The Balance of Creation von Autumn (TYKA u. a.) ================================================================================ Kapitel 9: Die Träne aus Eis ---------------------------- *Tusch* So, da bin ich wieder! Vielen Dank für die Kommis!!! *lächel* Hier ist also der neue Teil! Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen! ^_______^ Kapitel 9: Die Träne aus Eis Der Lethe, der Fluss des Vergessens, einer der Ströme der Unterwelt, beschrieb seine Bahn durch eine dunkle, vor sich hin vegetierende Landschaft. Kein schöner Ort für verstorbene Seelen, aber für Hades sein Herrschaftsgebiet. Cerberus zermalmte irgendwo die Knochen eines unglücklichen Wesens, das in seine Höhle geraten war, während Seine Hoheit auf seinem Thron sass, flankiert von Iras und Deimos, jenen Rittern, von deren "Ergebenheit" er am meisten überzeugt war. Was Sol und Leviathan betraf, so war er sich nicht ganz sicher, denn seine Schwarze Magie konnte nur dort greifen und gedeihen, wo es etwas gab, bei dem er einhaken konnte. Wo kein Samen ist, kann man nichts zum Wachsen bringen und Deimos bot damals wie heute mit seiner schweren Kindheit und seiner Einsamkeit einen perfekten Nährboden, genau wie Iras mit seinen unerwiderten Gefühlen für Seiryuu/Tyson. Sol und Leviathan hingegen hatten ein glückliches Wächterdasein geführt....und er war auch eigentlich nur auf sie aufmerksam geworden, weil sie die persönlichen Berater von Suzaku und Genbu gewesen waren und außerdem über bemerkenswerte Kräfte verfügten. Nicht zu vergessen die mächtigen Kreaturen, die sie behüteten: Einen Greif und einen Meerdrachen, seltene und ehrwürdige Geschöpfe. Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Garland zu sprechen begann: "Hört zu, Hades, wir sind mit Euch gekommen, aber wir werden uns aus diesem Kampf heraushalten! Ihr habt zwei Krieger, die Euch bedingungslos gehorchen, das muss Euch genügen! Leviathan und ich wollen mit Euren Welteroberungsplänen nichts zu tun haben! Wir werden nicht weiter für Euch kämpfen, auch wenn wir nun erwacht sind!" Er wandte sich zum Gehen, doch Hades' folgende Worte hielten ihn zurück. "Du bist immer noch so einfältig wie damals, Sol! Weißt du denn nicht mehr, was es dich kosten könnte, deine Macht nicht in meine Dienste zu stellen?" "Was soll das heißen?!" "Denk an deine Familie! An deine Eltern....und deine vielen Geschwister, die du so sehr liebst! Sie sind im Sport alle äußerst erfolgreich, nicht wahr? Einer deiner Brüder ist Formel-Eins-Fahrer! Wäre es nicht tragisch, wenn er auf der Rennstrecke einen tödlichen Unfall erleiden würde?" "Das würdet Ihr nicht wagen!!" "Oh doch, das würde ich....und das weißt du auch, habe ich nicht recht? Sei kein Dummkopf! Ich habe die Macht, deine gesamte Familie auszulöschen! In deinem früheren Leben musstest du bereits mit dem Tod einer deiner Schwestern dafür büßen, dass du dich mir widersetzt hast! Willst du das unbedingt wiederholen?" Der Blauhaarige biss sich wütend auf die Lippen, bis es blutete. Von einem Moment auf den anderen hatte sich sein gesamtes Leben verändert....er hatte auf einen Schlag sämtliche Erinnerungen an eine Existenz zurückerhalten, die zehntausend Jahre in der Vergangenheit lag....er war verwirrt, entsetzt, traurig und zornig zugleich....und er hatte Angst, denn er wusste genau, dass sein Gegenüber Ernst machen würde, wenn er ihm nicht Folge leistete.... Schmerzvolle Bilder blitzten in seinem Kopf auf.... ~~ RÜCKBLENDE ~~ Sol hielt den blutenden Körper einer jungen Frau im Arm. Ihr blaues Haar war zerzaust, das Gesicht zerkratzt und ihr zarter Leib völlig zerschunden. "Aurora!" flüsterte er verzweifelt ihren Namen, Tränen liefen ihm über die Wangen. "Es tut so weh, großer Bruder....es tut so weh....! Ich weiß gar nicht mehr....was passiert ist.... Plötzlich tauchte dieser fremde Mann vor mir auf....und...." "Sprich nicht....du bist zu schwer verwundet....aber sei ohne Sorge! Mutter ist Heilerin, sie wird dich rasch wieder gesund machen!" "Mutter....ja....sie ist schon eine wunderbare Frau, nicht wahr? Immer habe ich ihr Ärger gemacht, weil ich auf Bäume geklettert bin und ihr Streiche gespielt habe und mich zu ihrem Kummer stets viel zu jungenhaft benommen habe....aber trotzdem wusste ich immer, dass sie mich liebte....Und auch Vater, Helios, Hephaistos, Phöbus und Vesta....und du, Sol....meine Geschwister....wir haben oft gestritten, aber es war eine schöne Zeit...." "Rede nicht so, als wäre das alles vorbei, Aurora! Du...." "Aber ich spüre, dass es vorbei ist....es tut mir leid....großer....Bruder...." Ein letztes Zucken rann durch den Körper, dann verblieb er leblos in Sols Armen. Er vergrub sein Gesicht im Haar seiner Schwester und schluchzte zermürbt. "Begreifst du nun, dass du mir nicht entgehen kannst? Hättest du von Anfang an mit mir kooperiert, hätte die Kleine nicht sterben müssen! Aber du wolltest ja nicht hören! Was ist jetzt? Wirst du an meiner Seite kämpfen oder soll ich noch jemanden aus deiner Familie umbringen?" "Sei verflucht, du grausamer Teufel!!" "Hüte deine Zunge! Du bist nicht in der Situation, um es dir mit mir zu verscherzen! Außerdem hast du mich mit ,Ihr' anzureden, verstanden? Also? Ich warte immer noch auf deine Antwort, Wächter von Apollon! Kämpfst du für mich oder willst du einen weiteren Mord auf dein Gewissen laden?" "Du hast das getan, nicht ich!! Wie kannst du das behaupten, du ruchloser....!!" "Du Narr! Ich habe es getan, um ein Exempel zu statuieren!! Wärest du nicht so stur und rechtsschaffen gewesen, würde sie noch leben!" Sol wand sich und krallte seine Finger in den trockenen Boden zu seinen Füßen. Seine Tränen nässten die Erde und hinterließen feuchte Punkte darauf. "Ich frage dich noch ein allerletztes Mal: Wirst du mir dienen? Ja oder Nein?" "....Ihr....lasst mir keine Wahl....Ich....werde....Euch gehorchen...." ~~ ENDE DER RÜCKBLENDE ~~ Garland schloss die Augen, um den schrecklichen Moment zu verdrängen. Hades hatte bewiesen, dass sein Arm lang war....er würde das nicht noch einmal durchstehen...."Ihr habt gewonnen!" presste er zwischen den Zähnen hervor. "Aber seid versichert....eines Tages.... werde ich Euch dafür bezahlen lassen....!" Er drehte sich um und Leviathan eilte ihm hinterher. Das siegreiche Gelächter des Fürsten hallte in ihren Ohren wider als grausiges Echo. Der 23jährige musterte Mystel scheu von der Seite. "Warum....folgst du ihm? Was hat er....was hatte er überhaupt je gegen dich in der Hand?" "Nichts." "Nichts?! Weshalb hast du dann eingewilligt, einer seiner Ritter zu werden?!" "Erinnert Ihr Euch nicht mehr, Meister?" "Sprich mich nicht so an, verflixt! Damals bist du mein Schüler gewesen, ich habe dich im Schwertkampf ausgebildet und dich gelehrt, wie man Magie benutzt, ja....doch jetzt ist das etwas anderes! Nenn mich also nicht ,Meister'!" Mystel schwieg. In seinem Geist befanden sich mit einem Mal viel zu viele