Rosewood Manor von winterspross (Sallust Inc. Teil Drei) ================================================================================ Kapitel 1: 01 ------------- Hier findet ihr die überarbeitete Form von Rosewood Manor. Ursprünglich stammt diese Geschichte von zoeS und mir, sie wurde dann aber aus mangelndem Interesse abgebrochen. Irgendwann habe ich sie vollendet. Viel Spaß beim Lesen. ~~~~~~~ 01: Ich kenne jeden verdammten Winkel des Hauses. Ja, nach einigen Wochen finde ich mich blind zurecht, obwohl ich einige der Räume gar nicht benutze. Was soll ich mit unzähligen Dienstbotenzimmern anfangen? Sie sehen alle gleich aus und sind in meinen Augen nur als Abstellräume zu gebrauchen. Ich habe das Haus aus anderen Gründen erworben. Als ich es besichtigt habe, habe ich mich sofort in die basilikaartige Eingangshalle verliebt. Ich liebe hohe Räume. Sie lassen Platz für meine Gedanken. Ich habe also das Haus, das den schönen Namen Rosewood Manor trägt, gekauft, und bin am selben Tage noch eingezogen. Viel habe ich nicht gehabt, was ich mitnehmen konnte. Mein gesamter Besitz betrug sich damals auf eine kleine Reisetasche mit meiner gesamten Kleidung, einem Arztkoffer mit einem Sammelsurium von Medikamenten und C. Er ist wohl derjenige, der sich von uns beiden gelinde gesagt nicht so wohl in unserem neuen Zuhause fühlt. Wie fast jedes menschliche Wesen hat auch er den 'Horror vacui', das ist Abscheu vor der Leere. Als ich begonnen habe, die Eingangshalle komplett auszuräumen, konnte er es kaum fassen. Die Halle macht leer noch mehr den Eindruck, als wäre sie früher einmal eine Kirche gewesen. Und seit sie leer ist, ist es einfach grandios, in ihr zu arbeiten. Wie gesagt, C. gefällt es nicht besonders hier. Er hat sich eines der Herrenzimmer ausgesucht, das im Untergeschoß liegt und kommt nur heraus, wenn er mir bei meinen Experimenten hilft. Ich habe mein Lager in der Eingangshalle aufgeschlagen. Leere für meine Gedanken. Leere für meine Forschungen. Es ist schon spät. Ich sollte wieder an die Arbeit gehen. Am liebsten arbeite ich abends, manchmal nachts. Durch Zwielicht entsteht eine geeignete Atmosphäre. Ich schlendere durch die Eingangshalle und lasse meine Umgebung, die Leere, auf mich einwirken. Es ist ernüchternd und doch fühle ich wie die Klarheit meiner Gedanken und Sinne mich gleichzeitig berauscht. Es ist verwirrend, widersprüchlich. Aber ich habe längst beschlossen nicht weiter darüber nachzudenken und diesen Zustand auszunutzen, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Sie, das sind die Seelen von Menschen, toten Menschen. Sie reden mit mir... Obwohl, manchmal bin ich nicht sicher, ob sie wirklich zu mir und zu keinem anderen sprechen, vielleicht wollen sie gar nicht mit mir kommunizieren, müssen es aber, weil nur ich sie höre. Auf C. hingegen scheinen die Geister eine komplett andere Wirkung zu haben. An dem verstörten Blick, mit dem er mich ansieht, wenn ich fasziniert der Geschichte einer Seele lausche, die er gar nicht hören oder sehen kann, erkenne ich, dass es ihn beunruhigt, wahrscheinlich sogar ein wenig ängstigt. Ob es die Toten sind, vor denen er sich fürchtet, oder ob ich es gar bin, diese Frage vermag ich nicht zu beantworten. Eigentlich ist das auch unwichtig. Ich sollte meine Energie jetzt auf andere Dinge konzentrieren. Behutsam lasse ich die Finger über meinen wertvollen Arztkoffer gleiten, bevor ich ihn öffne und den Gegenstand meiner heutigen ‚Untersuchung’ entnehme: Es ist ein verschlossenes Reagenzglas, in dem sich ein Stück Mensch befindet. Was genau es ist, konnte mir der Bote, der es mir gestern gebracht hat, nicht sagen. Mein Zellstück war einmal eine hübsche junge Frau, bevor sie bei lebendigem Leibe mit Benzin übergossen wurde und verbrannte. Rasch wie immer muss es gehen, so lautet mein Auftrag. Ich muss herausfinde, wer die arme Frau, die laut meinen Akten Carla hieß, umgebracht hat. Ich muss lächeln. Es wird wunderbar werden, das weiß ich, denn