Toshua II - reversal von Chingya (epilog up!!) ================================================================================ Kapitel 6: Can you feel life...? -------------------------------- Stetig vernahm ich das Ticken der Uhr, an der Wand hinter mir, vernahm die Stimmen, die vom Balkon her zu mir drangen. Meine Augen hielt ich geschlossen, redete mir ein, dass das alles nicht der Realität entspreche. Ich fühlte mich von meinen Freunden dermaßen verraten. Meine Wut und Enttäuschung schluckte ich runter ehe sich meine Lider langsam wieder öffneten. Nichts hatte sich geändert. Der gleiche Anblick wie zuvor. Toshiya saß noch immer mit dem Rücken zu mir, während er sich gerade eine Zigarette anzündete. Eric befand sich neben ihm, hielt den Kopf gesenkt, nickte ab und zu. Und Sho? Sho lehnte seitlich am Geländer und redete. Es war jedoch zu leise, um etwas Konkretes raushören zu können. Ich war versucht zu ihnen zu gehen, sie zur Rede zu stellen, als ich Kyos und meinen Namen in dem Wirrwarr aus Worten hörte. Noch einen Moment belauschte ich sie und warf dabei ab und zu einen Blick in Richtung Schlafzimmer, um sicher zu sein, dass Hiroto noch schlief. Würde er wach werden, käme er vielleicht auf die Idee mich zu suchen und das wiederum würde die anderen Drei aufmerksam machen. Nicht unbedingt eine Sache, die ich provozieren wollte. Gerade hatte ich mich vergewissert, dass es im Schlafzimmer noch still war, wollte meinen Blick wieder zum Balkon richten, als ich plötzlich Shos überraschten Blick bemerkte. Er hatte sich anscheinend, als ich mich kurz umgedreht hatte, an Toshiya und Eric gewandt und mich dabei im dunklen Wohnzimmer entdeckt. „Toshua…“, sagte er ruhig. Die anderen drehten sich überrascht um. Verwirrung war in ihren Gesichtern zu sehen. Gleichzeitig fühlten sie sich wohl mehr als ertappt. „Shit!“, hörte ich noch Toshiya sagen. Alles klar. Für mich waren diese Aussage und die Blicke genug um zu verstehen, dass hier etwas hinter meinem Rücken lief, was jetzt unfreiwilliger Weise aufgeflogen war. Eric sprang auf, stolperte fast, als er die Schwelle zum Balkon hinter sich ließ und somit auf mich zulief. Sho kam hinterher. Doch das konnten sie mal ganz schnell vergessen. So leicht machte ich es ihnen ganz bestimmt nicht. Zudem war mir jetzt erst recht nicht mehr danach auch nur ein Wort mit den Dreien zu wechseln. Die Enttäuschung saß viel zu tief in mir. Eric wusste ganz genau, dass ich solche Taten missbilligte und als Vertrauensbruch ansah. „Toshua, bevor d…“, war Eric mit wenigen Schritten fast bei mir angekommen. „Behalt’s für dich!“, zischte ich, ließ ihn gar nicht erst weiter zu Wort kommen. Er blieb stehen. Sho, dahinter, tat es ihm gleich. Ihre Blicke durchbohrten mich regelrecht. Sie schienen abzuwarten, was ich als nächstes tun würde. Toshiya dagegen befand sich noch immer auf dem Balkon. Mit dem Rücken zum Geschehen rauchend, beugte er sich leicht über das Balkongerüst. Mir war klar, dass er nach der Aktion mit Kyo wohl noch immer sauer auf mich war. Schön, war ich jetzt nämlich auch auf ihn. Aber so richtig! Noch ein Mal zu Sho schauend, drehte ich mich um. Eric ignorierte ich geflissentlich. Mir war bewusst, dass ich ihm damit Strafe genug entgegen brachte. Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Wohnzimmer. „Bitte, TOSHUA…!