Informationen, zu viele Gefühle, zu viel Chaos....Es gelang ihm kaum, Ordnung darin zu schaffen, aber eines hatte er klar erkannt: Als Leviathan hatte er sich in Sol verliebt....und um ihm beizustehen und ihn zu unterstützen und zu verteidigen, hätte er alles getan, alles ertragen....sogar Hochverrat....Der Blonde fröstelte und zog sein Cape enger um seinen nackten Oberkörper. >>Alles hätte ich für dich erduldet....und um mich ihm gefügig zu machen, drohte Hades mir damit, dich zu töten, wenn ich ihm nicht die Treue schwor....Ich wusste, wozu er fähig war.... Ich konnte das einfach nicht riskieren....!<< "Habt Ihr....entschuldige, hast du etwa vergessen....wie ich dir....meine Liebe gestand?" fragte er sanft, wobei er errötete. Garland atmete geräuschvoll durch die Nase und wäre fast über einen Stein gestolpert, wenn der 19jährige ihn nicht aufgefangen hätte. Weiche braune Hände berührten Leder und Haut und der Ältere erzitterte. "Ich....nein, das habe ich nicht vergessen....aber....du willst doch damit nicht sagen, du....hättest es meinetwegen getan?" "Weswegen denn sonst? Du warst der wichtigste Mensch in meinem Leben....Ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, dich zu verlieren...." Er sprach mit viel Wärme und Ernsthaftigkeit, sodass der Blauhaarige aus Verlegenheit schlucken musste, um seine ausgedörrte Kehle zu befeuchten. Leviathans Liebeserklärung! Das war es, woran er sich erinnert hatte, als er Mystel aus dem Swimmingpool zog! (siehe Kapitel 4) "....Verstehe....aber....heute, in dieser Zeit....da musst du doch einen anderen Grund haben?" "Muss ich das?" erwiderte der Ägypter mit einem atemberaubenden Lächeln, das gleichsam liebevoll und traurig war und Garland ein wenig erschütterte. Sein Herz begann zu rasen und der betrübte und dennoch so starke und tapfere Blick aus diesen herrlichen hellblauen Augen traf ihn bis ins Mark. Er verspürte plötzlich das Bedürfnis, den Blonden in seine Arme zu reißen und niemals wieder loszulassen.... Hades hatte offensichtlich noch etwas mit Deimos zu besprechen, da dieser der Anführer der Ritter der Verdammnis war, also verzog Tala sich nach einer Weile, da er es leid war, nur von geplanten Kämpfen zu hören, anstatt an der Unterhaltung selbst beteiligt zu sein. Es schien ihm, als wäre es erst gestern gewesen, dass er durch die Felder der Unterwelt wandelte und an Eden dachte....und den Schmerz, den er dort zurückgelassen hatte. Der Russe sah sich unvorbereitet mit einer Vergangenheit konfrontiert, die eine alte Wunde in seinem Herzen aufgerissen hatte - jene Wunde seiner unerwiderten Liebe zu Seiryuu-sama, dem Prinzen des Windes. Er vermutete, dass diese Gefühle von einst der anfängliche Auslöser für seine Zuneigung zu Tyson gewesen waren, bis er den Jüngeren näher an sich herangelassen hatte und ernsthaftere zärtliche Empfindungen für ihn zu hegen begann. Er wusste jetzt auch, wer Bryan war....und es stieß ihm seltsamerweise auf wie ein Verrat, dass dieser ihm nie die Wahrheit über sich, die Welt der Wächter und die Person von Iras erzählt hatte. Andererseits....hätte er ihm geglaubt? "He, Tala, wusstest du schon, dass ich die Wiedergeburt eines Kriegers bin, der aus einer anderen Welt stammt? Du übrigens auch - bis du unser Volk hintergangen und dich dem Bösen angeschlossen hast!" Hm....das hätte er ihm bestimmt abgekauft! Sogesehen hatte Bryan wohl gar keine andere Wahl gehabt, als den Mund zu halten....Trotzdem. Warum