wenn ich gleich mit ihrer Seele sprechen kann, dann werde ich mich frei fühlen. Langsam beginne ich mit den Vorbereitungen. Was genau ich hier tue, ist schwer zu erklären, wenn man mit antiquierten Begriffen arbeitet, könnte man es als moderne Alchemie bezeichnen. Ich bringe mittels komplizierter Apparate die Seele von Verstorbenen wieder in unsere Welt zurück. Früher habe ich das nur getan, weil es mich faszinierte, dass das funktioniert. Die Faszination ist geblieben, aber mittlerweile mache ich es auch, weil ich von der Polizei darum gebeten werde. Wie praktisch es doch für unsere Freunde und Helfer wäre, wenn sie das Opfer selbst zum Mord befragen könnten. Nur funktioniert das nicht. Ich bin der Einzige, mit dem sie wirklich sprechen. Und, ganz im Vertrauen, ich bin nicht gerade billig. Zuerst wollte die Polizei mich nicht für meine Arbeit bezahlen. Hohe Beamte bedrohten und erpressten mich. Sie wollten, dass ich ihnen mein Geheimnis verrate. Doch ich war unnachgiebig, ich brauchte das Geld, ich war obdachlos, und außer C. hatte ich niemanden auf der Welt. Ich sagte ihnen, dass nur ich das Seelenherbeirufen beherrschen würde, doch sie glaubten mir nicht. Nach langem Überlegen beschloss ich, dass sie es selbst ausprobieren mussten, um zu glauben. "Man könnte Seelen fast als störrische Kinder bezeichnen", sagte ich und ließ einige Leute mit meinen Apparaten alleine. Sie versuchten ihr Glück und scheiterten. Warum? Seelen wollen jemanden zum 'Spielen' haben, der ihnen vertraut ist. Ich kenne sie schon seit meiner Kindheit, ich habe sie schon immer flüstern gehört. Als ich klein war, dachten die Erwachsenen, ich würde mich mit so genannten "unsichtbaren Freunden" unterhalten, so wie es für Kinder, die nicht sehr viel Kontakt zu Altersgenossen pflegen, nicht unüblich ist. Aber das stimmt nicht, ich habe die Seelen nie als Freunde angesehen, eher als übersinnliche Wesen, die es zu erforschen und vor allem zu verstehen gilt. Ich wusste schon immer, dass es eine besondere Verbindung sein muss, die es mir ermöglicht mit ihnen zu kommunizieren, sie zu rufen. Obwohl, damals war ich noch nicht wirklich in der Lage dazu, habe nur dieses Flüstern ab und zu vernommen, die Präsenz Verstorbener, die mich von klein auf begleitet hat. Auch wenn es seltsam klingen mag, so ist es trotzdem eine Tatsache, dass ich mir all dessen schon damals bewusst war. Schon immer. Misstrauisch beäuge ich den Inhalt des Reagenzglases. Was das wohl für eine Seele sein mag? Mit einer Pinzette entnehme ich das Überbleibsel aus dem Glas, lege es in eine winzige metallisch glänzende Schüssel. Wieso ich das tue? Ganz einfach, Metall ist, da es elektrische Strömungen zu leiten vermag auch sehr empfänglich für so genannte übersinnliche Strömungen. Vom Kerzenlicht beschienen, entsteht ein schöner Glanz und die Schüssel scheint förmlich zu leuchten. Meine Apparaturen, deren genaue Funktion für Außenstehende zu erläutern zu kompliziert wäre, laufen auf Hochtouren. Ich spüre die Spannungen, die die Atmosphäre scheinbar elektrisieren und konzentriere mich darauf, die Seele, den Geist, der hier irgendwo im Raum schweben muss zu lokalisieren. Mein Kopf schmerzt, und ich spüre, wie sich alle meine Muskeln wie automatisch verspannen. Durchhalten, immer wieder hallt dieses Wort durch meinen Kopf, wie um mir Stärke zu geben. Gleich wird der Schmerz vorbeigezogen sein, das weiß ich aus Erfahrung. Zähneknirschend schließe ich die Augen, als es fast unerträglich zu werden scheint, und exakt in diesem Moment tut mein Kopf nicht mehr weh und ein neues, sanft-weiches Gefühl macht sich in mir breit. Instinktiv öffne ich meine Augen wieder und erkenne sogleich eine schemenhafte Gestalt, die anscheinend Probleme damit hat, eine konkrete Form anzunehmen. Eine sehr sensible Seele, das spüre ich. Zögerlich hebe ich meinen Arm, strecke die Hand nach der Gestalt aus und beginne mit bebenden Lippen eine Melodie zu summen. Ein Kinderlied, wer mir es beigebracht