“, rief mein bester Freund mir noch nach. Ich überhörte es. Mir war es egal. Nicht heute und schon gar nicht um diese Uhrzeit würde ich mir anhören, was das Anliegen war mitten in der Nacht, hinter meinem Rücken, solch eine Zusammenkunft einzuberufen. Im Schlafzimmer schloss ich die Tür hinter mir. Seufzend lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen, versuchte die Enttäuschung aus meinem Inneren zu verbannen. Aber es gelang mir nicht. Ein Blick zum Bett zeigte mir, dass Hiroto wirklich noch schlief. Seine Atemzüge gingen langsam und tief. Leise schlich ich zu ihm hinüber und hockte mich vors Bett. Hiroto war im Schlaf auf meine Seite gerutscht. Eine Sache, die so typisch für ihn war, wie die Tatsache, dass die Sonne jeden Morgen aufs Neue aufgehen würde. Ich lächelte innerlich kurz. Wenn wir morgens aufwachten, dann lag er stets, fast ganz, auf meiner Seite. Am Anfang unserer Beziehung hatte ich arge Probleme mit dieser Sache gehabt. Ich und meine Angst vor zu viel körperlicher Nähe. Doch mittlerweile ging es. Wenn ich auch von Zeit zu Zeit nachts aufwachte und dann aufstand um der Wärme des Körpers neben mir zu entfliehen, um mir Luft zu schaffen. Ich ließ mich auf meine Knie nieder und bettete meinen Kopf auf meinen verschränkten Armen, die auf dem Bett ruhten. In dieser Position beobachtete ich Hiroto, wie ich es früher auch oft bei Kyo gemacht hatte. Ein mühevolles Lächeln schlich sich auf meine Lippen, wenn ich ihn so sah. Hiroto war auf bestimmte Art und Weise ein wichtiger Teil meines Lebens geworden. Ohne, dass er groß etwas hatte dafür tun müssen. In Gedanken fuhr meine Hand über das Laken. Immer wieder rief ich mir vergangene Tage vor Augen. Genoss es an meinen Bruder zu denken, an unsere einzige gemeinsame Nacht. Ich vermisste es, das musste ich mir eingestehen. Ich vermisste seine einfühlsame Art, die er zumeist nur mir gezeigt hatte. Seine Küsse und Berührungen. All das und noch Vieles mehr. Alles Erinnerungen, die tief in meinem Herzen schlummerten und wohl immer nur solche bleiben würden. Erinnerungen, welche sich nie wiederholen würden. Ich hatte alles verspielt und das aus purem Egoismus. Weil ich feige war und mich nicht meinen Gefühlen stellen wollte. Aus Angst wieder verletzt zu werden. Noch einen wichtigen Menschen in meinem Leben zu verlieren. Ich hasste mich dafür. Und obwohl mir dieser große Fehler, zwischen Kyo und mir einen Keil zu treiben, mehr als bewusst war, konnte ich nicht aufhören. Es war wie eine Sucht. Und, dass meine Freunde hinter meinem Rücken agierten, bestätigte mich nur noch darin weiter zu machen. Wem konnte ich schon noch vertrauen? Irgendwann würde sowieso der Tag kommen, wo ich allein dastand. Früher oder später würde es so sein. Es war doch so, oder? Ich musste irgendwann eingeschlafen sein. Denn als ich das nächste Mal aufwachte, lag ich auf dem Bett, zugedeckt. Hirotos weicher Geruch stieg mir in die Nase. Einen Moment ließ ich die Augen noch geschlossen, kostete jede Minute in dem warmen Bett aus. Der Traum, den ich gehabt hatte, hallte bruchstückhaft in mir nach. Wieder nur eine Erinnerung. Der Tag, als Kyo mir seine Liebe gestand. Ein wohliges Gefühl durchströmte mich, wenn ich an seine Worte dachte, doch schon kurz darauf folgte ein bitterer Nachgeschmack, was mich dazu veranlasste nun doch meine Augen zu öffnen. Die Sonnenstrahlen fielen sanft ins Zimmer, zeichneten Silhouetten von Gegenständen an die Wand. Ich lag allein im Bett, die Zimmertür war geschlossen. Ich seufzte schwer, drehte mich vom Bauch auf den Rücken, starrte die Decke an. Das Erlebnis vergangener Nacht kam mir ins Gedächtnis. „Eric.