hatte er sich ihm nicht anvertraut? Er musste doch geahnt haben, dass diese Sache hier in Tokyo ihren Anfang nehmen würde! Aber nein, lieber schwieg er sich aus, bis der liebe Tala selbst dahinter gekommen war und sein ganzes Leben im Bruchteil einer Sekunde auf den Kopf gestellt wurde! Vielen Dank auch, Bryan! "Na schön, Hades ist Boris....aber dank ihm besitze ich jetzt die Macht, Suzaku zu besiegen! Ich könnte ihn endlich zu Staub zermahlen und er stünde mir nicht mehr im Weg! Seiryuu wäre mein - endlich, nach zehntausend Jahren! Ich....kann nichts dagegen tun! Dieser spitze, scharfgeschliffene Stachel aus Kummer dringt immer tiefer in mein Herz! Ich habe endlich die Möglichkeit, mich an Suzaku zu rächen, dafür, dass er mir den Mann gestohlen hat, den ich wollte! Allein der Gedanke, dass er und Seiryuu sich geküsst, sich geliebt haben....lässt Übelkeit in mir aufsteigen! Diesmal....werde....ich....ihm....den Hüter des Heiligen Drachen nicht überlassen....!!" Ja, wo kein Samen ist, kann man nichts zum Wachsen bringen....aber einmal von der giftigen Pflanze der Finsternis verseucht, wucherte sie immer weiter und überdeckte alles Gute in der Seele, in die sie hineingesetzt worden war....und so war es auch bei Tala. Er hatte sich in Zorn geredet und die tobende Schwarze Magie in seinem Inneren schöpfte daraus ihre Nahrung, um stärker zu werden. Sein Herz krampfte sich für einen Moment zusammen, als er diesem Dämon in sich Raum gab und seine vormals noch blauen Augen wurden schwarz, wie bei Deimos. Wolborg, der die immer tiefergehende Verwandlung seines Herrn spürte, verließ das Beyblade am Gürtel des Rothaarigen und erschien in seiner vollen Größe. Der Wolf registrierte mit Schrecken die schwarzen Augen und den boshaften Zug um die Lippen des Russen. Er bleckte die Zähne und stieß ein lautes, unglückliches Heulen aus. Er begriff genau, dass Talas Persönlichkeit nun endgültig erfolgreich unterdrückt worden war. In einer letzten, verzweifelten Anstrengung versuchte der wirkliche Tala, sich gegen die dunklen Kräfte zu wehren, doch verbittert durch die Entbehrungen und den Mangel an Liebe und Wärme, die er in seinem bisherigen Leben erfahren hatte, dauerte es nicht lange....bis sein Wille brach. Bevor seine Seele erlosch, entfloh ihm eine Träne, die langsam über seine Wange rann. Wolborg verneigte sich angesichts dieses abschließenden, wenn auch sinnlosen Aufbäumens, denn das bewies ihm, dass sein Hüter bis zum Schluss mutig gegen die Schatten in sich selbst angetreten war. Die Träne erstarrte am Kinn zu einem Tropfen Eis und fiel zu Boden, wo sie zersplitterte. Der Mann, der nun vor dem majestätischen Wolf stand, war nicht mehr Tala. Das war Iras. Der Hoteldirektor war einer Ohnmacht nahe, als er auf die Terrasse hinaustrat und die Zerstörungen sah. Er fing an zu zetern und zu brüllen und verlangte nach dem Verantwortlichen, aber Tyson und die anderen bekamen das schon nicht mehr mit, sie waren unterwegs zum Kinomiya-Dojo. Bryan, Claude und Miguel begleiteten sie, ebenso wie Spencer und Ian, die darauf bestanden hatten, die Wahrheit zu erfahren. Hiro war immer noch wie betäubt, als befände er sich in einem Alptraum und hoffe nach wie vor auf ein erlösendes Erwachen. Max kam ihnen entgegen und staunte mit offenem Mund, als er den einstigen Weltmeister und den Chinesen in ihren Rüstungen erblickte. "Frag nichts. Wir werden euch nachher alles berichten - und dann haben uns unsere Gäste etwas zu sagen!" Der Amerikaner nickte stumm zu Rays entschiedenen Worten, tief beeindruckt von seiner noblen, schönen Erscheinung. >>Ihr beiden habt also gekämpft....ihr habt angenommen, was Mr. Dickenson als unser Schicksal bezeichnet. Aber da ihr nicht allein gekommen seid....Diese Geschichte scheint weitere Kreise zu ziehen, als ich glauben wollte.