hat, weiß ich nicht mehr, aber fest steht, dass es eine beruhigende Wirkung hat – sowohl auf mich als auch auf die Geister. Auch diesmal verfehlt es seine Wirkung nicht. Langsam materialisiert sich die Seele. Es ist Carla, die junge Frau, deren Foto bei den Akten dabei gewesen ist. Doch sie hat nicht viel von ihrer ursprünglichen Schönheit behalten, ihr Gesicht ist grausam entstellt, auf ihrem zarten Köpfchen befinden sich kaum noch Haare. Sie fürchtet sich schrecklich. Obwohl sie noch kein Wort gesagt hat, bemerke ich es sofort. Denn als ich aufhöre, mein Lied zu summen, will sie wieder verschwinden. Auch dass sich die Verbrennungen bis auf ihren Astralleib übertragen haben, zeugt von der abscheulichen Angst, die sie bei ihrem Tod empfunden haben muss. Es wundert mich nicht: Bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden zählt zu den schrecklichsten Todesarten. Sterben die Opfer schnell, dann sehen ihre Seelen ihren früheren Körpern ähnlich. Einige wissen gar nicht, dass sie tot sind, die meisten sind gesprächig und erzählen bereitwillig von ihrem Leid. Aber Carla will nicht reden, sie will weg. Das lasse ich nicht zu.Ich habe einen Auftrag, ich muss herausfinden, wer sie so schrecklich zugerichtet hat, also wird sie hier bleiben. "Du gehst nicht, ich befehle es dir." Meine Stimme hat eine seltsame Wirkung auf die Frau: Sie beginnt lautlos und ohne eine Träne zu vergießen zu weinen. Ich sehe sie an und kann ihren Schmerz förmlich spüren. Da ich aus Erfahrung weiß, dass es besser so ist, beschließe ich abzuwarten, bis die Weinkrämpfe verebben und ihr Körper sich entspannt. Mit ausdruckslosen Augen sieht sie mich nun an. Sie starrt regelrecht. Und ich... Ich starre zurück, halte ihrem Blick stand. Ich weiß, dass sie in diesem Moment nicht mich ansieht, sondern ihre Qualen noch einmal durchlebt, ihren eigenen Tod zu realisieren und zu verarbeiten versucht, deshalb auch dieser leere, in sich gekehrte Blick. Dann, nach einigen Minuten in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, weicht der versteinerte Gesichtsausdruck und pure Verwirrung tritt an seine Stelle. "Ich höre zu", sage ich. Ganz simpel, ohne viele Worte will ich ihr zu verstehen geben, was mein Anliegen ist. Seelen zum Sprechen zu bringen ist wirklich ein kompliziertes Unterfangen, denn sie sind sehr fragil. Man muss einfühlsam sein und psychologisch richtig handeln, denn der kleinste Fehler könnte sie in tausend Scherben zerbrechen. Als Carla jedoch langsam ihren Mund öffnet und leise, ganz leise Worte formt, weiß ich, dass ich keine Fehler gemacht habe. ~~ Spät am Abend liege ich auf meinem Bett und starre auf einen Punkt auf der weit entfernten Decke der Säulenhalle. Es ist fast vollkommen dunkel. Licht ist teuer und ein so großes Haus wie Rosewood Manor komplett mit Strom zu versorgen ist für mich unbezahlbar. Deshalb erhellt eine Unzahl an Teelichtern den Schreibtisch, an dem C. mit dem Rücken zu mir sitzt und mit akribischer Genauigkeit und Perfektion, wie sie nur er besitzt, einen Grundriss unseres Heims zeichnet. Seine Augen glühen ob der Finsternis rötlich, das weiß ich, obwohl ich sie nicht sehen kann. Er braucht fast kein Licht, ihm reichen wie einer Katze die Sterne und der Mond, um etwas zu sehen. Ich muss lächeln. In der Nacht ist er mir so ähnlich... Dann haben wir beide rote Augen und sind den Menschen unheimlich. Am Tag kann er sich verstellen und den Normalen mimen. Ich kann das nicht. Mein unheimliches Äußeres, die schlohweißen Haare und rubinroten Augen, macht den Menschen Angst. In ihren Augen bin ich nicht normal. Jetzt aber, da es dunkel geworden ist, sind wir gleich, C. und ich. Er beschützt mich. Ich kann träumen. Langsam, als hätte er meine Gedanken gelesen, dreht er sich um und lächelt mich an. Im Schein der Kerzen glänzen seine Augen in einem strahlenden Blau. "Ich passe auf dich auf", murmelt er. Und ich werde schlafen und von ihnen träumen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)