“, flüsterte ich. Warum? Wieso hatten meine Jungs das getan? Ich verstand einfach nichts mehr. Alles um mich herum schien in ein einziges Chaos zu stürzen. Und ich merkte regelrecht, wie mir die Zügel aus der Hand glitten, ich die Kontrolle über mein Leben verlor. Das konnte ich einfach nicht zulassen. Mein Blick streifte die Leuchtanzeige des Weckers. Mittag war lange durch. Dennoch fühlte ich mich gerädert, völlig unausgeschlafen und übermüdet. Ich wollte noch nicht aufstehen. Hiroto war sicher schon weg. Alice nine hatten heute ein Interview. Und das war mir in gewisser Weise ganz recht. Denn umso länger unsere Beziehung ging, je mehr spürte ich, dass er wirklich nach Antworten verlangte. Antworten, die ich ihm irgendwann geben musste. Ob ich das wollte oder nicht. Doch bis dahin würde ich alles dafür tun, um es hinaus zu zögern. Musik drang an mein Ohr. Ich war wohl doch nicht ganz so allein wie ich es angenommen hatte. Ächzend und ein Gähnen unterdrückend, fand ich letztendlich doch irgendwie den Weg aus meinem Bett. Auf dem Weg zur Tür versuchte ich zu erraten um was für Musik es sich handelte. Ich hatte da ja so eine vage Vermutung und mich wunderte es auch nicht, dass sich diese bestätigte, als ich Tür öffnete, um durch diese das Zimmer zu verlassen. Meine Schlafshirt zu Recht zupfend nahm ich den kurzen Weg über den Flur ins Wohnzimmer. Immer dem Hämmern der Boxen entgegen. Das Lied endete, als ich das Zimmer betrat und Eric auf dem Sofa erblickte. Er saß mit dem Rücken zu mir, las eines meiner Musikmagazine, weshalb er meine Anwesenheit nicht bemerkte. Einen Moment vergaß ich bei dem Anblick die Ereignisse der letzten Nacht, lauschte Kyos Stimme, die in sanften Tönen, durch die Lautsprecher, an mein Ohr drang. Lange wehrte dieser Moment jedoch nicht, denn ich blieb nicht lange unbemerkt. Erics Augen trafen auf meine, als er sich beobachtet fühlend zu mir umdrehte. „Wach?“, fragte er mich. Ich ignorierte ihn, ging auf die Anlage zu, um die Musik aus zu machen. Mir war nur allzu bewusst was mein bester Freund mit dieser Wahl eines Musikinterpreten bezwecken wollte. Aber nicht mit mir. Resignierend nahm ich die CD heraus, legte eine andere ein. Alice nine. Danach drehte ich die Musik einfach laut auf. Was Eric konnte, das konnte ich auch. Ohne einen weiteren Blick zu Eric ging ich in die Küche, um mir etwas zu Essen zu machen und dort die Post, welche auf dem Tisch lag, durchzuschauen. Alles Rechnungen. Ich seufzte, immer nur das Gleiche. Mich mit meinem verspäteten Frühstück auf einen der Stühle am Tisch nieder lassend, öffnete ich jeden einzelnen Brief, und studierte sie, eher mit mäßigem Interesse. Im Hintergrund hörte ich wie Eric die Musik leiser drehte. Kaum eine Minute später stand er im Türrahmen. „Willst du mir jetzt ewig aus dem Weg gehen?“ Ich schaute nicht auf, öffnete den nächsten Brief, faltete den Inhalt auseinander. „Toshua, das ist lächerlich und das weißt du.“ Seine Stimme klang genervt. „Würdest du mich wenigstens mal anschauen?“ „Ich sehe keinen Anlass dazu.“, antwortete ich schnippisch, ließ meinen Blick weiter auf dem Brief in meiner Hand haften. „Was ist dein Problem? Ich kann mich immer noch mit den Leuten treffen mit denen ich will.“ Eric setzte sich gegenüber von mir. „Nun komm wieder runter.“, riss er mir fast den Brief aus der Hand. „Ich bin unten, falls es dir noch nicht aufgefallen ist und nun lass mich in Ruhe.“, schaute ich ihn böse an, nahm den Brief wieder an mich. „Das werde ich ganz gewiss nicht tun. Wir werden das jetzt klären, ob es dir passt oder nicht!“, erhob er seine Stimme, was mich nun doch den Brief zur Seite legen ließ um ihn anzuschauen. „Ich weiß nicht was es da zu klären gibt. Für mich war die Sache heute Nacht eindeutig gewesen.“ „Ach, welche Sache denn?“ Er lehnte sich zurück, verschränkte abwartend seine Arme vor der Brust. So kannte ich Eric selten. Normalerweise war er immer der ruhige Part von uns beiden, ließ sich so gut wie nie aus der Ruhe bringen und hatte immer einen Rat. „Ihr heckt irgendetwas hinter meinem Rücken aus - diese Sache.