig und von roten Adern durchzogen brachte er Shackles dazu zu würgen und wegzusehen. Wie ekelhaft es doch war, wenn sich seine Gliedmaßen neu bildeten. Langsam erhob er sich. Alles erschien ihm so normal, nur das Gemüse auf dem blutüberströmten Küchentisch hatte eine merkwürdige rote Färbung angenommen. Doch die Suppe musste gekocht werden, also griff Shackles nach dem Brett und kippte die blutigen Erbsen, Kartoffeln und Karotten in das kochende Wasser und rührte kräftig mit einem Kochlöffel um. Süßlicher Geruch machte sich im Raum breit. Plötzlich schwankte er so stark, dass er sich am Rand des Herdes festhalten musste. Hatte er gerade... sein Blut ins Essen gerührt? War er jetzt komplett verrückt geworden? Er wusste doch, was passieren würde, wenn Saturday die Suppe aß. Die Drogenkonzentration in diesem Gebräu musste so hoch sein, dass einige Schlucke davon dem anderen das Hirn zerfließen lassen musste. Shackles hatte so etwas schon einmal getan, einst, als er noch einem anderen gehört hatte. Damals hatte er seinem Peiniger in den Curry gespuckt und der Dealer war kurz darauf nach einem grandiosen Drogenrausch zu Grunde gegangen. In seinen Körperflüssigkeiten war die Konzentration der berauschenden Endorphine besonders hoch. Diese Suppe würde Saturday umbringen. Sie musste weg. Panisch hob er den Topf vom Herd und trug ihn zur Spüle. Eine starke Hand hielt ihn zurück. Als Shackles sich umdrehte, blickte er in die blitzenden Augen von Saturday. "Gib her." "Aber..." Der Dealer schlug den Kleinen mit der flachen Hand ins Gesicht. Shackles wich zurück und ließ fast den Topf fallen. "Kann man dich keine Sekunde alleine lassen?" Eine fordernde Geste. Nachdem der Junge Saturday mit zitternden Fingern die Suppe übergeben hatte, sah er wieder klar. Vorsichtig befühlte er seine Wange, die heiß und geschwollen war Der Dealer hatte den Topf auf den Tisch gestellt und roch kurz den zarten, süßlichen Duft, der von seinem Inhalt ausging. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Mit einer schnellen Bewegung griff er in die oberste Küchenschublade und holte einen Löffel heraus. Zuerst langsam, dann immer schneller, panischer und gieriger, ganz so, als ob er Angst hätte, jemand könnte ihm etwas wegessen, begann er den Topf zu leeren. Shackles sah ihm hilflos zu. Er konnte nichts mehr für ihn tun. ~~ Du wirst sie niemals probieren. Niemals. Ich will nicht, dass du mir das versprichst, mein Junge, nein, ich befehle es dir. Egal, wie schön der Rausch dir geschildert wird, wie aufregend, wie unvergleichlich. Probiere sie niemals. Lass andere daran verrecken. Das ist jetzt dein Job, hörst du? "Geh weg!" Saturday schlug sich die Fäuste gegen die Stirn, um die schnarrende Stimme seines Vaters zu vertreiben. Doch sie blieb, leise und unscheinbar, aber sie war da. Wie eine Zecke, die nur darauf wartete, sich festzubeißen und ihn zu quälen. Er verabscheute seinen Vater. Der Alte hatte ihn dazu gebracht, Dinge für ihn zu tun, die ein normales Kind niemals freiwillig getan hätte. Doch dieses eine Mal hatte er Recht gehabt. Drogen waren böse. ...Probiere sie niemals. Lass andere daran verrecken... Shackles war nicht die perfekte Droge, weil es die perfekte Droge nicht gab. Rauschmittel machten immer abhängig. Ob die Abhängigkeit körperlicher oder seelischer Natur waren, war in diesem Fall egal. Dieser kleine Blonde hatte ihn abhängig gemacht, ohne dass er es bemerkt