<< Man rief Kai zu der eigentümlichen Versammlung und er runzelte missbilligend die Stirn, als er dem ungewöhnlichen Äußeren seiner Freunde gewahr wurde. "Was soll das?" fragte er kalt. "Habt ihr etwa gekämpft? Dann hat Mr. Dickenson euch also wirklich herumgekriegt und ihr opfert euch edelmütig und idiotisch für die Rettung dieser Welt?! Erwartet nicht von mir, dass ich mich daran beteilige! Das Schicksal der Erde kümmert mich nicht!" Seiryuu berührte das Bild von Dragoon auf seinem Beyblade und verwandelte sich zurück in Tyson. Er warf dem Russen einen harten Blick zu, der ein schweigender Vorwurf, eine Anklage war. Schließlich meinte er spitz: "Es ist dir offenbar entgangen, dass du auch auf diesem Planeten lebst! Wenn du es vorziehst, unter Hades' Herrschaft zu fallen, tu dir keinen Zwang an! Mir ist durchaus bewusst, dass ich von dir keine heroische Einstellung erhoffen darf - aber etwas weniger Egoismus wäre ganz nett!" Seine Worte trieften vor Sarkasmus und Kai konnte den Jüngeren eine geraume Weile nur sprachlos anstarren. Woher nahm Tyson die Unverschämtheit, so mit ihm zu reden?! "Erzähl du mir nichts über Egoismus! Du bist oft genug auch selbstsüchtig gewesen!" "Das weiß ich! Genau deswegen erkenne ich ihn bei anderen! Aber das hier ist kein Spiel, Kai! Es geht hier nicht um einen Sieg in einer Bey-Arena, sondern um die gesamte Welt! Ich würde das auch gerne ignorieren, aber da ich bin, wer ich bin, kann ich nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und nichts tun, wenn andere Menschen um mich herum leiden! Dir mag das vielleicht gleichgültig sein, aber mir nicht!" Der Blauhaarige warf sein Schwert zur Seite und baute sich vor dem Älteren auf, Schokoladenbraun traf Rubinrot. "Was schlägt eigentlich in deiner Brust, verdammt?! Ein Eisklumpen?! Kannst du so etwas Wichtiges nicht wenigstens ein einziges Mal mit dem Herzen entscheiden, anstatt mit dem Kopf?! Vor deinen Gefühlen davonlaufen, das ist es, was du kannst! Ich weiß, dass dein Leben von schweren Prüfungen geprägt ist - aber hast du denn wirklich gar nichts, dass du beschützen möchtest?! Gibt es nichts, was dir wertvoll und wichtig genug ist, um verteidigt zu werden?! Ich will kämpfen, um meine Familie und meine Freunde zu schützen! Auch ich hatte es nicht leicht und auch ich weiß, was Einsamkeit ist....aber im Gegensatz zu dir habe ich nicht aufgegeben!" Kenny, der eben hinzutrat und schon auf dem Korridor Tysons stürmische Ansprache gehört hatte, war bestürzt, dass sein Kamerad dem Russen all diese Dinge direkt ins Gesicht sagte. Kai war indessen noch ein Stück blasser geworden als er es ohnehin schon war und seine Stimme klang eisig und schneidend, als er erwiderte: "Du willst wissen, was Einsamkeit ist? Mach dich nicht lächerlich! Du wirst mich nie begreifen können! Ein kleiner, hyperaktiver Bengel mit Fresssucht und null Manieren, dem im Leben alles geschenkt wurde und der es immer schön heil und glücklich hatte, obwohl er es weder verdiente noch zu würdigen wusste, kann jemanden wie mich wohl kaum verstehen!!" In diesem Moment geschah eine