“ Ich lehnte mich ebenfalls zurück, aß etwas von dem Toast, das auf dem Teller vor mir, auf dem Tisch, lag. „Du leidest unter mittelschwerer Paranoia, wie? Wir haben uns lediglich getroffen. Das heißt, eigentlich haben Toshiya und ich uns getroffen und er hat Sho mitgebracht, wovon ich vorher auch nichts wusste!“ „Sicher doch. Verarsch mich nicht, Eric! Dafür kennen wir uns einfach zu lange.“, schnaubte ich. Ich glaubte kein Wort von dem was er mir sagte. „Euer Kaffeekränzchen hättet ihr nicht um eine andere Uhrzeit abhalten können, wie?! 3 Uhr morgens!! Komischer Zufall euch dann zu treffen, wenn ich eigentlich schon schlafe. Aber weißt du was mich an der ganzen Sache am meisten stört? Nicht nur, dass es mein bester Freund ist, der mich hintergeht, nein, es musste auch unbedingt in meiner Wohnung sein!“, wurde meine Stimme lauter, überschlug sich fast. Eric blickte mich ungerührt an, was mich nur noch wütender machte. „Weißt du was, Eric? Ich habe mich noch nie in einem Menschen so getäuscht wie in dir.“ Ich stand darauf auf, stellte den halbleeren Teller auf die Arbeitsplatte, um anschließend den Raum zu verlassen. „Du bist enttäuscht von mir, ja?“, rief Eric mir nach. „Ich bin nicht nur enttäuscht von dir… ich…, ach egal.“, rief ich zurück. Ich würde ihm nicht sagen wie rasend mich das alles machte, dass ich ihn schon fast dafür hasste. Dafür hatte ich einfach zu viel Angst auch noch dieses Band der Freundschaft zu zerstören. Dass Toshiya wohl kein Wort mehr mit mir sprach, war schon Strafe genug. Auch, wenn ich tief in mir wusste, dass auch er sich wieder dazu durchringen würde. „Nichts ist egal!“, kam er mir ins Wohnzimmer hinterher. „Du willst enttäuscht von mir sein? Dann solltest du mal wissen wie enttäuscht ich von dir bin! Ich hätte niemals gedacht, dass du so eiskalt sein könntest. Du bist so was von egoistisch geworden, verletzt die Menschen um dich herum, die dich schätzen und lieben. Vielleicht kann ich hin und wieder über deine Macken hinweg sehen, aber dein Verhalten gegenüber Kyo und Toshiya ist wirklich unterste Schublade!“ Sprachlos über Erics Ausbruch, wandte ich mich ihm zu, schaltete dann die Stereoanlage aus. „Wenn du so über mich denkst, dann weiß ich nicht was du noch hier willst.“, flüsterte ich verletzt. „Toshua, mein Gott! Schau dich doch an! Was aus dir geworden ist! Ist es das was du willst? Du machst dich völlig kaputt. Der Tod deiner Mutter kann doch nicht Grund dafür sein, dass du dein Leben wegwirfst.“ „Du hast doch keine Ahnung!“ Ein Zittern ging durch meinen Körper bei dem krampfhaften Versuch nicht zu weinen. Eric hatte ja Recht, aber ich konnte einfach nicht anders. „Hey!“, sagte er unerwartet leise, kam auf mich zu, um mich einfach in die Arme zu nehmen. Aber ich stieß ihn von mir, wollte jetzt nicht angefasst werden. „Lass mich! Lass mich einfach in Frieden mein Leben leben und meine eigenen Entscheidungen treffen.“ Ich hatte das Gefühl, dass meine Stimme mir jeden Moment den Dienst versagen würde. „Okay.“, vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. „Dann akzeptiere aber auch, dass ich mich mit Toshiya und Sho treffe und somit ebenfalls meine eigenen Entscheidungen treffe.“ Mit diesen Worten ließ er mich im Wohnzimmer stehen, schnappte sich seine Jacke und Fly, um mit ihr schweigend die Wohnung zu verlassen. „Fuck!“, schrie ich laut. „Eric du kannst mich mal.“, kam es leise hinterher geflüstert. Sollte das alles der Preis dafür sein, dass ich die Beziehung zu meinem Bruder beenden wollte? War es das wirklich wert? Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts mehr, mein Kopf war plötzlich wie leer. Nur eines war mir nur zu deutlich klar, mein Leben hatte sich gerade festgefahren und alles was ich jetzt noch brauchte und suchte war der Notausgang. Die Kapuze meines Pullovers tiefer ins Gesicht ziehend, lief ich durch die Straßen. Der Regen prasselte seit Stunden auf den heißen Asphalt Tokyos, brachte nach Tagen etwas Abkühlung in diesen Hitzekessel. Ich war gerade auf den Weg nach Hause von der Arbeit. Sho hatte ich nicht gesehen, angeblich hatte er frei. Somit verbrachte ich den Arbeitstag mit Mie. Viel geredet hatten wir jedoch nicht, aber es machte mir nichts aus, denn das wär heute das Letzte gewesen auf was ich Lust gehabt hätte. Es war mir einfach viel zu viel durch den Kopf gegangen. Je mehr ich über das Gespräch zwischen Eric und mir gestern Morgen nachdachte, umso mehr bekam ich ein schlechtes Gewissen. Eric war gestern mit Fly nicht mehr nach Hause gekommen, was mich unruhig hatte schlafen lassen. Und, dass Hiroto angerufen hatte, um mir mitzuteilen, dass er erst am Mittag des nächsten Tages nach Hause kommen würde, hatte es auch nicht unbedingt besser gemacht. Aber vielleicht war es auch ganz gut so gewesen. Somit hatte ich Zeit gehabt über alles was passiert war nachzudenken. Mein Verhalten gegenüber den anderen schien mir jetzt klarer und ich verstand endlich so einiges. Am Bahnhof angekommen, stieg ich in einen der überfüllten Züge, suchte mir einen Platz, wo ich wenigstens etwas das Gefühl hatte für mich zu sein. Den nassen Pullover ausziehend, kam mir der Gedanke, dass Eric nun nur noch anderthalb Wochen hier sein würde. Die Zeit war gerannt und ich musste mir eingestehen, dass unsere gemeinsame Momente nicht gerade, toll verlaufen waren bisher. Der Großteil der miesen Stimmung war mir zu verdanken. Ich zupfte mein Shirt zurecht, nachdem ich mir den Pullover umgebunden hatte und kramte dann mein Handy heraus, um zu schauen, ob eine neue Nachricht von Hiroto drauf war. Doch nichts. Sonst hatte er sich immer gemeldet, wenn er etwas Luft bei der Arbeit hatte, aber seit seinem letzten Anruf war nichts mehr von ihm gekommen. Enttäuscht packte ich das Handy zurück. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Etwas sagte mir, dass sich zwischen Hiroto und mir etwas ändern würde, wenn er zurück war. An meiner Station angekommen, drängte ich mich durch die Massen Richtung Ausgang und war regelrecht erleichtert, als ich den Weg ans Tageslicht gefunden hatte. Es regnete noch immer in Strömen, aber diesmal zog ich mir den Pullover nicht wieder an, lief so den restlichen Weg nach Hause, ignorierte, dass meine Klamotten nahezu vollständig durchweichten. Zudem war der Weg nicht mehr allzu weit und der Regen tat dort gut, wo er auf meine Haut traf. Die Straße entlang laufend, blieb ich plötzlich stehen, als ich vor meiner Haustür Sho stehen sah. Er schien auf jemanden zu warten und mir war schon vorher klar, dass es Eric war, als er einige Sekunden später aus der Haustür zu ihm trat. Fly an seiner Seite, begrüßte Sho mit einem Schwanzwedeln. Kurz beschlich mich die Sehnsucht nach meinen Freunden. Früher war ich es gewesen, auf die Sho gewartet hatte. Nun musste ich einsehen, dass ich Platz machen musste für Eric. Überrascht hob ich eine Augenbraue, als Sho Eric zur Begrüßung küsste. Ich hatte ja scheinbar tierisch was verpasst. Die Gelegenheit nutze ich, um einfach über meinen Schatten zu springen und auf beide zu zugehen. Ich war noch nicht ganz bei ihnen, als sie mich bemerkten. Eric schaute beschämt weg, als er sich ertappt fühlte. Ich ignorierte es, erwiderte dagegen Shos Blick. Er blickte entschuldigend. Ich nickte ihnen zur Begrüßung kurz zu und drehte mich ohne weiteres zur Haustür. „Dein Vater wartet oben.