hatte. Der wöchentliche Samstag würde sein Untergang sein. ...Probiere sie niemals. Lass andere daran verrecken... Es wäre besser gewesen, wenn er Shackles damals, als er ihn gefunden hatte, gleich getötet, zerstückelt und verkauft hätte. Jetzt war es zu spät. ...Probiere sie niemals. Lass andere daran verrecken... Er würde sterben. Jetzt. Lucy lag kalt in seiner Hand. Die Gewissheit, dass sich die letzte Kugel in ihr befand, tröstete ihn und ließ ihn lächeln. Langsam hob er sie an seine Schläfen. Dann drückte er ab. ~~ "...Lucy, hast du gewusst, dass man gegen mich immun werden kann?" Zärtlich streichelte Shackles über das kühle Metall der Waffe, die er Saturday weggenommen hatte, als dieser versucht hatte, sich umzubringen. Anscheinend war er der Meinung, es auch geschafft zu haben, denn er gab seit einigen Stunden keinen Ton mehr von sich und starrte nur an die Decke. Doch sein Trip hatte ihm einen Streich gespielt, er war nicht tot. Er bildete es sich zwar ein, doch die Taube schwebte immer noch über dem Meer, ein untrüglicher Beweis dafür, dass der Steuermann noch leben musste. Es tat dem Jungen beinahe weh, Saturday so zu sehen. Was hatte er nur getan? Er hätte ihn aufhalten müssen, irgendwie. Vielleicht hätte er ihm den Topf aus der Hand schlagen können. Im Nachhinein betrachtet erschien ihm alles möglich, obwohl er sich innerlich sicher war, dass es nicht funktioniert hätte. Die Pistole glitzerte in seiner Hand. "Finger weg von Lucy." Saturday sah ihn an, seine Augen waren glänzend grau, fast metallisch geworden. Shackles hätte sich früher niemals träumen lassen, dass die Droge einen Menschen äußerlich so verändern konnte, denn bis jetzt hatte niemand eine Überdosis überlebt. Aber sein Dealer lebte, eindeutig. Und er schien immun gegen die körperlichen Auswirkungen des Rauschmittels geworden zu sein, hatte er sich doch in homöopathischen Dosen an ihn gewöhnt und war so dem Tod entronnen. Abhängig? Nein, sicher nicht. Nur verändert durch die Überdosis. . "Saturday..." Vorsichtig nahm der Kleine die Hand des anderen und drückte sie sanft. "Komm, ich helfe dir." Langsam löste er Saturdays verkrampfte Finger und brachte ihn dazu, aufzustehen. ~~ In den kleinen Spiegel zu blicken, der im Waschraum der Taube hing, war fast so schlimm wie der Weg dorthin. Obwohl Saturdays Trip langsam zu Ende ging und er wieder klar sah, konnte er kaum stehen, geschweige denn gehen. Als er sich betrachtete, begann er zu wimmern. Er konnte nicht fassen, was er sah. Zitternd fuhr er sich immer wieder durch das schwarze Haar, in dem jetzt einige silberne Strähnen glitzerten und wagte es kaum, sich selbst in die Augen zu sehen. Waren das die Nebenwirkungen der Droge, die Brandzeichen der unersättlichen Gier, die er nach Shackles Blut gehabt hatte? Es war vorbei. Seine Unauffälligkeit, der einzige Trumpf, den er in der Unterwelt gehabt hatte, war dahin. Nun wirkte er wie ein billig zusammengebauter Cyborg mit gefärbten Haaren. Grauenhaft. "Ich kann doch so nicht auf die Straße...", murmelte er verzweifelt. Plötzlich spürte er eine leichte Berührung an seinem Arm. Shackles hatte sich an ihn gepresst und lächelte. "Es wird weggehen, wenn du einen Entzug machst. Und bis dahin...", er schmiegte sich enger an Saturday, "...werde ich deine Arbeit erledigen." __ Meine Stimmung ist ähnlich düster wie dieser Teil. spross Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)