Art Wandlung mit Tyson. Es war, als würde die sonst so heitere, sorglose Maske zerbrechen und einem anderen weichen. Die Augen des Japaners tönten sich eine Spur dunkler, er straffte die Schultern und umfasste Kais Kinn in einer gebieterischen Geste. "Dem im Leben alles geschenkt wurde? Der es immer schön heil und glücklich hatte? Ha! Du kennst mich kein bisschen, mein Freund. Und du unterschätzt mich auch. Wir werden euch jetzt erzählen, was sich zugetragen hat und dann werden unsere Gäste sich erklären....und du wirst hier bleiben und zuhören. Keine. Widerrede." Die Anwesenden, Hiro ausgenommen, waren sehr überrascht von diesem so ernsten, erwachsenen Tyson und Kai erging es nicht anders. Diese Seite an dem 19jährigen war völlig neu für ihn und er gehorchte stumm der Anordnung, während der ältere Kinomiya die Arme verschränkte und leise seufzte. >>Ototo....ich hoffe, dass dieses Beisammensein irgendein Licht in mein Dunkel bringt. Ich will wissen, was mit Brooklyn geschehen ist....und mit Garland, Mystel und Tala....und mit dir und Ray. Hm....du bist in der Tat erwachsen geworden. Ich wusste schon immer um jenen ruhigeren, reiferen Wesenszug deiner Selbst....Ich bin vor meiner Einsamkeit geflohen, du hast dich ihr gestellt....Ich bin fortgegangen, aber du hast mir das nie übelgenommen....Du bist stärker als ich, kleiner Bruder....und möglicherweise ist es an der Zeit, dass nicht ich dir, sondern du mir etwas beibringst....<< Ray, der sich ebenfalls zurücktransformiert hatte, setzte sich neben Tyson und packte die erstaunliche Geschichte um Eden, Hades, die vier Schutzgottheiten, deren Hüter und die Ritter der Verdammnis aus. Man lauschte ihm mit großer Aufmerksamkeit, bis er ans Ende kam: "Das ist alles, was wir bisher wissen, da wir noch keine Erinnerungen an damals besitzen. Doch nun zu euch, Bryan, Miguel und Claude: Was habt ihr mit dieser Sache zu tun?" Ein paar Minuten Stille senkten sich auf alle herab, bis der Franzose sie von sich aus brach. Er konnte von dem Russen nicht verlangen, dass er darüber sprach, da die "Rekrutierung" seines Liebsten noch zu kurz zurücklag. "Versetzen wir uns zu jenem Augenblick zurück, in dem die legendären Wächter bereits ihr Leben gelassen hatten....Hades hatte sich in die Unterwelt zurückgezogen, nachdem er seine Elitekrieger verloren hatte....Eden war vernichtet. Aber entgegen all seiner Versuche war es Hades nicht gelungen, sämtliche Wächter zu töten. Viele von ihnen flohen in die Menschenwelt und nahmen die ihnen anvertrauten Kreaturen mit sich. Sie suchten die unterschiedlichsten Länder der Erde auf, um eine neue Existenz zu beginnen. Man verliebte sich, Familien wurden gegründet....und das jeweilige magische Geschöpf sowie die Aufgabe des Wächters wurde in diesen Familien von Nachkomme zu Nachkomme weitervererbt. Um miteinander in Kontakt zu bleiben, rief man den ,Orden von Eden' ins Leben, eine geheime Verbindung der Wächter mit Stützpunkten in so gut wie jeder Hauptstadt der Welt. Die Verbindung sollte über die Erde wachen und auf den Tag warten, da die vier legendären Hüter zurückkehren würden, um Hades endgültig zu besiegen. Dieser Tag ist nach zehntausend Jahren endlich eingetreten! Miguel und ich gehören zum ,Orden von Eden' und sind die Wächter des 9. Saeculum, des 9. Jahrhunderts nach Eden. Das ist unsere Zeitrechnung. Wir sind....wir sind die 900. Generation, die sog. ,Letzten Erben'. Wir sind mit der Geschichte von