“, hörte ich plötzlich Sho hinter mir sagen. Leicht zuckte ich zusammen, als ich das Wort ‚Vater’ hörte. Was wollte Koji denn von mir? Ich hatte ihn lange nicht mehr gesprochen, geschweige denn gesehen. Ich drehte mich noch mal zu den beiden Männern um, die mich wartend anblickten. „Gut.“, flüsterte ich, rief dann Fly zu mir heran, die ohne zu Zögern meinem Befehl folgte. Wenn Koji oben war, dann wollte ich jetzt nicht alleine sein. Fly würde mir genug Halt geben. Ich sah Erics enttäuschten Blick, als er merkte, dass ich meinen Hund wieder mit hochnehmen würde. Doch letztendlich warf er mir die Hundeleine zu, nuschelte noch ein: „Bis morgen Früh.“, ehe er mit Sho ins Auto stieg und wegfuhr. Danach machte ich auch endlich, dass ich aus dem Regen kam. Immer zwei Stufen gleichzeitig nehmend, ließ ich die Stockwerke hinter mir, wollte nur noch nach oben und aus meinen nassen Sachen raus. Ich schloss die Tür auf und Fly sprintete an mir vorbei ins Wohnzimmer. Währenddessen schloss ich die Tür hinter mir, zog meine Schuhe aus und schmiss die Tasche auf die kleine Kommode neben mir, um auch anschließend den Pullover auf diese fallen zu lassen. Noch ein Mal tief durchatmend, begab ich mich dann ins Wohnzimmer, wo ich meinen Vater vermutete. Überrascht ihn dort nicht aufzufinden, drehte ich mich zu Fly um, welche wartend zu mir auf schaute. „Koji?“ Bock zu suchen hatte ich nun am allerwenigsten. Kurz in die Stille horchend, hörte ich dann Schritte. Er schien aus meinem Schlafzimmer zu kommen. „Ich hätte dich früher erwartet.“, stand Koji ein paar Sekunden später in der Tür. „Was machst du bitte in meinem Schlafzimmer?“, überging ich seinen Kommentar. „Ich habe dir nur etwas von deinem Bruder hingelegt.“, blieb er gelassen. „Das hättest du nicht im Wohnzimmer machen können?“ Verdammt, das Schlafzimmer war für mich ein persönlicher Bereich, da sollte nicht jeder einfach so reinspazieren. Allein der Gedanke, dass dort die Mappe mit meinen Zeichnungen von Kyo lag. Ich wollte gar nicht weiterdenken. „Es ist besser, wenn es da liegt, glaube mir. Wie war dein Tag?“, setzte er sich auf die Couch, lehnte sich zurück und schien zu warten, dass ich es ihm gleich tat. „Was willst du hier?“, verschränkte ich dagegen meine Arme, schaute ihn wartend an. „Ich wollte dich mal wieder zu Gesicht bekommen und mit dir reden.“ Er lächelte leicht, was mich etwas aus der Bahn warf. War er gar nicht mehr sauer auf mich, obwohl ich noch immer fest davon überzeugt zu sein schien, dass ich und Kyo, dass das nie wieder was werden würde?! Ich versuchte jedoch meine Fassade nicht bröckeln zu lassen. „Gesehen hast du mich und reden will ich nicht. Du kannst also getrost wieder gehen.“ „Ich will mich nicht mit dir streiten, also wäre ich dir sehr dankbar, wenn du mir einmal, nur einmal, entgegen kommst. Denkst du mir ist es leicht gefallen hier her zu kommen?“ Ich seufzte, setzte mich auf die Couch, mit gebürtigem Abstand zu Koji. „Ich hab dich nicht gebeten zu mir zu kommen.“ „Du bist meine Tochter, auch wenn du das vielleicht im Moment nicht hören willst. Ich mache mir Sorgen um dich. Deine Entscheidung, dich von Kyo zu trennen, werde ich dennoch in Frage stellen, da wirst du mich nicht umstimmen. Dennoch hätte ich gedacht, dass du dich mal melden würdest.“ Er schaute mich unverwandt an, während er mit mir sprach. Ich erwiderte seinen Blick nicht, strich eher in Gedanken über meine nasse Hose. „Magst du mir nicht erklären, was los ist?“, rutschte Koji ein Stück näher, legte seine Hand auf meine rechte. Ich schüttelte den Kopf. Er würde mich doch sowieso nicht verstehen. Keiner tat das, nicht mal mein bester Freund. „Gestern Abend war Kyo bei mir. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber ich denke, dass du davon wissen solltest.