Eden aufgewachsen und zu Wächtern erzogen worden, denn dieses Wissen um die Wahrheit wurde von Generation zu Generation weitergereicht. Es ist unsere Pflicht, Hades aufzuhalten....und die vier Prinzen zu beschützen." "Die vier Prinzen? Wen meinst du?" erkundigte sich Max, der diese neuen Informationen erst einmal verdauen musste. "Euch natürlich. Eden wurde in vier einzelne Reiche aufgeteilt: Das Reich des Feuers, das Reich des Windes, das Reich des Wassers und das Reich der Erde. Regiert wurden diese Reiche von den Prinzen der vier Elemente, den Auserwählten der Schutzgottheiten, Suzaku, Seiryuu, Genbu und Byakko. Der Titel des Prinzen war nicht vererbbar, sondern wenn einer der Heiligen Hüter starb, suchte die Gottheit sich einen neuen Wächter aus, der würdig war, dessen Nachfolge anzutreten." "Ich verstehe." meinte Ray nachdenklich. "Ihr drei seid also keine wiedergeborenen Wächter, sondern Bluterben von damals, Angehörige der Verbindung." "Richtig. Das heißt....nicht ganz", mischte sich Miguel ein und strich sich eine widerspenstige Strähne seines platinblonden Haares aus der Stirn. "Sofern es Bryan betrifft....Als er starb, rettete seine Familie wenigstens Falborg, seine Kreatur, und vertraute sie ihren nachfolgenden Nachkommen an....Bis Boreas, der eigentliche Hüter des Falken, in Bryan Kuznetzov reinkarniert wurde....Da er aus einer Familie stammte, die dem ,Orden von Eden' angehörte, unterwies man ihn - wie auch uns - von frühester Kindheit an im Gebrauch von Magie und der Geschichte der Vergangenheit. Dann....bekam Boris ihn zu fassen....und von da an...." "....und von da an war mein Dasein voller Entbehrungen und Schmerz...." fiel der Lilahaarige dazwischen, mit monotoner Stimme. "Aber dank meiner Erinnerungen, die schon so früh durch meine Erziehung in mir geweckt worden waren, erkannte ich, wer Boris in Wirklichkeit war.... Ich setzte mich mit dem Orden in Verbindung und hielt den Kontakt zu ihm aufrecht, soweit mir das in der Abtei möglich war....und hier bin ich nun...." "Da gibt es aber noch etwas, das ich nicht kapiere", meldete sich Ian zu Wort. "Spencer und ich und auch andere Blader befehligen Bit Beasts, aber wir haben keine Ahnung von diesem ganzen Zeug! Wieso?!" "Eden hatte in den letzten zehntausend Jahren Gelegenheit, sich zu regenerieren. Es wird nie wieder dasselbe unberührte Paradies sein wie vor Hades' Angriff, aber es ist nicht mehr tot....Vor ca. zehn Jahren hat auch der Heilige Baum wieder zu blühen angefangen....an diesem Baum wachsen die Eier, aus denen die magischen Kreaturen schlüpfen, die wir behüten. Früher wurden Wächter und Geschöpf in einer Zeremonie zusammengeführt, aber da die Wächter Eden verlassen haben, ist das nicht mehr möglich. Eure Kreaturen, Ian und Spencer, sind Wesen der ersten Blüte seit damals, junge und unerfahrene Wesen, die mit der Vergangenheit nichts zu tun haben, denn sie waren nicht dabei. Nur jene Kreaturen, die damals zugegen waren, konnten über Generationen hinweg vererbt werden....und mit ihnen ihre Geschichte. Demzufolge fließt in euren Adern kein Wächterblut....keine Magie. Eure Geschöpfe haben Eden verlassen, mit dem Bestreben, einen ,Hüter' zu finden. Diese Konzeption ist in ihrem Instinkt verankert, aber sie wissen nicht um die größeren Zusammenhänge ihrer Existenz, weil sie dazu einfach zu jung sind, kaum älter als der Beyblade-Sport." "Und was ist mit mir?" wandte Hiro ein. "Tyson ist ja ganz offensichtlich ein Wächter. Warum nicht ich auch?" "Tyson ist eine Reinkarnation. Es gibt keinen Wächter in der Ahnenreihe der Kinomiyas, als Wiedergeburt ist er kein Bluterbe im eigentlichen Sinne und das gilt für dich in gleichem Maße. In Bryans Fall sieht das anders aus, er ist beides zugleich." "Darf ich fragen, wer noch alles in unserer näheren Umgebung zum Orden gehört?" "Natürlich, Ray." antwortete Claude mit einem Lächeln. "Außer uns drei sind da noch Mathilda, Romero, Julia und Raul, Mariah, Lee, Rick, Mariam und Carlos." "Mariah und Lee?!" entfuhr es dem Chinesen. "Rick?!" brachte Max fassungslos hervor. "Carlos?!" ließ Kai sich ungläubig vernehmen. Das konnte doch nicht sein! Carlos, sein ehemaliger Kumpane und Mitglied der Blade Sharks?! Dieser rücksichtslose, ungehobelte Frechdachs mit dem vorlauten Mundwerk, Nachkomme einer Wächter-Familie, ein Bluterbe?! "Das ist ausgeschlossen! Er besitzt nicht einmal ein Bit Beast!" "Du täuschst dich. Er bekam es am Tag seines 13. Geburtstages, so wie das auch in Eden üblich war, in diesem Alter durchlief man die Initiation zum vollwertigen Wächter und der Bund zu dem eigenen Geschöpf wurde hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt warst du schon längst mit den Bladebreakers unterwegs." erklärte Miguel sanft, ohne sich von Kais funkelnden Augen aus der Ruhe bringen zu lassen. Immerhin war er selbst ein Feuerkrieger und war bestens vertraut mit solch hitzigen Blicken. "Heute wird das allerdings nicht mehr so genau ausgeführt, das Alter für die Initiation schwankt von Region zu Region - in China zum Beispiel erfolgt sie bereits mit zehn, in Spanien mit zwölf, in Schweden erst mit sechzehn....aber das sind Kleinigkeiten, die euch nicht interessieren dürften. Viel wichtiger ist jetzt die Frage, ob auch Genbu-sama und Suzaku-sama zurückkehren werden!" Und er musterte den Amerikaner und den Russen abwartend, doch der Blonde schwieg sich unsicher aus und der Graublauhaarige verschwand mit einem verächtlichen Schnaufen in Richtung seines Zimmers. Während diesen Enthüllungen war Daichi unterwegs in der Tokyoter Innenstadt, um sich ein schickes Käppi für seine nächste Moderation zu kaufen. Er klebte an mehreren Schaufenstern von Sportgeschäften, musste aber feststellen, dass er entweder zu wenig Geld oder einen zu teuren Geschmack hatte. Als er um eine Ecke bog und dabei mit den Augen an einem "Ausverkauf"-Schild hängenblieb, stieß er mit jemandem zusammen. "Aua! He, kannst du nicht aufpassen, Kleiner?!" "Autsch! Wie? Oh, Entschuldigung...." Der 15jährige hob den Kopf und sah sich einem ca. vier Jahre älteren jungen Mann gegenüber, dessen langes schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden war und das sogar zu beiden Seiten seines Gesichts an den Schläfen bis auf die Brust fiel. Um den Kopf war ein blaues Tuch geschlungen, das hinten im Nacken verknotet war wie bei einem Piraten. Im linken Ohr glitzerte ein Ohrring und er steckte in abgewetzten Jeans und einem engen Tank Top. Daichi wurde unwillkürlich rot. "Verzeihung, das war keine Absicht! Ich habe nicht aufgepasst!" "Na, na, ist schon okay, schau mich nicht so geknickt an mit deinen hübschen grünen Augen! Da wird man ja richtig weich! Also....ciao, Kleiner! Halt die Ohren steif!" Damit verschwand er im dichten Straßengewimmel und ließ den perplexen Daichi hinter sich zurück. >>Oh wow....was für ein cooler Typ....!<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)