“ Ich schaute kurz auf, als ich Kyos Namen hörte und irgendwie durchströmte mich dabei ein wohliges Gefühl. Koji ließ einen Moment der Ruhe einkehren ehe er weiter sprach. „Er wollte mir erst nicht von eurem Treffen erzählen. Letzten Endes hab ich es dann doch aus ihm heraus gezwungen. Toshua, er liebt dich noch immer über alles, egal was du ihm gesagt hast. Er war völlig aufgelöst, als er mit der Sprache rausgerückt ist. Niemals in den 29 Jahren habe ich ihn je so gesehen. Wieso gibst du euch nicht noch eine Chance?“ Kojis Daumen strich beruhigend über meinen Handrücken, bewirkte, dass ich schon fast weich wurde. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, in mein Zimmer gegangen, um mich dort einzuschließen, nur, um nicht über das hier reden zu müssen, mir nicht anhören zu müssen, wie es Kyo ging. All das ließ mich nur bereuen und dieses Gefühl mochte ich ganz und gar nicht leiden. „Ich kann nicht.“, kam es verzögert über meine Lippen. „Ist es wegen deiner Mutter?“ Ruckartig wandte sich mein Blick von meiner Hose auf Kojis tiefbraune Augen. „Was?“ „Ich weiß nicht in wieweit du ihren Tod mit alldem verbindest, aber meinst du nicht, dass gerade jetzt Kyos Nähe das Beste für dich wäre? Er könnte dir mehr Halt geben, als irgendwer anders.“ Sein Blick war einfühlsam und ehrlich. „Das ist nicht so einfach.“, wandte ich meinen Blick wieder ab, dem Regen, der sanft gegen das Fenster fiel, zu. „Ich liebe ihn, das ist mir klar, aber…“ „Du hast Angst?! Wovor?“, unterbrach Koji mich. Ein wenig war ich verwundert über die Situation, in welcher ich mich gerade befand. Noch vor ein paar Stunden war ich fest davon überzeugt gewesen, dass meine Entscheidung, die ich für mich getroffen hatte, unabwendbar war… und jetzt? Jetzt bekam ich regelrecht Zweifel allem gegenüber, sehnte mich mehr denn je nach Kyos Nähe, nach seinen schützenden Armen. „Ihn zu verlieren.“, flüsterte ich, zog meine Beine dabei an und schlang meine Arme schützend darum, musste somit Koji meine Hand entwenden. „Aber warum? Du liebst ihn doch und er dich. Kyo hätte keinen Grund dich zu verlassen.“ „Jetzt vielleicht nicht, aber irgendwann bestimmt. Wir sind Geschwister. Er wird nie das mit mir haben, was er mit einer anderen Frau haben könnte. Spätestens, wenn er das bemerkt, dann wird er mich verlassen.“ Tränen begannen in mir hoch zu kommen. Die Augen schließend, verdrängte ich sie. „Toshua, das ist nicht wahr. Meinst du nicht, Kyo sei das nicht von Anfang an bewusst gewesen? Bevor er die Beziehung angefangen hat?“ „Nein!“, rief ich plötzlich trotzig. Ich war verwirrt und wütend. Verwirrt darüber, was Koji mir erzählte und wegen meinen Gefühlen, die sich zu überschlagen schienen. Wütend, weil meine Mauer, die ich um mich herum aufgebaut hatte, zu bröckeln begann und somit meine Schwächen hervortreten ließ. Ich wollte jetzt nicht weinen, nicht vor meinem Vater. Ich wollte nicht nachgeben, einsehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Und dennoch kämpften sich die ersten Tränen hervor, liefen meine Wangen hinab. Um sie zu verbergen, versteckte ich mein Gesicht, zog meine Beine dabei noch weiter an meinen Oberkörper. Ich hörte Koji neben mir aufseufzen. „Hey!“, zog er mich unerwartet in seine Arme. Zu meiner eigenen Verwunderung, ließ ich es sogar zu, suchte regelrecht Halt. Lange saßen wir so da. Ich versuchte mein Schluchzen zu unterdrücken, mir einzureden, dass ich keinen Grund zu weinen, mir nichts vorzuwerfen, hätte. Aber es klappte nicht, es kamen dafür immer mehr Tränen. Als ich das Gefühl hatte mich einigermaßen unter Kontrolle zu haben, löste ich mich wieder von meinem Vater, setzte mich in eine aufrechte Position, bevor ich mir die letzten Spuren des Weinens vom Gesicht wischte. „Was wirst du jetzt tun?“, hörte ich Koji neben mir leise fragen. „Nichts.“ „Versprichst du mir noch mal über alles nach zu denken.“ Ich nickte, spürte, wie er mir über den Kopf strich. „Vergiss nicht, ich bin für dich da und die anderen auch. Egal wie du dich entscheidest, ich werde es letztendlich hinnehmen und hoffe, dass ich es eines Tages verstehen werde.“ Schweigen erfüllte den Raum, in dem es dunkler geworden war. Der Tag ging langsam dem Ende zu. Genauso wie unser Gespräch. Ich wusste nicht, was ich Koji noch hätte sagen sollen. Von meiner Seite aus war alles gesagt worden. Genug für einen Tag, für die nächsten Wochen. Die Nacht würde ich jetzt noch weniger schlafen können. „Okay, ich werde dann mal wieder aufbrechen.“, erhob Koji sich schließlich. Auch er schien bemerkt zu haben, dass kein tiefer gehendes Gespräch mehr folgen würde. Ich schaute zu ihm auf, als er sich vor mich stellte. „Pass auf dich auf, ja.“, umarmte er mich, küsste mich auf die Stirn. Es war das erste Mal, dass er es tat und es fühlte sich angenehm an. Eine leichte Geborgenheit durchströmte mich. Das meine Mutter mich das letzte Mal so umarmt hatte, war lange her. Ich war 15 gewesen, hatte ein Schulturnier gewonnen. Danach hatte sie es nie wieder getan, war viel zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen und schien gar nicht bemerkt zu haben, wie wir uns immer mehr voneinander entfernt hatten. Irgendwann hatte ich auch aufgehört ihre Aufmerksamkeit zu suchen, hatte versucht es zu akzeptieren. Doch was mich an allem am meisten wunderte war, dass ich sie trotz allem immer geliebt habe, egal wie oft ich ihr vorgeworfen hatte, sie sei eine schlechte Mutter. Niemals hatte ich an ihrer Liebe zu mir gezweifelt. Fühlte mich dennoch von ihr verraten und hintergangen, weil sie mir nichts von ihrer Krankheit erzählt hatte, obwohl sie schon einige Jahre an Lungenkrebs erkrankt war. Ich konnte ihr Schweigen bis jetzt nicht verstehen und würde es wohl auch niemals können. Aber ich wusste, dass ich durch ihren Tod einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren hatte und nicht bereit war diese Gefühle noch ein weiteres Mal zu erleben. Da war ich nicht besonders erpicht drauf, konnte mir weitaus besseres vorstellen, auch, wenn es hieß, mich somit von Kyo zu trennen. Das Gefühl der Trennung schien mir tausend Mal angenehmer, als einen Menschen zu Grabe tragen zu müssen. Koji löste sich wieder von mir, schritt in den Flur. Ich folgte ihm nur kurze Zeit später, schaute ihm dabei zu, wie er sich die Schnürsenkel seiner Schuhe zuband. „Melde dich mal, wenn du wieder etwas mehr Luft hast.“, kam er noch ein Mal auf mich zu. „Okay.“, flüsterte ich, hatte das Gefühl, meine Stimme würde mir jeden Augenblick versagen. Darauf wandte Koji sich von mir ab, strich Fly noch mal über den Kopf und verließ dann mit einem leichten letzten Lächeln meine Wohnung. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, gaben meine Knie nach. Körper und Seele forderten ihren Tribut, ließen sich nicht mehr kontrollieren, weshalb ich weinend zur Seite wegsackte und meinen Kummer Platz machte. ********************** hallöchen!!! diesmal kommt das neue kapi wieder schneller^^...also kein langes warten. ich muss mich mal wieder bei allen lieben lesern und kommischreibern bedanken. danke, dass ihr immer noch dabei seid und mich mit eurem feedback unterstützt. eine lieben dank auch an mantelkralle. was würde ich ohne deine tatkräftige unterstützung tun? joa, die restlichen kapitel von toshua II sind jetzt endlich fertig. also kann ich schon mal ankündigen, dass es noch 3 weitere kapitel geben wird. aber bis dahin... man liest sich, ne? baibai chingya Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)